· Fachbeitrag · Vertragsarztrecht
BSG: Eignungskriterien für die Anerkennung als Belegarzt sind personenbezogen zu prüfen
von RA Jonas Kaufhold, Münster, kanzlei-am-aerztehaus.de
| Wer bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) die Anerkennung als Belegarzt beantragt, muss die Anforderungen des § 39 Abs. 5 Nr. 3 Bundesmantelvertrag ‒ Ärzte (BMV-Ä) persönlich erfüllen. Das gilt auch für Vertragsärzte, die in einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (üBAG) bzw. im kooperativen Belegarztwesen mit fachgleichen Kollegen zusammenarbeiten (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17.03.2021, Az. B 6 KA 6/20 R). |
Rechtlicher Hintergrund: Anerkennung als Belegarzt
Belegärzte i. S. d. § 121 SGB V sind „nicht am Krankenhaus angestellte Vertragsärzte, die berechtigt sind, ihre Patienten (Belegpatienten) im Krankenhaus unter Inanspruchnahme der hierfür bereitgestellten Dienste, Einrichtungen und Mittel vollstationär oder teilstationär zu behandeln, ohne hierfür vom Krankenhaus eine Vergütung zu erhalten.“ Nach § 121 Abs. 1 S. 2 SGB V sollen Krankenhäuser Belegärzten gleicher Fachrichtung die Möglichkeit geben, ihre Patienten gemeinsam zu behandeln (kooperatives Belegarztwesen). Im kooperativen Belegarztwesen sind mehrere Belegärzte gleicher Fachabteilung zur Kooperation untereinander verpflichtet. Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Belegarzt durch die KV sind in § 39 BMV-Ä geregelt.
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(5) Als Belegarzt ist nicht geeignet, (...)
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Wichtig | Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG muss der Belegarzt das Krankenhaus im Regelfall sowohl von seiner Wohnung als auch von seiner Praxis aus innerhalb von 30 Minuten erreichen können.
Sachverhalt
Im vom BSG entschiedenen Fall beantragte ein Vertragsarzt die Anerkennung als Belegarzt an einem Krankenhaus. Zusammen mit zwei Kollegen bildete er eine fachgleiche üBAG. Die beiden Kollegen ‒ niedergelassen in dem Ort, in dem auch das Krankenhaus lag ‒ waren dort schon als Belegärzte tätig. An dem Krankenhaus bestand ein kooperatives Belegarztwesen. Der Vertragsarztsitz des Antragstellers lag etwa 39 Fahrminuten vom Krankenhaus entfernt. Die KV lehnte daher den Antrag ab und verwies auf § 39 Abs. 5 Nr. 3 BMV-Ä. Der Arzt klagte und scheiterte letztlich vor dem BSG.
Entscheidungsgründe
Das BSG war der Auffassung, dass der Kläger die Anforderungen gemäß § 39 Abs. 5 Nr. 3 BMV-Ä nicht erfülle. Die Fahrzeit zwischen dem Praxissitz des Klägers und dem Krankenhaus betrage etwa 39 Min., sodass die erforderliche räumliche Nähe zwischen Praxis und Krankenhaus nicht gegeben sei. Bei der Beurteilung sei auf den Praxissitz abzustellen, an dem der Arzt hauptsächlich seine ambulante vertragsärztliche Tätigkeit ausübe, und nicht etwa auf die (Haupt-)Betriebsstätte der üBAG, wo sich auch das Krankenhaus befinde. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut von § 39 Abs. 5 Nr. 3 BMV-Ä sowie aus dessen Sinn und Zweck. Denn die Vorschrift regele die Frage der Erreichbarkeit unter besonderer Berücksichtigung belegärztlicher Tätigkeit. Zudem, so das BSG, müsste die KV die Belegarztanerkennung bedingt ‒ gebunden an die Zugehörigkeit zur BAG und an die belegärztliche Tätigkeit der BAG-Kollegen ‒ erteilen, wenn die Anerkennung der Belegarzttätigkeit erfolgen soll, obwohl der konkret betroffene Arzt die Erreichbarkeitskriterien des § 39 Abs. 5 Nr. 3 BMV-Ä in eigener Person nicht erfüllt. Das sei nach geltender Rechtslage nicht vorgesehen.
MERKE | Die „Nähe“ der Betriebsstätte, in der der Arzt seine Tätigkeit hauptsächlich ausübt, zum Belegkrankenhaus, richtet sich nach Auffassung des BSG allein danach, ob die unverzügliche und ordnungsgemäße Versorgung der vom Belegarzt ambulant und stationär zu betreuenden Versicherten gewährleistet ist. Maßgeblich sei insoweit die räumliche und vor allem die zeitliche Distanz. Es sei nicht zwingend erforderlich, dass beide Standorte zum gleichen Planungsbereich gehörten. |
Auch der Umstand, dass der Kläger mit anderen Belegärzten des Krankenhauses und der eigenen üBAG im Rahmen eines kooperativen Belegarztmodells zusammenarbeiten wolle, rechtfertige keine andere Beurteilung. Das kooperative Belegarztwesen ermögliche zwar die gemeinsame Tätigkeit mehrerer Belegärzte und eine kontinuierliche individuelle Krankenversorgung. Bei der Abdeckung der Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften könne zudem eine bessere Zusammenarbeit sichergestellt werden. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Voraussetzungen der Anerkennung als Belegarzt stets personenbezogen zu prüfen seien.
Rechtliche Würdigung des Urteils
Die Entscheidung ist vor dem Hintergrund des Wortlauts von § 39 Abs. 5 Nr. 3 BMV-Ä gut nachvollziehbar. Die Vorschrift stellt ausdrücklich auf den einzelnen Arzt ab, der als Belegarzt geeignet sein muss. Ebenso ist die Anerkennung nach den Vorschriften des BMV-Ä dem einzelnen Arzt zu erteilen. Zwar mag es rein sachlich nicht zwingend scheinen, dass das BSG vorliegend die Eignungsvoraussetzungen personenbezogen geprüft hat. Denn der Kläger ist Mitglied einer üBAG und wollte im Rahmen eines kooperativen Belegarztwesens tätig werden, weshalb die unverzügliche und ordnungsgemäße Patientenversorgung grundsätzlich auch durch die weiteren Mitglieder der üBAG als Belegärzte gesichert gewesen wäre. Das BSG weist aber zu Recht darauf hin, dass es Sache der Partner der Bundesmantelverträge sei, die Anerkennungskriterien für Belegärzte zu modifizieren, wenn ihnen dies zur künftigen Gewährleistung der belegärztlichen Tätigkeit geboten erscheine.