Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · GOÄ

    OLG bestätigt: Kein Abrechnungsbetrug bei der Delegation von Speziallaborleistungen

    von RA, FA MedR Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    | Um eine Speziallaborleistung gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ als „eigene“ abzurechnen, muss der Arzt nicht während des gesamten vollautomatisierten Analysevorgangs persönlich zugegen sein. Es genügt, wenn er die erforderliche medizinische Validation des Untersuchungsergebnisses persönlich durchführt (Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Beschluss vom 20.01.2017, Az. III-1 Ws 482/15, Volltext unter http://tinyurl.com/hzlf628 ). Viele Ärzte und Laborgemeinschaften werden diese Entscheidung mit großer Genugtuung und Erleichterung zur Kenntnis nehmen, bedeutet sie doch die Legitimation eines verbreiteten Vorgehens. |

    Betrug durch Arzt einer Apparategemeinschaft?

    Der angeschuldigte Arzt war eines von zuletzt ca. 500 bis 1.000 Mitgliedern einer sog. „Apparategemeinschaft“, die seit den 1970er Jahren ein Labor betrieb. Die Apparategemeinschaft stellte u. a. dem angeschuldigten Arzt, der selbst nicht über den Fachkundenachweis „Labordiagnostik“ verfügt, für die Erbringung von Speziallaborleistungen die notwendigen Gerätschaften zur Verfügung. Die jeweils abgerechnete Laborleistungserbringung stellte sich so dar, dass der Arzt nicht bei allen Leistungsschritten im Labor persönlich anwesend war, sondern regelhaft Laborleistungen an geschulte Fachkräfte delegierte und von diesen ausführen ließ bzw. den weitgehend vollautomatisierten Betrieb ablaufen ließ und sich auf die medizinische Prüfung und Freigabe beschränkte. Die auf diese Weise erbrachten M III-Leistungen rechnete der Arzt sodann gegenüber seinen Patienten nach der GOÄ ab. Die Apparategemeinschaft stellte dem Arzt - ebenso auch den anderen Mitgesellschaftern - lediglich einen deutlich geringeren Kostenaufwand in Rechnung.

     

    Die Staatsanwaltschaft Wuppertal bewertete die Abrechnung dieser Speziallaborleistungen in 367 Fällen als Betrug gemäß § 263 Abs. 1 StGB zum Nachteil der jeweiligen Patienten. Sie vertrat die Auffassung, dass der angeschuldigte Arzt die Voraussetzungen für eine Liquidation der in Rede stehenden M III-Leistungen als eigene Leistungen i. S. d. § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ nicht erfüllt habe. Er habe den Patienten mit der Rechnungserteilung die eigene Abrechnungsbefugnis wahrheitswidrig vorgespiegelt, obgleich die Leistungen weder durch ihn selbst noch „unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung“ erbracht worden seien. Die Staatsanwaltschaft beantragte daher zunächst die Eröffnung des Hauptverfahrens (die mündliche Verhandlung). Die 20. Strafkammer des Landgerichts (LG) Düsseldorf lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens sowohl aus rechtlichen als auch aus tatsächlichen Gründen ab, da kein hinreichender Tatverdacht bestehe (Beschluss vom 09.10.2015, Az. 20 KLs 32/14). Die gegen diese Ablehnung gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft beim 1. Strafsenat des OLG Düsseldorf blieb erfolglos.

    Die Entscheidung des OLG Düsseldorf

    Zur Überzeugung des 1. Strafsenats liefert das Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft keine hinreichenden Gründe für die Annahme, dass der angeschuldigte Arzt bei der Abrechnung der M III-Leistungen durch Vorspiegelung falscher Tatsachen über abrechnungsrelevante Umstände getäuscht und damit den objektiven Tatbestand des Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB erfüllt habe. Damit habe das LG Düsseldorf die Eröffnung des Hauptverfahrens zu Recht abgelehnt.

