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  • · Fachbeitrag · Allgemeinmediziner Dr. med. Ahmad Sirfy im Interview

    „Die Digitalisierung schenkt uns Zeit!“

    | Das E-Rezept ist nach langem Anlauf in den Arztpraxen angekommen. Videosprechstunde und eAU etablieren sich. Viele Erkrankungen lassen sich digital überwachen. Doch es geht noch mehr. Dr. med. Ahmad Sirfy ist Allgemeinmediziner und Inhaber der Smartpraxis ( smartpraxis.de ) in München, in der digitale Technologien ganz selbstverständlich genutzt werden. Ursula Katthöfer ( textwiese.com ) fragte ihn, wie Digitalisierung und KI bei der Abrechnung unterstützen. |

     

    Frage: Geben Sie uns bitte einen Eindruck vom Stand der Digitalisierung Ihrer Praxis.

     

    Antwort: Wir sind die erste Hybridpraxis in München. Inzwischen betreuen wir unsere Patienten so digital, dass eine unserer zwei Filialen überflüssig wurde. Wir haben verstanden, dass die Digitalisierung uns Zeit schenkt und wir weniger Personal benötigen. Dennoch können wir nur auf dem aktuellen Stand bleiben, wenn wir uns stets Gedanken über Neuerungen machen. Das verpflichtende eRezept war beispielsweise ein Gamechanger. Doch kaum ist es da, gibt es neue Lösungsansätze, etwa, dass der Patient nicht mehr in jedem Quartal persönlich in die Praxis kommen muss, um die Gesundheitskarte einlesen zu lassen. In Zukunft werden Praxen lernen, ihre Patienten nicht nur physisch, sondern auch online zu betreuen und dass dies auch analog zur physischen Behandlung abrechenbar ist.

     

    Frage: Aber gerade beim eRezept stehen viele Patienten enttäuscht in der Apotheke, weil ihr Medikament noch nicht abgegeben werden darf.

     

    Antwort: Es ist wichtig, dass Ärzte die Komfortsignatur aktivieren, um sofort signieren zu können. Hat ein Patient ein Rezept vorbestellt, seine Gesundheitskarte aber noch nicht einlesen lassen, dann signiere ich, ohne dass das eRezept versendet wird. Erst wenn die Karte vorliegt, darf die MFA es versenden. Kommt ein Patient unangekündigt ‒ was wir ja nicht möchten ‒ dann muss er warten. Wir schauen im 30-Minuten-Takt, was signiert werden muss.

     

    Frage: Was sollte sich zeitnah durch die Digitalisierung noch verändern?

     

    Antwort: Die Videosprechstunde ist ‒ von wenigen Ausnahmen abgesehen ‒ dem Arzt-Patienten-Kontakt in der Praxis gleichwertig und lässt sich sehr gut abrechnen. Sie dauert bei vielen Patienten viel kürzer als der Kontakt in der Praxis. Leider dürfen wir bei gesetzlich Versicherten im Quartal nur maximal 30 Prozent einer jeweiligen Leistung per Videosprechstunde anbieten. Diese Grenze sollte aber irgendwann gekippt werden. Die Befürchtung, dass dies reine Onlinepraxen entstehen lassen könnte, ist berechtigt. Deshalb muss ein Hybridmodell verpflichtend sein, wenn die Grenze der Videobehandlungen aufgehoben wird. Ein anderer Punkt ist die Videosprechstunde im Homeoffice. Das sollten die KVen erlauben. Wir haben viele Ärztinnen, die so in Teilzeit von zu Hause arbeiten könnten.

     

    Frage: Was wünschen Sie sich für eine bessere digitale Zusammenarbeit von Ihrer KV?

     

    Antwort: Unsere KV in Bayern ist telefonisch immer gut zu erreichen. Aber die Bürokratie ist manchmal enorm herausfordernd. Die KV hat zwar einen Teil der Formulare digitalisiert, doch oft möchte sie von uns die Formulare per Post und Fax haben. Wir verlangen u. a. über die Fachgesellschaften seit Jahren, Bürokratie abzubauen. Manche Sachen mit ähnlichen Informationen muss ich unnötig mehrfach ausfüllen und unterschreiben, auch muss ich oft Sachen angeben, die die KV von mir bereits kennt. Außerdem laufen digitale und analoge Kommunikation parallel, wir bekommen viele Bescheide zwei- bis dreimal per Post. Auch die Krankenkassen müssen sich bewegen. Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass wir die Honorierung mit sechs Monaten Verzögerung bekommen. Man könnte uns einen besseren Cashflow anbieten.

     

    Frage: Künstliche Intelligenz (KI) ist zurzeit in aller Munde. Könnte sie sich zum Beispiel auch auf die Privatliquidation auswirken?

     

    Antwort: Ein KI-Modul in unserem System screent unsere Behandlungsdokumentation und schlägt uns demnach vor, was wir abrechnen könnten. Doch da sind wir noch nicht, wo wir sein wollen. Wir wollen eine bessere, integrierte Abrechnung. Die KI soll uns ermöglichen, die Steigerungsfaktoren automatisch gemäß Behandlungsaufwand einzusetzen. KI soll erkennen, wann die Behandlung abgeschlossen ist, sie soll die Rechnung automatisch und digital dem Patienten zusenden und die Bezahlung auf komfortablem Weg abschließen und kontrollieren. Es gibt viele kluge Köpfe, die mit KI Geld verdienen möchten, doch brauchen wir mehr Ärzte, die für diese Technologie Input geben.

     

    Frage: Viele Ärzte stehen den TI-Anwendungen immer noch skeptisch gegenüber. Wie könnten sie den Mehrwert der Digitalisierung erkennen?

     

    Antwort: Man muss nur offen und neugierig sein. Ärzte bilden sich in allem fort, nur kaum in der Digitalisierung ‒ dabei ist sie kein Add-on, sondern ein Werkzeug. Allerdings dürfen wir auch nicht zu streng mit uns sein. In Deutschland ist die digitale Landschaft im Gegensatz zu kleinen Ländern wie Israel oder Lettland sehr heterogen. Wir haben viele Bundesländer, viele KVen, Krankenkassen und Softwareanbieter. Wichtig ist, dass wir endlich Gas geben.

     

    Frage: Zum Schluss eine persönliche Frage: Sie sind Vorreiter bei der Digitalisierung ‒ was treibt Sie an?

     

    Antwort: Technik macht mir Spaß. Digitales Arbeiten war für mich von Anfang an selbstverständlich. Mein Fazit: Wenn man sich für die Digitalisierung entscheidet, dann sollte man sofort einsteigen und sie konsequent umsetzen. Es bringt nichts, auf den abgeschlossenen Prozess zu warten, denn die Digitalisierung wird nie ausgereift sein. Und wichtig: Die Patienten muss man nicht überzeugen, aber das eigene Personal. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Digitalisierung funktioniert nur, wenn das Team versteht, dass sie entlastet und Spaß bringt!

    Quelle: Ausgabe 06 / 2024 | Seite 15 | ID 49991952