· Fachbeitrag · Umsatzsteuer
„Großer Kundendienst“ für Unternehmenskunden aus dem Ausland - Lieferung oder Leistung?
von Diplom-Finanzwirt Rüdiger Weimann, Dozent, Lehrbeauftragter und freier Gutachter in Umsatzsteuerfragen, Dortmund
| Ein Kundendienst, durchgeführt von einem deutschen Servicebetrieb am Kleintransporter eines österreichischen Unternehmers, wirft in der Praxis mehrere umsatzsteuerliche Fragen auf. Unter anderem: Lieferung oder sonstige Leistung? Rechnung netto oder brutto? Der folgende Beitrag liefert die Antworten und blickt dabei ein wenig über den Tellerrand. |
FRAGE: Wir sind ein Ford-Autohaus mit Service- und Reparaturwerkstatt. Ein österreichischer Unternehmenskunde (mit USt-IdNr.) beauftragte uns, an seinem Kleintransporter den großen Kundendienst durchzuführen. Netto werden wir gegenüber dem Kunden 685 Euro abrechnen. 339 Euro für Öl, Bremsflüssigkeit und andere Materialien sowie 346 Euro Arbeitslohn.
- 1. Müssen wir jede Einzelpositionen getrennt abrechnen oder führen diese zu einem einheitlichen Vorgang?
- 2. Wenn Letzteres der Fall ist: Ist der Vorgang eine Lieferung oder eine Leistung?
- 3. Ist brutto oder netto abzurechnen?
- 4. Ändert sich etwas bei einem Kundendienst für einen Privatkunden?
Antwort zu Frage 1: Umsatzsteuerlich bilden die Einzelleistungen eine einheitliche Leistung (Abschnitt 3.10 Umsatzsteuer-Anwendungserlass [UStAE]). Denn der Kunde kommt in Ihre Werkstatt, damit sein Auto insgesamt durchgecheckt wird. Er kommt nicht, um einzelne Produkte und Dienstleistungen zu erwerben.
Antwort Zu Frage 2: Reparaturen beweglicher körperlicher Gegenstände können in Form einer Werklieferung (Lieferung) oder Werkleistung (sonstige Leistung) erbracht werden.
Für die Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung ist das Wesen des Umsatzes aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen. Dazu ist in einer Gesamtbetrachtung zu entscheiden, ob die Merkmale einer Lieferung oder einer sonstigen Leistung überwiegen (Abschnitt 3.8 Abs. 6 UStAE).
Wichtig | Das Verhältnis der Wertanteile Ihrer Arbeit oder Ihres Arbeitserfolgs einerseits und der von Ihnen beschafften Stoffe andererseits ist allein kein ausschlaggebendes Abgrenzungskriterium. Es kann lediglich einen Anhaltspunkt für die Einstufung des Umsatzes als Werklieferung oder Werkleistung darstellen.
Nach diesen Maßstäben ist ein „großer Kundendienst“ umsatzsteuerlich wohl eine Werkleistung. Denn der Durchschnittsverbraucher wünscht vor allem das Durchchecken seines Fahrzeugs. Die Verbrauchsmaterialien könnte er theoretisch auch woanders erwerben!
PRAXISHINWEIS | Für den Fall, dass - anders als bei der Leseranfrage - der Materialwert höher ist als der Wert der Arbeitsleistung, sieht die Finanzverwaltung in Abschnitt 3.6 Abs. 6 S. 6 UStAE eine Vereinfachung vor: „Sofern ... nicht zweifelsfrei entschieden werden kann, ob die Reparaturleistung als Werklieferung oder Werkleistung zu qualifizieren ist, kann von einer Werklieferung ausgegangen werden, wenn der Entgeltanteil, der auf das bei der Reparatur verwendete Material entfällt, mehr als 50 % des für die Reparatur berechneten Gesamtentgelts beträgt.“ |
Antwort Zu Frage 3: Die Leistung wird gegenüber einem Unternehmenskunden dort erbracht, wo dieser sein Unternehmen betreibt (Umkehrschluss aus § 3a Abs. 2 UStG in Verbindung mit § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c UStG). Der Leistungsort liegt damit im Ausland. Die Leistung ist in Deutschland nicht steuerbar:
- Ist der Kunde - wie in Ihrem Fall - ein EU-Kunde, erbringen Sie eine innergemeinschaftliche Dienstleistung. In der Umsatzsteuer-Voranmeldung müssen Sie die Dienstleistung auf Seite 1 unter Kz. 21 eintragen und flankierend eine Zusammenfassende Meldung abgeben. Gleichzeitig sind die Besonderheiten der Rechnungstellung zu beachten (§ 14a UStG):
- Nettorechnung
- Hinweis „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers - Reverse Charge“ (§ 14a Abs. 1 S. 1 UStG)
- Rechnungsstellung bis zum 15. des Folgemonats (§ 14a Abs. 1 S. 2 UStG)
- Eigene USt-IdNr. (§ 14a Abs. 1 S. 3 UStG)
- Kunden-USt-IdNr. (§ 14a Abs. 1 S. 3 UStG)
- Bei einem Drittlandskunden erfolgt die Eintragung in der Umsatzsteuer-Voranmeldung unter Kz. 45. Eine Zusammenfassende Meldung ist für diesen Umsatz nicht abzugeben.
PRAXISHINWEIS | Auch Lieferungen wären unter den Voraussetzungen des §§ 6, 6a UStG als innergemeinschaftliche Lieferung oder Ausfuhrlieferung netto abzurechnen. Da bei der Annahme von Lieferungen höhere Nachweispflichten zu erfüllen sind, ist die Werkleistung der „komfortablere Weg“. Andererseits ist der Unternehmer bei Lieferungen immer „auf der sicheren Seite“, da - sollte die Finanzverwaltung abweichend eine sonstige Leistung annehmen - alle Nachweise vorliegen. |
Antwort Zu Frage 4: Bei ausländischen Privatkunden gilt es zu unterscheiden: EU-Kunden erhalten in jedem Fall eine Bruttorechnung. Drittlandskunden erhalten unter den Voraussetzungen der §§ 6 , 7 UStG bei Nachweis der Ausfuhr eine Nettorechnung.
Weiterführende Hinweise
- Beitrag „BMF vereinfacht die Regelungen für Reparaturleistungen an Fahrzeugen von Ausländern“, ASR 2/2013, Seite 9
- Beitrag „Gelangensbestätigung: Neues zur Übermittlung, Archivierung, Sammelbestätigung und Reparatur“, ASR 11/2013, Seite 5