· Fachbeitrag · Versicherungsrecht
Versicherer müssen einem Makler Ersatzurkunde und Abschriften zur Verfügung stellen
| In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage: Muss der Versicherer einem Versicherungsmakler Abschriften zur Verfügung stellen? Ja, lautet die Antwort. WVM erläutert, warum das so ist und welche Ansprüche damit verbunden sind. |
Recht auf Ersatzurkunde und Abschriften
Der Versicherungsnehmer kann jederzeit eine Ersatzurkunde des Versicherungsscheins sowie Abschriften der Erklärungen fordern, die er „mit Bezug auf den Vertrag“ abgegeben hat (§ 3 Abs. 3 und 4 VVG).
Bevollmächtigung des Versicherungsmaklers
Der Versicherungsnehmer kann auch einen Versicherungsmakler bevollmächtigen, die Unterlagen anzufordern. Hier gelten die allgemeinen Grundsätze des BGB über die Bevollmächtigung (§§ 164 ff. BGB).
In der Praxis läuft das so ab: Der Makler lässt sich in der Maklervollmacht vom Kunden bevollmächtigen, Erklärungen zu Versicherungsverträgen abzugeben und entgegenzunehmen. Die Vollmacht umfasst damit auch das Recht des Maklers, die in § 3 VVG genannten Unterlagen zu fordern.
Vorliegen einer Maklervollmacht beim Versicherer
Liegt dem Versicherer eine gültige Maklervollmacht vor, kann er sich nicht darauf berufen, dass § 3 VVG nur in Bezug auf den Versicherungsnehmer gilt. Denn die Forderung des bevollmächtigten Versicherungsmaklers zur Überlassung der begehrten Unterlagen wirkt unmittelbar für den Versicherungsnehmer (§ 164 Abs. 1 BGB).
Akzeptiert der Versicherer die Vollmacht nicht, z. B. weil keine Original-Vollmacht vorgelegt wurde, muss er sie unverzüglich als unwirksam zurückweisen (§ 174 BGB). Tut er das nicht, ist die Vollmacht wirksam. § 174 BGB gilt für alle einseitig empfangsbedürftigen Rechtsgeschäfte, wie z. B. Kündigung und Widerruf. Sie ist ferner analog anwendbar auf geschäftsähnliche Handlungen (Palandt, BGB, 78. Aufl., München 2019, § 174, Rz. 2). Dazu gehört auch das Verlangen nach § 3 Abs. 3 und 4 VVG.
Hemmung bei fristgebundenen Handlungen
Braucht der Makler die Abschriften vom Versicherer, um dem Versicherer gegenüber fristgebundene Handlungen vorzunehmen, z. B. Vertragsannahme, Kündigung oder Widerruf nach § 8 VVG, gilt:
- Der Lauf der Frist ist in der Zeit vom Verlangen der Abschriften bis zu deren Eingang gehemmt (§ 3 Abs. 4 S. 2 VVG).
- Verzögert der Versicherer die Überlassung der geforderten Abschriften, geht das nicht zulasten des Versicherungsnehmers.
Wichtig | Die Hemmung tritt aber nur ein, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer bzw. Versicherungsmakler die Abschriften nicht schon früher einmal ausgehändigt hat.
Das bedeutet: Der Versicherungsnehmer bzw. Makler kann die Abschriften zwar jederzeit fordern. Das Verlangen, die Abschriften auszuhändigen, hat aber nur einmal die hemmende Wirkung. Das gilt selbst dann, wenn der Versicherungsnehmer die Unterlagen verloren oder verlegt hat.
Folgen von Verzögerungen
Die Folgen von Verzögerungen richten sich danach, ob die Unterlagen erstmalig angefordert wurden:
- Überlässt der Versicherer dem Versicherungsnehmer bzw. Makler die erstmalig angeforderten Abschriften nicht oder nur verspätet, muss er dem Versicherungsnehmer die Nachteile ausgleichen, die dieser dadurch erleidet.
- Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bzw. Makler die Abschriften auf Verlangen schon einmal zur Verfügung gestellt, ist es anders: Da entscheidet der Einzelfall, ob dem Versicherer überhaupt eine Pflichtverletzung vorgehalten werden kann, die Schadenersatzansprüche begründet.
Aus der Verletzung von § 3 VVG kann keine Pflichtverletzung hergeleitet werden. Hier müssen weitere Umstände hinzu kommen, die eine Pflichtverletzung und damit Schadenersatzansprüche des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer begründen (§§ 280, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB). Das wäre z. B. der Fall, wenn der Versicherer zusagt, Abschriften zur Vornahme fristgebundener Handlungen erneut zuzusenden, diese Zusage dann aber nicht einhält.
Die Kosten trägt der Versicherungsnehmer
Der Versicherungsnehmer muss die Kosten der Ersatzurkunde sowie der Abschriften tragen. Auf Verlangen muss er die Kosten sogar vorschießen (§ 3 Abs. 5 VVG).
Unterlässt es der Versicherungsnehmer bzw. Versicherungsmakler, die Kosten der Abschriften trotz Verlangens vorzuschießen, so ist die dadurch eintretende Verzögerung der Aushändigung nicht in die Zeit der Hemmung einzurechnen (§ 242 BGB). In diesem Fall hat der Versicherer einen Fristablauf nicht zu vertreten.