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· Fachbeitrag · Krankenversicherung

Aktuelle Gesetzesänderungen in der privaten Krankenversicherung

von Dr. Jan Boetius, München

| Seit 1. Januar 2008 ist das neue VVG in Kraft. Es hatte für die private Krankenversicherung zahlreiche Neuerungen gebracht, die sich insgesamt bewährt haben. Einige Vorschriften haben sich in der Praxis jedoch als streitanfällig oder klärungsbedürftig erwiesen. Der Bundestag hat daher am 31. Januar 2013 das Gesetz zur Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften (Abruf-Nr. 130553 ) beschlossen. Dies soll den Versicherungsschutz für die Kunden der privaten Krankenversicherung weiter verbessern. Ein Überblick bringt Sie auf den aktuellen Stand. |

Umstellung in den Basistarif ohne Selbstbehalt

Seit 1. Januar 2009 müssen alle privaten Krankenversicherer den neuen Basistarif anbieten, dessen Beiträge einheitlich kalkuliert werden. Die Höhe des Beitrags hängt vom Eintrittsalter ab, der sich prinzipiell ermäßigt, wenn der Versicherungsnehmer (VN) einen Selbstbehalt von 300, 600, 900 oder 1.200 Euro jährlich wählt. Der Beitrag darf in keinem Fall den GKV-Höchstbeitrag von zurzeit monatlich 610,31 Euro übersteigen.

 

Hatte der VN einen Selbstbehalt vereinbart, war er hieran drei Jahre gebunden (Mindestbindungsfrist). Damit sollte verhindert werden, dass der VN seinen Versicherungsschutz zulasten der Versichertengemeinschaft beliebig optimiert, indem er zum Beispiel kurz vor einer teuren Krankenhausbehandlung in den Basistarif ohne Selbstbehalt wechselt.

 

Die Mindestbindungsfrist ging vom Normalfall aus, dass die Beiträge in den Selbstbehaltsstufen stets niedriger sind als der Beitrag ohne Selbstbehalt. Das ist jedoch nicht immer der Fall. Vor allem bei älteren Versicherten können auch die Beiträge mit Selbstbehalt im Laufe der Zeit so ansteigen, dass sie durch den GKV-Höchstbeitrag begrenzt werden müssen. Dann hat der VN mit der Vereinbarung des Selbstbehalts keinen Beitragsvorteil mehr. Die dreijährige Bindung an den Selbstbehalt erscheint in diesen Fällen ungereimt.

 

Wichtig | Diese Ungereimtheit wird beseitigt, indem der VN künftig jederzeit die Umstellung des Vertrags in den Basistarif ohne Selbstbehalt verlangen kann, wenn der Selbstbehalt nicht zu einer angemessenen Prämienreduzierung führt. Wann eine Prämienreduzierung angemessen ist, sagt das Gesetz nicht. Es muss jedoch mehr als nur ein Minimalbetrag sein. Eine Reduzierung um 2 bis 3 Prozent dürfte noch angemessen sein.

 

  • Beispiele
  • Fall 1: Der VN zahlt für den Basistarif mit 300 Euro Selbstbehalt den GKV-Höchstbeitrag von 610,31 Euro. Er kann die Umstellung in den Basistarif ohne Selbstbehalt verlangen, der gleichfalls 610,31 Euro kostet.
  • Fall 2: Der VN zahlt für den Basistarif mit 300 Euro Selbstbehalt 605,30 Euro. Sein Beitrag ohne Selbstbehalt wäre auf den GKV-Höchstbeitrag von 610,31 Euro begrenzt. Er kann die Umstellung in den Basistarif ohne Selbstbehalt verlangen, weil die Prämienreduzierung mit 0,8 Prozent nur minimal und damit nicht angemessen ist.
  • Fall 3: Der VN zahlt für den Basistarif mit 600 Euro Selbstbehalt 545,70 Euro. Die Beiträge für 300 Euro Selbstbehalt und ohne Selbstbehalt entsprechen dem Fall 2. Der VN kann keine Umstellung in den Basistarif ohne Selbstbehalt verlangen, weil die Prämienreduzierung infolge des Selbstbehalts 10,6 Prozent beträgt und damit angemessen ist.

Kein Tarifwechsel aus Unisex-Tarifen in Bisex-Tarife

Das allgemein geltende Tarifwechselrecht (§ 204 VVG) erlaubt den Wechsel in jeden anderen Tarif mit gleichartigem Versicherungsschutz. Damit könnten VN aus einem geschlechtsunabhängig kalkulierten Unisex- auch wieder in einen Bisex-Tarif wechseln, was insbesondere für Männer interessant sein könnte. Das würde aber die Zielsetzung des EuGH-Urteils zu Unisex-Tarifen konterkarieren und die Kalkulation der Unisex-Tarife erschweren. Das neue Gesetz verbietet daher einen Tarifwechsel aus Unisex-Tarifen in Bisex-Tarife.

