· Fachbeitrag · Vertragsarztrecht
Voltaren Emulgel nur in Ausnahmefällen an Kassenpatienten verordnen!
von RA, FA MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de
| Verordnet ein Vertragsarzt das Arzneimittel „Voltaren Emulgel“, obwohl hierfür keine Leistungspflicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung besteht, ist der betreffenden Krankenkasse ein Schaden entstanden, den der Arzt zu ersetzen hat. Nur in begründeten Ausnahmefällen kann das Medikament auf Kassenrezept verordnet werden (Sozialgericht [SG] Düsseldorf, Urteil vom 10.05.2017, Az. S 2 KA 37/16). |
Der Fall
Der klagende niedergelassene Arzt, ein Allgemeinmediziner mit dem Zusatz Chirurgie, verordnete in den Quartalen I/2014 bis IV/2014 in 58 Fällen das Medikament n„Voltaren Emulgel“ (Wirkstoff: Diclofenac) an seine gesetzlich versicherten Patienten. Nach Hinweis der betroffenen Krankenkasse leitete die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein eine Prüfung ein. Sie gab dem Arzt Gelegenheit zur Stellungnahme, die dieser aber nicht nutzte. Da „Voltaren Emulgel“ von der Verordnung an gesetzlich versicherte Patienten ausgeschlossen ist, erließ die Prüfungsstelle schließlich 2015 einen Regressbescheid über rund 600 Euro.
Der Arzt rief daraufhin das SG an. Da er in seiner Praxis auch orthopädisch konservativ behandele, weil seine Patienten teilweise 4 bis 6 Monate auf einen Termin bei einem Orthopäden warten müssten, habe er bei den von der Beklagten aufgeführten Patienten das „Voltaren Emulgel“ unter bestimmten medizinischen Indikationen mit orthopädischen Beschwerden verschrieben. Er habe dieses Medikament in jeweils verschiedenen Quartalen verschrieben; bei einer Fallzahl von 1.100 bis 1.200 Patienten pro Quartal sei festzustellen, dass es nur in Ausnahmefällen verschrieben worden sei. Er bitte, von dem Regress abzusehen.
Die Entscheidung
Das SG wies die Klage des Arztes gegen den Regressbescheid aufgrund folgender Umstände als unbegründet zurück:
- In den Quartalen I/2014 bis IV/2014 verordnete der Arzt das Arzneimittel „Voltaren Emulgel“, obwohl hierfür keine Leistungspflicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bestand, sodass der beigeladenen Krankenversicherung ein Schaden in entsprechender Höhe entstanden ist.
- Die Verordnung von „Voltaren Emulgel“ können gesetzlich Versicherte (grundsätzlich) nicht beanspruchen. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Einen solchen Ausschluss enthält Anlage III AM-RL. Dort werden unter Nr. 40 Rheumamittel (Analgetika/Antiphlogistika/Antirheumatika) zur externen Anwendung aufgeführt. Nach der Fachinformation des Herstellers Novartis zu „Voltaren Emulgel“ (Ziffer 5.1 Pharmakodynamische Eigenschaften) handelt es sich um ein nichtsteroidales Antiphlogistikum/Analgetikum mit dem ATC-Code M02AA15 (Topische Mittel gegen Gelenk- und Muskelschmerzen, nichtsteroidale Antiphlogistika zur topischen Anwendung, Diclofenac). Dieses unterfällt dem Verordnungsausschluss nach Nr. 40.
- Aus Sicht des Gerichts lag auch kein Ausnahmefall vor. Ein solcher ist nur gegeben, wenn ein medizinisch begründeter Einzelfall vorliegt und der Arzt diesen in der medizinischen Dokumentation begründet (§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 3 Arzneimittel-Richtlinie). Zu dokumentieren sind die Umstände, aus denen der Arzt den Schluss gezogen hat, dass die für den Verordnungsausschluss aufgrund der Arzneimittel-Richtlinie tragenden Erwägungen im konkreten Einzelfall nicht greifen. Wann eine Verordnung ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann, hängt also in den Fällen des § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V von den Gründen des jeweiligen Ausschlusses von der Leistungspflicht ab.
- Zu dokumentieren sind deshalb die Umstände, die im Einzelfall eine relevante Abweichung von der dem Ausschlusstatbestand zugrunde liegenden typischen Konstellation belegen und erkennen lassen, dass die für den Ausschluss aus der Leistungspflicht maßgebenden Gründe nicht greifen. Die Begründung muss sich insbesondere auf die Auswahl des grundsätzlich ausgeschlossenen Arzneimittels unter den in Betracht kommenden Behandlungsalternativen erstrecken. Die vom Gericht hierzu herangezogenen vier Behandlungsdokumentationen wiesen keine solche Begründung auf.
Das Gericht führte weiter aus, dass es nicht erforderlich ist, alle 58 streitigen Verordnungen zu betrachten. Denn der Arzt habe ein grundsätzliches Verständnis von den Aufzeichnungen deutlich gemacht und alle Fälle seien gleich gelagert. Nach alledem wären die streitigen Verordnungen daher als Privatrezept auszustellen gewesen.
PRAXISTIPP | Der Arzt hat also zu dokumentieren, aus welchen Gründen zulässige Behandlungsalternativen im Rahmen der GKV nicht in Betracht zu ziehen gewesen sein und warum allein die Arzneimittelversorgung mit dem von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel jeweils den gewünschten therapeutischen Effekt hätte bewirken sollen. Was ist demzufolge also im Einzelnen zu dokumentieren?
Es empfiehlt sich auch, bereits im Verfahren vor der Prüfungsstelle eine Stellungnahme abzugeben, dies ggf. nach Beantragung einer Fristverlängerung. Es ist erfahrungsgemäß einfacher, mit der Prüfungsstelle zu reden, als seinen Fall schließlich vor Gericht zu diskutieren. |