· Baukasten für eine optimierte Vereinbarung ‒ Teil 3
Die Textform der Honorarvereinbarung und die formfreie Gebührenvereinbarung

von RA Udo Henke, Unna
| Für den sicheren Umgang mit anwaltlichen Vergütungs- und Gebührenvereinbarungen sollte die anwaltliche Seite, gleich ob Mitarbeiter oder Anwälte selbst, die rechtlichen Formvorgaben kennen. Hier finden Sie einen Überblick zu den einschlägigen Regelungen. |
Allgemeiner BGB-Grundsatz: Formfreiheit
Im BGB gilt der allgemeine Rechtsgrundsatz der Formfreiheit. Das bedeutet, dass ein Rechtsgeschäft oder eine Willenserklärung keine besondere Form haben muss, um wirksam zu sein. Ohne eine besondere Vorgabe per Gesetz oder Vertrag sind daher auch mündliche Verträge oder Willenserklärungen voll wirksam. Das BGB normiert die Formfreiheit in § 125 nur indirekt: „Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.“ Ausdrücklich wird die generelle Formfreiheit also nicht genannt.
Eine besondere Form ist somit nur einzuhalten, wenn ein Gesetz oder ein Rechtsgeschäft (z. B. Vertrag) das anordnet.
Formvorschrift für Vergütungsvereinbarungen: Textform
§ 3a Abs. 1 S. 1 RVG sieht für Vergütungsvereinbarungen zwingend die Textform vor. Die Textform wird in § 126b BGB definiert. Sie erfordert:
- Lesbare Erklärung
- Die Erklärung ist lesbar, wenn der in ihr enthaltene Sinngehalt durch Schriftzeichen dargestellt ist und ohne Weiteres optisch vom Empfänger wahrgenommen werden kann. Sprachnachrichten fallen also nicht darunter.
- Persönlicher Zugang beim Empfänger
- Die Erklärung muss an den Empfänger selbst adressiert sein, ihm also persönlich zugehen. Das ist bei der Kommunikation per Website nur erfüllt, wenn es dort einen individuellen und gesicherten Bereich für den Empfänger gibt (Postfach).
- Erkennbare Urheberschaft
- Die Erklärung muss die Person des Erklärenden benennen. In der Regel erfolgt das durch die Angabe des Namens einer Person oder der Firma. Die Erklärung muss weder eigenhändig noch digital unterzeichnet werden.
- Räumlicher Abschluss der Erklärung
- Die Erklärung muss räumlich abgeschlossen sein. Das Textende muss kenntlich gemacht werden (Abschlussfunktion). Das erfolgte bis zur Neufassung von § 126b BGB im Jahr 2014 in der Regel durch die Nachbildung der Namensunterschrift des Erklärenden.
- Heute ist dies nicht mehr erforderlich. Der Abschluss der Erklärung kann nun auf verschiedene Weise kenntlich gemacht werden: etwa durch Namensnennung am Textende, ein Faksimile, eine eingescannte Unterschrift, den Zusatz „diese Erklärung ist nicht unterschrieben“, eine Datierung oder eine Grußformel. Die Abschlussfunktion soll Klarheit über den Inhalt und die Verbindlichkeit gewährleisten.
- Speicherbarkeit auf einem Medium
- Die Erklärung muss auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Das benutzte Medium muss es dem Empfänger also zumindest ermöglichen, die Erklärung dauerhaft aufzubewahren oder zu speichern.
- Möglichkeit der Unveränderlichkeit und dauerhafte Verfügbarkeit
- Des Weiteren muss das Medium die Unveränderlichkeit der Erklärung sicherstellen. Ausreichend dafür ist die Möglichkeit, die Erklärung auszudrucken oder elektronisch zu speichern. Es reicht nicht, wenn die Erklärung lediglich auf einer Website enthalten ist, ohne dass für den Empfänger die Möglichkeit eines Downloads mit individueller Speicherungsmöglichkeit besteht.
- Allerdings genügt es nach der Rechtsprechung des EuGH zu sog. fortgeschrittenen Websites, wenn dort für die dauerhafte Speicherung und die Unveränderlichkeit ein sicherer Speicherbereich existiert, auf den nur der Empfänger der Erklärung allein mittels Benutzernamen und Passwort zugreifen kann (vgl. EuGH NJW 12, 2637).
Beachten Sie | Die Textform des § 126b BGB wird regelmäßig erfüllt durch E-Mails, Fax, PDF-Dokumente, SMS, Messenger-Nachrichten oder durch körperliche Dokumente (Papier) ohne Unterschrift, die aber mit einem Namenszug des Ausstellers abschließen.
