08.06.2011 · IWW-Abrufnummer 111893
Sozialgericht Berlin: Urteil vom 27.04.2011 – S 71 KA 93/11 WA
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der Beschluss des Beklagten zu 2) vom 10. Mai 2010 wird aufgehoben. Der Beklagte zu 2) wird verpflichtet, den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 5. Oktober 2009 aufzuheben. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) je zur H älfte, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Regress wegen der Herstellung onkologischer Begleitmedikamente (unter anderem das Biphosphonat Pamidronsäure/Aredia) als infusionsfertige Lösung in der Apotheke. Mit Prüfantrag vom 11. September 2008 beantragte die Beigeladene zu 2) bei der Beklagten zu 1) die Festsetzung eines Schadens von 897,37 Euro (Verordnungsquartal III/2007) f ür die Versicherten I B., M G., D G., R K. und E R. Zur Begründung führte sie aus, dass onkologische Begleitmedikamente als in der Apotheke hergestellte Individualrezepturen zur Infusion verordnet worden seien. Die eingesetzten Wirkstoffe könnten zum großen Teil durch den Arzt in Form der jeweiligen Fertigarzneimittel als Injektion verabreicht werden. In den Fällen, in denen eine Kurzinfusion zweckmäßiger erscheinen würde, könnten die eingesetzten Wirkstoffe der geeigneten Trägerlösung zugespritzt werden, da von diesen Stoffen kein Gefährdungspotential ausgehen würde – es handele sich ausnahmslos um keine zytotoxischen Substanzen. Die individuelle Zubereitung als Rezeptur in der Apotheke sei mit erheblichen Mehrkosten verbunden, da die Fertigarzneimittel wesentlich preisgünstiger seien. In der Regel sei die Verordnung als Rezeptur bei Erwachsenen nicht notwendig und daher unwirtschaftlich. Mit Schreiben vom 22. Januar 2009 setzte die Beklagte zu 1) die Klägerin von diesem Prüfantrag in Kenntnis und bat gleichzeitig um Mitwirkung an der Sachaufklärung. Die Ärzte der klägerischen Gemeinschaftspraxis erklärten im Folgenden unter anderem, dass sich die Patientinnen aufgrund eines Mammakarzinoms in regelmäßiger fachärztlicher und onkologischer Betreuung befinden würden. Leitliniengerecht seien die Patientinnen mit einer adjuvanten Chemotherapie therapiert worden. Wenn sie, wie von der Beigeladenen zu 2) gefordert, Dexamethason, Granisetron oder Mesna in ihrer Praxis ansetzen und verabreichen würden, müssten sie auf den Namen eines jeden Patienten entweder eine einzelne Packung mit einer Ampulle der betroffenen Arzneimittel oder als wirtschaftlichere Alternative eine Packung mit fünf oder zehn Ampullen Dexamethason, Granisetron oder Mesna verordnen. Eine Packung mit fünf oder zehn Ampullen werde jedoch in den meisten Fällen nicht aufgebraucht, zum Beispiel wenn der Patient die Therapie abbrechen müsse. In diesen Fällen müssten die verbliebenen Ampullen der größeren Packung weggeworfen werden und würden dennoch mit dem vollen Preis bei dem Kostenträger zu Buche schlagen. Des Weiteren sei eine aseptische Herstellung in der Apotheke erforderlich. Es könne nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei den Patienten, denen neben der Chemotherapie Dexamethason, Granisetron und Mesna regelmäßig verabreicht werde, um Tumorpatienten handele, die immunkompromittiert oder sogar immunsupprimiert seien. Gerade bei diesen Patienten sei die Herstellung von Infusionen unter optimalen Bedingungen erforderlich, um auch nur die geringste Gefahr einer Infektion soweit wie möglich zu reduzieren. Mit Beschluss vom 5. Oktober 2009 (ausgefertigt am 19. November 2009) und bei den Bevollmächtigten der Klägerin eingegangen am 23. November 2009) setzte die Beklagte zu 1) eine Ersatzverpflichtung gegenüber der Klägerin in der von der Beigeladenen zu 2) beantragten Höhe fest. