02.04.2014 · IWW-Abrufnummer 140945
Sozialgericht Marburg: Urteil vom 05.03.2014 – S 11 KA 129/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sozialgericht Marburg
Az.: S 11 KA 129/12
Verkündet am 5. März 2014
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
A.,
A-Straße, A-Stadt,
Klägerin,
Prozessbevollm.: Rechtsanwälte B.,
B-Straße, B-Stadt,
gegen
Kassenärztliche Vereinigung Hessen, vertreten durch den Vorstand,
Georg-Voigt-Str. 15, 60325 Frankfurt am Main,
Beklagte,
hat die 11. Kammer des Sozialgerichts Marburg auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2014 durch die Richterin am Sozialgericht Hellkötter, sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. med. Ausmeier und Dr. Leußler für Recht erkannt:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 20.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2012 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2. Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Honorarrückforderung in Höhe von 75.020,16 € aufgrund einer patientenbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnungen der elf Quartale II/05 bis IV/07 und hierbei insbesondere eines Praxisabgleichs innerhalb der Praxis-gemeinschaft mit den Partnern A1 und A2/A3 mit einem Anteil gemeinsamer Patienten zwischen 35% und 45% bzw. 30% und 41%.
Die Klägerin nahm in den streitgegenständlichen Quartalen als Fachärztin für Allgemein-medizin mit Praxissitz in A-Stadt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die übte ihre Tätigkeit in Praxisgemeinschaft mit dem hausärztlich tätigen Internisten A1 und mit den Fachärzten für Allgemeinmedizin A2 (II/05-I/07) und A3 (II/07-IV/07) aus. In den Vorquartalen führten die Partner eine Gemeinschaftspraxis.
Die Beklagte stellte bei einer patientenbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnungen für die Quartale II/05 bis IV/07 einen aus ihrer Sicht nicht plausiblen Anteil identischer Patienten fest. Mit Bescheid vom 20.07.2010 hob sie die Honorarbescheide auf und setzte die Vergütung für die Quartale II/05 bis IV/07 neu fest. Daraus ergab sich eine Honorarrückforderung in Höhe von 75.020,16€ netto. Die Praxis der Klägerin sei mit den Praxen von Herrn A1, Herrn A2 und Herrn A3 gegenüber gestellt worden. Der Anteil der gemeinsamen Patienten sei wie folgt ermittelt worden
- II/05 bis I/07 - Praxisgemeinschaft mit A2 - zwischen 30% und 41 %,
- II/05 bis IV/07 - Praxisgemeinschaft mit A1 - zwischen 35% und 45% sowie
- II/07 bis IV/07 - Praxisgemeinschaft mit A3 - zwischen 34% und 36 %.
Die Abrechnung der Klägerin weise die folgenden Auffälligkeiten auf: Bei allen Ärzten sei über alle Quartale hinweg die Versichertenkarte am gleichen Tag eingelesen worden. Dies deute darauf hin, dass geplant gewesen sei, den Patienten später in den anderen Praxen als Fall zu generieren. Bei vielen Überweisungen an Herrn A1 sei keine medizinische Notwendigkeit erkennbar, da Herrn A1s Leistungsspektrum dem der anderen Praxiskollegen entspreche. Einige Patienten seien in allen drei Praxen behandelt worden. Es fänden sich für einen Patienten öfters zwei Originalscheine, wobei Gründe für den Praxiswechsel nicht ersichtlich seien. Es seien Vertreterscheine ausgestellt worden, obwohl der Vertretene an diesem Tag Leistungen erbracht habe. Die Klägerin hätte mit ihren Partnern die Praxisgemeinschaft faktisch wie eine Gemeinschaftspraxis weitergeführt und Vertretungen bereits bei sprechstundenfreien Zeiten des Kollegen angeboten. Dies erfülle den Tatbestand der missbräuchlichen Nutzung der Rechtsform der Praxisgemeinschaft. Die Kooperation ginge über den üblichen Betrieb einer Praxisgemeinschaft als Organisationsgemeinschaft zur Kostenminimierung hinaus. Dies habe zu einer deutlichen Erhöhung der Fallzahlen und des Honorars geführt. Es liege damit ein Verstoß gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit der Abrechnung vor, so dass die Abrechnungen sachlich-rechnerisch zu berichtigen seien.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 23.07.2010 Widerspruch ein, der wie folgt begründet wurde: Die Prüfung der Unterlagen belege, dass die Kooperationsform der Praxisgemeinschaft nicht missbraucht worden sei. Die Ärzte hätten sich stets als Praxisgemeinschaft gegenüber den Patienten dargestellt. Das Einlesen der Chipkarte bei allen Praxisinhabern diene der Verwaltungsvereinfachung, da erfahrungsgemäß die Patienten nur beim ersten Praxisbesuch die Chipkarte mitbrächten. Das Ein-lesen der Chipkarte allein führe weder zu einem zusätzlichen Fall noch seien Leistungen ohne Leistungserbringung abgerechnet worden. Die Leistungen seien später – oft wegen Urlaubsvertretung – erbracht worden. Die Praxis der Praxisgemeinschaft liege zudem in l ändlicher Gegend mit wenig weiteren Ärzten. Die Partner der Praxisgemeinschaft würden sich daher gegenseitig und in zulässiger Weise vertreten. Stellvertretend für alle Quartale sei auf einen Leitz-Ordner für das Quartal II/07 zu verweisen, der Bestandteil der Widerspruchsbegründung sei. Die Klägerin dokumentierte darin alle Doppelfälle im Quartal II/07 und legte dar, wie es zu diesen Fällen jeweils gekommen sei. Sie führte darin die Daten der sprechstundenfreien Zeiten und Urlaubs-/Krankheitszeiten von Herrn A1, Herrn A3 und von sich selbst auf. Sie nannte die Anzahl der Fälle, in denen Vertretungen für die Kollegen, Überweisungen zur Mit-/Weiterbehandlung, Vorabeinlesungen der Krankenversichertenkarte vorkamen im Detail.
Die Überweisungen an Herrn A1 als hausärztlich tätigen Internisten seien gerechtfertigt durch die Diagnosen, den Wunsch der Patienten auf Behandlung durch Herrn A1 und § 24 Abs. 4 BMV-Ä (Zulässigkeit der Überweisung an Vertragsarzt derselben Arztgruppe bei Inanspruchnahme besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden). Der erstbehandelnde Arzt würde nur feststellen, ob und in welchem Umfang eine Überweisung notwendig sei. Die Wahl des Arztes obliege dem Patienten.
Vertretungen seien auch bei nur vorübergehender Abwesenheit des Kollegen erfolgt und wegen Dringlichkeit der Behandlung gerechtfertigt gewesen.
Trotz vorhandener Patientenidentitäten könne keine lmplausibilität vorgeworfen werden. Die Überschneidungen seien aus besonderen Gründen gerechtfertigt. Wenn die Beklagte von der lmplausibilität der Abrechnung ausgehe, müsse sie zunächst alle Fälle, in denen eine unberechtigte Doppelbehandlung vorliege, einzeln benennen. Allein die Überschreitung des Aufgreifkriteriums stütze nicht zwingend den Vorwurf der Missbräuchlichkeit der Kooperationsform. Es müssten vielmehr auch medizinisch-ärztliche und individuelle Gesichtspunkte berücksichtigt werden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.02.2012 zurück.
Die Rechtsgrundlagen für die Richtigstellung der Honorarbescheide und die Rückforderung des Honorars seien § 45 Abs. 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (kurz BMV-Ä) bzw. der gleichlautende § 34 Abs. 4 Bundesmantelvertrag-Arzte/Ersatzkassen (kurz EKV) sowie § 50 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch X (SGB X). Nach § 45 Abs. 2 BMV-Ä/§ 34 Abs. 4 EKV könne die Honorarforderung des Vertragsarztes berichtigt werden, wenn Fehler hin-sichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit – d.h. Verstöße gegen gesetzliche, vertragliche oder satzungsrechtliche Bestimmungen vorlägen (§ 4, § 6 der "Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen", im Folgenden kurz "Richtlinien gemäß § 106 a SGB V" genannt). Die Berichtigung der Honorarabrechnung könne auch noch nachträglich (sog. "nachgehende sachlich-rechnerische Berichtigung") durchgeführt werden (ab dem Quartal II/05 § 8 Ziffer 8.6 des Honorarverteilungsvertrages). Im Fall der nachgehenden Berichtigung werde der Honorarbescheid von der der Beklagten (teilweise) aufgehoben und das Honorar gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X neu festgesetzt. Die Ausschlussfrist für nachgehende Honorarberichtigungen betrage vier Jahre nach Zugang des Honorarbescheides.
Ein Sonderfall der sachlich-rechnerischen Berichtigung sei die grob fahrlässig bzw. vorsätzlich fehlerhafte Abrechnung von Leistungen. Hierzu habe das Bundessozialgericht (BSG Urteil vom 17.09.1997, Az.: 6 RKa 86/95) ausgeführt, dass die Abgabe einer ordnungsgemäßen (d.h. nach bestem Wissen und Gewissen erstellten) Abrechnungssammelerklärung (§ 35 Abs. 2 Satz 3 BMV-Ä, § 34 Abs. 1 EKV) eine eigenständige Voraussetzung für den Vergütungsanspruch des Arztes sei. Die Garantiewirkung der Abrechnungssammelerklärung entfalle, wenn der Arzt nicht erbrachte bzw. nicht ordnungsgemäß er-brachte Leistungen grob fahrlässig oder vorsätzlich abrechne. Könne die Beklagte dem Arzt einen Behandlungsschein im Quartal nachweisen, der zumindest grob fahrlässig gemachte unrichtige Angaben bzw. nicht ordnungsgemäß erbrachte Leistungen enthalte, dann sei der auf der auf der wahrheitswidrigen Sammelerklärung beruhende Honorarbescheid insgesamt rechtswidrig. Dies habe zur Folge, dass die Beklagte den gesamten Honorarbescheid aufheben und das Honorar neu festsetzen dürfe. Dabei stehe der Beklagten ein weites Schätzungsermessen für die Neufestsetzung des Honorars zu.
Das Plausibilitätsprüfungsverfahren diene dem Nachweis von Abrechnungsfehlern mithilfe des Indizienbeweises (§ 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1, 2 der Richtlinien gemäß § 106 a SGB V). Von einem Indizienbeweis spreche man, wenn aufgrund bewiesener Hilfstatsachen (z.B. Zahl der identischen Patienten in beiden Praxen) auf das Vorliegen beweiserheblicher Tatsachen (z.B. missbräuchliche Nutzung der Rechtsform der Praxisgemeinschaft) geschlossen werde. Der Indizienbeweis sei geführt, wenn bestimmte Aufgreifkriterien (z.B. Prozentsatz identischer Patienten in zwei Praxisgemeinschaften) erfüllt seien und weitere Abrechnungsauffälligkeiten vorlägen, die den Schluss auf eine fehlerhafte Leistungserbringung zuließen. Eine fehlerhafte Abrechnung könne daneben durch weitere/andere Tatsachen bewiesen werden (vergl. § 5 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinien gemäß § 106 a SGB V).
