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  • Bilanz- und Erfolgsanalyse mit Kennzahlen
    Kennzahlen zur Analyse der Vermögens-, Kapital- und Finanzlage
    von StB Dr. Hanno Kirsch, CPA, Meldorf
    Die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung bzw. die aus diesen entwickelten Kennzahlen sind die Instrumente zur Beurteilung von Unternehmen. Dabei gibt die Bilanz Auskunft über die Zusammensetzung des Vermögens und die Herkunft des Kapitals. Die Gewinn- und Verlustrechnung dagegen informiert über die Art der Erträge und Kosten.
    Bilanz- und Gewinn- und Verlustrechnung gemeinsam erfüllen interne und externe Informationsaufgaben. Die externen Adressaten sind Geber bzw. potenzielle Geber von Eigenkapital, die Gläubiger, die Belegschaft, die Finanzbehörden und die Öffentlichkeit. Interne Adressaten stellen sämtliche Führungsebenen des Unternehmens dar. Allen Interessenten gemein ist der Informationsbedarf zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens.
    1. Vermögens- und Kapitalstruktur
        Anlagevermögen  
    Vermögensstruktur (in Prozent) = ----------------------------------- x 100
        Umlaufvermögen  
    Die Vermögensstruktur gibt an, wie hoch das Anlagevermögen im Verhältnis zum Umlaufvermögen ist. Die Vermögensstruktur ist ein Indikator für die betriebliche Flexibilität des gebundenen Vermögens eines Unternehmens. In bilanzanalytischer Beurteilung schlägt sich das Anlagevermögen als langfristig gebundenes Vermögen langsamer um als das Umlaufvermögen, welches definitionsgemäß nicht zum langfristigen Verbleib im Unternehmen bestimmt ist. Die Kennzahl ist durch Sachverhaltsgestaltungen beeinflussbar, z.B. Leasing statt Kauf von Sachanlagen.
    Die Vermögensstruktur eines Unternehmens kann sowohl in der zeitlichen Entwicklung (Zeitvergleich) ermittelt als auch mit den Werten von branchenzugehörigen Konkurrenzunternehmen (Betriebsvergleich) verglichen werden.
    Für die Ermittlung der Kennzahl ist das gesamte bilanzielle Vermögen in langfristig gebundenes Vermögen (Anlagevermögen) und kurzfristig gebundenes Vermögen (Umlaufvermögen) zu untergliedern. Für diese Aufteilung werden Rechnungsabgrenzungsposten dem Umlaufvermögen zugerechnet, während aktive latente Steuern, falls diese nicht in lang- und kurzfristige Posten untergliedert sind, dem langfristig gebundenen Vermögen zugerechnet werden.
    Verschuldungsgrad (in %)
        Fremdkapital  
    Verschuldungsgrad (in Prozent) = ------------------------------- x 100
        Eigenkapital  
    Der Verschuldungsgrad gibt die prozentuale Höhe des Fremdkapitals im Verhältnis zum Eigenkapital an.
    Die Kennzahl Verschuldungsgrad hat im Zusammenhang mit dem Leverage-Effekt Bedeutung. Die Eigenkapitalrendite lässt sich bei einem positiven Saldo aus Gesamtkapitalrentabilität und Fremdkapitalzinssatz dadurch maximieren, dass der Verschuldungsgrad erhöht wird. Umgekehrt ist mit einem hohen Verschuldungsgrad das Leverage-Risiko, d.h. eine minimale (auch negative) Eigenkapitalrendite im Falle des Übersteigens des Fremdkapitalzinssatzes über die Gesamtkapitalrentabilität verbunden.
    Sowohl Eigen- als auch Fremdkapital sind in der angegebenen Formel im bilanzanalytischen Sinne zu verstehen. Dementsprechend setzt sich das Eigenkapital aus dem bilanziellen Eigenkapital und 50 Prozent des Sonderpostens mit Rücklageanteil und das Fremdkapital aus Rückstellungen, Verbindlichkeiten, passiven Rechnungsabgrenzungsposten und 50 Prozent des Sonderpostens mit Rücklageanteil zusammen.
