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  • · Fachbeitrag · Interview

    „An der Transparenz bei der Abrechnung kann sich entscheiden, ob ein Praxisnachfolger gefunden wird!“

    | Fehler bei Abrechnungen und Arztrechnungen sind nicht nur ärgerlich, sondern auch zeitaufwendig, imageschädigend und ein finanzielles Risiko. Vor allem für junge Ärztinnen und Ärzte, die sich niederlassen, ist es daher wichtig, von Anfang an ein reibungsloses Forderungsmanagement aufzubauen. Dr. Nicolas Kahl, Facharzt für Allgemeinmedizin, gehört zu dieser Gruppe junger Ärzte. Der 35-Jährige übernahm zum 01.01.2021 eine Praxis in Nürnberg. Wie er mit den Herausforderungen rund um die Abrechnung umgegangen ist, erzählt er im Gespräch mit Ursula Katthöfer ( textwiese.com ). |

     

    Frage: Digitalisierung, Arzt-Patienten-Verhältnis, Praxisteam ‒ wer sich niederlässt, muss sich um vieles kümmern. Wo rangiert das Thema Abrechnung?

     

    Antwort: Es hat eine sehr große Bedeutung, weil ein niedergelassener Arzt auch Unternehmer ist. Alte Hasen, die eine Praxis abgeben, wollen eine möglichst hohe Ablösesumme erzielen. Sie sind jungen Ärzten oft einen Schritt voraus. Übernahme-Interessierte sollten sich früh mit Abrechnung, Finanzplanung und Investitionsbedarf auseinandersetzen, um abzuschätzen, ob die verlangte Ablösesumme gerechtfertigt ist. Der Abgebende muss klar offenlegen, wie viel Geld er mit welchen Leistungen verdient. Wenn ein junger Arzt beispielsweise keine betriebsmedizinischen Leistungen abrechnen kann, nützt es ihm gar nichts, wenn die zu verkaufende Praxis damit gute Honorare erzielt. Auch wenn im Graubereich abgerechnet wird, kann es Schwierigkeiten geben. Also: Ohne offene Zahlen kein Geschäft. An der Transparenz kann sich entscheiden, ob ein junger Mediziner eine Praxis übernimmt oder sich anderweitig umsieht. Zurzeit hat der Nachwuchs die Wahl.

     

    Frage: Was ist für Sie die größte Hürde bei Abrechnungen und Privatliquidation?

     

    Antwort: Die schwierige Planbarkeit im Kassensystem ist eine Herausforderung. Ich habe eine kleine Praxis übernommen und diese deutlich vergrößert. Zwischen Abgabe der Honorarabrechnung und Kontoeingang vergehen vier Monate. Eher kann ich meinen Umsatz nicht prüfen. Wer umgekehrt eine große Praxis übernimmt, bekommt noch die Abschläge des Vorgängers und merkt vielleicht gar nicht, dass der Umsatz gefährlich zurückgeht.

     

    Frage: Für die Abrechnung der COVID-Impfung sind 44 verschiedene Abrechnungsziffern zu beachten. In Bayern müssen Sie zusätzlich in der Ziffer die Chargennummer des Impfstoffs dokumentieren. Wie könnte die Abrechnung weniger kompliziert werden?

     

    Antwort: Die Chargennummer zu dokumentieren, kann man nur mit einer guten Portion Humor ertragen. Ein älterer Kollege hat mir geraten, nicht alles zu hinterfragen, was ich nicht ändern kann. Sonst würde ich in dem Beruf nicht glücklich. Weniger kompliziert sind Hausarztverträge, von denen ich ein großer Fan bin. Es dauert zwar auch eine gefühlte Ewigkeit, Patienten dort einzuschreiben. Dennoch möchte ich das HZV-System für meine Praxis ausweiten.

     

    Frage: Was wünschen Sie sich von der IT-Infrastruktur, um die Abrechnung zu erleichtern?

     

    Antwort: Ich wünsche mir bessere Kommunikation bei anstehenden IT-Projekten. Die Patienten wissen beispielsweise überhaupt nicht, dass das eRezept kommt. Auch könnte es durch KBV und gematik einen nachvollziehbaren Zertifizierungsprozess für PVS-Systeme geben, um die Nutzerfreundlichkeit sicherzustellen. Wenn ein System nicht funktioniert, sollte das irgendwo nachlesbar sein. Denn von einem schlechten PVS auf ein gutes PVS umzusteigen, ist wahnsinnig viel Arbeit.

     

    Frage: Welche Rolle spielt die Weiterbildung der MFAs?

     

    Antwort: Sie ist sehr wichtig. Eine meiner ersten Aktionen war, eine MFA zu fragen, ob sie sich zur Betriebswirtschaftlichen Assistentin in der Hausarztpraxis (BEAH) weiterbilden lassen möchte. Wenn wir nicht delegieren und die Arbeitsprozesse in den Praxen verändern, werden wir die älter werdende Bevölkerung bei weniger Ärzten nicht ausreichend versorgen können. Die zusätzlichen Leistungen der MFAs müssen sich zudem in der zukünftigen Vergütung abbilden.

     

    Auch Ärzte können sich zur Abrechnung weiterbilden. Es ist sinnvoll, frühzeitig an KV-Seminaren teilzunehmen, die etwa vermitteln, was bei Heilmittelverordnungen zu beachten ist. Auch in den Hausärzteverband einzutreten, kann ich empfehlen.

     

    Frage: Was halten Sie von externen Abrechnungsbüros?

     

    Antwort: Ich nutze auch ein Abrechnungsbüro, um den Kopf für die Patienten freizuhaben. Als junger Niedergelassener muss man allerdings wissen, dass einige Abrechnungsbüros einem das Honorar überweisen, sobald man die Abrechnung bei ihnen eingereicht hat. Dafür zahlt man einen Aufschlag. Das verursacht unnötige Kosten. Günstiger ist es, mit einem Büro zu arbeiten, das erst überweist, wenn der Patient die Rechnung bezahlt hat.

     

    Frage: Ihr Blick in die Zukunft: Wird die Abrechnungsbürokratie während Ihrer aktiven Zeit als Hausarzt jemals einfacher werden?

     

    Antwort: Wenn unsere Gesellschaft möchte, dass es weiterhin Einzelpraxen gibt, dann muss man die Abrechnung vereinfachen. Sonst wird es irgendwann nur noch große Praxiskonstrukte geben, die eigene Abrechnungsbüros betreiben. Ich glaube, dass die Abrechnung bewusst so kompliziert ist, damit die Ärzte sie nicht maximal ausschöpfen können. Das muss anders werden, schon wegen der Digitalisierung. Wenn ich einen elektronischen Patientenkontakt habe und ihm ein eRezept aufs Handy schicke, dann bildet ein Honorar von 1,35 Euro das nicht ausreichend ab.

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: Ausgabe 11 / 2022 | Seite 17 | ID 48663142