20.12.2012 · IWW-Abrufnummer 123880
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg: Urteil vom 09.11.2012 – 2 S 701/12
1.
Bei mehreren Erkrankungen können mehrere Behandlungsfälle nebeneinander bestehen.
2.
§ 12 Abs. 2 GOÄ regelt lediglich in formeller Hinsicht, welchen Mindestinhalt eine Arztrechnung haben muss, um die Fälligkeit der ärztlichen Forderung begründen zu können. Eine materiell-rechtliche Ausschlussregelung lässt sich § 12 Abs. 2 GOÄ hingegen nicht entnehmen. Die Diagnose kann daher grundsätzlich nachgereicht bzw. korrigiert werden.
3.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Gebührenordnung - wie im Falle der GOÄ-Nr. 410 - ausdrücklich bestimmte Angaben in der Rechnung verlangt. In diesem Fall kommt eine Nachholung nicht in Betracht.
VGH Baden-Württemberg, 09.11.2012
2 S 701/12
In der Verwaltungsrechtssache
- Kläger -
- Berufungskläger -
prozessbevollmächtigt:
gegen
Postbeamtenkrankenkasse - Hauptverwaltung -,
vertreten durch den Vorstand,
Maybachstraße 54 - 56, 70469 Stuttgart,
- Beklagte -
- Berufungsbeklagte -
wegen Kassenleistungen
hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
am 9. November 2012
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2011 - 12 K 533/11 - geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für seine Aufwendungen aufgrund der Rechnungen von Dr. xxxxxxxx vom 9.4.2009, 14.5.2009 und 17.6.2009 weitere Kassenleistungen in Höhe von 69,76 EUR zu gewähren. Die Bescheide der Beklagten vom 19.10.2009 und vom 22.2.2010 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 13.1.2011 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist B 1-Mitglied der Beklagten mit einem Bemessungssatz von 30%. Er beantragte am 30.9.2009 Kassenleistungen für Aufwendungen aufgrund der Rechnungen von Dr. A. vom 9.4.2009 über 1.363,89 EUR (Beleg 1), vom 14.5.2009 über 888,22 EUR (Beleg 2) und vom 17.6.2009 über 1.286,10 EUR (Beleg 3).
Mit Bescheid vom 19.10.2009 gewährte die Beklagte dem Kläger Kassenleistungen von 388,70 EUR für seine Aufwendungen hinsichtlich der Belege 1 und 2. In Bezug auf Beleg 3 wurden die Aufwendungen nicht als erstattungsfähig anerkannt. Mit Schreiben vom 2.11.2009 bat die Beklagte den Kläger u.a. um Übersendung der Behandlungsunterlagen und einer Einverständniserklärung zur Einholung eines Gutachtens zu den geltend gemachten Aufwendungen.
Auf den Widerspruch des Kl ägers gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 22.2.2010 weitere Kassenleistungen in Höhe von 47,18 EUR für die in Beleg 3 in Rechnung gestellten Aufwendungen. In der Begründung des Bescheids wird darauf hingewiesen, dass nur die unstrittigen Leistungen erstattet werden könnten. Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.1.2011 - zugestellt am 15.1.2011 - erstattete die Beklagte weitere Kassenleistungen in Höhe von 483,84 EUR. Im Übrigen wies sie die Widersprüche des Klägers zurück. Dem Kläger verblieb hiernach ein Selbstbehalt an Beihilfe- und Kassenleistungen, der sich wie folgt zusammensetzt:
Beleg 1:
Behandlungstag Rechnungsangaben* anerkannt* Selbstbehalt