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich bei den verordneten onkologischen Begleitmedikamenten nicht um Zytostatika handele, bei deren Herstellung hochkomplexe Sicherheitsmaßnahmen erforderlich seien, die nur in einigen spezialisierten Apotheken gewährleistet werden könnten. Eine Anfertigung unter aseptischen Bedingungen könne direkt in der Arztpraxis zur unmittelbaren Anwendung am Patienten vorgenommen werden. Insofern seien Zubereitungen dieser Wirkstoffe als infusionsfertige Lösungen durch Apotheken als unwirtschaftlich einzustufen. In der Rechtsmittelbelehrung ihres Bescheides wies die Beklagte zu 1) auf die Möglichkeit einer Klage vor dem Sozialgericht Berlin hin. Am 16. Dezember 2009 erhob die Klägerin über ihre Bevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Mit am 21. Dezember 2009 bei den Prüfgremien eingegangenem Schreiben legte sie zugleich Widerspruch gegen den am 19. November 2009 ausgefertigten Bescheid der Beklagten zu 1) ein. Mit Beschluss vom 6. April 2010 ordnete die Kammer das Ruhen des Verfahrens bis zur Durchführung des Vorverfahrens vor der Beklagten zu 2) an. Mit Beschluss vom 10. Mai 2010 (ausgefertigt am 17. Juni 2010) wies dieser den Widerspruch der Klägerin als unzulässig zurück, weil die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Beklagten zu 1) bereits Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits sei. Eine neue Klage gegen seine – des Beklagten zu 2) – Entscheidung sei wegen der bereits bestehenden Rechtshängigkeit unzulässig. Die Klägerin könne ihr Ziel, die Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu erwirken, damit nicht erreichen. Weil die Klägerin dieses Klageziel mit dem Rechtsbehelf nicht erwirken könne, sei der Widerspruch unzulässig. Am 3. Februar 2011 hat die Kammer das ruhende Verfahren von Amts wegen wieder aufgenommen. Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin aus: Es finde sich bereits keine rechtliche Grundlage, um dem Arzt die Verantwortung für die Herstellung der streitigen Infusionslösungen aufzuerlegen. Die Herstellung solcher Infusionslösungen sei nicht Bestandteil des EBM und werde dem Arzt auch nicht gesondert von den Krankenkassen vergütet. Sie unterfalle vielmehr ausdrücklich der pharmazeutischen Tätigkeit im Sinne von § 3 Absatz 4 Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO). Die Entscheidung, ob eine aseptische Herstellung der Arzneimittel in der Arztpraxis des jeweils verordnenden Arztes gewährleistet werden könne, dürfe nicht pauschal beurteilt werden, sondern müsse vom Arzt selbst getroffen werden. Die Herstellervorgaben in den Fachinformationen bestätigten die Zulässigkeit einer Delegation der Herstellung von Infusionslösungen mit Biphosphonaten in der Apotheke. Qualitätsgesicherte und validierte Bedingungen seien in aller Regel nur in der Apotheke sichergestellt, nicht aber in der Praxis eines niedergelassenen Arztes. Auch die bisherige sozialgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage – Sozialgericht Hamburg, Urteil vom 5. November 2008, Az. S 27 KA 99/06; Sozialgericht München, Urteil vom 13. März 2007, Az. S 28 KA 781/05 – zeige, dass die rezepturmäßige Verordnung von Biphosphonaten zur Herstellung in der Apotheke keinen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot darstelle.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 5. Oktober 2009 (schriftlicher Bescheid vom 19. November 2009) und den Bescheid des Beklagten zu 2) vom 10. Mai 2010 (schriftlicher Bescheid vom 17. Juni 2010) aufzuheben. Die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) beantragen, die Klage abzuweisen. Die Beklagte zu 1) hält die gegen sie gerichtete Klage für zulässig aber unbegründet. Der Durchführung eines Vorverfahrens habe es nicht bedurft. In der Sache werde darauf hingewiesen, dass die hier streitgegenständlichen Biphosphonat-Infusionslösungen und die weiteren Begleitmedikamente im Rahmen einer onkologischen Therapie keine zytostatische Wirkung hätten, so dass ihre Herstellung auch nicht mit derjenigen von zytostatischen Infusionslösungen verglichen werden könne. Die Herstellung einer Biphosphonat-Infusionslösung erfolge in lediglich zwei Arbeitsschritten, deren Ausführung durch das Fachpersonal einer auf Onkologie spezialisierten Praxis vorausgesetzt werden könne. Die KV Sachsen-Anhalt habe in ihrem offiziellen Mitteilungsblatt 1/07 die Auffassung vertreten, dass