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  • · Fachbeitrag · Zusatzleistungen

    IGeL in Zeiten von Post-COVID

    von Rechtsanwältin, Fachanwältin für MedizinR Dr. Birgit Schröder, Hamburg

    | Nachdem coronaspezifische Fragen den Praxisalltag inzwischen wieder etwas weniger dominieren, haben viele Praxisinhabende etwas mehr Zeit, sich mit ihrem Praxiskonzept zu beschäftigen. Ein Praxisangebot können die individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) sein: Diese gelten zunehmend als ein Baustein eines gezielten Praxismarketings. Aktuell werden auch Behandlungen im Zusammenhang mit Post-COVID-/Long-COVID-Syndrom als IGeL angeboten. |

    Merkmale von IGeL

    Die IGeL werden vielfach auch als „Selbstzahlerleistungen“ bezeichnet und umfassen Leistungen, die in der Arztpraxis selbst bezahlt werden müssen. Genau genommen handelt es sich um Leistungen,

    • die nicht zeigen konnten, dass sie „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“,
    • denen die Patienten ausdrücklich zustimmen müssen und
    • deren Kosten die gesetzlichen Krankenkassen nicht tragen.

     

    Wichtig ist, dass diese Leistungen wenigstens medizinisch vertretbar sein müssen und alle Anforderungen zu beachten sind, die für ärztliche Behandlungen allgemein gelten (z. B. Aufklärungspflichten nach § 630e BGB oder Dokumentationspflichten nach § 630f BGB). Verschiedene Arten von IGeL-Leistungen sind möglich. Dazu gehören beispielsweise

    • bestimmte Früherkennungsuntersuchungen,
    • Untersuchungen für Sport/Beruf/Freizeit,
    • kosmetische Eingriffe,
    • ärztliche Serviceleistungen/Bescheinigungen/Atteste,
    • Gutachten,
    • neuartige Behandlungen/Untersuchungen, deren Nutzenbewertung noch aussteht oder
    • alternativmedizinische Behandlungen.

     

    IGeL werden nicht nach dem EBM, sondern nach der GOÄ abgerechnet. Eine Pauschale oder ein Erfolgshonorar sind nicht möglich. Praxen erstellen im Nachgang eine Rechnung, die dann bar, per Karte oder per Überweisung zu zahlen ist. Vorkasse darf nicht verlangt werden.

    Voraussetzungen für den Honoraranspruch bei IGeL

    Um das Arzthonorar für erbrachte IGeL durchsetzen zu können, sollten einige Voraussetzungen erfüllt sein:

    • Es liegt eine schriftliche Vereinbarung vor.
    • Patienten erhalten gemäß § 630e Abs. 2 BGB eine Kopie dieser Vereinbarung.
    • Patienten bestätigen den Erhalt der Kopie durch ihre Unterschrift.
    • Die Abrechnung erfolgt gemäß GOÄ.
    • Patienten erhalten eine Rechnung nach Durchführung der Behandlung.

     

    Die ärztliche Behandlung setzt einen Behandlungsvertrag im Sinne des § 630a BGB voraus. Der IGeL-Behandlungsvertrag muss beinhalten:

    • Die Vertragsparteien
    • Die Darstellung der IGeL nach Art und Umfang
    • Die Positionen der GOÄ und den Gebührensatz
    • Ggf. Analogziffern
    • Die voraussichtlichen Gesamtkosten in Euro
    • Die Erklärung des Patienten, dass es sich um eine Wunschleistung handelt, der er ausdrücklich zustimmt
    • Die Erklärung des Patienten, dass er darüber aufgeklärt wurde, dass es sich nicht um eine Leistung seiner gesetzlichen Krankenkasse handelt und er die Kosten selbst tragen muss
    • Das Datum

     

    Eine Musterformulierung für eine IGeL-Vereinbarung zum Download steht für AAA-Abonnenten kostenfrei online unter iww.de/s6478 zur Verfügung.

