13.12.2011 · IWW-Abrufnummer 120143
Landesarbeitsgericht Niedersachsen: Urteil vom 23.09.2011 – 16 Sa 1466/10
Ein zur Kündigung ohne vorherigen Ausspruch einer Abmahnung hinreichender Verhaltensverstoß kann darin liegen, dass ein Außendienstmitarbeiter trotz betrieblich bekannt gemachten Verbotes einen akquirierten Auftrag selbst mit dem Namen des Kunden unterzeichnet.
In dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungskläger,
gegen
Beklagte und Berufungsbeklagte,
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2011 durch
den Richter am Arbeitsgericht Ermel,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Schmidt,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Amon
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 12.08.2010 - 6 Ca 157/10 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristgemäßen Kündigung.
Der am 00.00.1963 geborene, verheiratete Kläger, der zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, war bei der Beklagten seit dem 01.06.2005 als Medienberater mit einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen von ca. 2.650,00 EUR beschäftigt.
Aufgabe des Klägers war es, im Außendienst Insertionsaufträge, u.a. für die "G. S." sowie für die korrespondierenden Online-Dienste zu vermitteln. Die Vergütung des Klägers setzt sich zusammen aus einem Bruttogrundgehalt (Fixum) sowie darüber hinausgehenden Provisionsansprüchen für die von ihm akquirierten Aufträge auf Grundlage der innerbetrieblichen Provisionsregelungen.
Im Betrieb der Beklagten sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten angestellt.
Mit Datum vom 10.03.2009 gab die Beklagte eine Arbeitsanweisung mit folgendem Inhalt heraus:
"Unterschrift des Kunden bei Auftragserteilung
Sehr geehrte Damen und Herren,
aus aktuellem Anlass wiese ich Sie ausdrücklich darauf hin, dass die Aufträge immer mit der Unterschrift des Kunden zu versehen sind. Bitte unterschreiben Sie nie selbst im Auftrag des Kunden, da es sich dabei um Urkundenfälschung handelt.
Sollten Sie mit einem Kunden "Schwierigkeiten" bezüglich der Unterschrift haben, so wenden Sie sich bitte an Ihre Verkaufs- oder Objektleitung.
Bitte halten Sie sich an diese Regel!"
Im Rahmen seiner Tätigkeit legte der Kläger der Beklagten als erfolgreiches Vermittlungsergebnis einen Auftrag der Firma S. aus H. vom 05.01.2010 über einen Eintrag in den "G. S." für den Bereich H.-Stadt, L1 und L2 für das Jahr 2010 mit einem Auftragsvolumen von 200,30 EUR zzgl. Mehrwertsteuer vor. Inhaber des Unternehmens der Firma S. ist Herr S..
Der Auftrag enthält u.a. neben den Auftragspositionen eine Unterschriftenzeile in welcher es heißt: "Ich bestätige die Richtigkeit der Auftragsdaten", versehen mit dem Datum vom 05.01.2010. Über dem Feld "Unterschrift" findet sich eine Unterschrift mit dem Namenszug "S.". Wie das weiter vor dem Namenszug platzierte Schriftzeichen zu lesen ist, ist zwischen den Parteien streitig.
Wegen der Einzelheiten des Erscheinungsbildes des Auftragsformulares wird auf Bl. 44 der Gerichtsakte verwiesen.
Tatsächlich stammt die Namensunterschrift unter dem Auftrag vom Kläger. Die Unterschrift wurde vom Kläger in der Weise gefertigt, in dem er selbst auf dem berührungsempfindlichen Bildschirm des ihm überlassenen Laptops unterschrieb. Der entsprechende Auftrag wurde sodann - wie bei der Beklagten üblich - per Datenübertragung an den Verlag übermittelt.
Für die Vermittlung des Auftrages hätte der Kläger einen Provisionsanspruch von 2,75% des Auftragswertes erworben.
Die Auftragnehmerin der Beklagten, die S. V., erteilte der Firma S. mit Datum vom 01.03.2010 eine Rechnung über den Auftrag vom 05.01.2010. Der Inhaber der Firma S., Herr S., teilte der S. V. per Telefax vom 02.03.2010 mit, dass er keinen Auftrag erteilt habe und die Unterschrift unter dem angeblich erteilten Auftrag gefälscht sei.
