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  • · Fachbeitrag · Gebührenrecht

    GOÄ-Hygienepauschale unzulässig? Urteil des AG Bremen und die Folgen

    von Ernst Diel, ehem. Leiter Grundsatzfragen PVS Büdingen

    | Ein Patient hat die zwischen Bundesärztekammer (BÄK) und dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) vereinbarte Hygienepauschale in Form einer Analogabrechnung (Nr. 245 GOÄ analog bzw. Nr. 383 GOÄ analog) nicht bezahlt (infolge mehrerer Praxisbesuche ging es in Summe um rund 160 Euro). Die Klage des Arztes wurde vom Amtsgericht (AG) Bremen abgewiesen. Warum hat das Gericht so entschieden und was bedeutet das Urteil für Ärztinnen und Ärzte (Urteil vom 10.11.2021, Az. 9 C 333/21)? |

     

    Urteil und Begründung

    Nach Auffassung des Gerichts besteht für die Berechnung der Hygienepauschale keine Rechtsgrundlage, also kein analog abgeleiteter Anspruch auf eine Hygienegebühr in Höhe von zunächst 14,75 Euro pro Patientenbesuch. Dass die BÄK eine derartige Gebühr befürwortet habe, sei unerheblich. Zudem beschreibe die Leistung der Nr. 245 GOÄ (Quengelverband) gerade keine Hygienemaßnahme im Falle einer Vergipsung. Auf die nach § 6 Abs. 2 GOÄ vorgesehene Möglichkeit der Analogbewertung geht das Gericht in seinem Urteil in keiner Weise ein. Es übersieht, dass gemäß GOÄ eine nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertige Leistung der GOÄ ohne einen inhaltlichen Bezug zur Leistung der Originalposition herangezogen werden kann. Doch es muss eingeräumt werden, dass die Anwendung einer GOÄ-Leistungsposition als analoge Bewertung für eine Kostenpauschale eigentlich nicht mit § 6 Abs. 2 GOÄ vereinbar ist, da die Analogpositionen Nrn. 245/383 GOÄ keine ärztliche Leistung beschreiben, sondern einen „Aufwandszuschlag“ darstellen.

     

    Diskussion und Einordnung

    Zunächst löst dieses Urteil Verwunderung aus. Gleichzeitig bestehen im Prinzip auch andere Möglichkeiten der Kompensation des erhöhten Hygieneaufwands. Für „Kosten“ existiert in der GOÄ die Option der Berechnung im vorgegebenen Rahmen und in tatsächlicher Höhe (keine Pauschalen). Dabei ist zu beachten, dass die in § 10 Abs. 2 Nrn. 2 bis 5 GOÄ namentlich genannten Materialien unabhängig vom Preis nicht berechnet werden dürfen. Darunter fallen z. B. auch Desinfektions- und Reinigungsmittel sowie Einmalhandschuhe, nicht jedoch Schutzkittel und Einmalmasken. Weiterhin ist es möglich, die berechneten Leistungen selbst nach den in § 5 GOÄ vorhandenen Kriterien im Faktor nach billigem Ermessen zu steigern.

     

    FAZIT | Die Vereinbarung zwischen BÄK, PKV und Beihilfestellen ist rechtlich nicht verbindlich und kann von Patienten angefochten werden, obwohl von den Kostenträgern eine Erstattung erfolgt. Eine Verpflichtung, die Abrechnungsempfehlung von BÄK und PKV anzuwenden, besteht nicht. Die GOÄ bietet selbst ausreichend andere Möglichkeiten (Auslagenberechnung, Faktorsteigerung). Ein Teil der Ärzteschaft scheint nach ersten Reaktionen im Rahmen der Abrechnung entsprechend umstellen zu wollen. Das bedeutet zwar etwas Aufwand, ist aber im Ergebnis attraktiver. Wahrscheinlich werden nur wenige Patienten dem Beispiel des Bremer Patienten folgen. Die Konsequenzen des Urteils sind daher auch unter Beibehaltung der Abrechnung der Hygienepauschale eher als gering einzuschätzen.

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2022 | Seite 11 | ID 47967348