02.03.2009 3 2,3 20,10 3 1,9 16,61 3,49
07.03.2009 3 2,3 20,10 3 1,9 16,61 3,49
09.03.2009 1 2,3 10,72 1 1,9 8,85 1,87
7 2,3 21,46 7 1,9 17,73 3,73
624 1,8 34,63 624 1,5 28,85 5,78
255 2,3 12,74 255 1,9 10,53 2,21
269a 2,3 46,92 269a 1,9 38,76 8,16
555 1,8 12,60 555 1,5 10,49 2,11
250 1,8 4,19 250 1,5 3,50 0,69
12.03.2009 1 2,3 10,72 - - - 10,72
7 2,3 21,46 7 1,9 17,73 3,73
410 2,3 26,82 410 1,9 22,15 4,67
839 2,3 93,84 839 1,9 77,52 16,32
643 1,8 12,60 643 1,5 10,49 2,11
644 1,8 18,88 644 1,5 15,74 3,14
490 2,3 8,17 490 1,9 6,76 1,41
831 2,3 10,72 831 1,9 8,85 1,87
A1800 2,3 198,42 - - - 198,42
20.03.2009 1 2,3 10,72 - - - 10,72
7 2,3 21,46 7 1,9 17,73 3,73
410 2,3 26,82 410 1,9 22,15 4,67
491 2,3 16,22 491 1,9 13,40 2,82
831 2,3 10,72 831 1,9 8,85 1,87
Summe 297,73
Beleg 2:
Behandlungstag Rechnungsangaben* anerkannt* Selbstbehalt
23.03.2009 1 2,3 10,72 1 1,9 8,85 1,87
7 2,3 21,46 7 1,9 17,73 3,73
410 2,3 26,82 - - - 26,82
491 2,3 16,22 491 1,9 13,40 2,82
831 2,3 10,72 831 1,9 8,85 1,87
28.03.2009 3 2,3 20,10 3 1,9 16,61 3,49
30.03.2009 3 2,3 20,10 - - - 20,10
02.04.2009 2 1,8 3,15 2 1,5 2,63 0,52
03.04.2009 3 2,3 20,10 - - - 20,10
06.04.2009 1 2,3 10,72 - - - 10,72
7 2,3 21,46 7 1,9 17,73 3,73
624 1,8 34,63 624 1,5 28,85 5,78
490 2,3 8,17 490 1,9 6,76 1,41
756 2,3 16,22 756 1,9 13,40 2,82
200 2,3 6,03 200 1,9 4,98 1,05
07.04.2009 375 2,3 10,72 375 1,9 8,85 1,87
09.04.2009 3 2,3 20,10 3 1,9 16,61 3,49
20.04.2009 1 2,3 10,72 1 1,9 8,85 1,87
5 2,3 10,72 5 1,9 8,85 1,87
269a 2,3 46,92 269a 1,9 38,76 8,16
538 1,8 4,19 538 1,5 3,50 0,69
30.04.2009 1 2,3 10,72 - - - 10,72
7 2,3 21,46 7 1,9 17,73 3,73
624 1,8 34,63 624 1,5 28,85 5,78
643 1,8 12,60 643 1,5 10,49 2,11
644 1,8 18,88 644 1,5 15,74 3,14
840 2,3 93,84 840 1,9 77,52 16,32
269a 2,3 46,92 269a 1,9 38,76 8,16
Summe 174,74
* jeweils GOÄ-Nr. - Steigerungsfaktor - Betrag in EUR
Bei einem Bemessungssatz von 30% beträgt der Selbstbehalt an Kassenleistungen demzufolge insgesamt 141,74 EUR. Die Aufwendungen für Beleg 3 wurden in vollem Umfang als erstattungsfähig anerkannt.
Am 15.2.2011 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgebracht, dass die Einschaltung privater Gutachter-Institute durch die Beklagte rechtswidrig sei. In der Sache hat er sich ergänzend auf ein undatiertes Ärztliches Attest von Dr. B. mit insgesamt 18 diagnostizierten Erkrankungen und auf handschriftliche Anmerkungen auf einer Kopie des Widerspruchsbescheids berufen, in denen die durchgeführten Beratungen nach den GOÄ-Nummern 1 und 3 jeweils unterschiedlichen Diagnosen zugeordnet werden.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat erwidert, die vorgenommenen Leistungskürzungen seien gerechtfertigt, weil der Kläger die angeforderten Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt habe.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.12.2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf weitere Kassenleistungen für Aufwendungen aufgrund der Rechnung vom 17.6.2009 über 1.286,10 EUR (Beleg 3). Es verbleibe ihm nämlich insoweit kein Selbstbehalt.