Wie oben ausgeführt, setzte die Berichtigung der Honorarforderung nach § 45 Abs. 2 BMV-Ä/ § 34 Abs. 4 EKV Verstö ße gegen die vertragsärztlichen Abrechnungsbestimmungen voraus. Hierunter fielen nicht nur rechnerische oder gebührenordnungsrechtliche Fehler, sondern auch die Verletzung von Vorgaben über die formalen bzw. inhaltlichen Voraussetzungen der Leistungserbringung. Demnach berechtige jedes pflichtwidrige Verhalten des Arztes, das zu höheren Leistungsanforderungen führe, zur sachlich-rechnerischen Berichtigung.
Pflichtwidrig verhielten sich Ärzte, wenn sie sich durch rechtswidrige Ausgestaltung der beruflichen Zusammenarbeit Honorar verschafft hätten, das bei korrekter Zusammenarbeit nicht erreicht worden wäre. Hierzu zähle der Fall der sog. "verdeckten Gemeinschaftspraxis". Dabei organisierten Ärzte ihre ärztliche Tätigkeit faktisch wie in einer "Gemeinschaftspraxis" (Berufsausübungsgemeinschaft, kurz BAG, § 33 Abs. 2 Ärzte-Zulassungsverordnung), obwohl sie offiziell die Kooperationsform der "Praxisgemeinschaft" gewählt hätten. Von den äußeren Rahmenbedingungen her seien sich Gemeinschaftspraxis und Praxisgemeinschaft ähnlich. Sowohl bei der Gemeinschaftspraxis als auch bei der Praxisgemeinschaft nutzten mehrere Ärzte dieselbe Praxiseinrichtung und beschäftigten gemeinsame Mitarbeiter. Charakteristisch für die Gemeinschaftspraxis sei die gemeinschaftliche Ausübung des ärztlichen Berufs. Dazu gehörten die gemeinsame, nicht allein einem Arzt zugewiesene Behandlung der Patienten, die Führung einer einheitlichen Patientenkartei sowie die gemeinschaftliche Abrechnung. Insbesondere könnten in einer Gemeinschaftspraxis die Patienten wechselweise von allen Mitgliedern der Gemeinschaftspraxis behandelt werden (z.B. gegenseitige "Vertretungen" bei Abwesenheit eines Arztes, Arbeitsaufteilung nach Leistungsbereichen), ohne dass abrechnungs-technisch mehrere Behandlungsfälle entstünden. Leistungen, die pro Quartal nur einmal abrechenbar seien (z.B. Hausarztpauschale, Ordinationskomplex), könnten von einer Gemeinschaftspraxis insgesamt nur einmal abgerechnet werden.
Demgegenüber führten die Partner einer Praxisgemeinschaft rechtlich und abrechnungs-technisch selbständige, voneinander getrennte Praxen. Die Kooperation als Praxisgemeinschaft diene vorwiegend dazu, die Kosten des Praxisbetriebs zu teilen. Somit habe jeder der Ärzte einen eigenen Patientenstamm zu versorgen, folglich eine eigene, getrennte Patientenkartei zu führen sowie eigenständig mit der Beklagten abzurechnen. Wenn in einer Praxisgemeinschaft eine wechselseitige Mitbehandlung der Versicherten (wie es bei der Gemeinschaftspraxis üblich sei) stattfinde, dann löse dies für jede der Praxen einen neuen Behandlungsfall aus. Dies führe in den Praxen jeweils zu höheren Fallzahlen und zu Vorteilen bei der Honorierung (Anforderung höherer Punktmengen bei fallzahlbezogenen Budgetregelungen wie Regelleistungsvolumen oder Laborbudgets; mehrfache Abrechnungsmöglichkeit von Leistungen wie Ordinationskomplexen, ggf. hausärztlichen Strukturleistungen wie z.B. hausärztlicher Grundvergütung, Vorteile bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen/Richtgrößenprüfungen).
Die Klägerin habe in den Quartalen II/05 bis IV/07 in der Praxisgemeinschaft mit Herrn A1, Herrn A2 und ab dem Quartal II/07 mit Herrn A1 und Herrn A3 tatsächlich wie in einer (nicht genehmigten) Gemeinschaftspraxis zusammengearbeitet. Dies ergiebe sich zum einen aus der großen Zahl gemeinsamer Patienten, zum anderen aus den im Folgenden aufgeführten weiteren Indizien:
Nach § 11 Abs. 1, 2 der Richtlinien gemäß § 106 a SGB V könnten Abrechnungen von Einzelpraxen, die in Praxisgemeinschaft verbunden seien, unplausibel sein, wenn der Anteil identischer Patienten bestimmte Grenzwerte überschreite. Bei versorgungsbereichsidentischen Praxen sei (bezogen auf die abrechnenden Praxen) bei einer Überschreitung von 20 % identischer Patienten, bei versorgungsbereichsübergreifenden Praxen bei einer Überschreitung von 30 % identischer Patienten eine Abrechnungsauffälligkeit zu vermuten. Der prozentuale Anteil der identischen Patienten werde ermittelt, indem die Patienten beider Praxen einander gegenüber gestellt würden und festgestellt werde, wie viele Patienten sowohl in der einen, wie in der anderen Praxis geführt würden. Die Anzahl der doppelt geführten Patienten werde ins Verhältnis zur praxiseigenen Patientenzahl gesetzt und so ein Prozentsatz ermittelt (§ 4 Abs. 3 der Verfahrensordnung zur Durchführung von Plausibilitätsprüfungen der KV Hessen gemäß § 106 a Abs. 2 SGB V).
Die Klägerin habe als hausärztlich tätige Ärztin mit Herrn A3 sowie Herrn A2 als "Ärzte für Allgemeinmedizin" und Herrn A1 als hausärztlich tätigem "Internisten" eine versorgungs-bereichsidentische Praxisgemeinschaft geführt, so dass ab einer Quote von 20 % die Abrechnung auffällig werde.
Die hohe Anzahl gemeinsamer Patienten sei nicht plausibel, da alle Kollegen hausärztlich tätig seien und damit ein weitgehend gleiches Leistungsspektrum hätten.
Weitere Auffälligkeiten der Abrechnung lägen in der Einlesung der Krankenversicherten-karte in den Praxen der Praxisgemeinschaft zeitlich vor dem eigentlichen Behandlungs-tag. Ein Indiz für die fehlende Trennung der Praxen sei, dass die Klägerin Ihre Patienten-karteien nicht getrennt geführt habe: Bei fast allen Scheinen der Praxisgemeinschaft sei die Krankenversichertenkarten am gleichen Tag in mehreren Praxen eingelesen worden, ohne dass der Patient an diesem Tag alle diese Praxen aufgesucht hätte. Demnach griffen mehrere Praxen auf die Versichertenkarte und die Patientendaten zu, die von dem Versicherten eigentlich nur einer Praxis zur Verfügung gestellt worden seien. Die gemeinsame Nutzung der Patientendaten sei in einer Gemeinschaftspraxis zulässig, nicht jedoch in einer Praxisgemeinschaft. Die Einlesung und Speicherung der Daten der Krankenversichertenkarte in Praxen, die der Patient zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht auf-gesucht habe, verstoße gegen den Datenschutz, die ärztliche Schweigepflicht und gegen die Vorgaben der Bundesmantelverträge. Die Organisation der Praxisgemeinschaft werde ausgenutzt, indem die Daten der ausgehändigten Versichertenkarte für eine andere, rechtlich eigenständige Praxis verwendet würden. Die Daten der Krankenversichertenkarte dürften vom Vertragsarzt nur für die gesetzlichen und vertraglich erlaubten Zwecke, also die Ausstellung von Vordrucken (dazu gehören die Abrechnungsscheine), verwendet werden (§ 19 Abs. 5 BMV-Ä, § 35 Abs. 1 BMV-Ä). Gründe der Verwaltungsvereinfachung in der Arztpraxis gehören nicht zu den gesetzlich und vertraglich erlaubten Zwecken. ln dem Zeitpunkt des „vorsorglichen“ Einlesens der Krankenversichertenkarte und der Speicherung der Versichertendaten stehe noch gar nicht fest, ob der gesetzliche Zweck – Ausstellung eines Abrechnungsscheins, weil der Patient die Praxis in dem Quartal aufsuche – eintreten werde. Außerdem bestehe die Gefahr des Abrechnungsbetruges. Eine Praxis könne sich mit den gespeicherten Patientendaten selbst Abrechnungsscheine ausstellen, selbst wenn der Patient in dem Quartal nicht behandelt worden sei. Ob eine abgerechnete Behandlung tatsächlich stattgefunden habe, sei für die Beklagte kaum nachprüfbar. Der Vertragsarzt habe die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung. Er dürfe daher nichts unternehmen, was Misstrauen in die Korrektheit seiner Abrechnung erwecken könne. Es könne dahinstehen, ob nach Einlesung der Karte zu einem späteren Zeitpunkt eine Urlaubsvertretung stattgefunden habe (Anlagen 2, 6, 7). Das generelle Einlesen der Karten beweise, dass keine getrennte Patientenkarteiführung erfolgt sei.
Beispielsfälle: Einlesung der Krankenversichertenkarte in allen Praxen der Praxisgemeinschaft am gleichen Tag, Behandlung durch die Klägerin aber zu einem späteren Zeitpunkt
Quartal II/05 bis I/07: Praxisgemeinschaft A., A1, A2
Quartal II/07 bis IV/07: Praxisgemeinschaft A., A1, A3
Quartal Patient Gleiches Einlesedatum in allen Praxen Behandlungsdatum in der Praxis A.
II/05 P1 04.04.2005 21.04.2005
III/05 P2 26.07.2005 01.08.2005
IV/05 P3 04.10.2005 27.10.2005
I/06 P4 17.01.2006 07.03.2006
II/06 P5 04.04.2006 19.04.2006
III/06 P6 06.07.2006 14.09.2006
IV/06 P7 23.10.2006 13.11.2006
I/07 P8 05.01.2007 22.03.2007
II/07 P9 11.04.2007 25.06.2007
III/07 P10 25.07.2007 20.08.2007
IV/07 P11 02.10.2007 08.10.2007
Auffällig sei auch die Überweisungspraxis zwischen der Praxis der Klägerin und der Praxis von Herrn A1. Beide seien als Hausärzte tätig, so dass dasselbe Leistungsspektrum des EBM (insbesondere Kapitel 3 des EBM 2000plus) erbracht und abgerechnet werden könne. Die Klägerin und Herr A1 besäßen auch dieselben Genehmigungen. Die Über-weisungen beruhten demnach nicht auf einer unterschiedlichen Genehmigungslage. Die Leistungen, die aufgrund der Überweisungen zur Mit-/Weiterbehandlung erbracht worden seien, hätte der/die Überweisende selbst erbringen können. Die Überweisung sei dem-nach nicht erforderlich gewesen. ln vielen Fällen habe die Klägerin einen Originalschein angelegt und den Patienten zur Mit-/ Weiterbehandlung ("Elektrokardiographische Unter-suchung", Nr. 03320 und/oder "Spirographische Untersuchung", Nr. 03330) an Herrn A1 überwiesen. Von 473 Doppelfällen im Quartal II/07 entfielen 146 Fälle (31 %) auf Über-weisung an Herrn A1. Im Quartal 11/05 lägen 196 Überweisungen an Herrn A1 vor (dies betreffe über 35 % der 554 Doppelfälle).
