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· Fachbeitrag · Mindestlohn

Vergütung von Mitarbeitern im Maklerbüro: Sind Provisionen auf den Mindestlohn anzurechnen?

von Rechtsanwalt Mathias Effenberger, Anwaltskanzlei Küstner, v. Manteuffel & Wurdack, Göttingen

| Rund um die Vergütung von Mitarbeitern im Maklerunternehmen taucht regelmäßig die Frage auf, ob und, wenn ja, wie Provisionen auf den Mindestlohn angerechnet werden. Lesen Sie nachfolgend die Antwort. |

Der Mindestlohnanspruch

Seit dem 01.01.2015 gilt auf Basis des Mindestlohngesetzes (MiLoG) ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn für Arbeitnehmer. Er wird von Zeit zu Zeit angepasst und beträgt aktuell 8,84 Euro brutto je Zeitstunde.

 

Der Mindestlohnanspruch ist ein gesetzlicher Anspruch. Er tritt eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch. Der Arbeitgeber erfüllt den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der in diesem Monat geleisteten Arbeitsstunden mit 8,84 Euro ergibt (z. B. BAG, Urteil vom 21.12.2016, Az. 5 AZR 374/16, Abruf-Nr. 194192).

 

  • Beispiel

Versicherungsmakler M stellt einen Vollzeitmitarbeiter V zu einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ein. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 173,33 Stunden (40 Wochenstunden x 13/3).

 

Leistet V entsprechend in einem Monat 173,33 Stunden, muss M dem V ein Gehalt in Höhe von 1.532,27 Euro (8,84 Euro x 173,33) zahlen, damit er dessen Mindestlohnanspruch wahrt.

 

Provision und Mindestlohnanspruch

Der gesetzliche Mindestlohn bezieht sich auf die geleistete Arbeitszeit. Eine Provision hängt dagegen nicht von der aufgewandten Arbeitszeit, sondern vom Erfolg der Arbeitsleistung ab. Somit stellt sich die Frage, ob der Mindestlohnanspruch wirksam auch durch Provisionszahlungen im jeweiligen Kalendermonat erfüllt werden kann.

 

Umfassender Entgeltbegriff

Die bisher ergangene Rechtsprechung des BAG lässt das auf den ersten Blick vermuten. Denn nach Ansicht des BAG gilt ein umfassender Entgeltbegriff.

  • Alle im Austauschverhältnis (Synallagma) stehenden Geldleistungen des Arbeitgebers sind prinzipiell geeignet, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen.

 

  • Nur solchen Zahlungen fehlt die Erfüllungswirkung,
    • die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder

 

Beide Ausnahmen greifen bei Provisionsansprüchen nicht. Die bislang ergangene Instanzrechtsprechung und die rechtswissenschaftliche Literatur gehen daher weit überwiegend davon aus, dass Provisionen grundsätzlich Erfüllungswirkung hinsichtlich des Mindestlohns haben können (etwa LAG Sachsen, Urteil vom 24.05.2016, Az. 3 Sa 680/15, Rn. 76, Abruf-Nr. 193054).

 

BAG: Entgeltzahlungen müssen „vorbehaltlos und unwiderruflich“ sein

Allerdings betont das BAG auch, dass nur diejenigen Entgeltzahlungen den Mindestlohnanspruch erfüllen, die dem Arbeitnehmer „endgültig verbleiben“ (BAG, Urteil vom 25.05.2016, Az. 5 AZR 135/16, Rn. 31, Abruf-Nr. 186541).

 

Wichtig | Monatliche Sonderzahlungen sind gerade deshalb als mindestlohnwirksam angesehen worden, weil sie „vorbehaltlos und unwiderruflich“ gewährt wurden (BAG, Urteil vom 25.05.2016, Az. 5 AZR 135/16, Rn. 33, Abruf-Nr. 186541).

 

  • Beispiel

Der angestellte Vermittler V soll neben einer Grundvergütung von 1.000 Euro eine umsatzabhängige Provision erhalten. Ist die Provision vorbehaltlos und unwiderruflich und liegt sie in einem Monat

  • unter 532,27 Euro, wird der gesetzliche Mindestlohn unterschritten (173,33 Stunden x 8,84 Euro = 1.532,27 Euro ./. Grundvergütung von 1.000 Euro = 532,27 Euro),
  • bei 532,27 Euro, erhält V den gesetzlichen Mindestlohn,
  • über 532,27 Euro, wird der gesetzliche Mindestlohn überschritten.
 