     

    Das OLG weist in seinen Entscheidungsgründen darauf hin, dass § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ nicht abschließend klarstelle, wodurch sich das geforderte „persönliche Gepräge“ der ärztlichen Leistung in einem zunehmend von automatisierten Arbeitsabläufen bestimmten Bereich wie dem Labor auszeichnet. Darüber, dass die bloße Probenversendung an das Labor und die anschließende Entgegennahme des Analysebefunds keine Abrechnungsbefugnis begründet, bestehe aber Einigkeit. Dies gelte nach Ansicht des OLG auch für die Auslegung des § 4 Abs. 2 S. 2 GOÄ. Hiernach sei eine medizinische Validation der Ergebnisse durch den anweisenden Arzt zwingend erforderlich. Letztere erfolgte ja auch, weshalb das OLG diesbzgl. keine Täuschungshandlung des angeschuldigten Arztes sah. Die Vorschriften der GOÄ seien in ihren Randbereichen mehrdeutig. Könne die Privatliquidation insoweit auf eine vertretbare Auslegung zurückgeführt werden, enthalte sie keine unwahre Tatsachenäußerung im Sinne der Betrugsvorschriften, sondern eine bloße Rechtsbehauptung, der keine strafrechtliche Relevanz zukomme.

     

    FAZIT | Anders als noch augenscheinlich das LG Köln, das über einen nahezu identischen Fall zu befinden hatte (Urteil vom 7.4.2016, Az. 118 KLs 6/13, AAA 01/2017, Seite 13), sieht das OLG Düsseldorf keine Notwendigkeit für eine gesonderte fachliche Qualifikation zur Erbringung der verfahrensgegenständlichen Laborleistungen, sondern hält die Approbation per se für ausreichend. Ob diese sehr arztfreundliche Betrachtung dauerhaft Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Zutreffend ist jedoch sicherlich, aus der fehlenden besonderen Qualifikation keine strafrechtliche Sanktion abzuleiten, da es insoweit an einer die Qualifikation zwingend vorschreibenden Rechtsnorm fehlt.

     

    Auch in einem weiteren zentralen Punkt weicht die Entscheidung des OLG Düsseldorf von den Wertungen des LG Köln ab: Während das LG Köln die durchgängige Präsenz bzw. Einwirkungsmöglichkeit des abrechnenden Arztes auch im Rahmen der vollautomatisierten Analysevorgänge für erforderlich hielt, hält es der 1. Strafsenat des OLG Düsseldorf für ausreichend, wenn zumindest die medizinische Validation durch den abrechnenden Arzt erfolgt. Eine Präsenz während des gesamten Analysevorgangs ist demnach gerade nicht erforderlich. Für diese Betrachtung spricht, dass die Anwesenheit des Arztes sich hier als reine „Förmelei“ erweisen würde. Welchen Einfluss sollte er auf das vollautomatisiert ablaufende Verfahren nehmen (können)?

     

    MERKE | Der Senat stellt vorsorglich nochmals unmissverständlich klar, dass die Abrechenbarkeit von Speziallaborleistungen (auch) strafrechtlich untersagt ist, wenn sich die ärztliche „Mitwirkung“ auf den bloßen Bezug bzw. Einkauf der Leistung unter Nutzung der Strukturen der Laborgemeinschaft erschöpft. Ein solches Verhalten erfüllt den Abrechnungsbetrug. Vorliegend hat der angeschuldigte Arzt aber Mitwirkungshandlungen erbracht, die im Rahmen einer vertretbaren Auslegung des mehrdeutigen § 4 Abs. 2 GOÄ zu einer Abrechenbarkeit der Leistung als eigene Leistung geführt haben. Dieses Abrechnungsverhalten beinhaltet keine Täuschung, sondern eine bloße Rechtsbehauptung zu medizinischen und gebührenrechtlichen Fragen, die Zweifel erwecken. Die Klärung dieser Fragen ist Voraussetzung für ein Strafverfahren; das Strafverfahren selbst kann diese Fragen nicht beantworten. Anders gesagt: Das Strafverfahren ist der falsche Ort, um gebührenrechtliche Streitfragen einer Klärung zuzuführen. Es bleibt zu hoffen, dass dieser mahnende Hinweis uneingeschränkte Beachtung finden wird.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2017 | Seite 13 | ID 44508798