Recht
Welche Leistungen dürfen Sie delegieren?
Dürfen Helferinnen beispielsweise impfen oder Infusionen anlegen? Die Diskussion um die delegierbaren Leistungen ist nicht verstummt. Im Praxisteam sollte diese Frage geklärt werden, um Unsicherheiten und Fehlverhalten zu vermeiden.
Die rechtlichen Grundlagen
Grundsätzlich gilt, dass medizinische Leistungen an die Person des Arztes geknüpft sind. Rechtsgrundlagen hierfür gibt es im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 613 Satz 1 BGB), in § 17 der Musterberufsordnung, in § 32 der Zulassungsordnung und im § 4 Bundesmantelvertrag.
§ 4 Abs. 2 GOÄ führt aus, dass der Arzt Gebühren für selbstständige ärztliche Leistungen berechnen kann, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (zu Laborleistungen siehe „Abrechnung aktuell“ Nr. 7/2000, Seite 7). Nach § 1 E-GO sind Hilfeleistungen nicht-ärztlicher Mitarbeiter – zu denen Helferinnen gehören – nur dann Vertragsleistungen, wenn der Vertragsarzt diese anordnet, fachlich überwacht und der nicht-ärztliche Mitarbeiter für die Hilfeleistung qualifiziert ist.
Der Arzt darf damit bestimmte Leistungen delegieren, wenn sie unter seiner Aufsicht und Weisung von dafür qualifiziertem Hilfspersonal der Praxis erbracht werden. Für die Helferin ergibt sich daraus die Selbstverpflichtung, nur Leistungen auszuführen, die sie fachlich einwandfrei beherrscht. Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass ihre berufliche Qualifikation durch regelmäßige, nachgewiesene Fortbildung auf dem neuesten Stand ist.
Bei den Lehrlingen listet der Ausbildungsvertrag auf, was sie in welchem Ausbildungsjahr – unter Aufsicht – tun dürfen. Dabei sollte eine ausgebildete Arzthelferin der Azubi als „Patin“ zugeordnet werden, die Anweisung und Unterstützung gibt und zusammen mit dem Praxisinhaber die Aufsicht führt.
Leistungen, die „grundsätzlich“ oder „im Einzelfall“ delegationsfähig sind
Grundsätzlich nicht delegierbar sind dievom Arzt persönlich zu erbringenden Leistungen – wie zum Beispiel alle operativen Eingriffe, die Untersuchungenund Beratungen von Patienten sowie therapeutische Maßnahmen.Bei den delegierfähigen Leistungen werden „im Einzelfall delegationsfähige Leistungen“ von „grundsätzlich delegationsfähigen Leistungen“ unterschieden. Dabei gilt:
Die schriftliche Anordnung (zum Beispiel Arbeitanweisung) für im Einzelfall delegationsfähige Leistungen wird empfohlen.
Die ermächtigte Arzthelferin trägt die Verantwortung für die sorgfältige Durchführung der erteilten Anweisung.
Im Einzelfall delegationsfähige Leistungen sind:
- Die Durchführung subkutaner und intramuskulärer Injektionen kann auf qualifiziertes Assistenzpersonal übertragen werden.
- Die Durchführung von Blutentnahmen darf nur persönlich – namentlich – an entsprechend qualifizierte Mitarbeiter delegiert werden.
- Die Anordnung von Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen ist Aufgabe des Arztes; er trägt die alleinige Verantwortung für seine Anordnung.
- Intravenöse Injektionen und das Anlegen von Infusionen sind wegen möglicher Komplikationen nur dann delegationsfähig, wenn sich der Arzt von der durch Ausbildung und Erfahrung gewonnenen spezifischen Qualifikation in der Punktions- und Injektionstechnik überzeugt hat und wenn er persönlich in der Praxis anwesend ist.
- Delegationsfähig ist die technische Einstellung des Röntgenbildes. Dabei ist die Anwesenheit des Arztes im Röntgenraum nicht erforderlich, er muss aber in unmittelbarer Nähe sein.
- EKG-Leistungen unter Belastung dürfen nur in Anwesenheit des Arztes durchgeführt werden.
- Laborleistungen sind grundsätzlich delegationsfähig, nicht aber die Leistungen des Speziallabors (Abschnitte O III EBM, M III/IV GOÄ).
In den Leistungsbereich der grundsätzlich delegationsfähigen Leistungen gehören:
- Physikalisch-medizinische Leistungen,
- Ton- und Sprachaudiometrie sowie vergleichbare Messverfahren,
- Dauerkatheterwechsel,
- Wechsel einfacher Verbände.
Auch bei diesen Leistungen fordern die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung:
1. die durch Ausbildung nachzuweisende spezifische Qualifikation des Praxispersonals,
2. die in regelmäßigen Zeitabständen zu erfolgende Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung,
3. die ausdrückliche Anweisung durch den Arzt zur Leistungserbringung beim jeweiligen Patienten,
4. die kritische Beurteilung des Ergebnisses nach der Durchführung,
5. die unmittelbare Erreichbarkeit des Arztes bei der Durchführung delegierter Leistungen.
Vom Arzt vorher angeordnete Blutentnahmen können in der Zeit vor Beginn der Sprechstunde durchgeführt werden, wenn der Arzt in angemessener Zeit persönlich in der Praxis erreichbar ist. Das Abzeichnen erbrachter Leistungen mit dem jeweiligen Namenskürzel der Arzthelferin – zum Beispiel bei der Anfertigung von EKGs, EEGs oder Lungenfunktionsuntersuchungen – sollte in der Arztpraxis Standard werden.