Die Leistungen .Elektrokardiographische Untersuchung" (Nr. 03320) und "Spirographische Untersuchung" (Nr. 03330) seien typisch hausärztliche, genehmigungsfreie Leistungen, die die Klägerin selbst hätte erbringen können: ln einigen Fällen habe sie die Leistung Nr. 03320 (EKG) auch selbst abgerechnet (Bsp. Quartal II/05 P12). Im Übrigen nehme sie an den DMP-Programmen Asthma bronchiale, COPD (Chronische Atemwegserkrankungen), Koronare Herz-Krankheit und Diabetes mellitus Typ 2 teil. Außerdem rechne sie häufig die Nr. 03210 EBM (Behandlung und Betreuung eines Patienten mit chronisch-internistischer Grunderkrankung) ab. Zum fakultativen Leistungsinhalt der Nr. 03210 EBM gehöre die Erbringung der Leistungen Nr. 03320 und Nr. 03330. Wenn sie die Nr. 03210 abrechne, dann müsse sie fakultative Leistungsinhalte selbst erbringen. "Fakultativer Leistungsinhalt" bedeute, dass die fakultativen Untersuchungen nicht bei jedem Patienten medizinisch erforderlich seien. Es bedeute nicht, dass der Arzt entscheiden könne, ob er die Leistung persönlich durchführe oder eine Überweisung an einen Kollegen ausstelle. Anderenfalls liege keine vollständige Leistungserbringung vor (Nr. 2.1 der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM 2000plus).
Beispielsfälle Quartal II/05: P13; P14; P15; P16; P17;
Darüber hinaus gebe es Überweisungen zur Mit-/Weiterbehandlung an die Klägerin, während Herr A1 einen Originalschein abgerechnet habe. Auch hier sei kein Anlass für die Überweisung erkennbar, da Herr A1 die Leistungen hätte selbst erbringen können.
Beispiele II/05: P18: Die Klägerin habe nur den Ordinationskomplex und die Gesprächs-leistung Nr. 03120 abgerechnet.
P12: die Klägerin habe nur den Ordinationskomplex, Ganzkörperstatus (Nr. 03311) und ein EKG (Nr. 03320) abgerechnet.
Die von den Praxisgemeinschaftspartnern praktizierte Aufteilung von Leistungsbereichen untereinander und wechselseitige Behandlung eines Patienten durch mehrere Ärzte seien charakteristisch für die Zusammenarbeit in einer Gemeinschaftspraxis.
Die Überweisungen zur Mit-/Weiterbehandlung für Leistungen, die die Klägerin selbst hätte erbringen können, seien rechtswidrig. Sie missachte die Vorgaben für Überweisungen nach § 24 Abs. 3 und Abs. 4 BMV-Ä (§ 27 Abs. 3, 4 EKV). Eine Überweisung sei in der Regel nur an einen Arzt einer anderen Arztgruppe zulässig. Überweisungen an einen Arzt derselben Arztgruppe seien u.a. nur zulässig bei der Inanspruchnahme besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die von dem behandelnden Vertragsarzt nicht erbracht würden. Entscheidend sei, dass der behandelnde Vertragsarzt die Unter-suchung aus Qualifikationsgründen nicht erbringen könne (insbesondere fehlende Genehmigung). Anderenfalls sei der behandelnde Vertragsarzt verpflichtet, die Untersuchung selbst durchzuführen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung, § 16 Satz 1 BMV-Ä Pflicht, vertragsärztliche Leistungen nach den Regeln der ärztlichen Kunst/Stand der medizinischen Erkenntnisse zu erbringen). "Unternehmerische Entscheidungen", bestimmte Leistungen zu delegieren, rechtfertigten keine Überweisung und die daraus folgende Belastung der Gesamtvergütung.
Weiterhin bewirke sie, dass gegen die Vorgaben in § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB V verstoßen wird, da der Patient ohne wichtigen Grund innerhalb des Quartals den Hausarzt wechsele. Außerdem komme die Klägerin durch die Delegation der Untersuchungen an andere Hausärzte ihren hausärztlichen Pflichten – umfassende Betreuung des Patienten, Koordination und umfassende Dokumentation aller Behandlungen durch einen Hausarzt – nicht nach (§ 2 Abs. 3 Hausarztvertrag, § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2, 3 SGB V).
Wie oben ausgeführt, verstoße sie auch gegen die Pflicht, nur vollständig erbrachte Leistungen (Nr. 03210 EBM 2000plus) abzurechnen (Nr. 2.1 der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM 2000plus). Durch ihre Überweisungen w ürden ohne Notwendigkeit neue Behandlungsfälle und zusätzliche Leistungsabrechnungen (z.B. Ordinationskomplex, Haus-ärztliche Grundvergütung) ausgelöst.
Ihr Vortrag, aufgrund der Diagnosen bzw. auf Wunsch der Patienten seien die Überweisungen an Herrn A1 ausgestellt worden, sei schon angesichts der Häufigkeit der Über-weisungen nicht glaubhaft. Die Klägerin hätte die von Herrn A1 durchgeführten Leistungen selbst erbringen können, es handele sich nicht um besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Die Patienten hätten die Klägerin als Hausärztin ausgewählt. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Patienten eine Behandlung durch einen anderen Arzt wünschen sollten.
ln allen Quartalen finde man darüber hinaus Fälle, in denen für denselben Patienten in den hausärztlich ausgerichteten Praxen jeweils ein Originalschein angelegt worden sei. Hier sei also nicht darauf geachtet worden, dass die Patienten nur einen bestimmten Hausarzt besuchten. Die Mitarbeiter, deren Verhalten der Klägerin zuzurechnen sei, führten die Patientenkarteien und könnten die Patienten ihrem Hausarzt zuweisen. Stattdessen hätten sich die Praxispartner bei der Behandlung der Versicherten abgewechselt, wie es in einer Gemeinschaftspraxis üblich sei. Dieses Vorgehen verstoße gegen die Regelungen der hausärztlichen Versorgung (§ 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2, 3 SGB V, § 2 Abs. 3 Hausarztvertrag). Zu den spezifischen Aufgaben des Hausarztes gehören die umfassende Betreuung, die Koordination sowie die umfassende Dokumentation aller Behandlungen. Für diese Leistung erhalte der Hausarzt je Behandlungsfall als zusätzliche Pauschale die "hausärztliche Grundvergütung" (§ 87 Abs. 2 a Satz 3 SGB V, § 8 Abs. 1 Hausarzt-vertrag). Dulde oder fördere gar ein Hausarzt, dass der Versicherte gleichzeitig von einem weiteren Hausarzt versorgt werde, dann verhindere er die umfassende Betreuung, Dokumentation und Koordination der medizinischen Versorgung seines Patienten. Außerdem erhalte er zwar die hausärztliche Grundvergütung, aber ohne die entsprechenden hausärztlichen Aufgaben zu erfüllen. Im Übrigen verstoße ein Hausarzt gegen § 76 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 3 SGB V, wenn er durch seine Praxisorganisation veranlasse, dass der Patient innerhalb des Quartals ohne wichtigen Grund den Hausarzt wechsele.
Beispielsfälle: mehrere Originalscheine für denselben Patienten in mehreren Praxen
Quartal Patient Originalschein bei Fr. A. Originalschein bei Herrn A1 Originalschein bei Herrn A2 bzw. Herrn A3
II/05 P19
P20
P21 +
+
+
+ +
+
III/05 P20
P22
P23 +
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+ +
+
IV/05 P24
P19
P25 +
+
+ + +
+
+
I/06 P26
P20
P19 +
+
+ +
+
+
II/06 P20
P27
P28 +
+
+
+ +
+
III/06 P20
P29
P19 +
+
+
+ +
+
IV/06 P30
P31
P32 +
+
+ + +
+
+
I/07 P33
P26
P20 +
+
+ + +
+
+
II/07 P29
P26
P31 +
+
+ +
+
+
III/07 P34
P31
P20 +
+
+ +
+
+
IV/07 P35
P36
P37 +
+
+ +
+
+
Die Überprüfung der Doppelbehandlungsfälle eines Quartals ergebe:
Praxisvergleich A. - A1 (Quartal II/05): Unter 554 Doppelfällen seien 42 Fälle (7,6 %), in denen beide Praxen jeweils einen Originalschein angelegt hätten.
Praxisvergleich A. - A2 (Quartal II/05): Unter 534 Doppelfällen seien 74 Fälle (fast 14 %), in denen beide Praxen jeweils einen Originalschein angelegt hätten.
Praxisvergleich A. - A3 (Quartal II/07): Unter 454 Doppelfällen sind 60 Fälle (13 %), in denen beide Praxen jeweils einen Originalschein angelegt hätten.
Die Doppelbehandlungen habe zur Folge, dass mehrere Praxen bei demselben Patienten ohne medizinische Notwendigkeit innerhalb weniger Tage dieselben Leistungen erbringen und abrechnen könnten.
Beispiele:
Quartal II/05: P38; P39 (jeweils Ganzkörperstatus); P40
Quartal IV/07: P41; P42 (jeweils Ganzkörperstatus)
Die Prüfung der Vertreterfälle im Quartal II/07 ergebe nicht zuletzt, dass die Klägerin Herrn A3 und Herrn A1 in insgesamt 353 Fällen vertreten habe. Im Quartal II/07 beruhten damit 26,6 % der gesamten Fallzahlen auf Vertretungsfällen (Gesamtfallzahl PK, EK der Praxis 11107: 1327 Behandlungsfälle). Die Kollegen Herr A3 und Herr A1 seien zusammen an insgesamt 15 Tagen in diesem Quartal (im Übrigen nie gleichzeitig) ganztägig abwesend gewesen. Die Klägerin hätte also an diesen 15 Tagen durchschnittlich 23-24 Vertretungen pro Tag erbracht. Vergleiche man dies mit der durchschnittlichen Zahl der Behandlungsfälle der Fachgruppe der Ärzte für Allgemeinmedizin (ca. 1115 Fälle) und lege pro Quartal 50 Arbeitstage zugrunde, so behandele ein Arzt pro Tag durchschnittlich 22 Patienten. Daraus folge, dass die Klägerin die gesamte Praxis Ihrer Kollegen (neben Ihrer eigenen Praxis) an den Abwesenheitstagen weitergeführt habe.