Der mehrfache Ansatz der GOÄ-Nummer 1 in der Rechnung vom 9.4.2009 über 1.363,89 EUR (Beleg 1) entspreche nicht der Gebührenordnung für Ärzte. Danach sei diese Leistung neben Leistungen nach den Abschnitten C bis 0 im Behandlungsfall nur einmal berechnungsfähig. Dabei gelte nach Nummer 1 der Anlage als Behandlungsfall für die Behandlung derselben Erkrankung der Zeitraum eines Monats nach der jeweils ersten Inanspruchnahme des Arztes. Die GOÄ-Nummer 1 sei vorliegend erstmals am 9.3.2009 angesetzt worden. Dann sei sie erneut am 12.3.2009 und am 20.3.2009, also innerhalb eines Monats, abgerechnet worden. Daneben seien auch Leistungen nach den Abschnitten C bis O berechnet worden. Dabei sei nicht ersichtlich, dass es sich um unterschiedliche Behandlungsfälle gehandelt habe. Etwas anderes ergebe sich nicht aus dem vom Kläger vorgelegten undatierten Ärztlichen Attest von Dr. B. Dieses Attest sei irrelevant, weil die Rechnung von Dr. A. stamme. Ebenso wenig seien die Anmerkungen auf der vom Kläger vorgelegten Kopie des Widerspruchsbescheids beachtlich. Denn die Vorlage dieser Kopie entspreche nicht der Gebührenordnung für Ärzte. Wenn es sich um unterschiedliche Behandlungsfälle handle, müsse dies aus der Rechnung ersichtlich sein. Dies folge auch aus § 12 Abs. 2 GOÄ, der den Inhalt der Rechnung vorschreibe.
Bei der extrakorporalen Stoßwellentherapie nach GOÄ-Nummer 1800 A handle es sich um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode. In der Liquidation würden keine Diagnosen genannt, bei denen sie ausnahmsweise zulässig sei.
Die Rechnung vom 14.5.2009 über 888,22 EUR (Beleg 2) entspreche teilweise nicht der Gebührenordnung für Ärzte. Für den mehrfachen Ansatz der GOÄ-Nummern 1 und 3 gälten die Ausführungen zu Beleg 1 entsprechend. Bei der Ultraschalluntersuchung eines Organs nach GOÄ-Nummer 410 sei das untersuchte Organ in der Rechnung anzugeben. Diese Angabe fehle hier.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers, zu deren Begründung er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.12.2011 - 12 K 533/11 - zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm für seine Aufwendungen aufgrund der Rechnungen von Dr. A. vom 9.4.2009, 14.5.2009 und 17.6.2009 weitere Kassenleistungen in Höhe von 141,74 EUR zu gewähren, und die Bescheide der Beklagten vom 19.10.2009 und vom 22.2.2010 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 13.1.2011 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr früheres Vorbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Nach § 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Er hat einen Anspruch auf weitere Kassenleistungen der Beklagten in Höhe von 69,76 EUR (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Insoweit hat das Verwaltungsgericht seine Klage zu Unrecht abgewiesen (s. im Einzelnen unter 4.). Im Übrigen ist das angefochtene Urteil dagegen nicht zu beanstanden.
1. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich. Damit ist auf die in diesem Zeitpunkt geltenden Fassungen der Satzung der Beklagten vom 1.1.2009 (70. Änderung) bzw. vom 1.4.2009 (71. Änderung) abzustellen.