PRAXISTIPP | Fügen Sie nach einer Text-Abschlussformel keinen Zusatztext ein. Anderenfalls ist die Erklärung nichtig. Dies ist besonders relevant, wenn die Erklärung per Fax erfolgt. Ein vom BGH entschiedener Fall betraf eine Honorarvereinbarung zwischen Anwalt und Mandant. Der Anwalt leitete den Vertragstext seinem Mandanten zu. Dieser unterschrieb das Angebot, brachte aber unterhalb seiner Unterschrift einen handschriftlichen Zusatz an und sandte das Dokument sodann per Fax an den Anwalt zurück. Der BGH bewertete die Honorarvereinbarung wegen der eingefügten handschriftlichen Zusätze mangels Beachtung der Textform als unwirksam (BGH 3.11.11, IX ZR 47/11, GE 12, 200; RVG prof. 12, 23). |
Ausnahme von der Pflicht zur Textform
Gemäß § 3a Abs. 1 S. 3 RVG gibt es ausnahmsweise für den Abschluss einer Gebührenvereinbarung nach § 34 Abs. 1 S. 1 RVG keine Pflicht zur Textform. Hier greift also der allgemeine Grundsatz der Formfreiheit: Die Gebührenvereinbarung kann auch mündlich wirksam vereinbart werden.
Voraussetzung ist, dass es sich ausschließlich um einen Auftrag zur anwaltlichen Beratung, zur Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens oder zur Tätigkeit als Mediator handelt. Sobald die Anwaltstätigkeit über diese Tätigkeiten hinausgeht, z. B. wenn bei diesem Mandat auch eine außergerichtliche Vertretung oder eine Prozessvertretung stattfindet, greift wieder die Textform für eine dann notwendige Vergütungsvereinbarung. Eine formfreie Gebührenvereinbarung für eine außergerichtliche Beratung liegt nur vor, wenn sich den Abreden der Parteien entnehmen lässt, dass oder in welchem Umfang die vereinbarte Vergütung ausschließlich Leistungen nach § 34 RVG umfasst (BGH 3.12.15, IX ZR 40/15, Abruf-Nr. 183113).
PRAXISTIPP | Wenn schon der BGH sich auf dokumentierte Abreden der Streitparteien stützt, ist es trotz der für Gebührenvereinbarungen nach § 34 RVG geltenden Formfreiheit ratsam, die Kernpunkte einer mündlichen Vereinbarung vom Anwalt z. B. in einer kurzen E-Mail dem Mandanten zu bestätigen. Damit schafft die Kanzlei ein starkes Indiz für die Existenz und den Inhalt einer Gebührenvereinbarung. Das kann die vereinbarte Vergütung retten, sollte der Mandant die Vereinbarung bestreiten. |
Musterformulierung / Gebührenvereinbarung |
Sehr geehrte/r …
hiermit bestätige/n ich/wir den von Ihnen am … telefonisch/persönlich in unserer Kanzlei erteilten Auftrag. Der Auftrag beinhaltet die anwaltliche Beratung in Sachen …
Wir haben am … telefonisch/persönlich mündlich eine Gebührenvereinbarung getroffen. Es fällt ein Pauschalhonorar für die anwaltliche Beratungstätigkeit in Höhe von … zuzüglich geltender Umsatzsteuer/(alternativ: über einen anwaltlichen Stundensatz für die anwaltliche Beratungstätigkeit in Höhe von … zuzüglich geltender Umsatzsteuer, angebrochene Stunden abzurechnen nach … bei Minutentakt = 1/60-Stundensatz je Minute/Sechs-Minutentakt = 1/10-Stundensatz je angebrochene Sechs-Minuten).
Eine Rechnung inklusive der konkreten Stundenaufstellung erhalten Sie gesondert. Ich informiere Sie, falls absehbar ist, dass wir den vorläufig grob geschätzten Betrag von ... überschreiten.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt … (Vollständige Signatur der Kanzlei bzw. des beauftragten Anwalts mit allen Kommunikationsdaten) |
Weiterführende Hinweise
- Die Reihe „Vergütungsvereinbarungen-Baukasten“ wird fortgesetzt. In einer der nächsten Ausgaben erläutern wir weitere gesetzliche Vorgaben zur Form und zum Inhalt von Vergütungsvereinbarungen.
- Schlüsselbegriffe der Vergütungsvereinbarung, AK 24, 156
- Diese Vergütungsvereinbarungen sind üblich, AK 24, 185