    2. Bilanzorientierte Analyse der Finanzlage
    2.1 Deckungsgrade
    Die Deckungsgrade streben eine Aussage über die Stabilität der langfristigen Finanzierung und Kapitalverwendung an. Zur Sicherung der finanziellen Stabilität enthalten sämtliche Deckungsgrade implizit die Forderung, dass langfristig im Unternehmen gebundenes Vermögen auch durch langfristig dem Unternehmen zur Verfügung stehendes Kapital finanziert werden muss. Insoweit gilt für alle Deckungsgrade ein anzustrebender Minimalwert von 100 Prozent.
    Deckungsgrad A
    Deckungsgrad A gibt das Verhältnis von Eigenkapital und Anlagevermögen an.
        Eigenkapital  
    Deckungsgrad A (in Prozent) = ------------------------------ x 100
        Anlagevermögen  
    Deckungsgrad A legt diese Gegenüberstellung von langfristig zur Verfügung stehendem Kapital und langfristig gebundenem Vermögen am restriktivsten aus. Danach wird das langfristig zur Verfügung stehende Kapital mit dem Eigenkapital und das langfristig gebundene Vermögen mit dem Anlagevermögen (jeweils im bilanzanalytischen Sinne) gleichgesetzt.
    Obwohl bei allen Deckungsgraden - somit auch für Deckungsgrad A - ein Minimalwert von 100 Prozent anzustreben ist, muss berücksichtigt werden, dass sich auch noch andere Einflussfaktoren auf die Höhe des Deckungsgrads A auswirken, z.B. branchenspezifische Unterschiede hinsichtlich der Vermögensstruktur (z.B. Stahlindustrie vs. Einzelhandel) sowie der Leverage-Effekt.
    Der Deckungsgrad A lässt sich in der zeitlichen Entwicklung bei einem bestimmten Unternehmen (Zeitvergleich) verfolgen. Weiterhin ist ein Betriebsvergleich des Deckungsgrads A zwischen Unternehmen der gleichen Branche sinnvoll; dieser zwischenbetriebliche Vergleich ist für Unternehmen insbesondere in Verhandlungen über die Fremdfinanzierung wichtig, da bei den meisten Unternehmen der - aus reinen finanziellen Stabilitätsansätzen abgeleitete - theoretische Mindestwert von 100 Prozent für Deckungsgrad A nicht erreicht wird. In diesen Fällen ist dann bedeutsam, wie das betrachtete Unternehmen im Branchenvergleich liegt.
    Deckungsgrad B
    Beim Deckungsgrad B wird eine Gegenüberstellung zwischen Anlagevermögen sowie dem Eigenkapital und dem langfristigen Fremdkapital (jeweils im bilanzanalytischen Sinne) vorgenommen.
      Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital  
    Deckungsgrad B = ---------------------------------------------- x 100
    (in Prozent) Anlagevermögen  
    Die Formel legt nicht fest, ab welcher Kapitalbindungsdauer Fremdkapital als langfristig gilt. Da beim Deckungsgrad B eine Gegenüberstellung mit dem Anlagevermögen vorgenommen wird, ist aus Gründen der Fristenkongruenz zumindest eine signifikant längere Kapitalbindungsdauer als 1 Jahr zu verwenden (vom theoretischen Standpunkt müsste die Kapitalbindungsdauer des langfristigen Fremdkapitals der durchschnittlichen Nutzungsdauer des Anlagevermögens dienen).
    Der HGB-Jahresabschluss enthält einen Verbindlichkeitsspiegel, der unter anderem die Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mindestens 5 Jahren angibt. In Anlehnung an diese Einteilung kann von langfristigem Fremdkapital im Sinne des Deckungsgrads B gesprochen werden, wenn die Restlaufzeit mindestens 5 Jahre beträgt.