Umgekehrt sei die Klägerin an 12 Tagen im Quartal II/07 ganztägig abwesend gewesen. Ihre Kollegen Herr A1 und Herr A3 hätten mindestens 297 Vertretungsscheine angelegt für Patienten, die originär von der Klägerin betreut würden. Damit seien pro Abwesenheitstag im Durchschnitt 25 Patienten von den Kollegen behandelt worden.
Im Quartal II/05 habe die Klägerin als Vertretung für Herrn A2 und für Herrn A1 insgesamt 468 Vertretungsscheine angelegt. Damit beruhten im Quartal II/05 34 % der Fallzahlen auf Vertretungsfällen (Gesamtfallzahl der Praxis: 1374 Behandlungsfälle). Die Kollegen Herr A2 und Herr A1 seien zusammen an insgesamt 25 Tagen in diesem Quartal (bis auf 2 Tage nie gleichzeitig) ganztägig abwesend gewesen. Damit entfielen durchschnittlich 18-19 Vertretungen auf einen Abwesenheitstag.
Die Klägerin sei an 13 Tagen im Quartal II/05 ganztägig abwesend gewesen. Ihre Kollegen Herr A1 und Herr A2 hätten sie in mindestens 195 Fällen vertreten. Damit seien pro Abwesenheitstag im Durchschnitt 15 Patienten von ihren Kollegen behandelt worden.
Der Anteil der (gegenseitigen) Vertretungsscheine an der Gesamtzahl der Doppelfälle betrage:
Gesamtzahl der Doppelfälle Zahl der gegenseitigen Vertretungsscheine * Anteil der Vertretungs-scheine in %
Quartal II/07
A. – A1 473 232 + 34 56 %
A. – A3 454 99 + 251 77 %
Quartal II/05
A. – A2 534 207 + 158 68 %
* Gezählt wurden nur die Fälle, in denen der vertretene Arzt eindeutig zugeordnet werden konnte (also z.B. durch Abrechnung eines Originalscheins). Daneben kamen weitere Vertretungsfälle vor, die hier nicht aufgeführt wurden, weil die Zuordnung erst nach einer Einzelfallprüfung möglich wäre.
Die Überprüfung ergebe weiter, dass die Vertretungsscheine überwiegend für ganztägige Abwesenheitstage der Kollegen angelegt worden seien. Es fänden sich allerdings auch Vertretungsscheine, auf denen der Vertreter Leistungen abgerechnet habe, obwohl der Vertretene an diesem Tag in der Praxis tätig gewesen sei.
Beispiele Quartal II/07
Vertretungsschein von Frau A., Originalschein von Herrn A3
- P43 (S. 7) - Vertretung am 04.05.2007, obwohl Herr A3 an diesem Tag etwa halbtags tätig war.
- P44 sowie P45 (S. 18, 19) - Vertretung am 02.04.2007, obwohl Herr A3 an diesem Tag ganztags tätig war.
Vertretungsschein von Herrn A3, Originalschein von Ihnen (Frau A.)
- P46 (S. 15) - Vertretung am 18.05.2007, obwohl Sie an diesem Tag ca. 8 Stunden tätig waren.
- P47 (S. 25) - Vertretung am 03.05.2007, obwohl Sie an diesem Tag ca. 8 Stunden tätig waren.
Vertretungsschein von Ihnen (Frau A.), Originalschein von Herrn A1
- P48 (S. 28) - Vertretung am 16.04.2007, obwohl Herr A1 an diesem Tag ganztägig tätig war.
- P49 (S. 16) - Vertretung am 10.04.2007, obwohl Herr A1 an diesem Tag ganztägig tätig war.
Vertretungsschein von Herrn A1, Originalschein von Ihnen (Frau A.)
- P50 (S. 88) - Vertretung am 06.06.2007, obwohl Sie an diesem Tag ca. 7 Stunden anwesend waren.
Beispiele Quartal II/05
Vertretungsschein von Ihnen (Frau A.), Originalschein von Herrn A2
- P1 (S. 1) - Vertretung am 21.04.2005, obwohl Herr A2 an diesem Tag ganztags tätig war.
- P51 (S. 35) - Vertretung am 08.04.2005, obwohl Herr A2 an diesem Tag halbtags tätig war.
Vertretungsschein von Herrn A2, Originalschein von Ihnen (Frau A.)
- P52 (S. 2) - Vertretung am 06.06. und 08.06.2005, obwohl Sie an diesen Tagen ca. 9 bzw. 7 Stunden tätig waren.
Die auffallend große Anzahl der gegenseitigen Vertretungen gegenüber der Zahl der Abwesenheitstage sei ein weiteres Indiz, dass die Klägerin und ihre Kollegen ihre Praxen tatsächlich nicht getrennt geführt hätten, sondern die Patienten normal einbestellt und von den jeweils anwesenden Kollegen mitbehandelt worden seien. Dies entspreche der Organisation und Arbeitsaufteilung in einer Gemeinschaftspraxis.
Würden die Praxen getrennt geführt, dann würden die Patienten im Vorfeld auf die Ab-wesenheit ihres Arztes hingewiesen werden (§ 17 Abs. 3 BMV-Ä). Die Klägerin und ihre Kollegen seien zudem im üblichen Rahmen abwesend, d.h. lediglich ein bis zwei Wochen sowie an Einzeltagen. ln diesem Fall würden viele Patienten abwarten, bis ihr Arzt wieder da ist. Außerdem würde die Praxis die Patienten erst nach der Abwesenheit des Arztes wieder zu Terminen einbestellen. Es würden während der Abwesenheit zwar Vertretungs-fälle vorkommen, jedoch nicht in einem Umfang, der der Fortführung der Praxis gleichkomme.
Auch wenn hier viele Vertretungsscheine wegen ganztägiger Abwesenheit angelegt worden seien, so wären sie bei korrekter Ausgestaltung der Zusammenarbeit in den Praxis-gemeinschaften in dieser Menge nicht entstanden. Auch die Ausstellung von Vertreter-scheinen bewirke einen (Haus)arztwechsel während des laufenden Quartals. Nach der Vielzahl der Fälle liege jedoch kein wichtiger Grund für den Arztwechsel vor, weil der Arztwechsel auf der internen Organisation der Praxen (Fortführung der Praxis des abwesenden Arztes) beruhe. Hierdurch bewirken die Praxen Verstöße gegen die Vorgaben in § 76 Abs. 3 SGB V (Hausarztwechsel nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes). Daneben erfülle der Vertretene nicht in vollem Umfang seine hausärztlichen Pflichten (umfassende Betreuung, Koordination und Dokumentation aller Behandlungen, siehe Ausführungen oben).
Weiterhin fielen Vertretungsfälle auf, bei denen jeweils zwei Ärzte der Praxisgemeinschaft für denselben Patienten Vertretungsscheine angelegt hätten:
- Doppelvertretungsscheine bei Frau A. - A1 (II/05, 554 Doppelfälle) – 11 Fälle (knapp 2% aller Doppelfälle)
- Doppelvertretungsscheine bei Frau A. - A2 (II/05, 534 Doppelfälle)- 40 Fälle (7,5% aller Doppelfälle)
- Doppelvertretungsscheine bei Frau A. - A3 (II/07, 454 Doppelfälle) 21 Fälle (4,6% aller Doppelfälle).
Teilweise werde ein zweiter Vertreterschein angelegt, obwohl der erstvertretende Arzt ebenfalls in der Praxis anwesend gewesen sei und die Vertretung hätte fortführen können.
Beispiele Quartal II/07:
- P53: Originalschein von Herrn A1- erster Vertretungsschein von Herrn A3- zweiter Vertretungsschein von Ihnen am 29.06.2007, obwohl Herr A3 an diesem Tag halbtags tätig war.
- P54: Originalschein von Herrn A1- erster Vertretungsschein von Herrn A3- zweiter Vertretungsschein von Ihnen am 04.04. und 05.04.2007, obwohl Herr A3 an diesen Tagen ganztags tätig war.
- P9: Originalschein von Herrn A1 - erster Vertretungsschein von Herrn A3, obwohl Herr A1 ganztags tätig war- zweiter Vertretungsschein von Ihnen am 25.06.2007, obwohl Herr A3 halbtags tätig war.
Darüber hinaus seien alle Praxisgemeinschaftspartner häufig (ca. die Hälfte des Quartals) nur halbtags (d.h. bis zu 6 Stunden) in ihrer Praxis anwesend. Die hohe Anzahl der gegenseitigen Vertretungsscheine dürfe daher auch darauf beruhen, dass der zuständige Hausarzt außer Haus gewesen sei und die Patienten von den noch anwesenden Kollegen behandelt worden seien. Die Praxisgemeinschaft sei demnach faktisch wie eine Gemeinschaftspraxis organisiert, bei der eine gemeinsame, wechselnde ärztliche Behandlung zulässig sei. Die Partner verträten sich wechselseitig, ohne darauf zu achten, ob bereits ein anderer Vertreter tätig geworden sei oder der zuständige Hausarzt selbst an-wesend sei. Hierin liege ein Verstoß gegen die Präsenzpflicht des Arztes. Die Klägerin besitze eine Vollzulassung, sei aber die Hälfte des Quartals nur halbtags tätig. Außerdem verursache sie durch Ihre Praxisorganisation in großer Zahl Hausarztwechsel und verstoße damit gegen die Vorgaben in § 76 Abs. 3 SGB V.
Die Auflistungen der Urlaubsvertretungen bzw. Vertretungen bei vorübergehender Abwesenheit (Anlagen 3, 4, 5 und 9: Benennung der Patientennamen, Datum, Leistungsabrechnung, teilweise Vertretungsgrund) erklärten nicht die große Zahl der Vertretungen. Die mitgeteilten Daten lägen der Beklagten bereits vor und führten zu keinen neuen Er-kenntnissen. Entgegen der Ansicht der Klägerin könne angesichts der großen Zahl der Vertretungen, der erkennbaren Organisation der Praxis sowie der Fälle, in denen Patienten in allen drei Praxen behandelt worden seien(Vertretung durch zwei Praxisgemeinschaftspartner), nicht in vollem Umfang von zulässigen Vertretungen ausgegangen werden.