Am 02.03.2010 forderte die Beklagte den Kläger zur Stellungnahme zu dieser Erklärung auf. Mit E-Mail vom 02.03.2010 teilte der Kläger mit, dass nach seinen Unterlagen Herr S. den Auftrag am 05.01.2010 telefonisch bestätigt habe, er habe diesen fälschlicherweise "im Auftrag" unterschrieben. Wegen des weiteren Inhalts der E-Mail des Klägers wird auf Bl. 46 der Gerichtsakte verwiesen.
Mit Schreiben vom 19.03.2010 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers an. Wegen des Inhaltes der Betriebsratsanhörung wird auf Bl. 42 f. der Gerichtsakte verwiesen. Der Betriebsrat nahm nicht Stellung.
Mit Schreiben vom 29.03.2010, dem Kläger am 31.03.2010 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgemäß zum 30.04.2010.
Mit seiner beim Arbeitsgericht Hannover am 14.04.2010 eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung zur Wehr gesetzt.
Die Kündigung sei sozialwidrig, da der Kläger zuvor nicht abgemahnt worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 29.03.2010 nicht aufgelöst wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger habe einger äumt, den Auftrag selbst unterschrieben und die Unterschrift des Herrn S. gefälscht zu haben. Die Unterschrift sei mit dem Namen "W. S." entsprechend dem Vornamen des Inhabers der Firma S. geleistet worden. Die S. V. habe den Auftrag der Firma S. stornieren müssen.
Der Kläger habe den Straftatbestand einer Urkundenfälschung begangen und die Beklagte sowie die S. V. damit geschädigt.
Die Behauptung des Klägers, nach seinen Unterlagen habe der Kunde den Auftrag telefonisch erteilt, entlaste ihn nicht. Selbst bei unterstellter Richtigkeit dieser Ausführungen bestünde kein Rechtfertigungsgrund dafür, die Unterschrift zu fälschen. Dem Kläger habe klar sein müssen, dass die Beklagte unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Fälschung einer Kundenunterschrift dulden würde.
Mit Urteil vom 12.08.2010, dem Bevollmächtigten des Klägers am 27.08.2010 zugestellt, hat das Arbeitsgericht Hannover die Klage abgewiesen. Selbst wenn der Kunden S. den Eintrag in die G. S. des Jahres 2010 in Auftrag gegeben haben sollte, sei der Kläger nicht berechtigt gewesen, mit dem Namen des Kunden zu unterzeichnen. Das Verhalten des Klägers sei auch ohne vorherige einschlägige Abmahnung geeignet, den Ausspruch der Kündigung rechtfertigen. Die Anhörung des Betriebsrates sei ordnungsgemäß erfolgt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils und der Begründung wird auf Bl. 66 bis 68 der Gerichtsakte verwiesen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 27.08.2010 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Hannover mit am 23.09.2010 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 27.10.2010 per Telefax eingegangenen Schriftsatz begründet.
Das Fehlverhalten des Klägers sei einer Abmahnung zugänglich. Der Kläger habe auch damit gerechnet, eine Abmahnung zu erhalten, nachdem ihm der Fehler, mit falschem Namen zu unterschreiben, bewusst geworden sei. Es sei bei der Beklagten durchaus üblich, dass Kundenaufträge von Mitarbeitern im Auftrag unterzeichnet würden.
Die Kündigung sei im Übrigen unwirksam, weil der Kläger den Sonderkündigungsschutz als Wahlbewerber für die bei der Beklagten im Frühjahr 2010 anstehende Betriebsratswahl in Anspruch nehmen könne.
