01.03.2013 · IWW-Abrufnummer 130708
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg: Beschluss vom 03.12.2012 – 2 S 2266/12
Die für verhaltenstherapeutische Einzelbehandlungen mit einer Dauer von mindestens 50 Minuten geltende GOÄ Ziffer 87 0 gestattet keinen mehrfachen Ansatz der Gebühr bei Behandlungen, die diese Mindestdauer überschreiten. Erhebliche Überschreitungen der Mindestzeit können deshalb lediglich zum Ansatz eines höheren Steigerungsfaktors führen.
VGH Baden-Württemberg
03.12.2012
2 S 2266/12
In der Verwaltungsrechtssache
- Klägerin -
- Antragstellerin -
prozessbevollmächtigt:
gegen
Postbeamtenkrankenkasse - Hauptverwaltung -,
vertreten durch den Vorstand,
Maybachstraße 54 - 56, 70469 Stuttgart,
- Beklagte -
- Antragsgegnerin -
wegen Kassenleistungen
hier: Antrag auf Zulassung der Berufung
hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
am 3. Dezember 2012
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. Oktober 2012 - 1 K 3765/11 - wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 639,47 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das bezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.
Die Klägerin befand sich wegen einer Tinnitus-Erkrankung in Behandlung bei dem Psychotherapeuten Dr. Kxxxxx. Für die an sechs verschiedenen Tagen zwischen dem 21.1. und dem 10.2.2011 erfolgten Therapiesitzungen wurden ihr insgesamt 1.900,40 EUR in Rechnung gestellt. Die - mit einem Steigerungsfaktor von 2,3 versehene - GOÄ-Ziffer 870 ("Verhaltenstherapie, Einzelbehandlung, Dauer mindestens 50 Minuten - gegebenenfalls Unterteilung in zwei Einheiten von jeweils mindestens 25 Minuten") wurde dabei jeweils mehrfach, nämlich multipliziert mit einer bestimmten Zahl von "Therapieeinheiten", angesetzt. Die Beklagte anerkannte die Gebühren nach der GOÄ-Ziffer 870 jeweils nur einmal pro Sitzung als erstattungsfähig an, da die GOÄ keinen mehrfachen Ansatz der Gebühr bei längeren Sitzungen vorsehe. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die Beklagte zu Recht in dieser Weise verfahren, da im Text der Gebührenziffer auf eine Mindestzeit abgestellt werde. Die Gebührenziffer könne deshalb auch bei erheblichen Überschreitungen der Mindestzeit nicht mehrfach berechnet werden. Erheblichen Überschreitungen der Mindestzeit begründeten lediglich den Ansatz eines höheren Steigerungsfaktors. Dem habe die Beklagte entsprochen, indem sie bei allen Sitzungen mit einer Länge von mehr als 100 Minuten (= zwei Therapieeinheiten) an Stelle eines Steigerungsfaktors von 2,3 einen Steigerungsfaktor von 3,5 angesetzt habe.
Der Senat teilt diese Beurteilung. Für die Richtigkeit der Ansicht des Verwaltungsgerichts spricht außer dem Wortlaut der GOÄ-Ziffer 870, der, wie das Verwaltungsgericht zu Recht betont, nur von einer Mindestzeit spricht, aber keine zeitliche Begrenzung nach oben vornimmt, ein Vergleich mit der folgenden GOÄ-Ziffer 871 ("Verhaltenstherapie, Gruppenbehandlung mit einer Teilnehmerzahl von höchstens acht Personen, Dauer mindestens 50 Minuten, je Teilnehmer ... . Bei einer Sitzungsdauer von mindestens 100 Minuten kann die Leistung nach Nummer 871 zweimal berechnet werden"). Die für Gruppenbehandlungen mit einer Teilnehmerzahl von höchstens acht Personen maßgebende GOÄ-Ziffer 871 kommt wie die für Einzelbehandlungen geltende GOÄ-Ziffer 870 nur bei Behandlungen mit einer Dauer von mindestens 50 Minuten zur Anwendung. Von der GOÄ-Ziffer 870 unterscheidet sie sich jedoch dadurch, dass sie einen zweimaligen Ansatz der Gebühr bei einer Sitzungsdauer von mehr als 100 Minuten gestattet. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung bei der GOÄ-Ziffer 870 kann nur so verstanden werden, dass bei Einzelbehandlungen ein mehrfacher Ansatz der Gebühr bei längeren Sitzungen nicht zulässig sein soll. Erhebliche Überschreitungen der Mindestzeit bei einer Behandlung können deshalb auch nach Ansicht des Senats lediglich zum Ansatz eines höheren Steigerungsfaktors führen. Der Einwand der Klägerin, dass eine solche Betrachtung zur Folge haben könne, dass Behandlungen ohne Not in die Länge gezogen würden, da die behandelnden Ärzte höhere Honorare erzielen könnten, wenn täglich jeweils nur eine Therapieeinheit von mindestens 50 Minuten durchgeführt werde, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 3 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar.