13.11.2008 | Ende des Arbeitsverhältnisses
Den Arbeitnehmer freistellen: So geht es richtig!
von RiArbG Dr. Guido Mareck, Iserlohn
Am Ende des Arbeitsverhältnisses vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer oft einverständlich eine Freistellung. Abgesehen vom gesetzlichen Anspruch auf Gewährung von Freizeit zur Suche einer neuen Stelle und den ggf. bestehenden Resterholungsansprüchen besteht kein zwingender Anspruch des Arbeitnehmers auf Freistellung bzw. Freizeitgewährung am Ende des Arbeitsverhältnisses. Gleichwohl liegt eine Freistellung oft im Interesse beider Parteien. Wenn kein Beschäftigungsbedarf mehr gegeben ist, ist der Arbeitgeber nicht an einer Weiterarbeit interessiert, aber daran, etwaige Urlaubs- oder sonstige Freistellungsansprüche nicht noch zusätzlich vergüten zu müssen. Dies gilt auch dann, wenn aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen gekündigt wurde und die Arbeitsvertragsparteien sich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist lieber „aus dem Weg gehen“ wollen. Der Beitrag stellt dar, wie mögliche Klippen im Arbeitsrecht durch den Arbeitgeber umfahren werden.
1. Die Freistellung zur Stellensuche
Im gekündigten Arbeitsverhältnis hat der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber einen gesetzlichen Anspruch auf Freistellung zur Suche eines neuen Arbeitgebers nach § 629 BGB. Diese Vorschrift soll ermöglichen, dass der Arbeitnehmer die Chance erhält, unmittelbar in eine neue Beschäftigung zu wechseln. Jedoch besteht der Anspruch nur bei dauernden Dienstverhältnissen und nach Ausspruch der Kündigung durch eine der Vertragsparteien. Der Kündigung sind dabei Aufhebungsverträge oder Befristungen gleichzustellen.
Für den Arbeitnehmer besteht dabei die Pflicht, sein Begehren auf Freistellung zur Arbeitsplatzsuche so rechtzeitig mitzuteilen, dass der Arbeitgeber sich auf das Fehlen der Arbeitskraft einstellen und durch Ausgleichsmaßnahmen betriebliche Beeinträchtigungen, wie Produktionsstörungen, vermeiden kann. Die Gewährung von angemessener Freizeit zur Stellensuche erfolgt gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen, wobei die beidseitigen Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers gegeneinander abzuwägen sind.
Nach § 616 BGB kann während dieser Zeit vom Arbeitgeber die Fortzahlung der Vergütung verlangt werden, soweit es sich um eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit handelt. Starre Grenzen lassen sich hier nach der Rechtsprechung nicht ziehen, zum Teil werden 13,75 Stunden schon als problematisch hinsichtlich der Angemessenheit angesehen (BAG AP Nr. 41 zu § 616 BGB), teilweise werden zumindest 5 Stunden ohne Weiteres für angemessen erachtet.
Praxistipp: Der Anspruch auf Gehaltsfortzahlung nach § 616 BGB ist durch Arbeitsvertrag oder Kollektivvereinbarung abdingbar. Will der Arbeitgeber von diesem Recht Gebrauch machen, empfiehlt sich folgende Formulierung:
Musterformulierung zum Gehaltsverzicht |
Bei der Freistellung zur Arbeitsplatzsuche nach § 629 BGB wird eine Vergütung nach § 616 BGB nicht gezahlt, sofern dies nicht durch eine tarifvertragliche oder in einer gültigen Betriebsvereinbarung befindliche Regelung ausdrücklich anders geregelt ist. |
2. Die einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber
Da grundsätzlich die Pflicht des Arbeitgebers besteht, den Arbeitnehmer während des bestehenden Arbeitsverhältnisses vertragsgerecht zu beschäftigen, ist eine Freistellung oder Suspendierung des Arbeitnehmers bis zum Ende der Kündigungsfrist gegen dessen Willen unzulässig. Selbst bei Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes ist der Arbeitgeber verpflichtet, ggf. einen anderen geeigneten Arbeitsplatz zuzuweisen (vgl. LAG Köln 24.10.95, NZA-RR 96, 108).
Eine Freistellung gegen den Willen des Arbeitnehmers ist nur möglich, wenn ein „billigenswerter Grund“ vorliegt. Solche Gründe können insolvenzspezifischer Natur sein, im Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder im Wegfall der Vertrauensgrundlage, insbesondere bei
leitenden Angestellten, liegen.
In der Praxis bedeutender ist hingegen die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Erbringung der Arbeitsleistung freistellt und dieser sich nicht gegen diese „einseitige“ Freistellung wehrt. In diesen Fällen wird ohne weitere Aktivitäten des Arbeitnehmers niemand prüfen, ob denn für die einseitige Freistellung tatsächlich zwingende Gründe vorhanden waren.
