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  • · Fachbeitrag · Plausibilitätsprüfung

    Weniger als 20 Prozent gemeinsamer Patienten? Honorarrückforderung ist en detail zu begründen

    von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Matthias Kronenberger, Kanzlei Dierks + Bohle Rechtsanwälte mbB, www.db-law.de 

    | AAA berichtet in regelmäßigen Abständen von Fällen, in denen Ärzten in Praxisgemeinschaften ein zu hoher Anteil an gemeinsamen Patienten vorgehalten wird. Die Gerichte entscheiden mal für und mal gegen die Praxisgemeinschaft - Details dazu am Ende des Beitrags. Mit Gerichtsbescheid vom 2. Juli 2014 hat das SG Marburg nun erneut einen solchen Fall entschieden - zugunsten der Praxisgemeinschaft (Az. S 12 KA 483/13). |

    Hintergrund

    § 11 Abs. 2 der „Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen“ (im Folgenden: ARL) gibt für Plausibilitätsprüfungen bei versorgungsbereichsidentischen Praxisgemeinschaften verbindlich vor, dass im Ergebnis ein Anteil von 20 Prozent gemeinsamer Patienten anzuerkennen ist, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die einen höheren Anteil rechtfertigen; bei fachübergreifenden Praxisgemeinschaften liegt dieser Anteil bei 30 Prozent.

    Der Fall

    Die klagende Kinderärztin war mit einem weiteren Kinderarzt in einer Praxisgemeinschaft hausärztlich tätig. Aufgrund der Größe der Praxisräume war nach den eigenen Angaben der Klägerin eine gleichzeitige Berufsausübung nicht möglich. Es waren für jeden Arzt bestimmte Arbeitszeiten/Sprechstundenzeiten festgelegt. Aufgrund einer Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechung in acht Quartalen aus den Jahren 2005 bis 2007 wurde bei einem Praxisabgleich ein Anteil gemeinsamer Patienten zwischen 20,24 und 28,89 Prozent festgestellt. Daraufhin forderte die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KV Hessen) Honorar in Höhe von 17.717,42 Euro zurück.

     

    Das Problem: Die Berechnung des Honorarberichtigungsbetrags führte dazu, dass der Klägerin im Ergebnis deutlich weniger als 20 Prozent (7,6 bis 12,5 Prozent) der erlaubten gemeinsamen Fälle anerkannt wurden, ohne dass diese Unterschreitung im Einzelnen begründet worden war.

    Die Entscheidung

    Das SG Marburg hat die Honorarrückforderung aufgehoben und dies damit begründet, dass die KV Hessen dem Grunde nach zwar zur Honorarberichtigung befugt gewesen sei. Sie habe jedoch ihr Kürzungsermessen zur Festsetzung des Honorarberichtigungsbetrages unzureichend ausgeübt.

     

    Warum war die KV zur Honorarberichtigung befugt?

    Die Befugnis zur Honorarberichtigung ergibt sich laut dem SG Marburg aus dem Umstand, dass die klagende Kinderärztin die versorgungsbereichsidentische Praxisgemeinschaft mit ihrem Partner wie eine Gemeinschaftspraxis geführt hatte. Die von der Klägerin selbst eingeräumte Organisation des Praxisbetriebs belege, dass keiner der beiden Ärzte übliche Sprechstundenzeiten einer kinderärztlichen Praxis anbieten könne. Insofern sei davon auszugehen, dass der übliche Praxisbetrieb nur durch das Behandeln beider Ärzte aufrechterhalten werden konnte, woraus zwangsläufig die von der KV Hessen festgestellte Überschreitung von 20 Prozent Doppelbehandlungsfällen gemäß § 11 Abs. 2 ARL resultierte. Speziell im Fall der hausärztlichen Versorgung widerspreche das Nebeneinander von zwei Hausärzten aber dem gesetzlichen Hausarztkonzept der ärztlichen Betreuung und Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen aus einer Hand.

     

    MERKE | Laut SG Marburg sei es Aufgabe eines in Praxisgemeinschaft tätigen Arztes, gegebenenfalls die Behandlung des Patienten - abgesehen von Notfällen - unter Hinweis auf die begonnene Behandlung durch den Praxisgemeinschaftspartner abzulehnen bzw. im Falle einer Vertretungsbehandlung auf die notwendige, das heißt keinen Aufschub zulassende Behandlung zu beschränken.

     

    Warum kam es dann trotzdem nicht zu einer Honorarberichtigung?

    Die KV Hessen war zwar zur Honorarberichtigung grundsätzlich befugt, hatte jedoch die Festsetzung des Honorarberichtigungsbetrags nicht hinreichend bzw. nicht nachvollziehbar begründet. Dies war im vorliegenden Fall aber notwendig, da sich aus der Höhe des von der KV Hessen bestimmten Honorarberichtigungsbetrags ergab, dass der Klägerin im Ergebnis deutlich weniger als 20 Prozent der gemeinsamen Fälle anerkannt wurden. In einem solchen Fall würden die allgemeinen pauschalierenden Erwägungen der KV Hessen nicht mehr den Begründungsanforderungen genügen. Die Überschreitung verlange indessen eine Begründung im Einzelnen.

     

    Denn die bundesmantelvertraglich vereinbarten Grenzwerte für Fälle der Patientenidentität bei Praxisgemeinschaften begründeten nicht nur die Vermutung einer Abrechnungsauffälligkeit, sondern bildeten auch eine das Ermessen der KV Hessen beschränkende Kürzungsgrenze. Diese Grenze dürfe nur überschritten werden, wenn eine ergänzende substantielle Prüfung ergebe, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Gestaltungsmissbrauch auch unterhalb der Untergrenze von (im vorliegenden Fall 20 Prozent) zu unzulässigen Honorarverschiebungen geführt habe.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Entscheidungen PRO Praxisgemeinschaft: „Mehr als 20 Prozent gemeinsamer Patienten in Praxisgemeinschaft können plausibel sein“ (AAA 10/2014, Seite 14), „Praxisgemeinschaft obsiegt im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung gegen KV“ (AAA 03/2013, Seite 14) sowie „Praxisgemeinschaft: Zu viele Vertreterfälle können gefährlich werden" (AAA 11/2012, Seite 19).
    • Entscheidungen CONTRA Praxisgemeinschaft: „Vorsicht bei vielen Vertreterfällen in der Praxisgemeinschaft!“ (AAA 03/2011, Seite 18) sowie „Hohe Patientenidentität - ein Indiz für Abrechnungsmanipulation“ (AAA 10/2005, Seite 14).
    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 13 | ID 43003097