Die Praxisgemeinschaft sei demnach faktisch wie eine Gemeinschaftspraxis organisiert. Die Partner übernähmen gemeinsam und abwechselnd die Behandlung der Patienten. Dies bestätige die Klägerin auch mit ihrem eigenen Vortrag im Schreiben vom 01.07.2009. An der großen Zahl der gemeinsamen Patienten erkenne man, dass sie selbst fünf bis sieben Jahre nach Umwandlung der früheren Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft ihren Patienten nicht vermittelt und selbst nicht darauf geachtet habe, dass die Patienten nur einem Hausarzt zugewiesen würden. Ihr Vortrag, im Ärztehaus sei montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 19.00 Uhr ständig ein Arzt erreichbar und sie würden sich bei (auch kurzfristiger) Abwesenheit gegenseitig vertreten, belege ebenfalls, dass die wechselseitige Behandlung bewusst eingeplant worden seien. Die 15 Fälle (Anlage 8), in denen Überweisungen von anderen Praxen vorlägen, hätten für die vorliegende Prüfung auf Doppelfälle bei den Praxisgemeinschaftspartnern keinerlei Relevanz. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, alle Fälle mit unberechtigter Doppelbehandlung im Einzelfall aufzuführen.
Wie oben ausführlich dargestellt worden sei, lägen neben der Überschreitung des Aufgreifkriteriums weitere Abrechnungsauffälligkeiten (siehe II. Punkt 1. bis 4.) vor. Die Zahl der Doppelfälle sei über 11 Quartale hinweg implausibel. ln jedem Quartal finde man nachweislich Doppelfälle, die vorsätzlich falsch abgerechnet worden seien (siehe z.B. Punkt 3., Abrechnung mehrerer Originalscheine, Überweisung zur Mitbehandlung). Damit entfalle die Garantiewirkung der Sammelerklärung. Die Beklagte müsse nicht im Einzelfall nachweisen, welche Fälle ungerechtfertigt seien.
Die Zusammenarbeit in der Praxisgemeinschaft sei bewusst und somit vorsätzlich wie die Zusammenarbeit in einer Gemeinschaftspraxis ausgestaltet worden und verstoße damit gegen die vertragsärztlichen Regelungen. Die Sammelerklärungen der Klägerin seien folglich nichtig, so dass die durch die rechtswidrige Zusammenarbeit ungerechtfertigt er-langten Honorarvorteile zurückzufordern seien.
Die Honorarrückforderung dürfe geschätzt werden. Hierbei sei nicht zu beanstanden, dass für die Honorarrückforderungsberechnung für jedes Quartal eine geschätzte Zahl an implausiblen Fällen zugrunde gelegt werde und anhand des durchschnittlichen Fallwerts die Rückforderungshöhe ermittelt werde. Dabei sei zu berücksichtigen, dass trotz der nachgewiesenen Auffälligkeiten durch die mehrmaligen prozentualen Abschläge letztendlich nur 17,5 % der Doppelfälle in die Kürzungsberechnung einbezogen würden. Umgekehrt formuliert, es würden 82,5 % der Doppelfälle anerkannt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 13.03.2012.
Die Klägerin trägt über ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren hinaus vor, dass die Praxisgemeinschaft von Anbeginn mit getrennten, farblich unterscheidbaren Patientenkartei-en geführt worden sei. Die Karteikarten seien in abschließbaren Schränken aufbewahrt worden. Die EDV sei ausschließlich von den Mitarbeiterinnen geführt worden. Die elektronischen Patientenkarteien seien jeweils separat passwortgeschützt gewesen. Alle Ärzte hätten ohne PC gearbeitet.
Alle drei Praxisgemeinschaftspartner seien drei halbe Tage/Woche offiziell abwesend gewesen. Diese Zeiten seien für geplante Hausbesuche und Schriftverkehr genutzt worden. Sofern während dieser Abwesenheitszeiten ein Patient auf einen Arztkontakt bestanden habe, sei er vom anwesenden Kollegen als Notfall behandelt worden. Dies sei im Quartal II/07 beispielhaft 14mal vorgekommen. Der vertretende Arzt habe dann die Versichertenpauschale abgerechnet. Diese Vertretungsfälle seien beispielhaft für das Quartal II/07 vollständig dokumentiert und sämtlich plausibel.
Es sei zutreffend, dass die Patientendaten am ersten Behandlungstag im Quartal bei allen drei Ärzten eingelesen worden seien. Diese Praxis habe nicht auf einer Anordnung der Ärzte beruht und sei nach Kenntnis sofort abgestellt worden. Dieser Sachverhalt erfülle jedoch nicht den Tatbestand des Abrechnungsbetruges, da mit dem Einlesen der Karten keinerlei Leistungen parallel abgerechnet worden seien.
Hinsichtlich der Überweisungsfälle (im Quartal II/07 156) sei festzuhalten, dass die Über-weisungen seitens der Klägerin an einen nicht näher bezeichneten fachärztlich tätigen Internisten erfolgt seien. Dass die Patienten sodann A1 aufgesucht hätten, liege nicht in ihrem Verantwortungsbereich.
Sofern von der Beklagten gerügt werde, dass mehrere Originalscheine ausgestellt worden seien, so habe eine Überprüfung ergeben, dass es sich überwiegend um Kinder und Jugendliche gehandelt habe, die keine Praxisgebühr bezahlen mussten und bei denen deshalb nicht festgestellt worden sei, dass sie im gleichen Quartal schon einmal behandelt worden seien. Es handele sich um max. 3 Patienten/Quartal.
Die übrigen gemeinsamen Patienten seien reguläre Urlaubsvertretungsfälle (in II/07 186 Patienten von A1 und 29 Patienten von A3) gewesen, die ordnungsgemäß angezeigt worden seien.
Insgesamt stellten sich die Doppelfälle exemplarisch für das Quartal II/07 wie folgt dar:
Gemeinsame Patienten
369 mit A1 davon Urlaubs- und Krankheitsvertretung
178 davon Originalscheine
191
davon Überweisungen an Facharzt davon Vertretung durch Partner
150 41
103 mit bei-den Partnern davon Urlaubs- und Krankheitsvertretungen
32 davon Originalscheine und Vertretung durch Partner
70
351 mit A3 davon Urlaubs- und Krankheitsvertretungen
143 davon Originalscheine 208
davon Urlaubs- und Krankheitsvertretungen davon Notfälle
192 16
Es sei irreführend, wenn die Beklagte diese Zahlen ins Verhältnis zur Originalscheinzahl setze, da diese nicht die tatsächlichen Patientenkontaktzahlen wiederspiegelten. Sehr viele Patienten kämen gerade mehrmals im Quartal. Die Frequenz der Patientenkontakte liege bei der Klägerin bei ca. 60/Tag.
Die Klägerin nahm des Weiteren in jedem von der Beklagten namentlich benannten Einzelfall Stellung zum Grund der Vertretung. Selbst wenn der hohe Prozentsatz gemeinsamer Patienten zu einer Beweislastumkehr führe, so habe die Klägerin mit diesen Stellungnahmen diese Beweise der Plausibilität geführt. Die Beklagte nenne nach diesem Vortrag nicht einen einzigen Fall, der nicht von der Klägerin habe plausibel erläutert werden können. Da auch keinerlei sonstige Umstände, die einen Gestaltungsmissbrauch begründen könnten, vorlägen, sei die Honorarrückforderung rechtswidrig.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gericht neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt über das Vorbringen im Widerspruchsbescheid hinaus vor, dass die Klägerin mindestens grob fahrlässig handele. Mit Abgabe der Honorarabrechnung habe sie ausdrücklich erklärt, dass ihre Abrechnung ordnungsgemäß erfolgt sei. Hätte die Klägerin jedoch ordnungsgemäß abgerechnet, wäre eine fehlerhafte Abrechnung unterblieben.
Damit entfalle die Garantiefunktion der Vierteljahreserklärung (Sammelerklärung) und die Kassenärztliche Vereinigung sei zum Einbehalt bzw. zur Aufhebung des Honorarbescheides und zur Schätzung des Rückforderungsbetrages verpflichtet (BSG Urt. v. 17.9.1997, Az.: 6 RKa 86/95, MedR 1998, 338; LSG Ba-Wü, Urt. v. 19.01.2000 L 5 KA 754/99). Das BSG messe dieser Vierteljahreserklärung des Vertragsarztes eine weitreichende Bedeutung bei (BSG SozR 3-5550 § 35 Nr. 1, MedR 1998, 338). Der Arzt garantiere damit die Richtigkeit seiner eingereichten Honorarunterlagen. Nach Auffassung des BSG sei diese Garantiefunktion unverzichtbar, da die Angaben des Arztes angesichts des erheblichen Kontrollaufwandes nur in begrenztem Umfang überprüfbar seien. Das vertragsärztliche Abrechnungssystem beruhe daher auf dem Vertrauen, dass der Arzt die Behandlungsweise zutreffend ausfülle. Die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung sei nach Auffassung des BSG eine Grundpflicht des Arztes (BSGE 43, 250 (255); BSGE 66, 6 (8); BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4). Aus der Funktion der Sammelerklärung folgere das BSG weiter, dass die Garantiefunktion entfalle, wenn sich (auch nur in einem einzigen Fall) deren Unrichtigkeit herausstelle (es sei denn es handele sich um ein schlichtes Versehen) (BSG SozR 3-5550 § 35 Nr. 1). Seien einzelne Abrechnungsteile falsch, so sei die Sammelerklärung als Ganzes unrichtig. Bereits der Nachweis eines Einzelfalles führe zu einer Umkehr der Beweislast mit der Folge dass der Vertragsarzt nachweisen müsse, in welchem Umfang er Leistungen dennoch ordnungsgemäß erbracht und abgerechnet habe. Die Beklagte sei nicht verpflichtet in allen Behandlungsfällen, in denen sie eine Unrichtigkeit vermute, den Nachweis der Unrichtigkeit zu führen (Urt. v. 17.9.1997, Az.: 6 RKa 86/95).
Eine Rechtswidrigkeit des Berichtigungsbescheides ergebe sich auch nicht aus dem Vor-trag der Kl ägerin in der Klagebegründung. Die Klägerin begründe die hohe Anzahl der Doppelfälle damit, dass es sich um ordnungsgemäße Vertretungen gehandelt habe. Sie bringe zum Ausdruck, dass die Vertretungen überwiegend in den aufgeführten Abwesenheitszeiten der anderen Ärzte in der Praxisgemeinschaft vorgenommen worden seien. Wie der Klägerin bekannt sei, könne ein Vertretungsfall jedoch nur dann angenommen werden, wenn ein Arzt aus einem besonderen Grund an der Ausübung seiner Praxis verhindert wäre und die Praxis insgesamt geschlossen bleibe. Nicht ausreichend für einen Vertretungsfall sei hingegen die stundenweise Abwesenheit eines Arztes (LSG Nieder-sachsen-Bremen, L 3 KA 9/07 ER; SG Marburg, S 12 KA 30/10). Eine Vertretung sei nur bei Krankheit, Urlaub, Teilnahme an einer ärztlichen Fortbildungsveranstaltung oder einer Wehrübung möglich.