    GOÄ-konforme Rechnung nach § 12 GOÄ

    Auch für eine IGeL-Rechnung sind ganz bestimmte Kriterien zu erfüllen, damit sie allen möglichen Widerständen trotzen kann. Eine IGeL-Rechnung muss die üblichen Inhalte aufweisen:

    • Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger
    • Datum der Leistungserbringung
    • Gebührenpositionen für jede einzelne Leistung gemäß GOÄ mit Leistungsbezeichnung
    • Steigerungssatz
    • Einzelleistungsbeträge
    • Begründung bei einem erhöhten Gebührensatz
    • Hinweise auf verwendete Analogziffern
    • Gesamtrechnungssumme

     

    Sollen das Angebot und der Verkauf von IGeL ausgebaut werden, so braucht es eine an der Patientenklientel ausgerichtete Strategie. Die Mitarbeiter in der Arztpraxis brauchen eine Schulung und das gesamte Praxisteam sollte in den Prozess einbezogen werden. Gerade, wenn eine Praxis bisher wenig Leistungen angeboten hat, braucht es erfahrungsgemäß etwas Zeit, bis das neue Angebot von den Patienten (u. U. auch von den Mitarbeitern) angenommen wird.

     

    Da in den Medien immer wieder kritisch über IGeL berichtet wird ‒ IGeL seien demnach

    • zu teuer,
    • ohne medizinischen Nutzen,
    • überflüssig und
    • manchmal sogar potenziell schädlich ‒

     

    ist es wichtig, sich mit kritischen Nachfragen sachlich auseinanderzusetzen. Für das Vertrauensverhältnis ist ein offener Umgang mit Selbstzahler-Leistungen unverzichtbar.

    Patienten erfolgreich zu IGeL-Kunden machen

    Wenn Patienten motiviert werden sollen, sich für eine IGeL zu entscheiden, gelingt dieses am ehesten, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:

    • Für Patienten muss der individuelle Nutzen klar erkennbar sein.
    • Das Angebot ist transparent.
    • Die Information ist sachlich und nicht anpreisend.
    • Das Preis-Leistungs-Verhältnis erscheint angemessen.
    • Ärztinnen und Ärzte (und nicht Mitarbeitende einer Praxis) informieren über das Angebot.
    • Es besteht die Möglichkeit, das Angebot zu überdenken und sich weitergehend zu informieren ‒ z. B. durch eine Zweitmeinung.
    • Es wird der Eindruck vermittelt, dass es sich um ein Angebot und keine Verpflichtung handelt und eine freie Entscheidung dafür oder dagegen möglich ist.

     

    Wenn sich gesetzlich Versicherte für eine IGeL entscheiden, werden sie zu Privatpatienten. Damit gelten die üblichen Voraussetzungen für die Rechnungserstellung.

     

    FAZIT | Patienten honorieren am ehesten eine sachliche und unaufdringliche Information und erwarten in einer Praxis kein klassisches Verkaufsgespräch. Insofern ist neben dem natürlichen Wissensgefälle vor allem zu berücksichtigen, dass nicht der Eindruck entsteht, es geht nur um den Verkauf. Transparenz und Vertrauen sind Grundvoraussetzungen für ein erfolgreiches IGeL-Konzept.

     

     

    • IGeL-Monitor

    Immer wieder berichtet der IGeL-Monitor vom Medizinischen Dienst Bund der Krankenkassen kritisch über Selbstzahlerleistungen. Dabei haben viele IGeL eine medizinische Berechtigung, auch weil sie von Patienten aktiv gewünscht werden. Einige Kassen erstatten ihren Versicherten deshalb ausgewählte IGeL.

     

    Der IGeL-Monitor untersucht 55 verschiedene IGeL und kommt nur bei zwei dieser Leistungen zum Ergebnis: „tendenziell positiv“. Der IGeL-Monitor ist im Internet unter igel-monitor.de zu finden.

     

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: Ausgabe 06 / 2022 | Seite 8 | ID 48361651