Biphosphonate – anders als Zytostatika – in der Arztpraxis in einen gebrauchsfertigen Zustand gebracht werden könnten. Auch die KV Berlin habe ihre Mitglieder auf eine "Regressgefahr" bei der Herstellung von Biphosphonaten als Individualrezeptur in der Apotheke hingewiesen. Hinsichtlich der fachhygienischen Problemlage werde auf die Stellungnahme der MDK-Expertengruppe "Arzneimittelversorgung" vom Juli 2006 Bezug genommen, nach der für eine Arztpraxis unangemessene hohe hygienische Voraussetzungen für die Aufbereitung von Biphosphonaten fachlich nicht erforderlich seien. Wenn in einer Arztpraxis die Infusion unter aseptischen Bedingungen erfolgen könne, so müsse gleiches auch für die Herstellung gelten. Die Erwägungen der Senatsverwaltung Berlin für Gesundheitsschutz, Umwelt und Verbraucherschutz seien in erster Linie von organisatorischen Aspekten geprägt und gingen zudem hinsichtlich der Anforderungen an die Herstellung von Biphosphonat-Infusionslösungen von falschen Voraussetzungen aus. Ausweislich der Auskunft des Herstellers Novartis habe die Herstellung von Biphosphonat-Infusionslösungen lediglich unter aseptischen, nicht aber unter sterilen Bedingungen zu erfolgen. Der Beklagte zu 2) verweist hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Fragen auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss und hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit auf den ebenfalls angefochtenen Bescheid der Beklagten zu 1). Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Die Beigeladene zu 2) ist der Ansicht, einem approbierten Arzt, insbesondere einem Facharzt, könne die Fähigkeit zur Durchführung einer Verdünnung unterstellt werden. Weiterhin erfolge eine Gabe von Biphosphonaten in der Regel als ambulante, palliative Therapie, zeitlich versetzt als Ergänzung zur Tumortherapie. Eine klinisch relevante Immunsuppression wäre mit einer ambulanten Behandlung auch nicht zu vereinbaren. Zudem würden von Klägerseite zwar mikrobiologische und hygienische Aspekte als Risikofaktoren benannt, Aufbewahrungs- und Transportrisiko hingegen verkannt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten zu 1) und zu 2), die in der mündlichen Verhandlung vorlagen und Gegenstand der Entscheidung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 5. Oktober 2009 ist unzulässig, die Klage gegen den Beschluss des Beklagten zu 2) vom 17. Juni 2010 ist zulässig und auch begründet. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 5. Oktober 2009 ist unzulässig, weil sie der unzutreffende Rechtsbehelf ist. Vielmehr ist gegen die Entscheidung der Beklagten zu 1) der Beklagte zu 2) anzurufen. Nach § 106 Absatz 5 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hat vor der Klageerhebung grundsätzlich ein Vorverfahren vor dem Beklagten zu 2) stattzufinden, das als Widerspruchsverfahren gemäß § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gilt (§ 106 Absatz 5 Satz 6 SGB V). Der mit dem GKV-WSG eingeführte Ausschluss des Vorverfahrens in bestimmten Konstellationen ( § 106 Absatz 5 Satz 8 SGB V) ist im vorliegenden Fall der Festsetzung einer Ersatzverpflichtung wegen eines Off-Label-Use nicht einschlägig. Zur Begründung wird insofern vollumfänglich auf die Entscheidung der 83. Kammer des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2010 – S 83 KA 651/08 (veröffentlicht unter Juris, Revision anhängig beim BSG unter dem Aktenzeichen B 6 KA 13/10 R) verwiesen und zur Vermeidung bloßer Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen. Die Klage gegen den Beklagten zu 2) ist zulässig und auch begründet. Die Kammer durfte die ursprünglich nur gegen den Beschluss der Beklagten zu 1) erhobene Klage nicht wegen des fehlenden Vorverfahrens als unzulässig abweisen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG hatte die Kammer – wie geschehen – der Klägerin zunächst die Möglichkeit zu geben, das Vorverfahren nachzuholen und auf diese Weise die Spruchreife herzustellen. In der Klage ist zugleich die Einlegung des Widerspruchs zu sehen (vgl. dazu ebenfalls das