    Auf Grund der Einbeziehung des langfristigen Fremdkapitals in das langfristige Kapital stellt sich für Deckungsgrad B stets ein höherer Wert als für Deckungsgrad A ein, so dass der theoretisch geforderte Mindestwert von 100 Prozent für Deckungsgrade in praxi häufig(er) erreicht wird.
    Beispiel 1
    Gegeben sei folgender Ausschnitt aus der Passivseite der Bilanz zu einem bestimmten Stichtag
    Eigenkapital   450.000
    Sonderposten mit Rücklageanteil   100.000
    Pensionsrückstellungen 200.000  
    Steuerrückstellungen 120.000  
    Sonstige Rückstellungen 280.000  
    Rückstellungen   600.000
    Verbindlichkeiten   850.000
    Passiver Rechnungsabgrenzungsposten   50.000
    Aus dem Anhang ergibt sich, dass unter den sonstigen Rückstellungen eine Rückstellung für Rekultivierung, die voraussichtlich erst in 6 Jahren auszahlungswirksam wird, in Höhe von 120.000 GE gebildet ist. Der Anhang enthält weiterhin einen Verbindlichkeitsspiegel:
    Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mindestens 5 Jahren 150.000
    Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit zwischen 1 Jahr und unter 5 Jahren 400.000
    Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit bis zu 1 Jahr 300.000
    Das Anlagevermögen, bestehend aus Sachanlagevermögen, immateriellem Anlagevermögen und Finanzanlagen, beträgt 700.000 GE. Aktive latente Steuern enthält die Bilanz zum Stichtag nicht.
    Das Eigenkapital im bilanzanalytischen Sinne beträgt:
      Eigenkapital 450.000 GE
    + 1/2 Sonderposten mit Rücklageanteil 50.000 GE
    = Eigenkapital (bilanzanalytisch) 500.000 GE
    Das langfristige Fremdkapital errechnet sich ebenfalls im bilanzanalytischen Sinne:
      Pensionsrückstellungen 200.000 GE
    + Rückstellung für Rekultivierung 120.000 GE
    + Verbindlichkeiten mit Restlaufzeit > 5 Jahre 150.000 GE
    = langfristiges Fremdkapital (bilanzanalytisch) 470.000 GE
        500.000 GE  
    Deckungsgrad A (in %) = ------------------------- x 100 = 71,43 %
        700.000 GE  
           
        500.000 GE + 470.000 GE  
    Deckungsgrad B (in %) = ------------------------------------------ x 100 = 138,57 %
        700.000 GE  
    2.2 Liquiditätsgrade
    Die Liquiditätsgrade nehmen eine Gegenüberstellung von kurzfristig gebundenem und liquidierbarem Umlaufvermögen mit dem kurzfristigen Fremdkapital vor. Damit sind die Liquiditätsgrade innerhalb der horizontalen Bilanzkennzahlen diejenigen Kennzahlen, die sich mit der kurzfristigen Finanzierung und Kapitalverwendung beschäftigen. In dieser statischen Betrachtungsweise ist das Unternehmen finanziell gesichert, wenn das kurzfristige Fremdkapital durch kurzfristiges Vermögen abgedeckt ist. Daher gilt für alle Liquiditätsgrade ein anzustrebender Minimalwert von 100 Prozent. Die Liquiditätsgrade unterscheiden sich jedoch hinsichtlich des Umfangs des zur Deckung des kurzfristigen Fremdkapitals zu verwendenden kurzfristigen Vermögens. In der engsten Fassung werden nur die liquiden Mittel einbezogen.
    Liquidität 1. Grades
      Flüssige Mittel  
    Liquidität 1. Grades (in Prozent) = --------------------------------------------- x 100
      Kurzfristiges Fremdkapital  
    Dementsprechend gibt die Liquidität 1. Grades den prozentualen Anteil der liquiden Mittel im Verhältnis zum kurzfristigen Fremdkapital an. Allerdings ist zu beachten, dass ein hoher Wert für die Liquidität 1. Grades einen hohen Bestand an liquiden Mitteln impliziert und dieser einer hohen Rentabilität entgegensteht. Weiterhin kommt dem Streben nach finanzieller Stabilität - bei einer akut nicht gefährdeten finanziellen Situation - nur die Rolle einer Nebenbedingung für das unternehmerische Handeln zu.
