24.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122605
Bundessozialgericht: Urteil vom 15.08.2012 – B 6 KA 38/11 R
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT
Urteil vom 15.8.2012
B 6 KA 38/11 R
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 6. April 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens für beide Rechtszüge.
Tatbestand
Im Streit steht die Höhe des dem Kläger für das Quartal II/2009 zuzuweisenden Regelleistungsvolumens (RLV).
Der Kläger nimmt als Praktischer Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) teil. Nachdem die Beklagte ihm für das Quartal I/2009 ein RLV in Höhe von 41 848 Euro zugewiesen hatte, setzte sie mit Bescheid vom 24.2.2009 - der dem Kläger nach den Feststellungen des SG am 9.3.2009 zugegangen ist - das RLV des Klägers für das Quartal II/2009 auf 37 981,44 Euro fest. Während der Widerspruch des Klägers erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid vom 27.5.2009), hat das SG auf dessen Klage hin die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Honorarfestsetzung für das Quartal II/2009 das dem Kläger für das Quartal I/2009 zugewiesene RLV zugrunde zu legen (Urteil vom 6.4.2011). Da die Zuweisung des neuen RLV nicht spätestens vier Wochen vor Beginn des Quartals II/2009 erfolgt sei, gelte auch für dieses Quartal das höhere RLV des Quartals I/2009 fort. Dies folge aus § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V (in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung
Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Ein bisheriges RLV gelte vorläufig fort, wenn die Zuweisung des neuen RLV nicht vor dem Beginn des Geltungszeitraums - dem Abrechnungsquartal - zugewiesen sei. § 87b Abs 5 SGB V aF solle sicherstellen, dass das Mengensteuerungsinstrument RLV kontinuierlich Anwendung finde und kein regelungsfreier Raum entstehe. Um dieses Ziel zu erreichen, habe es dem Gesetzgeber für den Fall der Zuweisung des RLV noch vor seinem Geltungsbeginn genügt, in § 87b Abs 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V aF lediglich eine Ordnungsfrist zu normieren. Der Begriff "rechtzeitig" in § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF solle lediglich die Bedeutung des Beginns des Abrechnungsquartales unterstreichen. Zudem sei sie - die Beklagte - zu Unrecht verpflichtet worden, das dem Kläger für das Quartal I/2009 zugewiesene RLV für das gesamte Quartal II/2009 zugrunde zu legen. Der vorläufige Geltungscharakter des nicht rechtzeitig bekannt gegebenen RLV ergebe sich daraus, dass gemäß § 87b Abs 5 Satz 5 SGB V aF Zahlungsansprüche aus einem zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesenen höheren RLV (rückwirkend) zu erfüllen seien, und dass das bisher zugewiesene RLV "vorläufig" fortgelte. Selbst für den Fall, dass ein RLV erst nach Beginn seines Geltungszeitraums bekannt gegeben werde, gelte das bisher zugewiesene RLV nur bis zur Bekanntgabe des neuen RLV.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 6.4.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Gesetzgeber habe RLV eingeführt, um eine Planbarkeit des ärztlichen Honorars ex ante - vor Beginn des Quartals - zu realisieren. Für den Fall der nachträglichen Zuweisung eines niedrigeren RLV habe er keine Regelung getroffen. Jedoch ergebe sich unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien sowie bei systematischer Betrachtung, dass er die Kalkulationssicherheit für den einzelnen Arzt hoch bewertet habe. § 87b Abs 5 Satz 1 SGB V aF normiere eine zwingend einzuhaltende Frist; daher sei eine nachträgliche Korrektur durch ein niedrigeres RLV im Regelfall nicht mehr möglich. Das RLV gelte für das gesamte Folgequartal fort; für eine Anwendung "pro-rata-temporis" sei ausweislich des Gesetzeswortlauts kein Raum. Eine auf die Zeit bis zur verspäteten Zuweisung des neuen niedrigeren RLV beschränkte Fortgeltung stelle in Anbetracht der gesetzlichen Regelung in § 87b Abs 5 Satz 5 SGB V aF eine unzulässige Rückwirkung dar. Das RLV solle gerade nicht einer nachträglichen Korrektur vorbehaltlich der endgültigen Festsetzung im Honorarbescheid unterliegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Im Streit steht allein die Höhe des dem Kläger für das Quartal II/2009 zugewiesenen RLV, wiederum beschränkt auf die Frage, ob das ihm für das Quartal I/2009 zugewiesene (höhere) RLV auch für das Quartal II/2009 zugrunde zu legen ist. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass das ihm für das Quartal II/2009 zugewiesene RLV fehlerhaft berechnet worden oder aus anderen Gründen rechtswidrig ist. Dafür bestehen auch keine Anhaltspunkte.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, der Honorarfestsetzung für das Quartal II/2009 das dem Kläger für das Quartal I/2009 zugewiesene RLV zugrunde zu legen. Das RLV war dem Kläger noch rechtzeitig vor Beginn des Quartals II/2009 zugewiesen worden.