Urteil der 83. Kammer des Sozialgericht Berlin vom 17. März 2010, a.a.O., m.w.N.). Unabhängig davon, dass der Beklagte zu 2) zu Unrecht von der Unzulässigkeit des Widerspruchs ausging, ist durch seinen Beschluss das Vorverfahren gemäß § 106 Absatz 5 Satz 3 SGB V durchgeführt und abgeschlossen worden, so dass die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen und die Kammer die Möglichkeit hat, über den Rechtsstreit in der Sache – also über die Rechtmäßigkeit des ausgesprochenen Regresses – zu befinden. Denn Sachurteilsvoraussetzung ist nur, dass eine das Vorverfahren abschließende, für den Kläger erfolglose Entscheidung vorliegt, nicht aber unbedingt eine inhaltliche Entscheidung. Auch Fehlerfreiheit des Vorverfahrens ist nicht Prozessvoraussetzung (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Auflage 2008, § 78 Rdnr. 2). Die danach zulässige Klage gegen den Beklagten zu 2) ist auch begründet. Gegen die Klägerin wurde in dem streitgegenständlichen Quartal III/2007 zu Unrecht ein Regress wegen der Verordnung onkologischer Begleitmedikamente als in der Apotheke hergestellte Individualrezeptur zur Infusion festgesetzt. Rechtsgrundlage für den Regress ist § 106 Absatz 2 Satz 4 SGB V in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung des GMG in Verbindung mit der Prüfvereinbarung vom 19. April 2007. Nach der gesetzlichen Regelung können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in Satz 1 vorgesehenen Prüfungen hinaus Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Entsprechendes ist in § 26 der "Vereinbarung ( ) über die Verfahren zur Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit durch den Prüfungs- und Beschwerdeausschuss (§ 106 SGB V)" vom 19. April 2007 (veröffentlicht im KV-Blatt 05/2007 – im Folgenden: PrüfV) geregelt. Nach § 26 lit. b Ziffer 1 PrüfV prüfen der Prüfungs- und Beschwerdeausschuss bzw. deren Kammern auf Antrag der Krankenkassen bzw. ihrer Verbände oder der KV Berlin die Verordnungsweise von Vertragsärzten bei einzelnen Präparaten auf Unwirtschaftlichkeit. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier – mangels Unwirtschaftlichkeit der streitgegenständlichen Verordnungen - nicht vor. Die Kammer erachtet die Annahme der Beklagten zu 1), nach der ein onkologisch tätiger Arzt in der Lage sei, Biphosphonate mit einem der Herstellung in der Apotheke vergleichbaren Standard aufzubereiten, für unzutreffend. Biphosphonate werden unter anderem zur palliativen Therapie tumorinduzierter Osteolysen und Hyperkalziämien sowie bei Schmerzen infolge von Knochenmetastasen eingesetzt. Auf dem Markt befinden sich eine Reihe von Pamidronsäure-haltigen Arzneimitteln (zum Beispiel Aredia, Axidronat, pamidro-cell, Pamifos, Ribrodronat) und Zoledronsäure-haltigen Arzneimitteln (zum Beispiel Zometa, Aclasta). Die Indikationen, für die die einzelnen Substanzen zugelassen wurden, sind unterschiedlich. Die Gabe erfolgt jedoch in der Regel als Ergänzung zur Tumortherapie. Die Arzneimittel werden als Konzentrate mit unterschiedlichen Wirkstoffmengen angeboten, die mit 0,9%iger Kochsalz- oder 5%iger Glucoselösung zu den anwendungsbereiten Infusionslösungen verdünnt werden müssen. Die vorliegenden Fachinformationen des Herstellers von Aredia und Zometa – Novartis Pharma - sehen eine aseptische Herstellung der Infusionslösungen im Interesse der Patientensicherheit vor. Laut Schreiben der Novartis Pharma vom 21. Februar 2011 könne die Einhaltung aseptischer Bedingungen durch die Zubereitung in einer Apotheke gewährleistet werden, die als solche über die entsprechenden räumlichen, sachlichen und personellen Voraussetzungen verfügt, um eine einwandfreie sterile Herstellung vorzunehmen. Ob und inwieweit in Arztpraxen eine adäquate aseptische Herstellung möglich sei, könne nicht beurteilt werden. Dies dürfte auch von dem Umständen des Einzelfalls und den jeweils gegebenen Praxisbedingungen abhängen. Die Entscheidung, ob eine aseptische Herstellung in der Praxis möglich sei, falle in den Beurteilungs- und Verantwortungsbereich des Arztes. Auch