2. Der Anspruch des Klägers scheitert nicht schon an seiner fehlenden Mitwirkung.
a) Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten in ihren hier maßgeblichen Fassungen haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 der Satzung festgelegten Leistungen. Die Leistungen richten sich nach den entstandenen Aufwendungen nach näherer Maßgabe der §§ 30 ff. der Satzung. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung sind Aufwendungen erstattungsfähig, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. Bestehen Zweifel über die Notwendigkeit und Angemessenheit, ist die Beklagte nach § 30 Abs. 3 Satz 5 (70. Änderung) bzw. § 30 Abs. 2 Satz 4 (71. Änderung) der Satzung berechtigt, ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten einzuholen. Um der Beklagten bei Zweifeln an der Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen die Überprüfung zu ermöglichen, ist das Mitglied verpflichtet, auf Anforderung die zur Prüfung erforderlichen Behandlungsunterlagen vorzulegen und insoweit einer Weitergabe dieser Unterlagen zum Zwecke der Erstellung eines amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens schriftlich zuzustimmen (§ 78 Abs. 3 Satz 2 der Satzung). Kommt das Mitglied seinen Mitwirkungspflichten nach § 78 Abs. 3 nicht nach, besteht insoweit kein Anspruch des Mitglieds auf Erstattung (§ 78 Abs. 4 Satz 1 der Satzung).
Für die Frage nach der Notwendigkeit medizinischer Behandlungen im Sinne des Beihilferechts ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 20.3.2008 - 2 C 19.06 - NVwZ-RR 2008, 713) zunächst der Einschätzung des behandelnden Arztes besondere Bedeutung beizumessen. § 30 Abs. 3 Satz 5 (70. Änderung) bzw. § 30 Abs. 2 Satz 4 (71. Änderung) der Satzung soll der Beklagten jedoch die Möglichkeit eröffnen, eine selbständige Überprüfung vornehmen zu können, ohne dem behandelnden Arzt in jedem Fall "blind" glauben zu müssen. Mit dem Recht der Beklagten, die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlung überprüfen zu lassen, ist zugleich die Verpflichtung der Mitglieder geregelt, ihr Einverständnis mit der für dieses Verfahren erforderlichen Übermittlung von Daten über die erfolgte ärztliche Behandlung an externe Gutachter zu erteilen (ausführl.: Senatsurteil vom 24.11.2011 - 2 S 2295/10 - [...]).
b) Im vorliegenden Fall durfte die Beklagte den Kläger indes nicht zu weiteren Mitwirkungshandlungen auffordern. Sie hat in keiner Weise nachvollziehbar dargelegt, dass und weshalb hier Zweifel an der Notwendigkeit und Angemessenheit der durchgeführten Behandlungen bestehen könnten. Die Anforderung weiter Mitwirkungshandlungen des Klägers ist hier ersichtlich "ins Blaue hinein" und ohne jeden konkreten Anlass erfolgt. Dies zeigt sich auch darin, dass die Beklagte trotz der fehlenden Mitwirkung des Klägers den hier streitgegenständlichen Antrag auf Kassenleistungen in der Sache beschieden hat, ohne sich dabei in der letztlich maßgeblichen Widerspruchsentscheidung auf das Fehlen konkreter Mitwirkungshandlungen zu berufen. Daher hat die Beklagte die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschritten, indem sie den Kläger ohne greifbare tatsächliche Anhaltspunkte - gleichsam willkürlich - zu weiteren Mitwirkungshandlungen aufgefordert hat. Konkrete Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit und Angemessenheit der durchgeführten Behandlungen hat sie im Übrigen auch im gerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht.
3. Unverständlich ist die Rüge des Klägers, auch in Bezug auf den Beleg 3 sei ihm ein Selbstbehalt verblieben. Insoweit ergibt sich aus den substantiierten Ausführungen der Beklagten in ihrem Widerspruchsbescheid vom 13.1.2011 (S. 7) und dem Schriftsatz vom 8.11.2011 im erstinstanzlichen Verfahren eindeutig, dass insoweit eine Erstattung der geltend gemachten Aufwendungen erfolgt ist. Gleiches gilt jedenfalls dem Grunde nach für die GOÄ-Nummern 840, 490, 839, 643 und 644 GOA. Die entsprechenden Aufwendungen wurden jeweils als erstattungsfähig anerkannt (zum Steigerungsfaktor s. unten unter 5.b).
