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  • · Fachbeitrag · Digitalisierung und Abrechnung

    Digitale Leistungen nach GOÄ abrechnen: Fragen aus den Hausarztpraxen

    von Jasmin Wenz, Expertin für die Abrechnung in Arztpraxen, Pfinztal, jasminwenz.com

    | Digitale bzw. telemedizinische Leistungen verursachen in Hausarztpraxen bei der Abrechnung gemäß GOÄ häufig Probleme. Die Abrechnungsempfehlungen der Bundesärztekammer (BÄK) zu telemedizinischen Leistungen sind eine Grundlage (siehe AAA 09/2020, Seite 10 ), reichen allerdings nicht immer aus. Anhand sechs konkreter Abrechnungsfragen aus den Hausarztpraxen werden die Lösungen und Optionen erläutert. |

    Sechs Fragen aus den Arztpraxen und Antworten

    Frage 1: Wie können wir eine ärztliche Beratung per E-Mail abrechnen?

     

    Antwort: Eine ärztliche Beratung per E-Mail kann mit Nr. 1 GOÄ analog (80 Punkte, 10,72 Euro, 2,3-fach) berechnet werden. Wichtig ist, dass eine Beratung via Chatdienst oder SMS ausgeschlossen und nicht berechnungsfähig ist.

     

    Frage 2: Wir haben bei einem älteren Patienten nach längerem Krankenhausaufenthalt eine ärztliche Videoberatung (Dauer: ca. 8-9 Minuten) unter Einbeziehung des Sohnes als Bezugsperson durchgeführt. Der Sohn wurde zusätzlich (!) in die medikamentöse Therapie sowie zur weiteren Behandlung des betreffenden Patienten eingewiesen. Wie können wir das gemäß GOÄ abrechnen?

     

    Antwort: Diese Beratung kann nach der BÄK-Abrechnungsempfehlung zu telemedizinischen Leistungen mit Nr. 1 GOÄ originär (80 Punkte, 13,98 Euro, 3,0-fach) abgerechnet werden. Möglich ist ein höherer Faktor (z. B. 3,0) mit der Begründung, dass es sich um ein beratungsintensives Krankheitsbild gehandelt hat, der einen erhöhten Zeitaufwand von ca. 8‒9 Minuten erforderte. Adressat dieses Teils der Leistung ist der Patient selbst.

     

    Zudem kann auch die Nr. 4 GOÄ analog (220 Punkte, 29,49 Euro, 2,3-fach) für die Erhebung der Fremdanamnese über einen Kranken und/oder Unterweisung und Führung der Bezugsperson mittels Videoübertragung ‒ im Zusammenhang mit der Behandlung eines Kranken, angesetzt werden (siehe BÄK-Abrechnungsempfehlung, beschlossen am 09./10.12.2021, iww.de/s11700). Die Nr. 4 GOÄ kann ebenfalls telefonisch erbracht und berechnet werden. Adressat dieses Teils der Leistung ist die Bezugsperson. Die Analogisierung für die Fremdanamnese im Rahmen der Videosprechstunde ist hier dennoch zu empfehlen.

     

    PRAXISTIPP | Nr. 1 GOÄ und Nr. 4 GOÄ sind nicht nebeneinander berechnungsfähig, wenn sich sämtliche Bestandteile der Leistungslegenden zu beiden Positionen an ein und dieselbe Person richten. Dies ist im dargestellten Beispiel nicht der Fall und die Nebeneinanderabrechnung somit hier nicht problematisch. Vermerken Sie hinter den jeweiligen Positionen die dazu passende Zielrichtung bzw. den Adressaten, um Rückfragen zu minimieren.

     

    Frage 3: Was kann für den Fall abgerechnet werden, wenn die MFA im Auftrag des Arztes bzw. der Ärztin dem Patienten per E-Mail oder über kurzer Videoübertragung mitteilen soll, wie eine neue Medikation einzunehmen ist?

     

    Antwort: Für die Ausstellung von Rezepten und/oder Überweisungen und/oder die Übermittlung von Befunden oder ärztlichen Anordnungen mittels Videotelefonie bzw. E-Mail kann die Nr. 2 GOÄ analog (30 Punkte, 3,50 Euro, 1,8-fach) abgerechnet werden. Auch hier gilt, dass die Erläuterungen per Chat oder SMS nicht berechnungsfähig sind.

     

    Frage 4: Wir mussten bei einer im Pflegeheim lebenden Patientin akut um 20:20 Uhr an einem Montagabend (nach Sprechstundenende) einen Medikamentenplan aktualisieren (es handelte sich um Dosierungsänderungen von zehn Medikamenten). Unsere Ärztin hat dann zusätzlich eine kurze E-Mailberatung (Einzeiler!) an die Pflegestationsleitung geschickt und den aktualisierten Medikamentenplan angehängt. Wie wird das abgerechnet?

     

    Antwort: Für die Beratung des Patienten durch den Arzt mittels E-Mail kann auch die Nr. 1 GOÄ analog (80 Punkte, 10,72 Euro) angesetzt werden. Denkbar wäre hier die Wahl eines geringeren Faktors (z. B. 1,0-fach), da es sich um einen Einzeiler gehandelt hat. Eine insgesamt differenzierte Faktorwahl kann ‒ auch in der Wahrnehmung durch den Kostenträger ‒ die Glaubwürdigkeit stärken und die Wahrscheinlichkeit von Rückfragen u. U. reduzieren. Aufgrund der Uhrzeit ist Zuschlag B ergänzend berechnungsfähig (180 Punkte, 10,49 Euro).

     

    Zudem kann für die Aktualisierung und elektronische Übersendung des Medikamentenplans die Nr. 70 GOÄ analog (40 Punkte, 8,16 Euro, 3,5-fach) angesetzt werden. Da die umfangreichen Dosierungsänderungen von zehn Medikamenten einen erhöhten Zeitaufwand begründen können, kann der Faktor 3,5 gerechtfertigt sein.

     

    Frage 5: Wir hatten in der Praxis den Fall, dass eine chronisch kranke Privatpatientin eine ePA-Erstbefüllung gewünscht hatte ‒ der Aufwand war durchschnittlich. Zudem hat sie ein Rezept über eine digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) erhalten. Wie das bei Kassenpatienten abzubilden wäre, ist klar. Aber wie können wir die Leistungen nun bei der Privatpatientin abrechnen?

     

    Antwort: Für die Erstbefüllung der elektronischen Patienten- oder Gesundheitsakte mit medizinischen Informationen, inklusive der Ergänzung der zu den Dokumenten gehörenden Metadaten kann Nr. 75 GOÄ analog (130 Punkte, 17,43 Euro, 2,3-fach) berechnet werden. Sollte es in der Folge im Rahmen weiterer Termine zu weiteren Befüllungen der ePA kommen, wäre dann jeweils die Nr. 70 GOÄ analog (40 Punkte, 5,36 Euro, 2,3-fach) berechnungsfähig. Die Leistungslegende aus der BÄK-Abrechnungsempfehlung lautet: Weitere Befüllung der elektronischen Patienten- oder Gesundheitsakte mit medizinischen Informationen, inklusive Ergänzung der zu den Dokumenten gehörenden Metadaten.

     

    Der zweite Teil der Frage betrifft die DiGA-Verordnung. Für die Verordnung und ggf. Einweisung in Funktionen bzw. Handhabung sowie Kontrolle der Messungen zu DiGAs steht Nr. 76 GOÄ analog (70 Punkte, 9,38 Euro, 2,3-fach) zur Verfügung. Die Einweisung in Funktionen bzw. Handhabung sowie die Kontrolle der Messungen ist integraler Bestandteil der empfohlenen Abrechnung nach Nr. 76 GOÄ analog. Hingegen wäre eine Beratung, die sich etwa auf das weitere therapeutische Prozedere bezieht, dann zusätzlich mit Nr. 1 GOÄ abrechenbar (andere Zielrichtung).

     

    Frage 6: Wir können die Terminvermittlung für Kassenpatienten über die EBM-Nrn. 03008/04008 abrechnen. Kürzlich haben wir für einen Privatpatienten im Auftrag des Arztes einen dringenden Facharzttermin per E-Mail vereinbart. Können wir dafür etwas berechnen?

     

    Antwort: Nein, hier ist leider keine Abrechnung möglich. Gemäß Kapitel B ‒ Punkt 7 - Allgemeine Bestimmungen ist die Terminvereinbarung (interne, wie externe) keine nach GOÄ abrechenbare Leistung!

    Allgemeine Hinweise zur Abrechnung

    Neben den konkreten Fragen aus dem Praxisalltag gibt es auch einige allgemeingültige Hinweise zur Abrechnung von digitalen Leistungen gemäß GOÄ.

     

    MERKE |

    • Die Videoübertragung (z. B. Videosprechstunde) stellt eine besondere Ausführung der Beratung mittels Fernsprecher (siehe Leistungslegende der Nr. 1 GOÄ) dar und berechtigt daher zur originären Berechnung der Nr. 1 sowie der Nr. 3 GOÄ!
    • Neben den Abrechnungsempfehlungen der BÄK bestehen weitere Abrechnungsmöglichkeiten, die nach den bislang vorliegenden Erfahrungswerten im Rahmen der Videosprechstunde abrechnungsfähig sind.
    • Voraussetzung dafür ist, dass die Leistungen aus berufsrechtlichen Gründen und gemäß Leistungslegende keine physische Anwesenheit des Patienten erfordern. Eine etwaige Nichterstattung bei eigenständiger Analogisierung durch die PKVen muss aber berücksichtigt bzw. bedacht werden! Wird eigenständig analogisiert, so muss die volle Schreibung, die §12 GOÄ bei analoger Abrechnung fordert, angewandt werden (siehe Beispiel). Das betrifft u. a. auch Nr. 849 GOÄ (Psychotherapeutische Behandlung bei psychoreaktiven, psychosomatischen oder neurotischen Störungen, Dauer mindestens 20 Minuten), die dann analog ‒ sofern die Leistung im Rahmen der Videosprechstunde erbracht ‒ berechnet werden kann. Bei den psychotherapeutischen Leistungen ist darauf zu achten, dass zuvor ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden haben sollte. In Ausnahmefällen (Akutfälle) kann aber davon ggf. abgewichen werden.
      • Beispiel: Die Nr. 33 GOÄ analog gemäß § 6 Abs. 2 der GOÄ soll für die folgende Leistung berechnet werden: Ernährungseinzelberatung, mind. 20 Min. inkl. Auswertung eines standardisierten Fragebogens und Einweisung/Coaching zum Erlernen/Umsetzen der Vorgaben gemäß Ernährungsmanagement, mittels Videosprechstunde (40,22 Euro, 2,3-fach) (Nr. 33 GOÄ originär).
    • Für die Steigerung der Faktoren gelten die üblichen Voraussetzungen von § 5 Abs. 2 GOÄ (erhöhter Zeitaufwand, besondere Umstände sowie besondere Schwierigkeit bei der Ausführung). Zudem sollte eine differenzierte Abrechnung umgesetzt werden ‒ bedeutet: Es ist sinnvoll, mitunter einen niedrigeren Faktor (zwischen 1,0 und 2,3) zu verwenden. Daran sollten Sie immer denken, wenn z. B. nur eine ganz kurze E-Mailberatung oder Videosprechstunde stattgefunden hat. Die Wahl eines niedrigeren Faktors zeigt dem Patienten sowie auch dessen privater Krankenversicherung, dass Ihre Praxis je nach Einzelfall differenziert mit den Faktoren umgeht.
    • Beachten Sie, dass ggf. die Zuschläge gemäß Kapitel B II zu den Leistungen nach den Nrn. 1, 3, 4 (4A), und 5(5A) GOÄ zusätzlich berechnet werden können.
    • Aus den Leistungslegenden muss grundsätzlich hervorgehen, dass es sich um digitale bzw. telemedizinisch erbrachte Leistungen gehandelt hat. Die Legenden sind also entsprechend anzupassen.
     

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 10 / 2024 | Seite 11 | ID 50116013