die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz geht in ihrem Schreiben vom 13. Januar 2011 davon aus, dass die pharmazeutische Qualität der Parenteralia in der Apotheke durch die validierte Herstellung unter aseptischen Bedingungen gewährleistet werden müsse. Eine aseptische und damit im Interesse des Patienten sichere Herstellung der Lösungen sei in der Arztpraxis häufig nur schwer umzusetzen, woraus eine ernsthafte Beeinträchtigung der Patientensicherheit resultieren könne. Fehlende Sachkenntnis und mangelnde Hygiene in der Arztpraxis könnten die Wirkung des Arzneimittels negativ beeinflussen bzw. den Patienten gefährden. Eine diesbezügliche Risikoabschätzung des Arztes müsse letztlich individuell erfolgen und könne ggf. in die Entscheidung zur Beauftragung einer Apotheke münden. Die Kammer schließt sich den Auffassungen der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Berlin sowie der Novartis Pharma an. Die Entscheidung, ob eine aseptische Herstellung der Arzneimittel in der Arztpraxis des jeweils verordnenden Arztes gewährleistet werden kann, darf auch nach Auffassung der Kammer nicht pauschal beurteilt werden, sondern ist durch den Arzt in eigener Verantwortung zu treffen. Es kann dem Vertragsarzt nicht zugemutet werden, dass er aus Gründen der Kostenersparnis die Infusionslösungen in seiner Praxis herstellt und auf diese Weise die körperliche Integrität seiner Patienten gefährdet, da er die Herstellerbedingungen nicht erfüllen kann. Zur Vermeidung von Medikationsfehlern und zur Gewährleistung der Patientensicherheit ist die patientenindividuelle Herstellung aller im Rahmen einer onkologischen Therapie eingesetzten parenteralen Zubereitungen (Parenteralia sind sterile Zubereitungen, die zur Injektion, Infusion oder Implantation bestimmt sind) unter qualitätsgesicherten und validierten Bedingungen notwendig. Diese Bedingungen kann in der Regel nur eine Apotheke sicherstellen, nicht aber der niedergelassene Arzt. Jedenfalls kann vorliegend die Klägerin die geforderten Voraussetzungen für die Herstellung der streitgegenständlichen Infusionslösungen in ihrer Praxis mangels entsprechender Ausstattung nicht erfüllen. Es besteht für die Kammer keine Veranlassung, die Richtigkeit dieses Vortrags der Klägerin anzuzweifeln. Die besondere Bedeutung einer möglichst optimal aseptischen Herstellung erschließt sich insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei Patienten mit onkologischen Erkrankungen in aller Regel um solche mit einem besonders geschwächten Immunsystem handelt, das heißt, sie sind besonders infektionsgefährdet. Es ist selbstredend, dass eine aseptische Herstellung der onkologischen Begleitmedikamente und eine strenge Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen bei diesem Patientenkreis von ganz erheblicher Bedeutung für Leib und Leben sind. Zu unterscheiden ist auch zwischen der Herstellung einer Infusionslösung in der ärztlichen Praxis und der Verabreichung der Lösung. Im Hinblick auf die Herstellung ist es von Bedeutung, dass aseptisch aufbereitete Arbeitsflächen in der Praxis vorhanden sein müssen, die für die Zubereitung der Arzneimittel genutzt werden können. Bei der Herstellung der in Rede stehenden Infusionslösungen besteht eine Verunreinigungsgefahr, da die Arzneimittel noch zubereitet werden müssen und beim Herstellungsvorgang äußeren Einflüssen unterliegen. Beim Anlegen einer in der Apotheke im Vorfeld hergestellten Infusionslösung besteht demgegenüber – aufgrund der dortigen Herstellungsbedingungen – eine nur sehr geringe Gefahr, dass die Lösung verunreinigt wird. Diese befindet sich bereits in einem anwendungsfähigen und anwendungsfertigen Zustand und ist regelmäßig keimfrei. Bei der Verabreichung der Lösung ist Keimfreiheit lediglich an der Einstichstelle am Arm – nicht aber auf der gesamten Arbeitsfläche – sicherzustellen. Dies kann in der Arztpraxis beispielsweise durch den Einsatz von sterilen Kanülen, Gummihandschuhen und Desinfektionsmitteln sichergestellt werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen zu 2) ist es nicht maßgeblich, ob die hier in Rede stehende Begleitmedikation eine zytostatische Wirkung aufweist. Vielmehr ist entscheidend, dass diese im Rahmen der onkologischen Therapie eingesetzt wird und Bestandteil derselben ist. Die onkologische Behandlung von Patienten muss in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Alle Medikamente, die Bestandteil dieser Therapie sind, müssen im Sinne der Patientensicherheit unter aseptischen Bedingungen hergestellt werden. Die von der Beklagten zu 1) vorgelegten Veröffentlichungen der KV Sachsen-Anhalt und der KV Berlin sowie das vorgelegte MDK-Gutachten kommen zwar zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung bzw. halten eine solche für möglich (Warnung der KV Berlin vor einer "Regressgefahr"), stellen jedoch letztlich rechtlich abweichende Auffassungen dar, denen sich die Kammer aus den obigen Gründen im Ergebnis nicht anschließt. Soweit sich die Beklagte zu 1) auf Angaben von Vertragsärzten als Klägern in anderen Verfahren bezieht, nach denen die Herstellung onkologischer Begleitmedikamente in ihrer Praxis unproblematisch in hygienischer Weise erfolgen könne, ist dieser Hinweis hier nicht entscheidungsrelevant. Entsprechende Angaben beruhen auf der Einschätzung eines einzelnen Vertragsarztes, lassen jedoch keinen Rückschluss dahingehend zu, dass solche Standards regelmäßig in allen onkologischen Vertragsarztpraxen gewährleistet werden können. Zudem steht es außer Frage, dass onkologisch tätige Vertragsärzte befugt sind, onkologische Begleitmedikamente und Biphosphonat-Infusionslösungen in ihren Praxen herzustellen; zur Entscheidung steht vielmehr die Frage, ob diese Ärzte zu einer entsprechenden Vorgehensweise unter Regress-Androhung verpflichtet werden dürfen. Überdies kann sich eine Verpflichtung zur Durchführung bestimmter Maßnahmen nur aus dem Gesetz bzw. entsprechenden Verordnungen in Verbindung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot ergeben. Die Herstellung von Infusionslösungen bei den hier in Rede stehenden onkologischen Begleitmedikamenten ist weder Bestandteil des EBM, noch wird sie von den Krankenkassen gesondert vergütet. Bei der Kalkulation der EBM-Ziffern 01510 ff. bzw. 02100 ff. EBM 2000 plus ("ambulante praxisklinische Betreuung und Nachsorge" bzw. "Infusion") ist sie nicht berücksichtigt. Die Herstellung entsprechender Infusionslösungen ist keine vertragsärztliche Leistung, sondern unterfällt vielmehr ausdrücklich der pharmazeutischen Tätigkeit im Sinne von § 3 Absatz 4 Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO). Danach sind pharmazeutische Tätigkeiten im Sinne dieser Verordnung die Entwicklung, Herstellung, Prüfung und Abgabe von Arzneimitteln, die Information und Beratung über Arzneimittel sowie die Überprüfung der Arzneimittelvorräte in Krankenhäusern. Der zuständige Apotheker trägt dabei die Verantwortung für die ordnungsgemäße Herstellung, Prüfung und Abgabe. Zur Herstellung und Prüfung applikationsfertiger Parenteralia ohne toxisches Potential existieren zudem die speziellen und fortlaufend aktualisierten Leitlinien der Bundesapothekenkammer zur Qualitätssicherung. Bei der Aufbereitung der hier in Rede stehenden Arzneimittel handelt es sich auch um eine Herstellung im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG). Gemäß § 4 Absatz 14 AMG ist Herstellen das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe. Darunter fällt also auch die Zubereitung der hier streitgegenständlichen onkologischen Begleitmedikamente. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 3, 155 Abs. 4, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da die Beklagte zu 1) mit der nach Ansicht der Kammer unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung die gegen sie gerichtete Klage veranlasst hat, waren ihr insofern auch nach § 155 Abs. 4 VwGO ein Teil der Kosten aufzuerlegen. Eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen kam nicht in Betracht, da diese keine eigenen Anträge gestellt haben und damit auch kein Kostenrisiko eingegangen sind.