    Zu den flüssigen Mitteln gehören Bank, Kasse (Wert laut Bilanz) sowie Wertpapiere des Umlaufvermögens, die keinen nennenswerten Risiken ausgesetzt sind. Hierzu zählen ausschließlich festverzinsliche Wertpapiere, die eine Restlaufzeit von höchstens drei Monaten besitzen. Die zu den flüssigen Mitteln zählenden Wertpapiere sind entweder dem Anhang zur Bilanz oder der Kapitalflussrechnung zu entnehmen, da diese Wertpapiere Bestandteil des Fonds "liquide Mittel" sind. Das kurzfristige Fremdkapital ist ebenfalls der Bilanz zu entnehmen, jedoch bilanzanalytisch aufzubereiten. Es setzt sich zusammen aus den kurzfristigen Rückstellungen, den kurzfristigen Verbindlichkeiten und den passiven Rechnungsabgrenzungsposten. Passive latente Steuern sind ebenfalls in kurz- und langfristige Positionen aufzuteilen; fehlt eine Aufteilung, so sind passive latente Steuern den langfristigen Positionen zuzurechnen. (Diese Regel entspricht derjenigen für aktive latente Steuern.)
    Zu der Fristigkeit des in der Formel anzusetzenden kurzfristigen Fremdkapitals gibt es in der Literatur verschiedene Auffassungen. In der zumeist verwendeten (engen) Fassung liegt kurzfristiges Fremdkapital vor, wenn die Restlaufzeit des Fremdkapitals weniger als ein Jahr beträgt. Wenn die Abgrenzung zwischen kurz- und langfristigem Fremdkapital vor dem Hintergrund einer identischen Begriffsverwendung bei den Deckungsgraden und Liquiditätsgraden verwendet wird, so sind auch längere Restlaufzeiten bei Abgrenzung des kurzfristigen Fremdkapitals möglich.
    Beispiel 2
    Ergänzend zu den Daten des Beispiels 1 beträgt der Fonds "liquide Mittel", welcher der Kapitalflussrechnung zu entnehmen ist, zum Bilanzstichtag 250.000 GE.
    Das kurzfristige Fremdkapital errechnet sich im bilanzanalytischen Sinne:
      Sonstige Rückstellungen (ohne Rekultivierung) 160.000 GE
    + Verbindlichkeiten mit Restlaufzeit < 1 Jahr 300.000 GE
    + passiver Rechnungsabgrenzungsposten 50.000 GE
    = kurzfristiges Fremdkapital (bilanzanalytisch) 510.000 GE
      250.000 GE  
    Liquidität 1. Grades (in Prozent) = --------------------- x 100 = 49,02 %
      510.000 GE  
    Die Liquidität 1. Grades lässt sich in der zeitlichen Entwicklung bei einem bestimmten Unternehmen (Zeitvergleich) verfolgen und mit anderen Unternehmen vergleichen (Betriebsvergleich).
    Liquidität 2. Grades
    Die Liquidität 2. Grades stellt die monetären Vermögenswerte dem kurzfristigen Fremdkapital gegenüber. Im Gegensatz zur Liquidität 1. Grades bezieht diese Kennzahl sämtliche Wertpapiere des Umlaufvermögens und Forderungen aus LuL ein, also monetäre Vermögensposten, für deren Umwandlung in liquide Mittel Zeit und/oder Transaktionskosten benötigt werden.