Die Wahlbewerberliste sei bereits seit dem 17.02.2010 in Vorbereitung gewesen. Anlässlich eines Gespräches im Betriebsratsbüro seien auch die Strategien zur Betriebsratswahl und die Liste derjenigen festgelegt worden, die neben dem Kläger und den Herren B. und J. auf die Liste gesetzt werden sollten. Als Listenköpfe seien der Kläger sowie der Mitarbeiter B. vorgesehen gewesen. Sowohl der Kläger als auch der Mitarbeiter B. seien dann auf die Wahlbewerberliste gesetzt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover (Az. 6 Ca 157/10) abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.03.2010 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Bei der Beklagten beschäftige Medienberater und Verkäufer seien unter keinen Umständen berechtigt, einen vom Kunden erteilten Auftrag mit dem Namen des Kunden zu unterzeichnen, denn damit werde der Eindruck erweckt, die Unterschrift stamme von dem Geschäftspartner der Beklagten. Aufgrund der Arbeitsanweisung vom 10.03.2009 sei diese Verfahrensweise ausdrücklich untersagt. Es entspreche auch nicht den Geflogenheiten, dass bei der Beklagten für den Auftragsnehmer mit dem Zusatz "i. A." unterschrieben werden dürfe. Es sei im Übrigen unzutreffend, dass der Kläger durch den Kunden S. beauftragt worden sei.
Die Beklagte als Vertriebsgesellschaft der G. S. müsse besonderen Wert darauf legen, dass im Rahmen der Vertragsbeziehungen zu ihren Kunden stets korrekt gearbeitet werde, um den Eindruck eines unseriösen Verhaltens gegenüber den Kunden zu vermeiden.
Der Kündigungsschutz des Wahlbewerbers stehe dem Kläger nicht zu. Schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers habe niemals eine Wahlvorschlagsliste existiert, auf der der Kläger als Wahlbewerber gestanden habe und die die erforderliche Anzahl von Stützunterschriften aufgewiesen habe.
Zwar sei zutreffend, dass der Kläger am 17.02.2010 an einem Gespräch teilgenommen habe, in welchem es um die geplante Kandidatur des Klägers gegangen sei. Eine Kandidatenliste habe aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht existiert.
Erst am 06.04.2010 sei durch den Wahlvorstand der Aushang des Wahlausschreibens vorgenommen und Formulare f ür die einzureichenden Vorschlagslisten ausgegeben worden. Tatsächlich habe Herr B. dann die Wahlvorschlagsliste auf dem Formular eingereicht, dass ihm vom Wahlvorstand zur Verfügung gestellt worden sei. Eine Wahlvorschlagsliste, welche den Namen des Klägers enthalten und die genügende Anzahl von Stützunterschriften aufgewiesen habe, habe daher zu keinem Zeitpunkt existiert.
Wegen der Einzelheiten der von der Beklagten vorgelegten Vorschlagsliste wird auf Bl. 114 der Gerichtsakte verwiesen.
Im Übrigen wird wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren auf die Berufungsbegründung vom 27.10.2010, die Berufungsbeantwortung vom 02.12.2010 sowie die Schriftsätze vom 11.05.2011 und 05.07.2011 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt (§ 66 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).
II. Die Berufung ist nicht begründet.
Das Arbeitsgericht Hannover hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29.03.2010 nicht aufgelöst worden ist.
Die Kündigung der Beklagten vom 29.03.2010 ist wirksam.
a) Die ausgesprochene Kündigung ist nicht sozialwidrig gemäß § 1 Abs. 2 KSchG. Die ausgesprochene Kündigung ist durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt.
aa) Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne § 1 Abs. 2 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit anderer Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint.
Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch für die Zukunft belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine vorausgegangene einschlägiger Abmahnung voraus. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Außerdem ist die Abmahnung als milderes Mittel in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einer Kündigung vorzuziehen, wenn durch deren Ausspruch das Ziel einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung erreicht werden kann.
Bei schweren Pflichtverletzungen kann eine Abmahnung entbehrlich sein. Bei einer schweren Pflichtverletzung ist dem Arbeitnehmer regelmäßig die Rechtswidrigkeit seines Handelns ohne weiteres genauso erkennbar wie der Umstand, dass eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG, 23.06.2009, 2 AZR 283/08, AP-Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung).
bb) Unter Anlegung dieser Voraussetzungen ist das Verhalten des Klägers geeignet, den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung ohne vorherige Erteilung einer Abmahnung zu rechtfertigen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Inhaber der Firma S. dem Kläger tatsächlich am 05.01.2010 die Zustimmung für den fraglichen Insertionsauftrag erteilt hat. Ebenso kann offen bleiben, ob die Unterschrift des Klägers unter dem Auftragsformular vom 05.01.2010 als eine Unterzeichnung mit "i. A. S." oder mit dem Namenszug "W. S." zu lesen ist.