1. a) Die Zuweisung eines RLV ist gesondert anfechtbar. Dies folgt bereits aus der in § 87b Abs 5 Satz 2 SGB V aF angeordneten Geltung des § 85 Abs 4 Satz 9 SGB V, welcher bestimmt, dass Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben. Dieser Geltungsanordnung hätte es nicht bedurft, wenn die Zuweisung nicht gesondert, sondern nur zusammen mit dem Honorarbescheid anfechtbar wäre. Die Zuweisung des RLV erfolgt im Übrigen in Form einer eigenständigen Regelung und stellt daher einen Verwaltungsakt dar. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Senats zur eigenständigen Bedeutung einer gesonderten Feststellung der Bemessungsgrundlagen im Rahmen von Individualbudgets (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 193; BSGE 83, 52, 53 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 202) und der Festsetzung von Praxisbudgets (vgl BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 3 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 12 RdNr 9), die unabhängig von den Honorarbescheiden angefochten werden können.
b) Aus der gesonderten Anfechtbarkeit folgt zum einen, dass ein Vertragsarzt, der die Zuweisung eines RLV hat bestandskräftig werden lassen, an diese Festsetzung gebunden ist und im nachfolgenden Honorarstreitverfahren nicht mehr deren Fehlerhaftigkeit geltend machen kann. Zum anderen ist (umgekehrt) für die Klärung der Rechtmäßigkeit der Zuweisung eines RLV nur solange Raum - und ein Rechtschutzbedürfnis gegeben - als die den streitbefangenen Zeitraum betreffenden Quartalshonorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind (vgl bereits BSG Beschluss vom 17.8.2011 - B 6 KA 30/11 B - RdNr 6 - für Individualbudgets).
In der Rechtsprechung des Senats sind Voraussetzungen und Konsequenzen der gesonderten Anfechtbarkeit von Regelungen im Zusammenhang mit der Vergütung allerdings nicht einheitlich beurteilt worden. So lässt sich den älteren - zu Individualbudgets im zahnärztlichen Bereich sowie zu Praxis- und Zusatzbudgets im ärztlichen Bereich ergangenen - Entscheidungen des Senats die Auffassung entnehmen, dass eine Anfechtung der gesondert ergangenen Bescheide auch dann zulässig ist, wenn die jeweiligen Quartalshonorarbescheide nicht angefochten worden sind (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 193; BSGE 83, 52, 53 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 202; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 3 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 12 RdNr 9). Demgegenüber hat der Senat in neueren Entscheidungen gefordert, dass die den streitbefangenen Zeitraum betreffenden Honorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind (BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 12, 14 - zur Vergütung von Dialyseleistungen ohne Anwendung von RLV; grundlegend BSG Beschluss vom 17.8.2011 - B 6 KA 30/11 B - RdNr 6 f; s auch BSG Urteil vom 8.2.2012 - B 6 KA 14/11 R - RdNr 11 - SozR 4-2500 § 85 Nr 69).
Zur Vereinheitlichung seiner Rechtsprechung stellt der Senat - unter Modifikation seiner in früheren Entscheidungen getroffenen Aussagen - nunmehr klar, dass für die gerichtliche Klärung von gesonderten Feststellungen (Bemessungsgrundlagen, Budgets, RLV), Teilelementen und Vorfragen zur Bestimmung des Quartalshonorars nur dann und solange Raum ist, als die jeweiligen Quartalshonorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Dies gilt auch dann, wenn entsprechende Feststellungen durch gesonderten Verwaltungsakt erfolgt sind.