    Wie bei der Liquidität 1. Grades ist zu beachten, dass ein hoher Bestand an monetären Vermögenswerten (insbesondere hoher Forderungsbestand und/oder Kassenbestand) einer hohen Rentabilität entgegensteht und weiterhin dem Streben nach finanzieller Stabilität - bei einer nicht akut gefährdeten finanziellen Situation - nur die Rolle einer Nebenbedingung für das unternehmerische Handeln zukommt.
    Liquidität 3. Grades
      Umlaufvermögen  
    Liquidität 3. Grades (in Prozent) = ------------------------------------- x 100
      Kurzfristiges Fremdkapital  
    Die Liquidität 3. Grades nimmt mit dem Umlaufvermögen die weiteste Abgrenzung des kurzfristigen Vermögens vor, das dem kurzfristigen (Fremd-)Kapital gegenübergestellt wird. Obwohl auch hier theoretisch nur eine Deckung des kurzfristigen Fremdkapitals durch das kurzfristige Vermögen, also ein Mindestwert von 100%, gefordert werden kann, ist wegen der faktischen Existenz auch langfristig gebundenen Umlaufvermögens (z.B. eiserner Bestand an Vorräten, "Bodensatz" an Forderungen aus LuL) hier ein höherer Zielwert in der Praxis zu fordern.
    Dennoch gilt auch bei der Liquidität 3. Grades, dass das Erreichen der Liquidität im Regelfall nur eine Randbedingung des unternehmerischen Handelns bildet.
    3. Cashflow-orientierte Analyse der Finanzlage
    3.1 Cashflow (I) und Cashflow (II)
    Cashflow (I) und Cashflow (II) errechnen sich nach folgendem Schema:
      Jahresüberschuss/-fehlbetrag
    + Abschreibungen auf Anlagevermögen
    + außerplanmäßige Abschreibungen / Wertminderungsaufwendungen
    - Zuschreibungen auf Anlagevermögen / Wertaufholungen
    + Zuführung langfristiger Rückstellungen (einschließlich Pensionsrückstellungen)
    - Auflösung langfristiger Rückstellungen (einschließlich Pensionsrückstellungen)
    + Zuführung zu Sonderposten mit Rücklageanteil
    - Auflösung von Sonderposten mit Rücklageanteil
    -/+ Gewinn/Verlust aus dem Abgang des Anlagevermögens
    = Cashflow (I)
    -/+ Veränderung der Vorräte
    -/+ Veränderung der Forderungen aus LuL
    -/+ Veränderung aktiver Rechnungsabgrenzungsposten
    +/- Veränderung der Verbindlichkeiten aus LuL
    +/- Veränderung der betrieblichen sonstigen Rückstellungen
    +/- Veränderung passiver Rechnungsabgrenzungsposten
    = Cashflow (II)
    Der Cashflow (I) ist ein Maß für die Innenfinanzierungskraft eines Unternehmens. Sofern der Cashflow (I) positiv ist, erzielt das Unternehmen aus der operativen Tätigkeit einen Einnahmenüberschuss, der zur Investition in das Anlage- und Umlaufvermögen, zum Abbau der Verschuldung und/oder zur Zahlung einer Dividende oder Kapitalrückzahlungen an Anteilseigner genutzt werden kann.
    Der Cashflow (I) ist eine weitgehend von den Einflüssen der Bilanzierungs- und Bewertungspolitik unabhängige Größe. Durch die Hinzurechnung der Abschreibungen und Wertminderungen zum Jahresergebnis wirken sich beispielsweise unterschiedliche Abschreibungsverfahren nicht auf die Höhe des Cashflows aus. Genauso hat eine unterschiedlich hohe Dotierung langfristiger Rückstellungen keinen Einfluss auf den Cashflow (I).
    Im Gegensatz zum Cashflow (I) enthält der Cashflow (II) auch ergebnisneutrale Veränderungen von Bilanzpositionen, die dem betrieblichen Bereich zuzuordnen sind. Die Größe Cashflow (II) hat damit die Qualität eines betrieblichen Umsatzüberschusses bzw. stellt den Cashflow aus betrieblicher Tätigkeit dar.
