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  • 01.10.2006 | Off-Label-Use

    Mehr Möglichkeiten beim Off-Label-Use durch neues BSG-Urteil

    von Rechtsanwalt Dr. Gerhard Nitz , Dierks & Bohle Rechtsanwälte, Berlin, www.db-law.de

    Bis Ende der 1990er Jahre war der Off-Label-Use von Fertigarzneimitteln eine weitgehend nicht hinterfragte Selbstverständlichkeit im Verordnungsalltag. Danach aber begannen einzelne Krankenkassen mit Regressanträgen gegen off-label verordnende Vertragsärzte. Die dadurch hervorgerufene Rechtsunsicherheit wurde durch die grundlegende Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. März 2002 (Az: B 1 KR 37/00 R) reduziert und führte zu einer restriktiven Verordnungspraxis. Am Nikolaustag 2005 überraschte dann das Bundesverfassungsgericht mit einem viel beachteten Beschluss (Az: 1 BvR 347/98), der einer Verfassungsbeschwerde gegen die restriktive Rechtsprechung des BSG zum Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei lebensbedrohlichen Erkrankungen stattgab (siehe „Abrechnung aktuell“ Nr. 2/2006).  

     

    Diese Vorgaben greift nun eine neue Entscheidung des BSG vom 4. April 2006 (Az: B 1 KR 7/05 R) auf, deren Urteilsgründe erst vor wenigen Wochen veröffentlicht wurden. Durch das Urteil werden zum einen die Off-Label-Kriterien verfeinert, zum anderen wird die Rechtsprechung dazu wieder liberaler.  

    Der Fall

    Einer Patientin wurde im Juni 2002 ein Zoekumkarzinom (Tumor im Übergangsbereich des Dick- zum Dünndarm) des Stadiums III operativ entfernt. Im Rahmen der folgenden Behandlung wurden Metastasen nachgewiesen. Im Anschluss an die Operation erhielt die Patientin zunächst entsprechend allgemein anerkanntem Standard eine adjuvante Chemotherapie mit 5-FU. Nach der dritten Verabreichung traten bei ihr koronarspastische Nebenwirkungen auf, die zur Absetzung der Therapie mit 5-FU führten.  

     

    Da der lebensbedrohliche Krankheitsverlauf keinen Aufschub duldete, wollte der behandelnde Onkologe das weder in Deutschland noch EU-weit zugelassene Fertigarzneimittel Tomudex® einsetzen. Das Mittel ist in Kanada arzneimittelrechtlich zugelassen – allerdings für eine andere Indikation. Zur Bekräftigung seiner Ansicht führte der Onkologe zwei Schreiben von Universitätsprofessoren bei, die unter anderem unter Hinweis auf eine medizinische Fachveröffentlichung Tomudex® bei kardiotoxischen Nebenwirkungen von 5-FU als einzige verbleibende Behandlungsalternative beurteilten. Die Krankenkasse weigerte sich, die Kosten der Therapie zu tragen. Dagegen klagte die Patientin.  

    Beurteilung nach „altem“ Recht