Tarifwechsel für befristete Krankentagegeldversicherungen

Das Tarifwechselrecht galt bisher nicht für befristete Versicherungsverhältnisse (§ 204 Abs. 3 VVG). Damit waren in erster Linie die ohne Alterungsrückstellung kalkulierten Ausbildungs-, Auslands-, Reise und Restschuldversicherungen nach § 195 Abs. 2 VVG gemeint. Seit der VVG-Reform 2008 können aber auch Krankentagegeldversicherungen zum Ende des 65. Lebensjahres und damit befristet abgeschlossen werden. Es bestanden nun Zweifel, ob diese gleichfalls vom Tarifwechsel ausgeschlossen werden sollten. Das neue Gesetz stellt klar, dass das Tarifwechselrecht auch für befristete Krankentagegeldversicherungen gilt.

Erweiterte Auskunftsansprüche des Versicherungsnehmers

Steht der VN vor einer kostenträchtigen Heilbehandlung, wird er häufig wissen wollen, mit welcher Erstattung seines Krankenversicherers er rechnen kann. Schon bisher haben die Versicherer auf Anfrage entsprechende Kostenübernahmeerklärungen abgegeben. Bei Zahnbehandlungen werden grundsätzlich vorher Heil- und Kostenpläne dem Versicherer vorgelegt.

 

Das neue Gesetz räumt dem VN jetzt einen förmlichen Rechtsanspruch auf Auskunft über den Umfang des Versicherungsschutzes für eine beabsichtigte Heilbehandlung ein (§ 192 Abs. 8 VVG). Voraussetzung hierfür ist, dass die Kosten der Heilbehandlung voraussichtlich 2.000 Euro überschreiten. Der VN muss plausibel darlegen, dass dies der Fall ist. Geeignet ist in jedem Fall ein Heil- und Kostenplan des behandelnden Arztes.

 

Der Versicherer muss die Auskunft innerhalb von vier Wochen erteilen, in dringenden Fällen nach zwei Wochen. Die Dringlichkeit der Heilbehandlung muss der VN darlegen. Antwortet der Versicherer nicht innerhalb der Frist, greifen zu seinem Nachteil Sanktionen. Dann wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass die beabsichtigte Heilbehandlung medizinisch notwendig ist. Der VN sollte sich damit aber nicht in Sicherheit wiegen. Denn der Versicherer verliert nicht seine grundsätzlichen Rechtspositionen.

 

  • Grundlage für die Kostenerstattung bleibt der versicherte Tarif. Wenn danach bestimmte medizinische Leistungen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen oder tariflich begrenzt sind, gilt dies unverändert fort.

 

  • Der Versicherer kann die Leistung unverändert verweigern, wenn er nachweist, dass die beabsichtigte und durchgeführte Behandlung medizinisch nicht notwendig war. Diesen Beweis wird er in Zweifelsfällen führen können, weil die Gerichte die Frage der medizinischen Notwendigkeit schon bisher stets aufgrund von Sachverständigengutachten entschieden haben.

 

  • Der Versicherer kann sich weiter auf das Übermaßverbot berufen: Stehen die ärztlichen Vergütungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen, braucht der Versicherer insoweit nicht zu leisten (§ 192 Abs. 2 VVG).

Einsichtnahme in ärztliche Gutachten

Der VN konnte nach § 202 VVG schon bisher Einsicht in ärztliche Gutachten und Stellungnahmen verlangen, allerdings nur in der Form, dass er einen Arzt oder Rechtsanwalt benennen musste, dem die Einsicht zu geben war. Das neue Gesetz räumt dem VN nun das Recht zur eigenen Einsichtnahme ein.

Kündigung des Versicherungsvertrags durch den VN

Bei einer Prämienerhöhung durch den Versicherer kann der VN den Vertrag kündigen. Für die Kündigung musste der VN bisher eine Frist von einem Monat einhalten (§ 205 Abs. 4 VVG). Das neue Gesetz verlängert diese Kündigungsfrist auf zwei Monate, um dem VN mehr Zeit für den Abschluss der Nachversicherung bei einem anderen Versicherer zu geben.

 

Kündigt der VN eine Krankheitskosten-Vollversicherung, zu deren Abschluss er nach § 193 Abs. 3 VVG verpflichtet war, muss er dem Versicherer den Abschluss des neuen Vertrags bei einem anderen Versicherer nachweisen. Ohne diesen Nachweis wird die Kündigung nicht wirksam (§ 205 Abs. 6 VVG). Das neue Gesetz führt für diesen Nachweis nun eine Frist von zwei Monaten ein. Wenn der VN den Nachweis nicht innerhalb dieser Frist erbringt, ist die Kündigung endgültig unwirksam. Reicht der Termin, zu dem gekündigt wurde, über zwei Monate hinaus, muss der Nachweis erst bis zu diesem Termin erbracht werden.

 

PRAXISHINWEIS | Das Gesetz wird in Kraft treten, wenn der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt hat und es anschließend im Bundesgesetzblatt verkündet wird. Damit ist frühestens im März 2013 zu rechnen.

 
Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 9 | ID 38071370