· Fachbeitrag · Bilanz
Neue Entwicklungen bei der Bildung von Rückstellungen für die Vertragsnachbetreuung - Teil I
von Dipl. Finanzwirt (FH), Steuerberater Daniel Scherf, Gesellschafter der Steuerkanzlei Scherf, Wirth und Zobel, Bamberg
| Der BFH hat in mehreren Urteilen entschieden, dass ein Versicherungsvertreter für die Pflicht zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen eine Rückstellung bilden muss. Die Situation der Versicherungsmakler wurde in diesen Urteilen bislang nicht gewürdigt. „WVM“ wird dieses Thema daher in einer zweiteiligen Beitragsreihe vertiefen. In dieser Ausgabe erhalten Sie Antwort auf die Frage, wann eine Rückstellung gebildet werden darf. |
Zweistufige Prüfung
Die Finanzämter und die Finanzgerichte (FG) nehmen bei der Prüfung, ob eine Rückstellung für die Betreuung bereits abgeschlossener Versicherungsverträge zu bilden ist, eine zweistufige Prüfung vor:
- Zunächst muss geprüft werden, ob eine Rückstellung dem Grunde nach gebildet werden darf.
- Im nächsten Schritt muss dann die Frage nach der richtigen Höhe beantwortet werden.
Ein Erfüllungsrückstand muss bestehen
Die Erfahrungen zeigen: Oft scheitert die Bildung einer Rückstellung bereits „dem Grunde nach“, weil kein Erfüllungsrückstand vorliegt. Für einen solchen Erfüllungsrückstand müssen Sie nämlich zwei Voraussetzungen erfüllen:
- 1.Sie müssen gesetzlich oder vertraglich verpflichtet sein, die vermittelten Versicherungsverträge zu betreuen.
- 2.Die Courtage muss Ihnen auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags gezahlt worden sein.
Pflicht zur Betreuung der Verträge
Aus den Vorschriften des HGB ergibt sich keinegesetzliche Verpflichtung zur Kundenbetreuung. Eine gesetzliche Pflicht ergibt sich auch nicht aus § 34c oder § 34d GewO. Diese Vorschriften regeln nur die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis, aber nicht die Aufgaben und Pflichten, die Sie gegenüber den Versicherungsnehmern (VN) haben (FG Hamburg, Urteil vom 6.9.2012, Az. 2 K 90/12; Abruf-Nr. 130081).
Wichtig | Da keine gesetzliche Pflicht zur Betreuung der abgeschlossenen Versicherungsverträge besteht, ist eine inhaltlich eindeutige Individualvereinbarung erforderlich, die eine Pflicht zur Nachbetreuung festlegt.
Wie eine solche Regelung ausformuliert sein muss, war Gegenstand von zwei Verfahren vor dem FG Münster und dem FG Hamburg.
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Vertragstext: „Der Versicherungsmakler übernimmt für den Auftraggeber in erster Linie die Vermittlung von Versicherungsverträgen zu günstigen Bedingungen und Prämien. Daneben erfolgt im Interesse des Auftraggebers die Verwaltung und Betreuung bestehender Versicherungsverträge sowie der durch den Makler vermittelten Versicherungsverträge.” |
Diese Formulierung erkannte das FG Münster als hinreichend individualvertraglich vereinbarte Nachbetreuungspflicht an (FG Münster, Urteil vom 2.12.2008, Az. 9 K 4216/07 K; Abruf-Nr. 090694). Das FG entschied, dass es in rechtlicher Hinsicht für die Annahme eines Erfüllungsrückstands nicht schädlich sei, dass die Betreuungspflicht im Verhältnis zwischen Ihnen und dem VN besteht, aber Sie die Abschlussprovision vom Versicherer erhalten. Maßgebend für die Bildung ist das Bestehen einer Rechtspflicht (hier: Nachbetreuung), aus der künftige Aufwendungen erwachsen, unabhängig davon, ob aus demselben Rechtsverhältnis auch die Provision bezogen wird.
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Vertragstext: „Alle Kunden, die der Consultant im Rahmen seiner A-Tätigkeit gewinnt oder übertragen bekommt, sind Kunden von A und ihm lediglich zu Beratung und Betreuung anvertraut.“ |
Das FG Hamburg hat hier die Passivierung einer Rückstellung mangels Erfüllungsrückstands abgelehnt, weil weder eine gesetzliche noch eine vertragliche Pflicht zur Betreuung der vermittelten Verträge bestand (FG Hamburg, Urteil vom 6.9.2012, Az. 2 K 90/12; Abruf-Nr. 130081).
Das FG begründete seine Entscheidung wie folgt:
- Der Vertrag mit der Gesellschaft reicht nicht aus, weil er neben der obigen Klausel keine konkrete Pflicht des Maklers gegenüber dem VN enthielt.
- Die Regelung, dass die Leistungen des Maklers durch die gezahlten Courtagen abgegolten werden und deshalb dem VN keine zusätzlichen Kosten entstehen, begründet keine Betreuungspflichten.
- Der bloße Anspruch eines Versicherers - eine gute und umfassende Kundenbetreuung zu gewährleisten - die sie nach ihren Leitlinien oder der Präambel an ihre Makler weitergibt, löst keine vertragliche Verpflichtung zur Nachbetreuung aus.
Wichtig | Gegen das Urteil FG Hamburg ist beim BFH Nichtzulassungsbeschwerde unter dem Aktenzeichen X B 209/12 eingelegt worden. Sollte diese Erfolg haben, hat der BFH in der Revision Gelegenheit, sich zum Bestehen einer gesetzlichen Verpflichtung zur Betreuung der Versicherungsverträge für Versicherungsmakler zu äußern.
PRAXISHINWEIS | Damit die Passivierung einer Rückstellung zulässig ist,sollten Sie als Makler in Ihrem Maklervertrag konkrete Pflichten gegenüber dem VN bestimmen. Zu nennen wären beispielsweise:
Eine Individualvereinbarung - die den Anforderungen des FG ebenfalls gerecht werden würde - könnte sich aus folgenden Formulierungen ergeben:
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Abschlusscourtage auch für Bestandspflege
Zweite Voraussetzung für einen Erfüllungsrückstand ist, dass Sie die Abschlusscourtage auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags erhalten haben (BFH, Urteil vom 19.7.2011, Az. X R 26/10; Abruf-Nr. 113419). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn Sie nur eine Abschluss- und keine Betreuungs-Courtage erhalten haben.
Wichtig | Wenn Sie zwar eine Betreuungs-Courtage erhalten haben, diese jedoch nicht ausreicht, um Ihren Aufwand abzudecken, gilt: Sie müssen anhand der vertraglichen Regelungen prüfen, ob ein Verpflichtungsüberhang besteht. Allein mit der Begründung, die gewährte Betreuungs-Courtage sei nicht kostendeckend, kann kein Erfüllungsrückstand angenommen werden.
Weiterführende Hinweise
- Teil II zur Ermittlung der Höhe der Rückstellung finden Sie in der Dezember-Ausgabe.
- Beitrag „BFH konkretisiert Anforderungen an die Rückstellungsbildung für die Vertragsnachbetreuung“, WVM 11/2011, Seite 7