Problem: Stornohaftung und Rückforderung

An einer „Unwiderruflichkeit“ kann man bei diskontierten Provisionen bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen Zweifel hegen. Denn diese Provisionen unterliegen oft einer mehrjährigen Stornohaftung. Solange diese andauert, kann es zu anteiligen bis vollen Provisionsrückforderungen kommen. Diskontiert ausgezahlte Provisionen stehen also quasi unter dem „Vorbehalt“ ihrer Rückforderung während der Stornohaftungsdauer.

 

Wichtig | Gleiches gilt auch für monatlich feste Provisionsvorschüsse, die mit den tatsächlich verdienten Provisionen verrechnet werden und im Falle einer Unterdeckung rückforderbar sind. Auch diese stehen unter einem „Vorbehalt“.

Umgang in der Praxis

Wie die Rechtsprechung mit diesem Problem umgehen wird, ist gegenwärtig offen. Würde sie die Anrechnung diskontiert ausgezahlter Provisionen auf den Mindestlohnanspruch verneinen, könnte noch darüber nachgedacht werden, die in dem betreffenden Kalendermonat endgültig (ratierlich) verdienten Provisionen in die Berechnung einzubeziehen.

 

Abgesehen davon, dass diese ratierlich verdienten Provisionen aber wohl nur äußerst aufwendig ermittelt bzw. berechnet werden könnten, würde sich dann das weitere Problem stellen, dass es sich nicht um tatsächlich in dem betreffenden Kalendermonat erfolgte Auszahlungen handelt. Denn die „Vorschüsse“ für die endgültig verdienten Provisionen wären bereits in den Monaten und Jahren zuvor geflossen.

 

Ob solche im Kalendermonat nur „fiktiv“ und anteilig verdienten Vergütungen überhaupt berücksichtigungsfähig wären, ist nach der bisherigen Rechtsprechung ebenfalls offen.

 

PRAXISHINWEISE | Für Sie heißt das bei der Einstellung von angestellten Vermittlern:

  • Zahlen Sie die auf den Mindestlohn anrechenbaren Lohnbestandteile als Vergütung auf die erbrachte Arbeitsleistung ‒ unwiderruflich und vorbehaltlos.
  • Vermeiden Sie Streitigkeiten über die Erfüllung des Mindestlohnanspruchs:
    • Vereinbaren Sie bei der Einstellung von angestellten Vermittlern ein Vergütungssystem, das schon mit seinen fixen Komponenten den Mindestlohnanspruch rechtssicher erfüllt.
    • Ein Stück weit büßen Sie dadurch allerdings die Möglichkeit einer Entgeltflexibilisierung ein. Denn fest zugesagte Zahlungen können Sie dem Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres entziehen.
  • Überlegen Sie darüber hinaus, ob Sie eine im Außendienst bislang eher seltene ausdrückliche Regelung zur Arbeitszeit treffen, damit der monatliche Mindestlohnanspruch für beide Vertragspartner einigermaßen verlässlich abschätzbar ist.
 
  • Beispiel

Makler M möchte einem angestellten Vermittler neben einer Grundvergütung eine umsatzabhängige Provision zahlen. Die Provision soll der normalen Stornohaftung unterliegen.

 

M zahlt die Provision nicht „vorbehaltlos und unwiderruflich“. Sie könnte somit nicht auf den Mindestlohn anrechenbar sein. M sollte also mindestens ein festes Gehalt von 1.532,27 Euro zahlen, damit der Mindestlohnanspruch gewahrt wird. Kann tatsächlich Mehrarbeit über 40 Wochenstunden hinaus anfallen, sollte es im Fixgehalt auch einen entsprechenden „Puffer“ geben, der den Mindestlohnanspruch sicher erfüllt. Die fixen Vergütungsbestandteile sollten dann also mindestens 1.600 bis 1.700 Euro brutto betragen.

 
Quelle: Ausgabe 04 / 2018 | Seite 12 | ID 45126305