· Fachbeitrag · Autokauf/Werkstattrecht
Wer trägt die Kosten, wenn der Kunde zu Unrecht einen Mangel rügt?
| Bisher schien wenigstens die juristische Ausgangslage klar zu sein: Kein Mangel, kein Anspruch. Diesen Grundkonsens wollen manche jetzt lockern - natürlich zugunsten des Verbrauchers. Darüber wurde auf dem diesjährigen Verkehrsgerichtstag in Goslar heiß diskutiert. Allgemein gilt: Ihre Position ist recht komfortabel, und allemal besser als die Ihres Kunden. |
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Unabhängig davon, wer bei einem Verbrauchsgüterkauf den Transport des Fahrzeugs zum Verkäufer veranlasst hat, sind die Transport- und Prüfkosten grundsätzlich vom Käufer zu tragen, wenn kein Mangel festgestellt wurde (Arbeitskreis IV, Empfehlung Nr. 3). |
Mit hauchdünner Mehrheit wurde dieser Text angenommen und so eine Empfehlung verhindert, die deutlich verbraucherfreundlicher war. Quasi als Kompromissformel hat man sich dann auf folgende Empfehlung Nr. 4 verständigt:
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Der Arbeitskreis hält eine vertragliche Abrede, die eine Kostenteilung hinsichtlich von Transport- und Prüfkosten in dem Fall vorsieht, dass nach Überprüfung des Kfz kein Sachmangel vorliegt, angesichts der bestehenden Kostenrisiken beider Vertragspartner für angemessen. |
Kosten des Käufers und des Verkäufers
Die oben zitierte Empfehlung Nr. 3 spricht allgemein von „Transport- und Prüfkosten“. Sie erweckt den Anschein, dass diese Kosten im Fall einer objektiv unberechtigten Mängelrüge grundsätzlich zulasten des Käufers auch in seiner Eigenschaft als Verbraucher gehen. Das entspricht nicht der geltenden Rechtslage.
Der Käufer kann seine Kosten nicht auf Sie abwälzen
Richtig ist: Eigene Kosten, beispielsweise für den Transport, kann der Käufer (Verbraucher) nicht auf den Händler abwälzen, wenn sich herausstellt, dass kein Sachmangel, sondern natürlicher Verschleiß, ein Bedienungsfehler oder schlicht ein Marderschaden vorliegt, der das Fahrzeug lahmgelegt hat.
Derzeit gibt es keine rechtliche Handhabe, die dem Käufer in solchen Situationen helfen würde. § 439 Abs. 2 BGB scheidet aus. Nach dieser Vorschrift hat der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen wie zum Beispiel Transport- und Arbeitskosten zu tragen. Zum Zwecke der Nacherfüllung ist aber nichts erforderlich, wenn es nichts nachzubessern gibt.
Für den Verbrauchsgüterkauf, also nicht im Bereich B2B, hält man dieses Ergebnis für korrekturbedürftig. Diskutiert wird eine sogenannte richtlinienkonforme Auslegung dahin, dass Transport- und Prüfkosten auch dann zulasten des Händlers gehen, wenn der Verbraucher der Annahme sein durfte, es handele sich um einen Gewährleistungsfall. Fürsorgliches Argument der EU-Ecke: Der Verbraucher soll nicht davon abgehalten werden, seine Sachmängelrechte geltend zu machen. Ein Freifahrtschein für Fehlanzeiger?
Noch sind die nationalen Gerichte nicht auf diese Linie eingeschwenkt. Als offene Flanke für den Handel bleibt derzeit eine Haftung auf Schadenersatz. Die Argumentation läuft so: „Na gut, es ist kein Sachmangel, aber wenn Du, Autohaus, mich richtig aufgeklärt hättest, hätte ich rechtzeitig erkennen können, dass es kein Gewährleistungsfall ist. Die Informationen hätte man mir schon in der Betriebsanleitung oder mündlich im Autohaus erteilen müssen, spätestens am Telefon bei der ersten Mangelmeldung“.
Was in diesem Kontext eine immer größere Rolle spielt, sind die Warnleuchten und Warnhinweise im Cockpit. Hat wirklich etwas aufgeleuchtet und wenn ja, war es eine echte Warnung oder nur eine Phantommeldung? Bei einer feststellbaren Phantommeldung ist der Händler deshalb in der Sachmängelhaftung, weil die Anzeige nicht funktioniert hat. Ansonsten kann an dem Fahrzeug alles in Ordnung sein. Wegen des Mangels „fehlerhafte Warnleuchte“, der als solcher allerdings feststehen muss (wie ist das Ausleseergebnis?), schulden Sie als Händler unentgeltliche Nacherfüllung. Kosten des Käufers sind in diesem (Mangel-)Fall also grundsätzlich erstattungsfähig.
Können Sie Ihre Kosten auf den Kunden abwälzen?
Auf einem ganz anderen Blatt steht, ob Sie die in Ihrem Autohaus angefallenen Kosten auf den Käufer abwälzen können, wenn sich herausgestellt hat, dass das Fahrzeug entgegen der Rüge des Kunden in Wirklichkeit mangelfrei ist. Das können mal nur einige wenige Euro sein, mitunter aber auch Beträge in vierstelliger Größenordnung (Transport von München nach Berlin, Zerlegen des Motors, Gutachten, Anwalt etc.).