Ein schwerer Vertragsverstoß des Klägers, welcher ohne Erteilung einer vorherigen Abmahnung den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung rechtfertigt, liegt jedenfalls darin, dass der Kläger durch seine Unterzeichnung des Auftrages mit dem Namen bzw. unter dem Namen des Auftragnehmers entweder eine ihm nicht zustehende Vertretungsmacht i.S. § §164 ff. BGB oder aber - alternativ - eine Unterschrift durch den Berechtigten selbst vorgespiegelt hat.
(1) Selbst wenn man den Vortrag des Klägers als wahr unterstellt, der Inhaber des Unternehmens S. habe gegenüber dem Kläger am 05.01.2010 mündlich den Insertionsauftrag erteilt, war der Kläger hierdurch nicht ermächtigt, im Namen des Firmeninhabers zu handeln.
(a) Grundsätzlich ist gemäß § 181 BGB ein Insichgeschäft ausgeschlossen, es sei denn, abweichendes ist durch die vertretende Person ausdrücklich gestattet.
Allein im Rahmen eines zulässigen Insichgeschäftes wäre der Kläger daher schuldrechtlich befugt gewesen, zugleich Erklärungen für die Beklagte als auch einen Kunden abzugeben. Für eine Bevollmächtigung durch den Inhaber der Firma S. fehlte es aber an einer rechtlichen Grundlage. Die Annahme eines Angebotes zum Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrages führt gemäß §§ 145 ff. BGB zum Zustandekommen des Vertrages. In der Annahmeerklärung liegt indes nicht zugleich die Bevollmächtigung gemäß §§ 164 ff. BGB gegenüber der anderen Vertragspartei, das Annahmeangebot schriftlich zu wiederholen bzw. sonstige für den Vertragsschuss maßgebliche Erklärungen abzugeben. Gerade dies wird aber durch die Verwendung des Namens des Vertragspartners vorgespiegelt, unabhängig davon, ob mit dem Namenszeichen und dem Zusatz "i. A." oder unter voller Namensnennung des Inhabers unterzeichnet wird. Es kann deshalb offen bleiben, ob in den Fällen, in welchen tatsächlich eine Bevollmächtigung vorliegt, ein Handeln "unter" fremden Namen im Rechtsverkehr nicht stets als Urkundenfälschung zu bewerten ist, sondern auch die Ausübung einer bestehenden Bevollmächtigung kennzeichnen kann (vgl. insoweit RG 27.06.1910, VI 297/08, RGZ 74, S. 69; aber auch BGH, 03.03.1966, II ZR 18/64, NJW 1964, S. 425).
(b) Sowohl im Fall des Handelns "im" fremden Namen als auch im Fall des Handelns "unter" fremden Namen stellt sich das Vorspiegeln einer Abschlussvollmacht durch die Vornahme der Unterschrift des Klägers als schwerer Vertragsverstoß dar.