Problematisch im Rahmen der Freistellung des Arbeitnehmers bei Ende des Arbeitsverhältnisses ist, ob diese widerruflich oder unwiderruflich erfolgen soll. Insofern weichen die Formulierungen der entsprechenden Freistellungsklauseln in Abwicklungs- oder Aufhebungsvereinbarungen geringfügig von einander ab.
Für die unwiderrufliche Freistellung spricht, dass nur durch sie eine Urlaubsanrechnung möglich ist und der Arbeitgeber so die Resturlaubs- oder sonstigen Freistellungsansprüche des Arbeitnehmers zum Erlöschen bringen kann. Bei der widerruflichen Freistellung behält der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch (BAG 14.3.06, 9 AZR 11/05, Abruf-Nr. 061395). Dies wird vor allem damit begründet, dass der Arbeitnehmer, der während der Freistellung damit rechnen muss, wieder zur Arbeit gerufen zu werden, seine Freizeit nicht uneingeschränkt nutzen kann. Ihm verbleibt daher ein Anspruch auf Abgeltung des nicht erfüllten Resterholungsurlaubs.
Hingegen hat auch die unwiderrufliche gegenüber der widerruflichen Freistellung einen Pferdefuß. Nur bei der widerruflichen Freistellung läuft das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis bis zum Ende der Vertragslaufzeit weiter. Nach Auffassung der Sozialversicherungsträger endet dagegen bei einer unwiderruflichen Freistellung das versicherungs-pflichtige Beschäftigungsverhältnis bereits mit dem letzten Arbeitstag (Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 5./6.7.05; Abruf-Nr. 061541). Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer mit Beginn der unwiderruflichen Freistellung trotz des noch wirksamen Arbeitsvertrages kein Pflichtmitglied der Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung mehr ist.
Wer nun als Arbeitgeber denkt, hierdurch habe er persönlich keine Nachteile, vergisst, dass auch dem Arbeitgeber durch den Arbeitnehmer im Hinblick auf den Wegfall der Sozialversicherungspflicht Schadenersatzansprüche drohen können. Diese Konsequenzen lassen sich schwer im
Voraus abschätzen. Anzumerken ist zudem, dass die Auffassung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger sich nicht auf die Freistellung durch Urteil oder Vergleich vor dem Arbeitsgericht bezieht.
Eine generell oft benutzte Klausel im Rahmen von Aufhebungs- und Abwicklungsvereinbarungen zur unwiderruflichen einseitigen Freistellung lautet:
Musterformulierung einer unwiderruflichen einseitigen Freistellung |
Der Arbeitnehmer wird hiermit unwiderruflich unter Anrechnung sämtlicher etwaiger bestehender Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zum xx.xx.xxxx von der Arbeitsleistung freigestellt. |
Im Rahmen des o.g. ist die sicherste Alternative hingegen nicht die unwiderrufliche, sondern die widerrufliche Freistellung, da die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen für beide Seiten unangenehm sein können. Der Resterholungsurlaub muss hingegen, wenn der Arbeitgeber nicht dessen Abgeltung in Kauf nehmen will, gesondert gewährt werden. Eine solche Gewährung durch den Arbeitgeber ist zumindest dann wirksam, wenn der Arbeitnehmer nicht widerspricht.
Insofern empfiehlt sich in der Praxis für außergerichtliche Vereinbarungen folgende Formulierung:
Musterformulierung für eine außergerichtliche Vereinbarung |
Hiermit wird dem/der Arbeitnehmer/in ... vom ... bis zum ... der zustehende Resterholungsurlaub erteilt (darüber hinaus wird im Zeitraum vom ... bis zum ... Arbeitsfreistellung zur Abgeltung des Arbeitszeitguthabens gewährt). Vom ... bis zum ... wird der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin widerruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. In diesem Zeitraum hat sich der/die Arbeitnehmer/in für eventuelle Rest- und Abwicklungsarbeiten auf Abruf zur Verfügung zu halten. |
3. Die einvernehmliche Freistellung
Eine Freistellung kann ohne Weiteres auch einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag oder bereits im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Auch hier ist sowohl eine widerrufliche, als auch eine unwiderrufliche Freistellung möglich. Die in diesem Zusammenhang entstehenden Probleme bei der Abwicklung des Resterholungsurlaubes und der Sozialversicherungspflicht des Arbeitnehmers sind die gleichen wie bei der einseitigen Freistellung.