Wird die Gewährleistungsklage eines Käufers rechtskräftig abgewiesen, weil kein Mangel feststellbar ist (zum Beispiel normaler Verschleiß oder ein Marderschaden), gehen sämtliche Verfahrenskosten und Anwaltskosten zulasten des Käufers. Wer verliert, bezahlt. Schon im Gewährleistungsprozess kann Ihr Anwalt in die Offensive gehen, indem er Ihre Kosten per Widerklage geltend macht, beispielsweise Ersatz von Abschlepp- und Prüfkosten einklagt. Womit wir beim Kern des Problems sind. Nämlich der Frage: Unter welchen Voraussetzungen steht Ihrem Autohaus ein Kostenerstattungsanspruch zu?
Im Ausgangspunkt gilt: Die Reklamation war unberechtigt, im Juristenjargon „eine Pflichtverletzung“. Und für die Folgen einer Pflichtverletzung haftet man auf Schadenersatz. So weit, so gut für Sie. Jetzt die schlechte Nachricht: Der Käufer kann den Entlastungsbeweis antreten und sich der Haftung entziehen. Das funktioniert so: „Ich als technischer Laie habe nicht erkannt und konnte auch nicht erkennen, dass der von mir festgestellte Defekt in Wahrheit gar kein Sachmangel ist. Sorry, ich habe mich geirrt.“
Wenn der Richter diese Entschuldigung akzeptiert, ist es mit der von einem Verschulden abhängigen Schadenersatzhaftung vorbei. Was ein Fahrzeugkäufer vor einer Reklamation zu tun hat und was er lassen darf, ist allenfalls in den Grundzügen geklärt. Er muss, heißt es allgemein, keine Ursachenforschung betreiben. Er kann also ein gutes Stück weit auf Verdacht reklamieren. Die Mängelbehauptung zu prüfen, ist Sache des Verkäufers bzw. in einer Reparatursache der beauftragten Werkstatt.
Angesichts dieser kundenfreundlichen Ausgangslage ist es nicht verwunderlich, wenn Kfz-Betriebe mit ihren Ansprüchen auf Kostenerstattung selten Erfolg haben. Für sie günstige Urteile gibt es (AG Neuss, Urteil vom 26.2.2009, Az. 77 C 884/08; Abruf-Nr. 091228; LG Duisburg, Urteil vom 7.2.2007, Az. 11 S 148/06; Abruf-Nr. 140472), die Negativentscheidungen überwiegen jedoch.
Wichtig | Da auf der schmalen Spur der Schadenersatzhaftung wenig bis nichts läuft, drängt sich die Frage auf, ob der Kfz-Betrieb unabhängig von einem Verschulden des Kunden an sein Erstattungsziel gelangen kann.
- Klar ist zunächst: Hat der Kunde einen Vorschuss erhalten, zum Beispiel für den Transport, muss er das Geld wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückzahlen.
- Von einem Verschulden unabhängig ist auch der Anspruch auf Standgeld. Beispiel: Der Kunde holt das (mangelfreie) Fahrzeug trotz Aufforderung nicht ab. Wegen Annahmeverzugs hat er Standgeld zu zahlen.
- Ob Sie sonstige Kosten unabhängig von einem Kundenverschulden verlangen können, ist nicht geklärt. Im Kaufrecht gehen die Uhren insoweit anders als im Werkvertragsrecht. Einem Urteil des LG Saarbrücken zufolge (Werkvertrag) muss der Auftraggeber die Abschleppkosten auch bei Schuldlosigkeit bezahlen, wenn sich herausstellt, dass seine Reklamation unberechtigt war (LG Saarbrücken, Urteil vom 20.9.2013, Az. 13 S 77/13; Abruf-Nr. 140075; siehe ASR 2/2014, Seite 4). Ob die Kosten aus der Überprüfung einer unberechtigten Mängelrüge des Auftraggebers allgemein ersatzfähig sind, lassen die Saarbrückener Richter offen. Feinsinniges Argument: Die Abschleppkosten sind keine Kosten der Überprüfung einer unberechtigten Mängelrüge. Sie waren vielmehr erforderlich, um der Werkstatt die Überprüfung in der eigenen Halle erst zu ermaöglichen. Für den Fahrzeugkauf sieht es aus Sicht der Kfz-Betriebe deutlich schlechter aus. Hier gilt derzeit: Ohne Verschulden keine Kostenerstattung.
Kostenvereinbarung sinnvoll
Die oben zitierte Halbe-Halbe-Abrede ist durchaus sinnvoll. Sie wird vom Kfz-Handel begrüßt. Bleibt die Frage: Kann man auch eine Hundert-Null-Lösung zugunsten des Autohauses vereinbaren? Ja, man kann. Allerdings sollte man bei einem Verkauf an einen Verbraucher eine Kostenvereinbarung, egal welchen Inhalts, erst im Anschluss an die Reklamation zu Papier bringen. Was nicht geht, ist, die Mängelprüfung davon abhängig zu machen, dass der Kunde das Papier vorher unterschreibt.