Der Honorarbescheid würde seine Funktion einer abschließenden verbindlichen Regelung des Honoraranspruchs des Arztes verlieren, wenn er - trotz formeller Bestandskraft - und ohne ausdrückliche Kennzeichnung als vorläufig in der Sache kaum verlässlich Auskunft darüber gibt, wie hoch der Vergütungsanspruch des Arztes im jeweiligen Quartal ist. Wenn etwa wegen des Streits über das für die Höhe des Honoraranspruchs entscheidenden RLV eine verbindliche Festlegung des Honorars nicht möglich ist, spiegelt die Bestandskraft eine Sicherheit vor, die es tatsächlich nicht gibt, wenn mit umfassenden Änderungen des Bescheides nach endgültiger Festlegung des RLV zu rechnen wäre. Die Gewährleistungsfunktion von bestandskräftigen Honorarbescheiden erfordert deshalb, dass die arztbezogenen Grundlagen des Honoraranspruchs nicht mehr umstritten sind; sind diese ungeklärt, muss die endgültige Honorarhöhe zwischen KÄV und Arzt offenbleiben (Widerspruch gegen Honorarbescheid, Vorläufigkeitserklärung durch KÄV). Ergeht eine als abschließend gedachte Regelung und wird diese bestandskräftig, besteht an der Klärung von Vorfragen zum Honorar - wie etwa RLV - kein rechtlich geschütztes Interesse des Arztes mehr.
Die Verhinderung des Eintritts der Bestandskraft muss nicht notwendig in der Weise erfolgen, dass der Vertragsarzt gegen den abschließenden Honorarbescheid Widerspruch einlegt. Es reicht auch aus, wenn die KÄV gegenüber Vertragsärzten, deren RLV noch im Streit steht, die Verpflichtung übernimmt, den Honorarbescheid einer eventuell geänderten RLV-Festsetzung anzupassen oder generell verlautbart, dass sie neue Honorarbescheide erlassen wird, wenn sich beim einzelnen Arzt Änderungen bei dem RLV ergeben.
Der Senat weist darauf hin, dass die KÄVen ggf zu prüfen haben, ob Vertragsärzten, die im Vertrauen auf die (ältere) Rechtsprechung des Senats von einer gleichzeitigen Anfechtung der Honorarbescheide abgesehen haben, Vertrauensschutz zu gewähren sein kann. Hierfür besteht ggf Veranlassung, weil durch die nicht einheitliche Rechtsprechung des Senats Rechtsunsicherheit eingetreten sein kann und zudem die grundlegenden Ausführungen des Senats im Beschluss vom 17.8.2011 (B 6 KA 30/11 B) nicht veröffentlicht worden sind, sodass hiervon keine Kenntnis genommen werden konnte. Dies gilt jedenfalls für Honorarbescheide, bei denen vor Veröffentlichung der Entscheidung des Senats vom heutigen Tag Bestandskraft eingetreten ist.
Vorliegend hat der Kläger - nach den übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - auch den Honorarbescheid für das Quartal II/2009 angefochten.
2. Die Beklagte hat der Honorarabrechnung des Klägers für das Quartal II/2009 zu Recht das mit Bescheid vom 24.2.2009 zugewiesene RLV zugrunde gelegt. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass das ihm für das Vorquartal zugewiesene (höhere) RLV weiterhin zur Anwendung gelangt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine (ausnahmsweise) Fortgeltung des bisherigen RLV nicht gegeben sind.
Nach § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF gilt das bisherige, dem Arzt oder der Arztpraxis zugewiesene RLV vorläufig fort, wenn ein RLV "nicht rechtzeitig vor Beginn des Geltungszeitraums" zugewiesen werden kann. Voraussetzung für eine Fortgeltung des bisherigen RLV ist mithin eine "nicht rechtzeitige" Zuweisung des neuen RLV. "Nicht rechtzeitig" iS des § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF ist die Zuweisung nach dem Wortlaut der Norm dann, wenn das RLV nicht "vor Beginn des Geltungszeitraums" zugewiesen worden ist. Geltungszeitraum des RLV ist der "Abrechnungszeitraum" (vgl § 87b Abs 2 Satz 5 SGB V aF), mithin das Quartal. Das RLV für das Quartal II/2009 ist dem Kläger am 9.3.2009 und damit rechtzeitig vor Beginn des Geltungszeitraums - hier der 1.4.2009 - zugewiesen worden.
