· Fachbeitrag · Rechtsprechung
Abrechnungsbetrug = Approbationsentzug
von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Torsten Münnch, DIERKS + BOHLE Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin, www.db-law.de
| Abrechnungsbetrug ist kein „Kavaliersdelikt“, sondern führt in der Regel zum Entzug der Approbation. Ärzten führt dies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit seinem Beschluss vom 11.05.2016 wieder einmal sehr deutlich vor Augen (Az. 21 ZB 15.2776). |
Der Fall
Ein psychotherapeutisch tätiger Arzt hatte innerhalb von zwei Jahren insgesamt 3.693 Therapiesitzungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) abgerechnet, obwohl er sie nicht erbracht hatte. Er hatte sich so ärztliche Honorare in Höhe von insgesamt 210.476,68 Euro verschafft. Das Amtsgericht München verhängte gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe wegen Betrugs in besonders schweren Fällen von einem Jahr und elf Monaten auf Bewährung. Zudem machte das Gericht dem Arzt zur Auflage, den verursachten Schaden gegenüber der KV nach Kräften wiedergutzumachen und zu diesem Zweck monatliche Ratenzahlungen in ganz erheblicher Höhe zu leisten. In Folge des Urteils widerrief die zuständige Regierung von Oberbayern die Approbation, weil sich der Arzt eines Verhaltens schuldig gemacht habe, aus dem sich seine Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergebe.
Gegen den Approbationsentzug klagte der Arzt. Er argumentierte, das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient und das hohe Ansehen, das die Heilberufe in der Bevölkerung hätten, beruhten lediglich auf dem Vertrauen in die Heilkunst des Arztes. Eine besondere persönliche Integrität sei deshalb bei Abrechnungsvorgängen, die der Patient normalerweise gar nicht wahrnehme, nicht erforderlich. Er habe die Patienten stets de lege artis versorgt und die Behandlung gewissenhaft nach den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit ausgeübt. Die Verurteilung zu der im Vergleich zum möglichen Strafrahmen (6 Monate bis zu 10 Jahren) geringen und zudem zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe zeige, dass seine Verfehlungen den Widerruf der Approbation nicht rechtfertigen würden.
Die Entscheidung
Wie schon die Vorinstanz wies auch der VGH die Klage ab. Er hielt den Arzt für unwürdig, den ärztlichen Beruf auszuüben. Die Gefährdung der finanziellen Basis der Krankenkassen durch betrügerische Falschabrechnungen in großem Umfang sei, so das Gericht, eine gravierende berufliche Verfehlung, die auch ohne Hinzutreten weiterer Aspekte zur Berufsunwürdigkeit führen könne. Entgegen der Auffassung des Arztes bedürfe es keines zusätzlichen „behandlungsrelevanten Aspekts“. Auch komme es nicht darauf an, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes tatsächlich in der Öffentlichkeit bekannt geworden sei. Entscheidend sei vielmehr, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint. Auch setze eine Unwürdigkeit nicht zwingend die Verhängung einer bestimmten Mindeststrafe voraus. Vielmehr stünde ein Gewinnstreben um jeden Preis „in einem unauflösbaren Widerspruch zu dem in der Öffentlichkeit vorhandenen Bild des helfenden Arztes, der den ärztlichen Beruf nach seinem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit ausübt“.
MERKE | Mit dieser Einschätzung bewegt sich das Gericht auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung. Vereinzelte anders lautende Entscheidungen wurden stets von der nächsthöheren Instanz kassiert. So z. B. im Fall des Verwaltungsgerichts München, das auf einen Approbationsentzug verzichtete, obwohl der betroffene Arzt wegen Betrugs in 272 Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 270 Tagessätzen zu je 180 Euro verurteilt wurde (Urteil vom 16.06.2009, Az. M 16 K 09.342). |
Richter glauben nicht an „Blitz-Katharsis“
Im Angesicht eines Approbationsentzugs argumentieren betroffene Ärzte gelegentlich damit, dass sie durch ihr „Wohlverhalten“ zwischenzeitlich ihre Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs wiedererlangt hätten. Dieser Aspekt ist nicht ganz von der Hand zu weisen, liegen doch die Verfehlungen häufig infolge lang dauernder Strafverfahren einige Zeit zurück. Zudem kann man argumentieren, die strafrechtliche Verurteilung werde dem Arzt eine Lehre sein mit der Folge, dass er sich in Zukunft gesetzestreu verhält.
Aber auch in diesem Punkt ist die Rechtsprechung streng. Die Annahme, der Arzt habe sich „zum Guten geändert“, erfolgt immer unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Allein die Tatsache, dass ein Arzt unter dem Druck eines schwebenden Strafverfahrens Reue zeigt und ein Geständnis abgelegt und zudem den von ihm verursachten Schaden wieder gut macht, genügt in der Regel nicht. Vielmehr verlangen die meisten Gerichte einen längeren inneren Reifeprozess von regelmäßig mindestens fünf Jahren bei gravierenden Verfehlungen außerhalb des beruflichen Wirkungskreises und regelmäßig mindestens acht Jahren bei gravierenden Verfehlungen im beruflichen Wirkungskreis. Zusätzlich zum Zeitablauf würdigen sie umfassend sein Verhalten, etwa seine Mitwirkung an der Aufklärung der Vorwürfe, seine Einsicht in das verwirklichte Unrecht und seine Bemühungen um eine Wiedergutmachung des Schadens, vor allem aber seine weitere Führung (insbes. Ausbleiben erneuter, mit Blick auf die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs relevanter Verfehlungen). Insofern kann man sich dem Fazit des Bayerischen VGH nur anschließen: „Es kann keinen Zweifel geben: Betrügereien zulasten der Patienten oder der Kostenträger stellen eine schwere Verfehlung dar, die in aller Regel zum Approbationsentzug führt“.
Weiterführender Hinweis
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