Die einvernehmliche Freistellung hat hingegen den Vorteil, dass sich der Arbeitnehmer, der ja mit der Suspendierung des Arbeitsverhältnisses einverstanden ist, nicht hiergegen gerichtlich oder außergerichtlich zur Wehr setzen wird. Eine typischerweise in Arbeitsverträgen verwendete Klausel im Zusammenhang mit der künftigen Freistellung lautet:
Musterklausel für eine mögliche künftige Freistellung |
Dem Arbeitgeber bleibt es vorbehalten, im Zusammenhang mit einer Kündigung den Arbeitnehmer widerruflich oder unwiderruflich und unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen und Ansprüchen auf Arbeitsbefreiung von der Pflicht zur Arbeitsleistung freizustellen. |
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass auch eine solche antizipierte Freistellungsmöglichkeit des Arbeitgebers bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages nach den §§ 305 ff. BGB als Klausel eines Formulararbeitsvertrages auf „unangemessene Benachteiligung“ des Arbeitnehmers hin überprüfbar ist. Aus Gründen der Vorsicht kann daher der Klausel, da fraglich ist, ob allein die Kündigung einen ausreichenden Grund zur Freistellung bietet, folgender Text beigefügt werden:
Ausschluss einer „unangemessenen Benachteiligung“ |
Die Freistellung erfolgt, wenn ein sachlicher Grund, wie Auftragsmangel, ein grober Verstoß des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin gegen arbeitsvertragliche Pflichten, insbesondere gegen die Pflichten aus §§ ... des Arbeitsvertrags, Gefahr des Wechsels zu einem Konkurrenzunternehmen, vorliegt. |
4. Die Vergütungspflicht im Rahmen der Freistellung
In einem aktuellen Urteil vom 23.1.08 hat der 5. Senat des BAG klargestellt, dass eine Freistellungsvereinbarung grundsätzlich nur zur Aufhebung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers führt und keinen Entgeltanspruch des Arbeitnehmers unabhängig von gesetzlichen, tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Voraussetzungen begründet. Anderes muss ausdrücklich in der Freistellungsvereinbarung geregelt sein (BAG 23.1.08, 5 AZR 393/07, NJW 08, 1550 ff.). In dem Urteil wird ausdrücklich betont, dass die Entgeltfortzahlung während der Freistellungsphase voraussetzt, dass der Arbeitnehmer die gesetzlichen, tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Voraussetzungen eines Entgeltanspruchs ohne Arbeitsleistung erfüllt. In der Regel wird sich ein solcher Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber aus § 615 BGB ergeben, da der Arbeitgeber mit der Aufhebung der Arbeitspflicht auf das Angebot der Arbeitsleistung verzichtet.
Der Arbeitnehmer muss hingegen zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung fähig sein. Bei Leistungsunfähigkeit über das Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums hinaus, schuldet der Arbeitgeber ohne besondere Vereinbarung grundsätzlich keine Vergütung wegen Annahmeverzuges. Hier hat der Arbeitgeber als Gläubiger die Beweislast für die
Arbeitsunfähigkeit zu tragen (BAG, EzA BGB 2002, § 615 Nr. 2).
5. Wettbewerbsverbot während der Freistellungsphase
Grundsätzlich regelt § 60 Abs. 1 HGB, dass während eines bestehenden
Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber keine direkte Konkurrenz machen darf. Die Vorschrift ist nämlich auf Arbeitsverhältnisse entsprechend anzuwenden.
Nach Auffassung des BAG verzichtet aber der Arbeitgeber, der mit seinem Arbeitnehmer nach Kündigung für die Beendigungsphase des Arbeitsverhältnisses eine Freistellung vereinbart, auf das handelsrechtliche Wettbewerbsverbot.
Um sicherzustellen, dass eine Konkurrenztätigkeit während der Freistellungsphase seitens des Arbeitnehmers nicht erfolgt, empfiehlt es sich bei entsprechend „empfindlichen“ Arbeitsverhältnissen, dies durch eine ausdrückliche Wettbewerbsklausel für die Freistellung zu sichern, falls nicht ohnehin schon eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede mit entsprechender Karenzentschädigungsvereinbarung besteht.
Eine Musterformulierung könnte etwa so aussehen:
- Sofern Sie vor Vertragsende für ein Konkurrenzunternehmen tätig werden wollen, bedarf dies unserer vorherigen ausdrücklichen Zustimmung oder
- vor Ablauf der Kündigungsfrist ist dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen (bzw. für das Konkurrenzunternehmen XYZ) verboten.
Auch hier gilt, dass sowohl bei der Formulierung des Wettbewerbsverbotes während der Freistellungsphase als auch bei der Vereinbarung einer absichernden Vertragsstrafe das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu beachten ist und unangemessene Benachteiligungen nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB untersagt sind.
Hierauf ist bei der Höhe der Vertragsstrafe (Faustregel: Allenfalls ein Bruttomonatseinkommen für einen konkret beschriebenen Verstoß, vgl. LAG Köln13.7.06, 6 Sa 367/06, BB 07, 333) und der Festlegung dessen, was verbotene Konkurrenztätigkeit sein soll, zu achten. Besser ist es daher, die ausgeübten Tätigkeiten, die eine Konkurrenztätigkeit darstellen sollen, zur Klarstellung (ggf. in Form einer Anlage) in die Klausel einzubeziehen.
Hier ist – je nach Branche und Schwerpunkt des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin – die Kreativität des Arbeitgebers bei der Formulierung gefragt.