· Fachbeitrag · Autokauf
OLG Nürnberg: Manipulierter Kilometerstand berechtigt zum Rücktritt vom Kaufvertrag
| Bei der Einstufung einer Abweichung vom Üblichen als Sachmangel kommt es überhaupt nicht darauf an, ob der Verkäufer etwas von der Abweichung weiß. Es genügt ganz neutral die Abweichung von der Üblichkeit. So hat das OLG Nürnberg kürzlich in einem Fall entschieden, in dem es um einen manipulierten Kilometerstand ging. ASR stellt den Fall vor. |
Privater Verkäufer akzeptiert Rücktritt vom Kaufvertrag nicht ‒ zu Unrecht
Ein Autohändler erwirbt über die Restwertbörse AutoOnline ein Unfallfahrzeug von einer Privatperson. Angeboten wurde es mit „56.556 km abgelesen“. Eine spätere Auskunft des Vorvorbesitzers ergab, dass dieser das Fahrzeug bereits mit mehr als 250.000 km verkauft hatte. Der Autohändler trat daraufhin vom Kaufvertrag zurück. Der private Verkäufer akzeptierte das nicht mit der Begründung, er habe vom veränderten Kilometerstand nichts gewusst.
Auf diesen Fall war noch das Kaufrecht aus der Zeit vor dem 01.01.2022 anzuwenden. Der Fall wäre aber nach neuem Recht genauso zu lösen: Die Angabe der Laufleistung mit „56.556 km abgelesen“ ist keine Beschaffenheitsvereinbarung. Denn damit wird lediglich und auch zutreffend gesagt, dass der Kilometerzähler diese Ziffernfolge anzeige. Also gibt es keine Beschaffenheitsvereinbarung „56.556 km“. Entsprechend gibt es auch keine Abweichung von einer „harten“ Beschaffenheitsvereinbarung.
Kilometerstand weicht üblicherweise nicht stark vom angezeigten ab
Aber wenn dem Käufer nichts davon Abweichendes mitgeteilt wird, gilt nach der Rechtsprechung des BGH: Es ist üblich im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB alt bzw. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 a BGB neu, dass der tatsächliche Kilometerstand nicht wesentlich vom angezeigten abweicht (BGH, Urteil vom 16.03.2005, Az. VIII ZR 130/04, Abruf-Nr. 060060). Bei der Einstufung einer Abweichung vom Üblichen als Sachmangel kommt es nicht darauf an, ob der Verkäufer etwas von der Abweichung weiß. Es genügt die Abweichung von der Üblichkeit. Also war der Rücktritt des Autohändlers berechtigt (OLG Nürnberg, Urteil vom 11.12.2024, Az. 12 U 1061/23, Abruf-Nr. 246457, eingesandt von Rechtsanwalt Christoph Stender, Gunzenhausen). Ein beim Verkauf von privat an einen Unternehmer zulässiger Gewährleistungsausschluss war nicht vereinbart.
Wichtig | Die „davon gewusst“-Frage stellt sich nur, wenn die bereits eingetretene kaufrechtliche Verjährung durch den Arglist-Vorwurf und die damit verbundene Regelverjährung ‒ beginnend mit der Kenntnis des Käufers ‒ oder ein Gewährleistungsausschluss überwunden werden muss. Wenn Arglist nachgewiesen ist, kann sich der Verkäufer nicht hinter einem Gewährleistungsausschluss verstecken. Ein solcher hilft auch nicht, wenn der Kilometerstand „hart“ vereinbart wurde. Alle auf der Üblichkeitsschiene begründeten Sachmängel sind jedoch vom Gewährleistungsausschluss umfasst (BGH, Urteil 27.09.2017, Az. VIII ZR 271/16, Abruf-Nr. 197386).