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  • · Nachricht · Pressemitteilung

    KV Nordrhein fordert Abschaffung der Regresse für ärztliche Verordnungen

    | Dr. med. Peter Potthoff, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein, hat sich in einer Mitteilung gegenüber Bundes-, Landes- und Kommunalpolitikern zu den Vorwürfen geäußert, die im Zusammenhang mit einem Prüfverfahren des Hausarztes Stefanus Paas aus Bergneustadt gegenüber der KV Nordrhein erhoben worden sind. Potthoff nimmt darin Stellung zum Prüfgeschehen, zur Verantwortung der Politik und zur Forderung der KV, Regresse für ärztliche Verordnungen ersatzlos abzuschaffen. |

     

    Zitat: „Das nicht-öffentliche Verfahren, über das Hausarzt Stefanus Paas die Medien und Repräsentanten der Politik in den ver-gangenen Wochen öffentlich informiert hat, wurde wegen Überschreitung der Arzneimittel-Richtgrößen für das Jahr 2011 bei der zuständigen Prüfungsstelle und zuletzt beim Beschwerdeausschuss als Widerspruchsinstanz geführt. Beide Prüfgremien sind gemeinsame Einrichtungen der nordrheinischen Krankenkassen und der KV Nordrhein und nehmen ihre Aufgaben eigenverantwortlich wahr. Zweck, Ablauf und Beteiligte des Verfahrens sind in § 106 SGB V geregelt. Aus guten Gründen sind diese Beratungen nicht öffentlich, da den Erörterungen stets persönliche und schutzwürdige Daten des betroffenen Arztes und seiner Patienten zugrunde liegen.

     

    Auch mir sind die Einzelheiten der Verfahren nicht bekannt; zudem wäre ich - selbstverständlich - nicht befugt, sie öffentlich zu kommentieren. Ich bitte Sie daher um Verständnis, wenn ich mich zu dem konkreten Verfahren im Detail nicht äußern kann. Auch ohne Kenntnis des konkreten Falls gehe ich jedoch davon aus, dass zu Gunsten von Herrn Paas der gesetzliche Vorrang der Beratung gegenüber einer Regresszahlung zum Tragen kommt. Mit anderen Worten: Der von den Prüfgremien aktuell festgesetzte Regress wird aller Voraussicht nach nicht vollzogen werden. Die öffentlich geäußerte Empörung des Betroffenen erscheint vor diesem Hintergrund in keiner Weise verhältnismäßig.

    Prüfen im Auftrag des Gesetzgebers

    Gestatten Sie mir mit Blick auf die breite Diskussion über diesen Vorgang einige grundsätzliche Anmerkungen: Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit ärztlicher Verordnungen ist eine Aufgabe, die der Deutsche Bundestag den Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam übertragen hat. Ich erinnere daran ausdrücklich, weil insbesondere wir als KV für die Durchführung dieser Aufgabe - auch aus dem politischen Raum - oftmals heftiger Kritik ausgesetzt sind. Mitunter herrscht in der öffentlichen Wahrnehmung der Eindruck vor, die Prüfverfahren seien als bloße Schikanen Ausdruck von Eigenmächtigkeit oder gar Willkür der ärztlichen Selbstverwal-tung gegen ihre eigenen Mitglieder.

     

    Nicht nur der Betroffene selbst, auch Dritte, wie zuletzt Prof. Karl Lauterbach in einem WDR-Fernsehinterview, haben in diesem Zusammenhang öffentlich ihre Enttäuschung geäußert, dass ich in meiner Funktion als KV-Vorsitzender nicht im Sinne von Herrn Paas in diesem Konflikt interveniert beziehungsweise ihm „die Hand gereicht“ habe. Diese Kritik offenbart ein irritierendes Verständnis rechtsstaatlicher Abläufe. Die Erwartung eines Mit-glieds der Legislative, dass eine KV - durch welche Intervention auch immer - die unpopulären, aber zwingenden Folgen von Vorschriften „mildert“, die das Parlament selbst beschlossen hat, ist zumindest befremdlich.

     

    Die KVen tragen - gemeinsam mit den Kassen - die Verantwortung für die korrekte Durchführung der Prüfverfahren. Ich habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass in den Verfahren vor den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen sehr sorgfältig sämtliche entlastenden Argumente und Sachverhalte geprüft und gewürdigt werden, die dort von den betroffenen Kolleginnen und Kollegen vorgetragen werden. Dies äußert sich auch in den sehr geringen Zahlen an Regressen, die in den vergangenen Jahren effektiv verhängt wurden.

     

    Von den ca. 16.000 verordnenden Ärzten in Nordrhein waren in den ver-gangenen vier Jahren jeweils nur zwischen fünf und 17 Kollegen von Arzneimittel-Regressen betroffen. Vor diesem Hintergrund widerspreche ich mit Nachdruck der Behauptung von Herrn Paas, dass eine ausreichende pharmakotherapeutische Versorgung etwa von chronisch Kranken oder Palliativpatienten unter den geltenden Regelungen nicht möglich sei. Dies unterstellt, dass die übergroße Mehrheit der nordrheinischen Ärzteschaft ihren Patienten notwendige Arzneimittel systematisch vorenthält. Diese Vorstellung ist gänzlich abwegig.

    Prüfungen werden nicht abgeschafft - im Gegenteil

    Gleichwohl steht außer Frage - und hier ist Herrn Paas‘ Unmut nachzuvollziehen -, dass die Prüfverfahren für die Betroffenen mit aufwändigen Recherchen verbunden sind, um die Wirtschaftlichkeit von Verordnungen zu belegen, die oftmals mehrere Quartale oder gar Jahre zurückliegen. Daher haben die KVen - und auch ich persönlich - in den vergangenen Jahren immer wieder die Abschaffung dieser Regresse gefordert; gerade weil sie von jungen Ärztinnen und Ärzten stets als Hemmnis mit Blick auf eine mögliche (haus) ärztliche Niederlassung genannt werden. Somit ergreifen wir in der gesundheitspolitischen Auseinandersetzung selbstverständlich auch Partei für Herrn Paas - und für alle unsere Mitglieder, die unter dem Damoklesschwert von Prüfungen und Regressen ihre Patienten versorgen.

     

    Leider ist die Politik bis heute nicht bereit, auf gesetzliche Prüfverfahren und die Androhung von Regressen zu verzichten. Es wurden in den vergangenen Jahren lediglich graduelle Erleichterungen beschlossen. Auch die aktuelle Reform der Großen Koalition (Referentenentwurf des GKV-VSG) hält letztlich ohne Einschränkung an den Prüfungen fest. Der geplante Wegfall von Richtgrößenprüfungen hat in dieser Hinsicht allenfalls symbolischen Charakter. Tatsächlich wird die Selbstverwaltung auch unter den nunmehr geplanten gesetzlichen Vorgaben gezwungen sein, entsprechend wirksame Prüfmethoden zu etablieren - einschließlich geeigneter Sanktionsinstrumente.

     

    Allein die im Gesetzentwurf noch einmal verschärfte persönliche Haftung von KV- und Kassenvorständen für die Durchführung der Prüfungen ist ein unmissverständliches Signal für den Willen des Gesetzgebers, an effektiven Prüfverfahren und -sanktionen auch künftig festzuhalten. Umso mehr bitte ich Sie, uns darin zu unterstützen, die Regresse für ärztliche Verordnungen ersatzlos abzuschaffen.“

     

    Quelle: KVNO, 24.10.2014

    Quelle: ID 43055059