Bei einer Unterzeichnung mit dem Zusatz "i. A." und der Verwendung des Namens "S." wird vorgespiegelt, dass eine Person mit dem Namen S. im Auftrage des Berechtigten, mithin der Firma S. gehandelt hat. In diesem Fall hätte der Kläger nach der Verkehrsanschauung zugleich über die Person desjenigen einen Fehlvorstellung geweckt, welche die Unterschrift geleistet hat. Die Unterzeichnung mit dem Namen des Berechtigten kann nach der o. a. Rechtsprechung des Reichsgerichtes zwar eine dahinterstehende Bevollmächtigung kennzeichnen. Wie ausgeführt, war der Kläger aber gerade nicht bevollmächtigt, für den Firmeninhaber weitere, den Vertrag betreffende Erklärungen abzugeben. Ferner ist zu berücksichtigen, dass mit der Unterschrift nicht nur der Vertragsschluss als solcher bestätigt wird. Das Formular enthält unter den Einzelheiten der Auftragsdaten weitere Vertragsbedingungen. Bestätigt wird mit der Unterschrift ausdrücklich die Richtigkeit der Auftragsdaten. Hierbei handelt es sich mithin um eine Erklärung, die nach der Verkehrsanschauung nur der Auftraggeber des Insertionsauftrages oder eine von ihm bevollmächtigte Person abgeben kann. Mit einer Unterschrift, welche den Eindruck erweckt, sie stamme vom Firmeninhaber oder jedenfalls von einer vom Firmeninhaber bevollmächtigten Person wird damit zugleich eine Identitätstäuschung über die Person des Unterzeichners hervorgerufen. In diesem Fall wird für die Beklagte bzw. die Vertragspartnerin der Beklagten, die S. V. gerade durch die Art der Unterschriftsleistung der Eindruck erweckt, die Unterschrift stamme aus der Sphäre des Auftragnehmers bzw. von ihm persönlich.
Anders als bei der telefonischen Akquise war für die Beklagte daher auch nicht erkennbar, dass die Unterschrift unter einem vorgelegten Auftrag nicht vom Kunden stammen könne.
Unabhängig von der Frage, ob der Inhaber der Firma S. am 05.01.2010 telefonisch einen mündlichen Auftrag erteilt hat, stellt mithin die Unterzeichnung des Auftrages durch den Kläger unter dem Namen des Auftragnehmers einen schweren Vertragsverstoß dar. Durch das Vortäuschen einer Unterschrift des Auftragnehmers wird das Vertrauen in die Redlichkeit der Geschäftspraktiken der Beklagten bzw. ihres Vertragspartners, der S. V., erschüttert und rechtfertigt den Ausspruch einer Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung.
(2) Das Unterzeichnen des Auftrages mit dem Namen des Kunden entspricht auch nicht einer bei der Beklagten üblichen Praxis.
Aus der Arbeitsanweisung der Beklagten vom 10.03.2009 ergibt sich unmissverständlich, dass die Beklagte ihren Beschäftigten im Rahmen der Akquise eine Unterschrift im Auftrag des Kunden untersagt hat, da es sich nach Auffassung der Beklagten dabei um eine Urkundenfälschung handele.
Soweit der Kläger sich auf eine entsprechende Praxis berufen hat, entspräche ein solches Handeln nach dem 10.03.2009 zumindest nicht dem erkennbar geäußerten Willen der Beklagten.
Darüber hinaus hat der Kläger im Rahmen seiner Befragung in der Kammerverhandlung selbst klargestellt, dass in den Fällen, in welchen es Probleme bereite, die Unterschrift eines Kunden zu beschaffen, eine entsprechende Unterschrift nicht nur des Außendienstmitarbeiters sondern auch des jeweiligen Objektleiters unter Schilderung des entsprechenden Sachverhaltes eingeholt werde. Hierbei handelt es sich mithin um Fälle, in welchen auch für die Beklagte eindeutig ist, dass die geleisteten Unterschriften nicht vom Kunden stammen. Hinzu kommt, dass der Kläger auf entsprechenden Vorhalt der Beklagten im Rahmen der Kammerverhandlung eingeräumt hat, grundsätzlich nicht Telefonmarketing betreiben zu dürfen, sondern es vielmehr seine Aufgabe war, die Kunden direkt aufzusuchen.
Für den Regelfall war es daher Aufgabe des Klägers, die Zustimmung nicht telefonisch sondern unmittelbar beim Vertragspartner einzuholen.