4. Der Kläger hat aber Anspruch auf weitere Leistungen in Höhe von insgesamt 69,76 EUR bezüglich der Belege 1 und 2. Im Einzelnen:
a) Die Leistung nach GOÄ-Nr. 1 (Beratung - auch mittels Fernsprecher) kann hier entgegen der Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts mehrfach angesetzt werden.
Zwar ist die Leistung nach GOÄ-Nr. 1 gemäß Nr. 2 der Allgemeinen Bestimmungen in Abschnitt B der Anlage zur GOÄ neben anderen Leistungen nach den Abschnitten C bis O, die hier erbracht worden sind, im Behandlungsfall nur einmal berechnungsfähig. Nach Nr. 1 der Allgemeinen Bestimmungen in Abschnitt B der Anlage zur GOÄ gilt als Behandlungsfall der Zeitraum eines Monats nach der jeweils ersten Inanspruchnahme des Arztes für die Behandlung derselben Erkrankung. Aus der Bezugnahme auf die jeweilige Erkrankung ist aber zu folgern, dass bei mehreren Erkrankungen, wie sie hier vorliegen, auch mehrere Behandlungsfälle nebeneinander bestehen können (Brück, Kommentar zur GOÄ, Anm. zu B - Grundleistungen und allgemeine Leistungen, Allgemeine Bestimmungen, Nr. 1, Rn. 3, insbes. unter 3.).
Das Verwaltungsgericht ist insoweit der Ansicht, der Vortrag des Klägers in der Klagebegründungsschrift und die im Gerichtsverfahren vorgelegten Unterlagen seien von vornherein unbeachtlich. Maßgeblich sei lediglich der Inhalt der jeweiligen Rechnungen. Spätere Ergänzungen oder nachträglich von Dritten erstellte Diagnosen könnten nicht berücksichtigt werden. Das trifft nicht zu. Die Ansicht des Verwaltungsgerichts lässt sich insbesondere nicht auf § 12 Abs. 2 GOÄ stützen. Diese Vorschrift regelt lediglich in formeller Hinsicht, welchen Mindestinhalt eine Arztrechnung haben muss, um die Fälligkeit der ärztlichen Forderung begründen zu k önnen (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 21.12.2006 - III ZR 117/06 - BGHZ 170, 252). Eine materiell-rechtliche Ausschlussregelung lässt sich § 12 Abs. 2 GOÄ hingegen nicht entnehmen. Folgerichtig bleiben fehlerhafte Arztrechnungen ohne Folgen, wenn später die Notwendigkeit und Angemessenheit der erbrachten ärztlichen Leistung festgestellt wird. Die hier einschlägigen Satzungen der Beklagten verlangen selbst an keiner Stelle ausdrücklich die Angabe der Diagnose in der Rechnung; erst recht enthalten sie keinen Leistungsausschluss für den Fall, dass diese erst im gerichtlichen Verfahren nachgereicht oder korrigiert wird. Daher gelten für die Feststellung der Notwendigkeit einer ärztlichen Leistung die allgemeinen Regeln für die Sachverhaltsaufklärung in Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren. Die Diagnose kann jederzeit nachgereicht bzw. korrigiert werden. Ebenso genügt die Feststellung durch die Beklagte bzw. das Verwaltungsgericht auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens (vgl. zum Beihilferecht des Bundes: BVerwG, Urteil vom 20.3.2008 - 2 C 19.06 - NVwZ-RR 2008, 713).