Es sei Aufgabe des Arztes, nicht nur auf die bestehende Kooperationsform der Praxis-gemeinschaft hinzuweisen, sondern auch ggf. die Behandlung des Patienten, abgesehen von Notfällen, abzulehnen und auf die bereits begonnene Behandlung durch den Praxisgemeinschaftspartner hinzuweisen und sich im Falle einer Vertretungsbehandlung auf die notwenigen, d.h. keinen Aufschub zulassende Behandlung zu beschränken. Es sei für den jeweils zweitangegangenen Arzt in der Regel möglich, die Behandlung zu verweigern und die Patienten auf die andere Praxis zu verweisen. Soweit dies in einzelnen Notfällen aus medizinischen Gründen nicht möglich gewesen sein sollte, werde dem von der Beklagten bei der Neufeststellung der Honorare mit den zugestandenen 20 % gemeinsamer Fälle nach dem SG Marburg unter Verweis auf Urteile des LSG Bayern mehr als ausreichend Rechnung getragen. Aus der Widerspruchsbegründung (BI. 52 d.VA) werde ersichtlich, dass abgesehen von Mittwochnachmittags im Quartal II/07 täglich nur ein Arzt in der Praxis anwesend gewesen sei. Nichts anderes ergebe sich aus der Aufstellung auf Seite 4 der Klagebegründung. Auch wenn sich hier nicht erkennen lasse für welche Quartale diese Aufstellung gelte, lasse sich entnehmen, dass abgesehen von Dienstagvormittag und Mittwochnachmittag auch jeweils immer nur einer der Ärzte in der Praxis anwesend gewesen sei. Hieraus ergebe sich eindeutig, dass die Sprechstundenzeiten so angelegt gewesen seien, dass eine Versorgung des jeweiligen Patientenstammes nur mit Hilfe des Praxispartners möglich gewesen sei. Diese Art der Praxisorganisation für eine hausärztlich tätige Praxis deute auf eine Gemeinschaftspraxis hin, in der alle Ärzte im Wesentlichen für die gesamte Patientenschaft zuständig seien. Auf die Anzahl der Sprechstunden und ob der angebotene Umfang üblich oder unüblich sei, komme es nicht an. Die Vertreterfälle seien somit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht plausibel.
Das BSG habe in seinem Urteil vom 22.03.2006 (B 6 KA 76/04 R) auch ausgeführt, dass ein Hausarzt, der systematisch Versicherte in einem Quartal zusammen mit einem weiteren Hausarzt versorge, ohne mit diesem in einer Gemeinschaftspraxis zusammen zu arbeiten, nicht sämtliche zur Abrechnung der hausärztlichen Grundversorgung erforderlichen Versorgungsaufgaben erfülle, sondern vielmehr einer Koordinierung der hausärztlichen und fachärztlichen Leistungen durch den Hausarzt entgegenwirke. Bei paralleler Betreuung durch zwei eigenständige Praxen könne eine Zusammenführung der Behandlung im Rahmen der hausärztlichen Versorgung durch insbesondere eine einheitliche Dokumentation des Behandlungsgeschehens nicht gewährleistet werden. Dies habe die Klägerin auch selbst bestätigt, in dem sie ausführte, dass sie aufgrund der getrennten Aktenführung nicht wisse, ob der Patient schon bei einem anderen Arzt vorstellig gewesen sei.
Der Annahme einer solchen Verletzung der Pflichten stehe auch das Recht des Versicherten auf freie Arztwahl nicht entgegen. Die Versicherten sollten den an der vertrags-ärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Hieraus ergebe sich auch die Verpflichtung des Hausarztes, einer unkoordinierten Mehrfachinanspruchnahme anderer Ärzte entgegenzuwirken. Insbesondere Ärzte einer Praxisgemeinschaft, die vormals eine Gemeinschaftspraxis im statusrechtlichen Sinne gewesen seien, seien bei Fortführung des Praxisbetriebes verpflichtet, die Versicherten darauf hinzuweisen, dass sie im Rahmen der hausärztlichen Versorgung innerhalb eines Quartals an die Behandlung durch einen Hausarzt gebunden seien, soweit kein wichtiger Grund für einen Wechsel vorliege. Im Hinblick auf den nahe liegenden Gestaltungsmissbrauch sei ein entsprechender Hinweis nach dem BSG (Urteil vom 22.03.2006 B 6 KA 76/04 R) zu dokumentieren. Dass eine solche Dokumentation erfolgt sei, sei nicht ersichtlich und sei auch nicht vorgetragen.
Nicht zu überzeugen vermöge auch der Vortrag der Klägerin hinsichtlich der getätigten Überweisungen. Wie bereits in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt, seien die an A1 getätigten Überweisungen gerade nicht nachvollziehbar. A1 sei als hausärztlich tätiger Internist tätig, nicht hingegen als fachärztlicher Internist. Die Klägerin und A1 seien somit beide als Hausärzte tätig und könnten dasselbe Leistungsspektrum des EBM erbringen und abrechnen.
Ebenfalls bestätige die Klägerin den Vorwurf der Beklagten, dass von mehreren Ärzten Originalscheine ausgestellt worden seien. Die Klägerin könne sich nicht auf eine angebliche Unkenntnis der Behandlung bei den anderen Ärzten berufen, da sie gerade in der vorliegenden Form der Praxisgemeinschaft die Koordination der Behandlung vornehmen müsse und es aufgrund der Änderung der Kooperationsform nicht abwegig sei, dass die Patienten davon ausgingen, dass der Praxisablauf sich durch die Änderung der Kooperationsform nicht ändere. Die Klägerin habe somit die Ausführungen der Beklagten bestätigt und einen Gegenbeweis der Abrechnungsauffälligkeit nicht geführt.
Es werde nicht abgestritten, dass es auch in einer Praxisgemeinschaft grundsätzlich plausible Fälle von Doppelfällen gebe. Dem Umstand, dass ordnungsgemäße Vertretungen erfolgt seien und Notfälle behandelt wurden, werde jedoch bereits bei der Berechnung des Rückforderungsbetrages Rechnung getragen. Wie dem Berechnungsbogen (BI. 30 d.VA) entnommen werden könne, seien bei der Klägerin lediglich 50 % der festgestellten Doppelfälle als implausibel bewertet worden. Die Beklagte habe somit 50 % der Doppelfälle zuerkannt. Dies stelle eine für die Klägerin sehr günstige Berechnungsweise dar. Das SG Marburg habe in seinem oben bereits erwähnten Urteil vom 08.12.2010 sogar eine Zuerkennung von 20 % der Doppelfälle bereits als sehr günstige Berechnungsweise angesehen, so dass 50% Zuerkennung erst Recht günstig seien. Anzumerken sei zudem, dass die Klägerin selbst nicht alle von der Beklagten genannten Fälle erklären könne. Aufgrund dessen stelle die Klägerin in ihren Ausführungen unter 7. viele Vermutungen auf: „möglicherweise“, „es kann sein“, „es ist durchaus möglich“ etc. Die Beklagte sei wie oben bereits dargelegt, nicht verpflichtet, in allen Behandlungsfällen, in denen sie eine Unrichtigkeit vermute, den Nachweis der Unrichtigkeit zu führen. Den erforderlichen Gegenbeweis habe die Klägerin nicht erbracht.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 24.01.2013 das Verfahren gegen A2 zum Az. mit Einverständnis der Beteiligten zum vorliegenden Verfahren verbunden. Das Verfahren wurde jedoch mit Beschluss vom 07.02.2014 wieder abgetrennt und unter dem Az. S 11 KA 73/14 fortgeführt, da mitgeteilt wurde, dass sich Herr A2 im Insolvenzverfahren befindet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs-akten der Beklagte einschließlich der Beiakte zu den einzelnen Vertretungsfällen, die von der Klägerin eingereicht worden ist, sowie die Prozessakte verwiesen, die allesamt in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehren-amtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Der Bescheid der Beklagten vom 20.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Obwohl es sich vorliegend um eine reine Anfechtungssituation handelt, tenoriert das Gericht aufgrund von § 123 SGG dem Antrag der Klägerin folgend auch im Sinne einer Neubescheidung. Das Gericht ist nicht befugt, über das Klagebegehren hinauszugehen.
Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragszahn-ärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen. Dies wird nunmehr durch den ab 01.01.2004 geltenden § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V klargestellt, wonach die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte feststellt; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Dies galt auch bereits zuvor auf der Grundlage der genannten bundes-mantelvertraglichen Regelungen.
Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten, auf § 82 Abs. 1 SGB V beruhenden bundesmantelvertraglichen Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Aufhebung des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der Grundnorm des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für den gesamten Bereich des Sozialrechts, eine entsprechende Rückzahlungs-verpflichtung des Empfängers der Leistung aus (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R – SozR 4-2500 § 85 Nr. 22 = BSGE 96, 1 = Breith 2006, 715 = MedR 2006, 542 = GesR 2006, 499 = USK 2005-130, zitiert nach juris Rdnr. 11 m.w.N.)
Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarforderung auf bundes-mantelvertraglicher Rechtsgrundlage besteht danach nicht nur im Falle rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Fehler, sondern erfasst auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat. Dementsprechend erfolgt eine sachlich-rechnerische Richtigstellung z. B. bei der Abrechnung fachfremder Leistungen oder qualitativ mangelhafter Leistungen, aber auch bei Leistungen eines nicht genehmigten Assistenten sowie bei der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs mit Hilfe eines Assistenten, bei der Abrechnung von Leistungen, die nach stationärer Aufnahme erbracht werden, bei der Nichtbeachtung der bereichsspezifischen Vorschriften zur Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Rahmen der vertragsärztlichen Abrechnung und schließlich bei einem Missbrauch vertragsarztrechtlicher Kooperationsformen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 23.06.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr. 4 = GesR 2010, 615 = ZMGR 2010, 370 = MedR 2011, 298 = USK 2010-73, juris Rdnr. 26 f. m.w.N.).
Bei missbräuchlicher Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft können Honorarbescheide korrigiert werden. Die Beklagte hat insoweit Ermessen auszuüben.
Für die berufliche Kooperation im Status der Gemeinschaftspraxis i. S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung) (Ärzte-ZV) ist kennzeichnend, dass sich mehrere Ärzte des gleichen Fachgebietes oder ähnlicher Fachgebiete zur gemeinsamen und gemeinschaftlichen Ausübung des ärztlichen Berufs in einer Praxis zusammenschließen, wobei - über die gemeinsame Nutzung der Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Personal hinaus - die gemeinschaftliche Behandlung von Patienten und die gemeinschaftliche Karteiführung und Abrechnung in den Vordergrund treten. Einen Schwerpunkt bildet die Zusammenarbeit zur gemeinsamen Einnahmenerzielung. Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis ist neben einer Beteiligung der Partner an den Investitionen und Kosten der Praxis grundsätzlich auch eine Beteiligung am immateriellen Wert der Praxis (dem „Goodwill“) erforderlich, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Einzelfall unterschiedlich sein kann. Diese Form der Zusammenarbeit bedarf vorheriger Genehmigung durch den Zulassungsausschuss (§ 33 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV). Bei der Praxisgemeinschaft handelt es sich um eine Organisationsgemeinschaft, die nicht der gemeinsamen, in der Regel jederzeit austauschbaren ärztlichen Behandlung an gemeinsamen Patienten dient. Mit ihr wird vielmehr die gemeinsame Nutzung von Praxisräumen und Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Hilfspersonal durch mehrere Ärzte mit dem vorrangigen Zweck, bestimmte Kosten zur besseren Ausnutzung der persönlichen und sachlichen Mittel auf mehrere Ärzte umzulegen. Es verbleibt bei der selbstständigen Praxisführung mit verschiedenem Patientenstamm und jeweils eigener Patientenkartei (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - SozR 4-5520 § 33 Nr. 6 = BSGE 96, 99 = ZMGR 2006, 148 = NZS 2006, 544 = GesR 2006, 450 = MedR 2006, 611 = Breith 2007, 185, juris Rn. 14 f. m.w.N.).