    Zu den Positionen, welche im Cashflow (II), aber nicht im Cashflow (I) enthalten sind, zählen die Veränderungen des betrieblichen Umlaufvermögens sowie des der betrieblichen Sphäre zuzurechnenden Fremdkapitals: Eine Erhöhung des Bestands an Forderungen aus LuL sowie an Vorräten führt zu einem Liquiditätsabfluss, da Zahlungsmittel im operativen Umlaufvermögen gebunden werden. Umgekehrt führt ein Bestandsabbau an Forderungen aus LuL und Vorräten zu einer entsprechenden Kapitalfreisetzung. Eine Zunahme an Verbindlichkeiten aus LuL führt zu einer höheren Kreditinanspruchnahme bei Lieferanten und vermeidet einen Liquiditätsabfluss in der Berichtsperiode.
    Sofern der Cashflow (II) positiv ist, erzielt das Unternehmen aus der betrieblichen Tätigkeit insgesamt einen Einnahmenüberschuss, der zur Investition in das Anlagevermögen, zum Abbau der Verschuldung und/oder zur Zahlung einer Dividende oder Kapitalrückzahlungen an Anteilseigner genutzt werden kann.
    Obwohl der Cashflow (II) ebenso eine weitgehend von der Bilanzierungs- und Bewertungspolitik unabhängige Größe ist, kann diese im Regelfall wegen des Einbeziehens der erfolgsneutralen Veränderungen im Umlaufvermögen nicht unbeträchtlichen Schwankungen unterworfen sein (z.B. Ausgliederung der Vorratshaltung, Just-in-time-Fertigung, Factoring von Forderungen). Insoweit empfiehlt es sich trotz des umfassenden Konzeptes des Cashflow (II) stets auch den Cashflow (I) für Analysezwecke zu betrachten bzw. die wesentlichen Veränderungen im operativen Umlaufvermögen bzw. bei den operativen Verbindlichkeiten herauszustellen (vgl. Beispiel 3).
    Beispiel 3
    Gegeben sei folgender Ausschnitt aus der Bilanz:
    Bilanzposten 31.12.02 31.12.01
    Vorräte 120.000 320.000
    Forderungen aus LuL 50.000 350.000
    Aktiver Rechnungsabgrenzungsposten 70.000 50.000
    Verbindlichkeiten aus LuL 150.000 160.000
    Der Cashflow (I) beträgt - 150.000 GE. Weiterhin haben sich die Rückstellungen für ausstehenden Urlaub der Mitarbeiter von 50.000 GE (31.12.01) auf 75.000 GE (31.12.02) erhöht.
    Hieraus ermittelt sich der Cashflow (II) wie folgt:
      Cashflow (I) - 150.000
    + Verminderung der Vorräte 200.000
    + Verminderung der Forderungen aus LuL 300.000
    - Erhöhung aktiver Rechnungsabgrenzungsposten - 20.000
    - Verminderung der Verbindlichkeiten aus LuL - 10.000
    + Erhöhung der betrieblichen sonstigen Rückstellungen 25.000
    = Cashflow (II) 345.000
    In Periode 02 hat dieses Unternehmen einen positiven Cashflow (II) in Höhe von 345.000 GE erzielt. (Im vorliegenden Fall ist allerdings für Zukunftsprognosen die Verminderung der Vorräte und der Forderungen aus LuL auf Nachhaltigkeit zu analysieren.)