Demzufolge sind hier auch der erstinstanzliche Vortrag des Klägers und die dort erfolgten Ergänzungen zu berücksichtigen. Hiernach stellen sich die geltend gemachten Aufwendungen als notwendig und angemessen dar. Aus der Klagebegründungsschrift vom 30.6.2011 lässt sich jeweils - in Verbindung mit dem Ärztlichen Attest von Dr. B. und den handschriftlichen Anmerkungen auf einer vorgelegten Kopie des Widerspruchsbescheids - die Zuordnung der Beratungen zu unterschiedlichen Diagnosen ersehen, die als eigenständige Behandlungsfälle anzusehen sind. Sachliche Einwendungen gegen diese Zuordnung hat die Beklagte nicht erhoben.
b) Auch die Leistung nach GOÄ-Nr. 3 (eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung - auch mittels Fernsprecher) ist jeweils erstattungsfähig. Insoweit lässt sich der Klagebegründungsschrift vom 30.6.2011 in Verbindung mit dem Ärztlichen Attest von Dr. B. und den vorgelegten handschriftlichen Anmerkungen auf einer Kopie des Widerspruchsbescheids ebenfalls entnehmen, dass eigenständige Behandlungsfälle im Sinne der GOÄ gegeben sind. Im Übrigen ist die Leistung nach GOÄ-Nr. 3 sogar mehrmals im Behandlungsfall berechnungsfähig, wenn dies besonders begründet wird (GOÄ-Nummer 3, S. 2 der Anm.).
c) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liegt hier eine Indikation vor, bei der die extrakorporale Stoßwellentherapie ausnahmsweise zulässig ist. Gemäß Nr. 2 der Anlage 1 zu BBhV sind die entsprechenden Aufwendungen ausdrücklich nach Nr. 1800 GOÄ (analog) abrechenbar, wenn sie der Behandlung einer Tendinosis calcarea (auch Tendinitis calcarea; kalkartige Ablagerungen in Sehnen und Sehnenans ätzen) gedient haben. Diese Diagnose wird hier in Beleg 1 (Rechnung vom 9.4.2009) auch genannt. Zwar ist sie an der "falschen" Stelle angeführt, nämlich nicht bei den Diagnosen, sondern bei den am 12.3.2009 und am 20.3.2009 erbrachten Leistungen ("7 vollständige körperliche Untersuchung mindestens eines Organsytems: Tendinosis calcarea"). Auch insoweit führt aber ein formeller Fehler bei der Erstellung der Rechnung nicht zu einem Ausschluss des materiell-rechtlichen Anspruchs. Dass die Diagnose zutreffend und die Behandlung dementsprechend notwendig und angemessen war, stellt die Beklagte in der Sache nicht in Frage.
5. Darüber hinaus hat der Kläger jedoch keinen Anspruch auf weitere Leistungen der Beklagten:
a) Die Aufwendungen für die Leistung nach GOÄ-Nr. 410 (Ultraschalluntersuchung eines Organs) sind zu Recht nicht als erstattungsfähig anerkannt worden. Insoweit verlangt die Gebührenordnung (Anm. zu GOÄ-Nr. 410) ausdrücklich, dass das untersuchte Organ in der Rechnung anzugeben ist (vgl. auch Pieritz, GOÄ-Ratgeber, Dt. Ärzteblatt 2005, A 1000; Wiedener, GOÄ-Ratgeber, 2011, A 1656). Daran fehlt es hier. Da die Gebührenordnung in diesem Fall eine spezielle Regelung enthält, die die Erstattungsfähigkeit von der Angabe des untersuchten Organs "in der Rechnung" abhängig macht, gelten die oben unter 4.a) genannten allgemeinen Grundsätze hier nicht. Die Benennung des untersuchten Organs kann daher im Falle einer Ultraschalluntersuchung nicht nachgeholt werden, da sie nach der ausdrücklichen Spezialregelung in der GOÄ-Nr. 410 bereits in der Rechnung erfolgen muss.
b) Soweit die Beklagte anstelle des geltend gemachten 2,3-fachen Steigerungssatzes jeweils nur einen 1,9-fachen Steigerungssatz und anstelle des 1,8-fachen Steigerungssatzes jeweils nur einen 1,5-fachen Steigerungssatz anerkannt hat, sind keine Bedenken ersichtlich. Auch der Kläger hat nicht substantiiert geltend gemacht, dass und weshalb insoweit ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Leistungsordnung B der Beklagten (2. Nr. 1 a und b) gegeben sein könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 141,74 EUR festgesetzt.
Der Beschluss ist unanfechtbar.