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  • · Fachbeitrag · Wertminderung

    Aktuelle Urteile zur Wertminderung bei Vorsteuerabzugsberechtigung

    | Es hat sich zum Dauerbrenner in der Schadenrechtsprechung entwickelt: Wie wirkt sich die steuerneutrale Wertminderung beim Geschädigten, der zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, in der Vermögensbilanz aus? Darf vom Schädiger ein Betrag in Höhe der Mehrwertsteuer abgezogen werden? Mehrere Gerichte haben sich mit der Thematik beschäftigt. UE liefert ein Update. |

     

    Gerichte einig: Es gibt keine Mehrwertsteuer im Minderwert

    Es wurde in UE schon oft gesagt: Die Wertminderung ist eine umsatzsteuerneutrale Position. Denn ihr liegt kein Leistungsaustausch zugrunde, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UstG für die „Steuerbarkeit“ notwendig ist. Das AG St. Goar hat den Minderwert mit Augenzwinkern perfekt beschrieben: „Dieser ist das Ergebnis eines Kräfteaustauschs und nicht eines Leistungsaustauschs.“ (AG St. Goar, Hinweisbeschluss vom 17.05.2021 und Urteil vom 07.06.2021, Az. 31 C 294/20, Abruf-Nr. 224251).

     

    Aber das ist eben nicht das Ende der Überlegungen. Und das ist auch nicht der Ansatzpunkt der Gerichte, die „minus 19 Punkte“ urteilen. Keines der Gerichte hat „die Mehrwertsteuer“ aus der Wertminderung herausgerechnet. Es ist nämlich keine drin.

     

    Allerdings verstolpern sich manche Gerichte in den Urteilsbegründungen, sodass nach oftmals richtigem Einstieg in die Materie doch am Ende von „brutto“ und „netto“ die Rede ist.

     

    LG Münster denkt richtig, drückt es aber falsch aus

    So eiert die Berufungskammer des LG Münster in der Begründung herum, wenn sie sich einer Literaturstimme anschließt, die sagt, dass der Mehrwertsteueranteil aus der Wertminderung herausgerechnet werden müsse. Diese Aussage ist falsch. Die Wertminderung hat keinen Mehrwertsteueranteil. Richtig ist: Es geht um einen rechnerischen Betrag in Höhe der Mehrwertsteuer. Dennoch lässt der Beschluss erkennen, was das LG Münster gemeint hat (LG Münster, Beschluss vom 22.11.2021 i. V. m. Beschluss vom 22.12.2021, Az. 03 S 24/21, Abruf-Nr. 226754).

     

    AG Cham stellt auf Vermögensbilanz ab, spricht aber von Mehrwertsteuer

    Wenn der zum Vorsteuerabzug berechtigte Geschädigte sein Fahrzeug (gedacht) um den Wertminderungsbetrag weniger verkauft, muss er aus diesem Betrag keine Mehrwertsteuer an den Fiskus abführen. Oder umgekehrt: Ohne den Unfall wäre das Fahrzeug um den nun reduzierten Betrag teurer verkauft worden. Aus dem Mehrertrag hätte die Mehrwertsteuer abgeführt werden müssen. Ob man so herum rechnet oder so herum, die Wertminderung wirkt sich um die 19 Punkte weniger aus. Da es im Schadenrecht auf die Vermögensbilanz ankommt, ist die Reduzierung der Wertminderung um rechnerische 19 Punkte (nota bene: nicht um die Mehrwertsteuer, sondern um einen Betrag in Höhe der MwSt) wohl richtig.

     

    Genauso ‒ und auch mit der üblichen Schwäche „Mehrwertsteueranteil“ in der Begründung ‒ hat es das AG Cham entschieden. Dabei rechnet es die Auswirkungen im Vermögen eines zum Vorsteuerabzug Berechtigten nachvollziehbar vor. Bezogen auf einen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Geschädigten beginnt die Passage so: „Dieser müsste zum Erwerb eines vergleichbaren Fahrzeugs ohne Beschädigung einen Betrag von 28.950 Euro inklusive Mehrwertsteuer zahlen. Für das verunfallte Fahrzeug hätte er dagegen nur einen Betrag von 28.000 Euro inklusive Mehrwertsteuer aufzubringen.“

     

    Dann kommt der Vergleich mit dem zum Vorsteuerabzug Berechtigten: „Da der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, müsste er zum Erwerb des Fahrzeugs ohne das Unfallereignis nur den Nettobetrag in Höhe von 24.318 Euro aufbringen, bzw. 23.520 Euro nach dem Unfallereignis. Dementsprechend ergibt sich für ihn nur ein Wertverlust in Höhe von 798 Euro.“

     

    Da ist bei der Reduzierung um die rechnerischen 19 Punkte zwar ein kleiner Rechenfehler enthalten, davon abgesehen ist das Ergebnis nachvollziehbar.

     

    Man kann das nun auch umdrehen, und das ist der zutreffendere Blickwinkel: Der Geschädigte verkauft sein Auto für brutto 28.950 Euro oder eben nach dem Unfall für brutto 28.000 Euro. Nach Abführung der Mehrwertsteuer aus dem Verkaufspreis bleiben ihm (den Rechenfehler ignoriert) die 24.318 Euro im ersten Fall und die 23.520 Euro im zweiten Fall (AG Cham, Urteil vom 06.12.2021, Az. 8 C 617/21, Abruf-Nr. 226765). Die Differenz ist nur 798 Euro.

    AG Coburg und AG Haßfurt: Wertminderung ohne Abzug

    Da AG Coburg hat jüngst gegen den Abzug entschieden, das AG Haßfurt auch (AG Coburg, Urteil vom 07.09.2021, 17 C 1661/21, Abruf-Nr. 226766; AG Haßfurt, Urteil vom 24.11.2021, Az. 1 C 195/21, Abruf-Nr. 226387, eingesandt von Rechtsanwalt Steffen Vogel, Haßfurt). Beide Gerichte stellen schlicht und zutreffend fest, dass die Wertminderung steuerneutral ist. Die weitere Frage hat der Anwalt des Versicherers offenbar gar nicht aufgeworfen.

     

    Das AG Haßfurt bezieht sich auf eine Entscheidung des BGH, die aus dem Leasingrecht stammt und die Frage behandelt, ob der Leasinggeber auf den leasingrechtlichen Minderwert Mehrwertsteuer aufschlagen darf. Das darf er selbstverständlich nicht, weil kein Leistungsaustausch stattfindet. Insoweit ist die Bezugnahme auch richtig. Für die Frage der schadenrechtlichen Vermögensbilanz gibt das Urteil aber nichts her.

     

    Wichtig | Man kann sich auf diese Urteile stützen, aber das Prozesskostenrisiko ist groß.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 02 / 2022 | Seite 7 | ID 47916340