    3.2 Schuldentilgungsdauer
        Netto-Verschuldung am Bilanzstichtag
    Schuldentilgungsdauer (in Jahren) am Bilanzstichtag = -------------------------------------------------------
        Cashflow (I) in der Berichtsperiode
    Die Nettoverschuldung bestimmt sich wie folgt:
      Fremdkapital (ohne Sonderposten mit Rücklageanteil)
    - liquide Mittel
    - Forderungen aus LuL
    - erhaltene Anzahlungen
    = Nettoverschuldung
    Die Schuldentilgungsdauer gibt auf Basis der Verhältnisse eines Wirtschaftsjahres an, wie lange das Unternehmen benötigt, um - unter Berücksichtigung seiner vorhandenen Finanzmittel - die Verschuldung durch Tilgung mittels erzielter Cashflows abzubauen. Die Schuldentilgungsdauer ist eine stromgrößenorientierte Kennzahl zur Beurteilung der Liquidität eines Unternehmens, da der Bestandsgröße Nettoverschuldung die Stromgröße Cashflow (I) gegenübergestellt wird. Je niedriger die Schuldentilgungsdauer eines Unternehmens ist, um so geringer ist das finanzwirtschaftliche Risiko.
    Die Schuldentilgungsdauer ist trotz des Einbeziehens des Cashflow (I) nur eine Momentaufnahme, da die Schuldentilgungsdauer auf Basis des in der Periode erzielten Cashflow (I) errechnet wird. Aussagekräftiger, allerdings auch weniger verlässlich, wäre die Verwendung des für die Zukunft geplanten durchschnittlichen Cashflow (I) statt des in der aktuellen Berichtsperiode effektiven Cashflow (I).
    Weiterhin ist die Aussage der Kennzahl insoweit problematisch, da sie suggeriert, dass die ausschließliche Verwendung des Cashflow (I) in der Tilgung von Verbindlichkeiten besteht. Dementsprechend müssten im Zeitraum, in dem die Entschuldung des Unternehmens stattfindet, sämtliche Investitionen und Dividenden über Fremdkapital finanziert werden, was abermals zu einer zusätzlichen Verschuldung führen würde. Falls eine realistischere Aussage über die Schuldentilgungsdauer getroffen werden sollte, ist stattdessen im Nenner der Kennzahl Schuldentilgungsdauer vom Cashflow (I) der Betrag der Abschreibungen (= Re-Investitionen) und der Dividenden zu subtrahieren (so genannte modifizierte Schuldentilgungsdauer).
    Beispiel 4
    Aus der Bilanz zum Bilanzstichtag 31.12.01 ergeben sich folgende Daten:
    Fremdkapital: 1.500.000 GE
    Forderungen aus LuL: 200.000 GE
    Bank und Kasse: 50.000 GE
    Aus der GuV für die Periode vom 01.01.01 - 31.12.01 ist zu entnehmen:
    Jahresfehlbetrag: - 100.000 GE
    Abschreibungen: + 450.000 GE
    Aus den Angaben des Anhangs ist abzuleiten:
    Zuführung zu Pensionsrückstellungen: 150.000 GE
    Verlust aus dem Abgang des Anlagevermögens: 80.000 GE
    Weiterhin wurde aus den Rücklagen eine Dividende von 60.000 GE gezahlt.
    Hieraus errechnet sich eine Nettoverschuldung von 1.250.000 GE (= 1.500.000 GE Fremdkapital - 200.000 GE Forderungen aus LuL - 50.000 GE Bank und Kasse).
    Der Cashflow (I) beträgt 580.000 GE (-100.000 GE Jahresfehlbetrag + 450.000 GE Abschreibungen + 150.000 GE Zuführung zu den Pensionsrückstellungen + 80.000 GE Verlust aus dem Abgang des Anlagevermögens).
    4. Fazit
    Bei der Analyse auf Basis von Kennzahlen darf Folgendes nicht in Vergessenheit geraten. Viele Aspekte bleiben im Zahlenwerk unberücksichtigt, so beispielsweise die Qualität von Mitarbeitern, immaterielle Vermögensgegenstände, Know-how oder auch Rechte. Beachtet man diesen Aspekt, kann man jedoch mit Recht behaupten, die Analyse anhand von Kennzahlen ist ein brauchbares Instrument zur Beurteilung von Unternehmen.
    Quelle: Betriebswirtschaftliche Mandantenbetreuung - Ausgabe 05/2004, Seite 124
    Quelle: Ausgabe 05 / 2004 | Seite 124 | ID 109524