Es folgt eine Übersicht von Leistungen, die bei Beachtung der Voraussetzungen unter Umständen an eine qualifizierte Mitarbeiterin delegiert werden können.
Ausgewählte Leistungen, die bzw. deren Durchführung vom Arzt an qualifizierte Mitarbeiterinnen delegiert werden können:
EBM GOÄ
Venöse Blutentnahme kurativ: nein Nr. 250
Röteln-Titer Nr. 175
Kapilläre Blutentnahme * Nr. 250A (bis 8.Lj.)
Intramuskuläre Injektion * Nr. 252
Subcutane Injektion * Nr. 252
Injektion in einen
parenteralen Katheter * Nr. 261
Schellong-Test * Nr. 600
Ruhe-EKG Nrn. 602 + 603 Nrn. 650, 651
Anlegen Langzeit-EKG (bei
Auswertung durch den Arzt) Nr. 606, 608 Nr. 659
Anlegen 24-Stunden-
Blutdruckmessung Nr. 612 (613) Nr. 654
Laborleistungen OI-Labor, OII-Labor MI-Labor
Einfache Inhalationen Nr. 502 Nr. 500
Bewegungsübungen bei ge-
störter Muskel- und/oder Gelenk-
funktion, z.B. nach Endopro-
these und bei Venenkrankheiten Nr. 505 Nr. 510
Wärmetherapie Nr. 530 Nrn. 530, 536, 538
Reizstrom, Yontophorese,
(niederfrequente Ströme) Nr. 533 Nrn. 551, 552
Mittelfrequente Ströme Nr. 534 Analog-Nr. 551
Kryotherapie Nr. 535 Nr. 530
Schulung von Nr. 7215 (BMÄ nur teilweise)
Diabetes-Patienten Nrn. 8013 bis 8015
(Ersatzkassen) Nr. 20 (Inhalt anders)
Hausbesuche durch die Helferin Nrn. 7180, 7181 Nr. 52
Katheterisierung der Harnblase – Nr. 1728, 1730
* Diese Leistungen sind nicht nach Einzelpositionen des EBM berechnungsfähig, da sie pauschal mit der Ordinationsgebür Nr. 1 vergütet werden.
EBM GOÄ
Akne-Behandlung Nr. 900 Nr. 758
Phlebologischer Verband Nr. 205 Nr. 204
Fixierender Verband über zwei Nr. 212 Nrn. 204, 210,
Gelenke, auch als Notverband 212, 228
Tape-, Gips-Verbände Nrn. 214, 215, Nrn. 201, 204, 207,
216, 217 208,214,227,230 ff.
Abnahme zirkulärer
Gipsverbände Nr. 246 Nr. 246
Telefonische Auskunft
im Auftrag des Arztes Nrn. 3, 170 Nr. 2
Schriftlicher, individueller
Diätplan – Nr. 76
Orientierende Testverfahren Nrn. 890, 891 Nr. 857
Gipsabdruck Hand oder Fuß Nr. 3220 Nr. 3310
Untersuchung Blut auf Stuhl Nrn. 159, 3520 Nr. 3500
(Testbriefchen) 7150
Ausgewählte Leistungen, die – bei Anwesenheit des Arztes – unter Umständen an qualifizierte Mitarbeiterinnen delegiert werden können:
Elektrostimulation Nr. 536 Nr. 555
(Assistenzfunktion)
Kompressionstherapie Nr. 526 Nrn. 525, 526
Patientenschulung in Gruppen (vertragliche
bei chronischen Erkrankungen Zusatzregelungen) Nr. 20
Extensionsbehandlung Nr. 514 Nrn. 514, 515, 516
Schulung im Gebrauch von Kunst-
gliedern und Fremdkraftprothesen Nr. 3245 Nr. 518
EEG Nr. 802 Nr. 827
Lungenfunktionsprüfung nach Nrn. 691, 718 Nrn. 605, 605a, 609,
Applikation von Testsubstanzen Analog-Nr. 500
(Bronchokonstruktiva)
Ergometrie-EKG** Nr. 604 Nr. 652
Spiro-Ergometrie** Nr. 700 Nr. 606
Vegetative Funktionsdiagnostik – Nr. 831
Hautfunktionsproben Nr. 941 Nrn. 759, 760
Allergologische Abschnitt C V. Nrn. 380 bis 399
Leistungen** Höchstpunktzahl für
die Nrn. 345 bis 354
** Bei diesen Leistungen soll der Arzt unmittelbar anwesend sein.
Weitere Informationen:
- KBV: „Anforderungen an die persönliche Leistungserbringung“, in: „Deutsches Ärzteblatt“ Heft 31/32 vom 8. August 1988, Seite C-1313 bis C-1315
- Theresia Wölker: Die Arzthelferin und ihr Recht, pmi-Verlag Frankfurt, Juli 1995
- Der Arzt und das Recht – Ratgeber der Vereinten Krankenversicherung, April 1999; zu beziehen bei: Vereinte Krankenversicherung, Fritz-Schäffer-Str. 9, 81737 München
Quelle: Abrechnung aktuell - Ausgabe 11/2000, Seite 10