Der Auffassung des SG, dass das Merkmal "rechtzeitig" auf die Vier-Wochen-Frist in § 87b Abs 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V aF verweise, folgt der Senat nicht. Nach dieser Bestimmung hat die Zuweisung der RLV wie auch die Mitteilung der maßgeblichen Preise jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV zu erfolgen. Der Annahme, eine Überschreitung dieser Frist stelle eine nicht rechtzeitige Zuweisung iS des § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF dar, steht schon der Wortlaut der Norm entgegen. Der Gesetzgeber hat den Begriff "rechtzeitig" gerade nicht mit dem Zeitpunkt der Zuweisung, sondern ausdrücklich mit dem Beginn des Geltungszeitraums des RLV verknüpft; hätte er an die Zuweisungsfrist anknüpfen wollen, hätte er dies unschwer umsetzen können, indem er in § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF die Formulierung "nicht innerhalb der Frist nach Satz 1 zugewiesen" gebraucht hätte. Dies ist jedoch nicht geschehen. Auch die Argumentation, die Verwendung des Wortes "rechtzeitig" könne nur als Bezugnahme auf die Frist des § 87b Abs 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V aF verstanden werden, weil es andernfalls des Wortes "rechtzeitig" nicht bedurft hätte, ist nicht zwingend. Zwar würde sich die rechtliche Aussage, dass der Beginn des Geltungszeitraums maßgeblich ist, durch das Weglassen des Wortes nicht verändern ("nicht vor Beginn ... zugewiesen"), jedoch ändert dies nichts an der verstärkenden Wirkung des Wortes, dass eine nicht bis zum Beginn des Geltungszeitraums erfolgte Zuweisung eben nicht rechtzeitig ist.
Dieses Auslegungsergebnis wird durch den Zweck der die Fortgeltung des bisherigen RLV anordnenden Regelung bestätigt. Durch § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF soll eine kontinuierliche Geltung des Mengensteuerungsinstruments RLV gewährleistet werden (Fraktionsentwurf
Gegen die Annahme, für die Rechtzeitigkeit der Zuweisung sei auf die Vier-Wochen-Frist des Satzes 1 aaO abzustellen, spricht auch die Regelung des § 87b Abs 5 Satz 5 SGB V aF. Dort ist bestimmt, dass Zahlungsansprüche aus einem zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesenen höheren RLV rückwirkend zu erfüllen sind. Würde man die Begriffe "nicht rechtzeitig" (Satz 4 aaO) und "zu einem späteren Zeitpunkt" (Satz 5 aaO), die aufeinander aufbauen und daher einheitlich auszulegen sind, jeweils in Bezug zur Frist des § 87b Abs 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V aF setzen, würde dies bei der Anwendung des Satzes 5 aaO zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen führen. Gälte eine noch vor Beginn des Geltungszeitraums, aber nicht innerhalb der Vier-Wochen-Frist erfolgte Zuweisung bereits als verspätet, bedürfte es keiner "rückwirkenden" Erfüllung etwaiger Zahlungsansprüche, weil das (höhere) RLV bereits von Beginn des Quartals an gelten würde.
Dass § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF zugleich dem Zweck dienen soll, einen Verstoß gegen die in Satz 1 aaO normierte Frist zu sanktionieren, ist weder den Gesetzesmaterialien zu entnehmen noch sonst erkennbar. Im Übrigen ginge die Regelung des Satzes 4 aaO als derartige Sanktion ins Leere, weil es in der Zeit zwischen dem Ende der Vier-Wochen-Frist und dem Beginn der Geltungsdauer des neuen RLV der vorl äufigen Weitergeltung des bisherigen RLV nicht bedürfte, da das alte RLV ohnehin noch gelten würde. Zwar hat das SG - nach seiner Auslegung der Vorschrift konsequent - angenommen, dass bei verspäteter Zuweisung das bisherige RLV für das gesamte (Folge-)Quartal fort gilt, doch kann auch dieser Auffassung nicht gefolgt werden.