Behandeln die Partner einer Praxisgemeinschaft die Patienten zu einem hohen Anteil gemeinschaftlich, bedienen sie sich der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft missbräuchlich. Die zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen mit Wirkung vom 1. Januar 2005 vereinbarten Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der KVen und der Krankenkassen (DÄ 2004, A-2555) geben in § 11 Abs. 2 für die Plausibilitätsprüfung bereits bei 20 % Patientenidentität in (teil-)gebietsgleichen/versorgungsbereichsidentischen bzw. 30 % bei gebietsübergreifenden/versorgungsübergreifenden Praxisgemeinschaften die Annahme einer Abrechnungsauffälligkeit vor. Diese Aufgreifkriterien lassen die in den Richtlinien vorgenommenen Grenzziehungen erkennen, dass jedenfalls dann, wenn zwei in der Rechtsform einer Praxisgemeinschaft kooperierende Vertragsärzte desselben Fachgebietes annähernd bzw. mehr als 50 % der Patienten in einem Quartal gemeinsam behandeln, tatsächlich die für eine Gemeinschaftspraxis kennzeichnende gemeinsame und gemeinschaftliche Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch Behandlung eines gemeinsamen Patientenstammes stattfindet. Bei einer derart hohen Patientenidentität muss das Patientenaufkommen koordiniert werden, was wiederum die für eine Gemeinschafts-praxis typische einheitliche Praxisorganisation erfordert (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - aaO., Rdnr. 19 f.; BSG, Beschl. v. 05.11.2008 - B 6 KA 17/07 B - juris Rdnr. 12).
Insofern ist es die klare Aufgabe des Arztes, nicht nur auf die bestehende Kooperations-form der Praxisgemeinschaft hinzuweisen (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - aaO., Rdnr. 19; LSG Bayern, Urt. v. 16.05.2007 - L 12 KA 563/04 - juris Rdnr. 34
Nach diesen Kriterien hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden eine missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft zwar zunächst fest-gestellt. Bezogen auf einzelne Doppelfälle bleibt das Abrechnungsverhalten der Klägerin auch implausibel. Die Klägerin hat jedoch allein auf sich selbst bezogen – das Verhalten der Praxisgemeinschaftspartner ist vorliegend nicht streitgegenständlich – die von der Beklagten behauptete Implausibilität jedoch zur Überzeugung des Gerichts in wesentlichen Teilen unzweifelhaft widerlegt, was die Beklagte im Rahmen ihres Kürzungsermessens hätte berücksichtigen müssen.
Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden im Einzelnen zutreffend dargelegt, dass der Anteil der gemeinsam behandelten Patienten in den streitbefangenen Quartalen zwischen 30 % und 45% beträgt. Grundsätzlich gilt, dass je höher der Anteil gemeinsam behandelter Patienten ist, desto eher kann allein aus diesem Umstand auf eine missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft geschlossen werden. Dabei können auch Erfahrungswerte berücksichtigt werden, dass im hausärztlichen Bereich von einem Anteil an Vertretungsfällen von 5 % bis 10 % auszugehen ist. So weist das LSG Nordrhein-Westfalen auf Ermittlungen der KZV Nordrhein hin, die für ihren – vertragszahnärztlichen – Bereich einen Anteil von Doppelbehandlungen in Praxisgemeinschaften von 3 bis 5 % festgestellt habe (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 13.12.2006 - L 11 KA 60/06 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 21; LSG Nord-rhein-Westfalen, Urt. v. 13.12.2006 - L 11 KA 59/06 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 19). Die Beklagte geht im Allgemeinen von einem Anteil von 5 % für Vertretungs-scheine aus (vgl. SG Marburg, Urt. v. 08.12.2010 - S 12 KA 30/10 - juris Rdnr. 50) bzw. – wie im hier vorliegenden Verfahren – von einer gegenseitigen Vertretung im Fachgruppendurchschnitt von unter 10 % aus (vgl. SG Marburg, Urt. v. 05.12.2012 - S 12 KA 80/12 – GesR 2013, 225, juris Rdnr. 42). Das LSG Niedersachsen geht gleichfalls davon aus, dass bei Praxisgemeinschaften üblicherweise auftretende Patientenidentitäten deutlich geringer sind als 20 % (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 21.03.2012 - L 3 KA 103/08 - juris Rdnr. 23). Clemens weist darauf hin, dass die Überschneidungsquote bei Praxisgemeinschaften normalerweise bis max. 15 % beträgt (vgl. Clemens in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl., § 106a Rn 175). Danach kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass der Durchschnitt im Einzelfall überschritten wird.
Die Klägerin hat substantiiert die gemeinsamen Patienten im Detail und im Einzelfall beschrieben. Danach ergibt sich zur Überzeugung der Kammer das folgende Bild:
Es gibt ein Indiz für die unzulässige Ausübung der Praxisgemeinschaft durch den hohen Anteil von Doppelfällen, der in allen Quartalen die Grenze von 20% Patientenidentität übersteigt. Darüber hinaus ist das Einlesen der Versichertenkarten am gleichen Tag ein gewichtiges Indiz für die unzulässige Ausübung der Praxisgemeinschaft. Soweit die Beklagte rügt, dass am ersten Tag des Patientenkontakts die Patientenkarten bei allen drei Praxispartnern eingelesen worden sind, hat die Klägerin zugegeben, dass dieses Verhalten nicht rechtmäßig gewesen ist und dass es – nach ihrer Kenntniserlangung – sofort abgestellt wurde. Für den Streitgegenstand hat dieses Eingeständnis keine Bedeutung. Der Klägerin ist jedoch zuzugeben, dass durch die Doppeleinlesungen – und dies wird von der Beklagten auch nicht behauptet – keine zusätzlichen Leistungen abgerechnet worden sind. Insoweit hat die Klägerin auch ihre Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung nicht verletzt. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass in Einzelfällen nach Doppeleinlesungen Patienten der beiden Kollegen von der Klägerin als Vertretungsfälle behandelt worden sind, so sind diese Vertretungsfälle weitestgehend rechtlich nicht zu beanstanden (dazu sogleich unten). Das Einlesen der Versichertenkarten mag diese Vertretungen erleichtert haben. Eine gezielte Leistungsvermehrung vermag das Gericht aufgrund Art der Vertretungsfälle (im Wesentlichen an gemeldeten Abwesenheitstagen) daraus jedoch nicht zu erkennen (dazu sogleich unten).
Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bereits der Nachweis eines Einzel-falles der unrichtigen Abrechnung zu einer Umkehr der Beweislast mit der Folge dass der Vertragsarzt nachweisen muss, in welchem Umfang er Leistungen dennoch ordnungs-gemäß erbracht und abgerechnet hat, führt. Die Beklagte ist nicht verpflichtet in allen Behandlungsfällen, in denen sie eine Unrichtigkeit vermutet, den Nachweis der Unrichtigkeit zu führen (BSG, Urt. v. 17.9.1997 – 6 RKa 86/95 –).
Da sicherlich einzelne implausible Fälle verbleiben (siehe dazu näher unten), tritt vorliegend eine Beweislastumkehr ein, so dass die Klägerin darzulegen hat, dass sie die Leistungen dennoch ordnungsgemäß erbracht und abgerechnet hat. Dies ist ihr für den Groß-teil der Fälle zur Überzeugung der Kammer auch gelungen. Dies veranlasst sodann die Beklagte, diesen Darlegungen selber substantiiert entgegenzutreten. Dies hat die Beklagte vorliegend nicht getan.
Soweit die Beklagte die Implausibilität auf die Führung einer gemeinsamen Patientenkartei stützt, so folgt die Kammer dem nicht. Die Klägerin hat überzeugend dargelegt, dass verschieden farbige und damit deutlich unterscheidbare Patientenkarteien geführt worden sind. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Das Gericht erkennt insbesondere nicht, dass über die gemeinsame Nutzung von Praxisräumen und Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Hilfspersonal durch mehrere Ärzte mit dem vorrangigen Zweck, bestimmte Kosten zur besseren Ausnutzung der persönlichen und sachlichen Mittel auf mehrere Ärzte umzulegen hinaus, eine gemeinsame Gewinnerzielungsabsicht verfolgt worden sein könnte. Soweit die Beklagte dies anders sieht, überzeugt dies die Kammer nicht (dazu sogleich). Es verbleibt grundsätzlich bei der selbst-ständigen Praxisführung mit verschiedenem Patientenstamm und jeweils eigener Patientenkartei
Hinsichtlich der Überweisungspraxis wird die Beklagte zu ermitteln haben, inwieweit es bei der behaupteten Implausibilität verbleibt. Die Klägerin legt überzeugend dar, dass sie die Überweisungen nicht arzt- und auch nicht leistungsbezogen, sondern zur Mitbehandlung an einen nicht näher bezeichneten fachärztlich tätigen Internisten ausgestellt habe.
Die Kammer geht – mangels anderweitiger Anhaltspunkte – davon aus, dass die Klägerin die Vorgaben von § 24 BMV-Ä nicht verletzt hat. Nach § 24 Abs. 5 S. 1 BMV-Ä soll eine Überweisung nicht auf den Namen eines bestimmten Vertragsarztes, sondern auf die Gebiets-, Teilgebiets- oder Zusatzbezeichnung ausgestellt werden, in deren Bereich die Überweisung ausgeführt werden soll. Soweit die Beklagte entgegen dem Vortrag der Klägerin behauptet, die Überweisungen seien speziell auf A1 ausgestellt worden, so wäre dies durch die Beklagte nachzuweisen.
Darüber hinaus sieht § 24 Abs. 4 BMV-Ä vor, dass Überweisungen an einen Vertragsarzt derselben Arztgruppe nur zulässig sind zur Inanspruchnahme besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die vom behandelnden Vertragsarzt nicht erbracht werden. Da die Klägerin der gleichen Arztgruppe wie A1 angehört und auch über dieselben Genehmigungen verfügt, sind nach den gesetzlichen Vorgaben Überweisungen an einen anderen hausärztlich tätigen Kollegen zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, müssen jedoch besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, die von der Klägerin selber nicht erbracht werden können.
