· Fachbeitrag · Haftung
BGH konkretisiert Anforderungen an Aufklärung und Beratung durch Versicherungsmakler
von Holger Sassenbach, Brase & Collegen AG, München
| Aufklärung und Beratung sind das A und O der Maklertätigkeit. Der Makler muss eine geeignete Entscheidungsgrundlage für eine sach- und interessengerechte Entscheidung liefern. Das betont der BGH in seinem Urteil vom 10.03.2016, in dem es um den Deckungsschutz in einer Betriebsunterbrechungsversicherung ging. Was er damit meint und was das für die Praxis heißt, zeigt der folgende Beitrag. |
Schutz in Betriebsunterbrechungsversicherung unzureichend
Eine Gesellschaft, die Teil einer Unternehmensgruppe ist und Aerosole für die kosmetische Industrie herstellt, schloss Ende 2006 einen Maklervertrag mit einem Versicherungsmakler. Sie beauftragte ihn, den bestehenden Versicherungsschutz von insgesamt 15 Gesellschaften aus der Unternehmensgruppe zu prüfen und zu verbessern, insbesondere im Hinblick auf die Risikoabdeckung und die Prämienhöhe.
Die Prüfung führte zu einem Wechsel des Risikoträgers bei der Betriebsunterbrechungsversicherung ab Januar 2007. Diese Versicherung deckte nach dem Wechsel die Risiken Feuer, Sturm und Hagel ab, nicht aber die Leckage der Sprinkleranlage.
Im September 2007 kam es zu einem Fehlalarm bei der Gesellschaft. Infolge dessen wurde die Sprinkleranlage aktiviert und die Halle mit Lösch-Schaum gefüllt. Der Schaden belief sich auf mehr als 10 Mio. Euro. Weil dafür kein Versicherungsschutz bestand, nahm die Gesellschaft den Versicherungsmakler in Anspruch.
Das LG Freiburg und das OLG Karlsruhe haben die Schadenersatzklage der Gesellschaft gegen den Makler abgewiesen. Der BGH hat das Urteil aufgehoben und das Verfahren an die Karlsruher Richter zurückverwiesen (BGH, Urteil vom 10.03.2016, Az. I ZR 147/14, Abruf-Nr. 188080).
Behauptungen und Beweise für Pflicht und deren Verletzung
Bei der Schadenersatzklage ging es um zwei Dinge: Welche Pflichten hat der Makler? Und wer muss was beweisen?
Primäre Darlegungs- und Beweislast des Kunden
Der BGH bestätigt, dass derjenige, der vom Versicherungsmakler Schadenersatz verlangt, nachweisen muss, dass der Makler seine Beratungspflicht verletzt hat. Wer sich also auf eine Pflichtverletzung beruft, muss zunächst eine konkrete Pflicht aus dem Maklervertrag nachweisen, die verletzt worden sein soll.
Sekundäre Darlegungslast des Maklers zu pflichtgemäßer Beratung
Im Urteilsfall stand zunächst Aussage gegen Aussage: Die Gesellschaft hatte behauptet, dass ein umfassender Versicherungsschutz gegen alle Risiken gewünscht war, den der Versicherungsmakler nicht besorgt habe. Der Versicherungsmakler hatte dagegen behauptet, auf die Lücken in der Betriebsunterbrechungsversicherung hingewiesen zu haben und eine Absicherung aller Unternehmen gegen alle Risiken empfohlen zu haben. Der Geschäftsführer der Gesellschaft habe sich aber aus Kostengründen gegen eine Ausweitung auf alle Risiken entschieden.
Bleibt offen, ob der Versicherungsschutz tatsächlich auf alle Risiken in der Betriebsunterbrechung erstreckt werden sollte, kann - so der BGH - der Beweis einer Pflicht und deren Verletzung nicht geführt werden.
Wenn aber die Pflicht des Maklers und somit erst recht deren Verletzung offen bleibt, hätte die Klage abgewiesen werden müssen - so wie es das LG Freiburg und das OLG Karlsruhe auch gemacht haben. Das gilt aber nur, wenn der Makler auch ordnungsgemäß aufgeklärt und beraten hat, so der BGH.
Denn den Makler treffen neben der Interessenwahrnehmungs- auch die Aufklärungs- und Beratungspflicht. Der Umfang letzterer richtet sich nach dem Bedarf des Versicherungsnehmers. Die pflichtgemäße Beratung besteht darin, den Versicherungsnehmer auf die sach- und interessengerechte Versicherung hinzuweisen und ihn über die aufzuwendenden Kosten zu informieren - und das alles am konkreten Bedarf des Versicherungsnehmers orientiert.
PRAXISHINWEISE |
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BGH konkretisiert Berufsbild des Versicherungsmaklers
Der BGH bestätigt und konkretisiert mit dieser Entscheidung einmal mehr das Berufsbild und die Pflichten des Versicherungsmaklers. Er
- ist Interessenvertreter des Versicherungsnehmers, dessen (Versicherungs-)Geschäfte er besorgt, und somit treuhänderischer Sachwalter;
- muss Versicherungsschutz besorgen, der individuell und für das betreffende Risiko passend ist, und das oft kurzfristig;
- muss von sich aus das betreffende Risiko untersuchen;
- muss den Versicherungsnehmer über alle Zwischen- und Endergebnisse der Bemühungen informieren, das aufgegebene Risiko zu platzieren - und das ständig, unverzüglich und ungefragt.
- muss im Anschluss an die Platzierung die versicherungstechnische Betreuung übernehmen, indem er Hinweise für die risikogerechte Anpassung des vermittelten Vertrags erteilt, das versicherte Risiko überwacht und bei Risikoveränderungen ungefragt hinweist und auf eine Anpassung des Versicherungsschutzes hinwirkt;
- muss den Versicherungsnehmer fortlaufend betreuen und ständig umgehend und unaufgefordert prüfen, ob der bestehende Vertrag den Bedürfnissen des Versicherungsnehmers entspricht.
Konsequenzen für Ihre Tätigkeit
Die Lehren aus dem Urteil für Ihre Beratung: Stellen Sie sich stets folgende Fragen und erörtern Sie sie zusammen mit dem Versicherungsnehmer:
- Welche Risiken will der Versicherungsnehmer abdecken?
- Wie kann die effektivste Deckung erreicht werden?
- Bei welchem Risikoträger kann die Absicherung vorgenommen werden?
- Zu welcher Prämienhöhe ist welche Risikoabdeckung erhältlich?
PRAXISHINWEISE |
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Die Entscheidung verdeutlicht auch das Spätschadenrisiko in der Vermögensschaden-Haftpflicht: Das mögliche Versehen stammt aus der Umdeckung im Januar 2007. Deswegen würde der Berufshaftpflichtversicherer des Maklers nach der Versicherungssumme aus 2007 regulieren. Aus dem Grund sollten Sie die Versicherungssumme aus der Berufshaftpflichtversicherung von Zeit zu Zeit überprüfen. Die Erhöhung der Versicherungssumme gilt nicht automatisch für die Vergangenheit. Das muss extra vereinbart werden.