Hiergegen spricht schon der Wortlaut des § 87b Abs 5 Satz 4 SGB V aF; danach gilt das bisherige RLV "vorläufig" fort. Dieses Einschubs hätte es nicht bedurft, wenn die Fortgeltung der bisherigen Regelung das gesamte (weitere) Quartal erfassen sollte. Um die bloße Endlichkeit der Fortgeltung anzuzeigen, wäre das Wort überflüssig, weil das RLV ohnehin für jeden Abrechnungszeitraum neu zuzuweisen ist. Für eine Fortgeltung pro rata temporis spricht zudem § 87b Abs 5 Satz 5 SGB V aF. Danach sind Zahlungsansprüche aus einem zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesenen höheren RLV rückwirkend zu erfüllen. Schon der Wortlaut der Norm spricht von einem (verspätet) "zugewiesenen", nicht nur als zugewiesen "geltenden" RLV. Dies setzt voraus, dass eine wirksame Zuweisung des neuen RLV noch im Laufe des maßgeblichen Quartals erfolgen kann. Gälte das alte RLV zwingend für das gesamte (Folge-)Quartal, käme es überhaupt nicht zur "späteren" Zuweisung eines neuen RLV; damit liefe die Regelung leer. Zudem kann sich der als Tatbestandsvoraussetzung normierte "Anspruch" aus einem verspätet zugewiesenen (höheren) RLV nur dann ergeben, wenn auch diesem verspäteten RLV Rechtsfolgen beigemessen werden; gälte das bisherige RLV das gesamte Folgequartal fort, wäre dies nicht der Fall.
§ 87b Abs 5 Satz 5 SGB V kann auch nicht in dem Sinne verstanden werden, dass ausschließlich höhere RLV zu einem späteren Zeitpunkt zugewiesen werden dürfen. Die Norm regelt die Zulässigkeit einer späteren Zuweisung nicht, sondern setzt diese voraus. Geregelt wird ausschließlich, dass höhere Zahlungsansprüche rückwirkend zu erfüllen sind; es sollen die durch eine zeitverzögerten Festsetzung und Zuweisung von höheren Regelleistungsvolumina beim einzelnen Arzt auftretenden "Vergütungsnachteile" ausgeglichen werden (FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 12 zu § 85b Abs 6). Die Annahme, dass der Gesetzgeber einem (verspätet) zugewiesenen RLV nur für den Fall Rechtsfolgen bemessen wollte, dass sich ein höheres RLV ergeben hätte, ist auch deswegen fernliegend, weil dies zu Lasten der übrigen Vertragsärzte ginge.
Nach alledem handelt es sich bei der Frist nach § 87b Abs 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V aF um eine bloße Ordnungsfrist (ebenso Freudenberg in jurisPK SGB V, 1. Aufl 2008, § 87b RdNr 79; Rompf in Liebold/Zalewski, Stand April 2010, § 87b RdNr C 87b-23; aA Scholz in Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl 2010, § 87b RdNr 7), um deren Einhaltung die KÄV pflichtgemäß besorgt sein muss, die aber keine Ausschlussfrist in dem Sinne darstellt, dass bei ihrem Verstreichen das alte RLV weitergilt. Dass die Rechtsfolgen einer Nichtbeachtung der Frist nicht geregelt sind, stellt - ungeachtet der vom Gesetzgeber hervorgehobenen Bedeutung der Kalkulationssicherheit (vgl FraktE GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 126 zu § 85b Abs 4) - auch keine Lücke dar, die der Ausfüllung im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung bedarf. Eine bewusste Nichtbeachtung der Frist stellte eine Rechtsverletzung dar, die der für die Beklagte zuständigen Aufsichtsbehörde (vgl § 78 Abs 2 Satz 1 SGB V) im Rahmen der ihr obliegenden Rechtsaufsicht (vgl § 78 Abs 3 Satz 1 SGB V) Veranlassung zum Einschreiten gäbe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen, da er unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO).