01.06.2010 | Berufsrecht
Die Risiken für Vertragsärzte bei Kooperationen und Pharma-Marketing
von RA/FA für Strafrecht Dr. Patrick Teubner, Berlin und RA/FA für
Straf- und Medizinrecht, Köln
Jahrzehnte konnte sich jeder niedergelassene Arzt sicher sein: Wegen einer Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) konnte er sich nicht strafbar machen. Er war nach allgemeiner Ansicht kein „tauglicher Täter“ der Angestelltenbestechung. Doch nun hat das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig mit Beschluss vom 23. Februar 2010 (Az: Ws 17/10, Abruf-Nr. 101418) entschieden, der Vertragsarzt sei „Beauftragter der Krankenkasse“ im Sinne des Gesetzes und damit tauglicher Täter des § 299 Abs. 1 StGB. Wie kam es zu diesem Beschluss? Der folgende Beitrag gibt Einblick in den Fall und untersucht die Hintergründe.
Der Sachverhalt
Ein Apotheker gewährte einem Vertragsarzt für die Praxiseinrichtung in seiner Nähe erhebliche Zuschüsse zum Praxisumbau sowie regelmäßige monatliche Zahlungen. Im Gegenzug soll der Arzt den Apotheker bei der Verschreibung hochpreisiger Medikamente - wie zum Beispiel Zytostatika - bevorzugt haben. Infrage stand also ein „Kooperationsmodell“ im weitesten Sinne.
Die Entscheidung des OLG Braunschweig
Die Richter prüften, ob es sich bei dem niedergelassenen Arzt um einen Beauftragten im Sinne des § 299 StGB handelt und bejahten diese Frage.
Wer ist ein „Beauftragter“?
Ein Beauftragter im Sinne des § 299 StGB ist, wer ohne Geschäftsinhaber oder Angestellter zu sein, aufgrund seiner Stellung berechtigt und verpflichtet ist, für den Betrieb zu handeln und auf die betrieblichen Entscheidungen Einfluss zu nehmen. |
Die Beauftragtenstellung eines Kassenvertragsarztes zeige sich bereits in dem Rechtsverhältnis zwischen den Krankenkassen, den Kassenärzten, den Kassenpatienten und den Apotheken bei der Verordnung von Medikamenten. Nach § 27 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, 31 Abs. 1 SGB V haben die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf Krankenbehandlung. Als Bestandteil der Krankenbehandlung sind Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel als Sachleistung zu erbringen. Ein derartiger Sachleistungsanspruch kann grundsätzlich nur dadurch begründet werden, dass ein Vertragsarzt das Arzneimittel auf Kassenrezept verordnet und damit die Verantwortung für die Behandlung übernimmt. Ein bestimmtes Arzneimittel kann der Versicherte daher erst dann beanspruchen, wenn es ihm als ärztliche Behandlungsmaßnahme von einem Vertragsarzt als einem mit öffentlich-rechtlicher Rechtsmacht „beliehenen“ Verwaltungsträger verschrieben wird. Bei der Verordnung gebe der Vertragsarzt für die Krankenkasse die Erklärung zum Abschluss eines Kaufvertrags über die verordneten Medikamente ab. Daher könne man ihn durchaus als „Schlüsselfigur der Arzneimittelversorgung“ bezeichnen.
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