(3) Die vorherige Erteilung einer Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung war entbehrlich. Spätestens aufgrund der Arbeitsanweisung vom 10.03.2009 war für den Kläger ohne weiteres erkennbar, dass sein Handeln rechtswidrig war. Zugleich war für den Kläger ersichtlich, dass eine Hinnahme seines Verhaltens durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen sein würde. Zwar enthält die Arbeitsanweisung nicht den Hinweis, dass für den Fall eines Verstoßes der Ausspruch einer Kündigung droht. Durch den Hinweis der Beklagten darauf, dass es sich bei einem entsprechenden Verhalten um eine Urkundenfälschung handele, war für jedermann erkennbar, dass die Beklagte ein solches Verhalten als Straftat ansieht. Mit einer Billigung eines entsprechenden Verhaltens durfte der Kläger daher nicht rechnen.
cc) Die zu treffende Interessenabwägung führt nicht dazu, dass die ausgesprochene Kündigung sich als unangemessen darstellt. Bei der Interessenabwägung sind zum einen die Beschäftigungszeit und das Lebensalter des Klägers sowie seine Unterhaltspflichten zugunsten des Klägers zu berücksichtigen. Sowohl das über einen Zeitraum von nahezu fünf Jahren unbeanstandete Beschäftigungsverhältnis als auch die Unterhaltspflichten des Klägers sprechen dafür, dass das Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses vorrangig wäre. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Vertragsverstoß des Klägers schwer wiegt und das Vertrauen in die Redlichkeit des Klägers maßgeblich erschüttert. Hinzu kommt, dass das Verhalten des Klägers im konkreten Fall Rechtswirkung entfaltet hat und geeignet ist, Zweifel an der Seriosität der Geschäftspraktiken der Beklagten und ihrer Geschäftspartner zu wecken. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau wiegt daher das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Klägers an dessen Fortbestand.
2. Die ausgesprochene Kündigung ist nicht aus sonstigen Gründen unwirksam. Insbesondere unterliegt der Kläger nicht dem Kündigungsschutz als Wahlbewerber zur Betriebsratwahl gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG.
Der Kläger war kein Wahlbewerber i.S. der Vorschrift.
a) Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG beginnt der besondere Schutz für Wahlbewerber vom Zeitpunkt des Wahlvorschlages an. Dieses Merkmal erfordert die Einhaltung einer bestimmten Form, die der Gesetzgeber aber nicht näher umschrieben hat. Es ist daher auf die einschlägigen Vorschriften des BetrVG zu den Anforderungen an einen Wahlvorschlag zurückzugreifen. Danach liegt ein dem Gesetz genügender Wahlvorschlag vor, wenn er von einer bestimmten Zahl Wahlberechtigter unterzeichnet worden ist (§ 14 Abs. 4 BetrVG). Nicht ausreichend ist, dass lediglich ein Zettel existiert, auf welchem die Namen der Wahlbewerber vermerkt sind. Voraussetzung ist ein Wahlvorschlag, welcher die Zahl der erforderlichen Stützunterschriften enthält (BAG, 2 AZR 620/74 04.03.1976, AP Nr. 1 zu § 15 KSchG 1969 Wahlbewerber; vgl. auch LAG Hamm, 25.02.2011, 13 Sa 1566/10, juris).
b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der für das Eingreifen des besonderen Kündigungsschutzes darlegungs- und beweisbelastete Kläger ist dem Vorbringen der Beklagten, nach der unstreitigen Besprechung im Februar 2010 sei es zu einem Wahlvorschlag, welcher den Namen des Klägers nicht mehr enthalten und erst recht nicht die vorgesehenen Stützunterschriften enthalte, nicht mehr entgegen getreten. Auch die von der Beklagten vorgelegte Vorschlagsliste (Bl. 114 ff. der Gerichtsakte) ist vom Kläger nicht beanstandet worden.
Der Kläger ist daher nicht Wahlbewerber i.S. § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG geworden.
Es kann deshalb offen bleiben, ob der Schutz als Wahlbewerber bereits mit der vollständigen Aufstellung des Wahlvorschlages einschließlich der Stützunterschriften, mit Übergabe des Wahlvorschlages an den Wahlvorstand oder erst mit Aushang des Wahlausschreibens durch den Wahlvorstand beginnt (vgl. zu dieser Problematik: LAG Hamm, 25.02.2011, 13 Sa 1566/10, aaO.).
II. Als unterlegene Partei trägt der Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens (§ 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO).
Gründe, die Revision gemäß § 72 ArbGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Ermel
Schmidt
Amon