Soweit sie – wie die Beklagte behauptet – Überweisungen innerhalb ihrer Arztgruppe tatsächlich ausgestellt hätte, die Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen, die von ihr selber erbracht werden können, würde dies ohne Zweifel unzulässig sein und wäre von der Beklagten entsprechend zu sanktionieren. Da eine Überweisung zur Mitbehandlung jedoch den Voraussetzungen von § 24 Abs. 7 Nr. 3 BMV-Ä unterliegt, wonach die Überweisung zur Mitbehandlung zur gebietsbezogenen Erbringung begleitender oder ergänzender diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen erfolgt, über deren Art und Umfang der Vertragsarzt, an den überwiesen wurde, entscheidet, liegt nicht nahe, dass die Klägerin auf dem Überweisungsschein neben den Diagnosen und Befunden bestimmte spezifische Leistungen angegeben hat. Nach den gesetzlichen Vorgaben liegt es in diesem Fall nicht im Entscheidungsspielraum der Klägerin, welche Leistungen der mitbehandelnde Arzt erbringt.
Soweit die Klägerin jedoch Überweisungen an einen Arzt einer anderen Arztgruppe, vor-liegend beispielsweise an einen fachärztlich tätigen Internisten zur Mitbehandlung ausgestellt hat, ist dies ohne weiteres nach § 24 Abs. 3 BMV-Ä zulässig. Es liegt sodann nicht im Verantwortungsbereich der Klägerin, welchen internistisch tätigen Kollegen die Patienten aufsuchen.
Vor dem Hintergrund dieser Vorgaben geht die Kammer davon aus, dass ein Großteil der Doppelfälle mit A1, die auf Überweisungen der Klägerin beruhen, nicht in deren Verantwortungsbereich liegen. Gegenteiliges wäre wiederum von der Beklagten unter Vorlage der nicht korrekten Überweisungsscheine zu belegen.
Soweit die Klägerin auf Überweisung von A1 tätig geworden ist, dürfte die Implausibilität unstreitig sein. Die Beklagte nennt diesbezüglich jedoch nur 2 Einzelfälle, die im Gesamtbild von untergeordneter Bedeutung sein dürften.
Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass ein Vertretungsfall nur dann angenommen werden kann, wenn der Vertragsarzt aus einem besonderen Grund „an der Ausübung seiner Praxis verhindert“ ist, d. h. nicht nur stundenweise abwesend ist und die Praxis insgesamt geschlossen bleibt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 08.06.2007 - L 3 KA 9/07 ER - juris Rdnr. 31). Bereits nach dem Bundesmantelvertrag im Primärkassenbereich in der bis Juni 2007 geltenden Fassung war der Vertragsarzt gehalten, seine Sprechstunden entsprechend dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung und den Gegebenheiten seines Praxisbereiches fest-zusetzen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä). Bei der Verteilung der Sprechstunden auf den einzelnen Tag sollen die Besonderheiten des Praxisbereiches und die Bedürfnisse der Versicherten (z. B. durch Sprechstunden am Abend oder an Samstagen) berücksichtigt wer-den (§ 17 Abs. 2 BMV-Ä). Der Vertragsarzt war und ist gehalten, in dem Umfang Sprechstundenzeiten anzubieten, in denen er seine Patienten das gesamte Quartal hindurch behandeln kann und diese nicht gehalten sind, einen „Vertreter“ aufzusuchen. Dies folgt bereits aus seinen allgemeinen vertragsärztlichen Pflichten (§ 95 Abs. 3 SGB V). Der Vertragsarzt hat die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV). Nur bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung kann er sich innerhalb von zwölf Monaten bis zur Dauer von drei Monaten vertreten lassen. Dauert die Vertretung länger als eine Woche, so ist sie der Kassenärztlichen Vereinigung mitzuteilen (§ 32 Abs. 1 Satz 2 und 4 Ärzte-ZV). Eine Gemeinschaftspraxis kann nicht unter Hinweis auf die generelle Vertretungsbefugnis wie eine Praxisgemeinschaft geführt werden; der Vertragsarzt hat in dem Umfang Sprechstundenzeiten anzubieten, in denen er seine Patienten das gesamte Quartal hin-durch behandeln kann und diese nicht gehalten sind, einen „Vertreter“ aufzusuchen (vgl. SG Marburg, Urt. v. 08.12.2010 - S 12 KA 30/10 R - juris Rdnr. 40 ff.) Diesen Grundsätzen widerspricht das Verhalten der Klägerin nicht. Sie war zwar an drei halben Tagen/Woche nicht anwesend. Die Präsenz an den übrigen Tagen bzw. halben Tagen ist jedoch zur Versorgung des eigenen Patientenstammes grundsätzlich ausreichend.
Die Klägerin hat zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen, dass ein hoher Anteil der Vertreterfälle während gemeldeter Abwesenheitszeiten der Kollegen entstanden ist. Dies ist nicht zu beanstanden. Soweit die Beklagte moniert, die Vertretungspraxis habe einen Umfang wie eine komplette weitere Praxis, so überzeugt dies nicht, weil die Beklagte von der durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe ausgeht. Die Klägerin hat – was anhand der tatsächlichen Fallzahlen auch plausibel ist – dargelegt, dass sie ca. 60 Patientenkontakte am Tag hat. Sofern bei Abwesenheitszeiten von Kollegen davon 10-20 Kontakte auf Vertretungen beruhen, so ist dies sicherlich kein geringer Anteil. Das Verhalten der Klägerin ist aufgrund der gemeldeten Abwesenheitszeiten der Kollegen jedoch rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte legt im Widerspruchsbescheid selber dar, dass die Vertretungsscheine überwiegend für ganztägige Abwesenheitstage angelegt worden seien. Rechtliche Vorgaben, die Abwesenheitstage im Rahmen der Führung einer Praxisgemeinschaft einschränken, existieren nicht. Auch wenn derartige Abwesenheitstage dazu führen, dass gehäuft Vertretungsfälle auftreten, so sind diese Vertretungen rechtlich zu-lässig und begründen keine Implausibilität der Abrechnung.
Die Beklagte weist völlig zutreffen darauf hin, dass es die klare Aufgabe des Arztes ist, nicht nur auf die bestehende Kooperationsform der Praxisgemeinschaft hinzuweisen (vgl. BSG, Urt. v. 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R – aaO., Rdnr. 19; LSG Bayern, Urt. v. 16.05.2007 – L 12 KA 563/04 – juris Rdnr. 34
Auch diesen Grundsätzen hat die Klägerin nach den Feststellungen der Kammer Rechnung getragen. Es ist – exemplarisch für das Quartal II/07 – unzweifelhaft dokumentiert, dass die Klägerin außerhalb der gemeldeten Urlaubs- und Krankheitszeiten ihre Partner nur im Notfall vertreten hat. Dies ergibt sich aus den Patientendokumentationen, die Bestandteil der Anlage 9 der von der Klägerin eingereichten Unterlagen sind. Es erscheint der Kammer auch nicht unüblich, dass dies 14mal in einem Quartal vorkommt.
Schlussendlich bleibt es für die Implausibilität bei wenigen Behandlungsfällen, für die von zwei Partnern Originalscheine angelegt wurden. Die Klägerin hat dazu vorgetragen und dies namentlich belegt, dass es sich überwiegend um Kinder und Jugendliche gehandelt hat, bei denen durch das Praxispersonal nicht festgestellt werden konnte, dass bereits ein Originalschein angelegt worden ist. Dies erklärt zur Überzeugung des Gerichts dieses missbräuchliche Verhalten. Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Es bleibt jedoch dabei, dass es sich im Grundsatz um implausible Doppelfälle handelt.
Angesichts dieser Sachlage verbleibt es zur Überzeugung des Gerichts – ausschließlich bezogen auf das dokumentierte Abrechnungsverhalten der Klägerin – bei wenigen Einzelfällen, die seitens der Beklagten als implausibel geltend gemacht werden können. Nur insoweit ist der Beklagten zuzugeben, dass sich die von der Klägerin in den streitbefangenen Quartalen jeweils der Abrechnung beigefügten Abrechnungssammelerklärungen, in denen sie die ordnungsgemäße Erbringung der abgerechneten Leistungen bestätigt hat, als falsch erweisen, mit der Folge, dass die Beklagte zwar grundätzlich berechtigt war, die Honorarbescheide aufzuheben und die Honorare im Wege der Schätzung neu festzusetzen (vgl. BSG, Urt. v. 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 - SozR 3-5500 § 35 Nr.1 = MedR 1998, 338 = USK 97134, juris Rdnr. 27 f.; BSG, Urt. v. 23.06.2010 - B 6 KA 7/09 R - juris Rdnr. 69).
Dieses Schätzungsermessen wird die Beklagte jedoch im Hinblick auf die wenigen tatsächlich implausiblen Fälle bei der Neubescheidung beschränken müssen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass sie nur 17,5% der Doppelfälle tatsächlich in die Rückforderungsberechnung einbezogen hat. Dieser Prozentsatz liegt jedoch zur Überzeugung des Gerichts deutlich über den bisher nachgewiesenen tatsächlich implausiblen Doppelfällen. Die Klägerin hat zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen, dass die Überweisungs- und Vertreterfälle, die nach dem Kenntnisstand der Kammer gerade nicht implausibel waren, nahezu sämtliche Doppelfälle ausmachen. Soweit es damit tatsächlich bei einzelnen doppelten Originalscheinen oder einzelnen Überweisungen von A1 an die Klägerin verbleibt, die als implausibel gelten müssen, wird die Beklagte zu erwägen haben, ob sie nicht von einer Honorarrückforderung vollständig absieht.
Nach alldem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Hessischen Landessozialgericht, Steubenplatz 14, 64293 Darmstadt
(FAX-Nr. (0 61 51) 80 43 50)
schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift der Urkundsbeamtin/des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem
Sozialgericht Marburg, Gutenbergstraße 29, 35037 Marburg
(FAX-Nr. (0 64 21) 17 08 - 50),
schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift der Urkundsbeamtin/des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die elektronische Form wird durch eine qualifizierte signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei hessischen Gerichten und Staatsanwaltschaften vom 26. Oktober 2007 (GVBl I 2007, 699) in der jeweils geltenden Fassung (GVBl II 20-31) in den elektronischen Gerichtsbriefkasten zu übermitteln ist. Die hierfür erforderliche Software kann über das Internetportal des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de) unter „Downloads“ lizenzfrei heruntergeladen werden. Dort können auch weitere Informationen zum Verfahren abgerufen werden.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem
Sozialgericht Marburg, Gutenbergstraße 29, 35037 Marburg
(FAX-Nr. (0 64 21) 17 08 - 50),
schriftlich oder in elektronischer Form zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Der Berufungsschrift- bzw. Antragsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Dies gilt nicht bei der Übermittlung elektronischer Dokumente.