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  • Kostenrechnung
    Die Ermittlung des optimalen Produktionsprogramms
    von Dipl.-Kfm. Dr. Torsten Mindermann, Düsseldorf
    Der Beitrag vergleicht an einem Beispiel die kurzfristige Produktionsprogrammplanung bei freien Kapazitäten mit Hilfe der Vollkostenrechnung und mit Hilfe der Teilkostenrechnung. Er zeigt dabei die Probleme auf, die bei der Optimierung des Produktionsprogramms auf Basis einer Vollkostenrechnung entstehen.
    1. Vorbemerkung
    Die Kostenrechnungssysteme Vollkostenrechnung und Teilkostenrechnung unterscheiden sich voneinander hinsichtlich des Umfanges der verrechneten Kosten. Mit beiden Systemen lässt sich z.B. der Betriebserfolg von Produktionsprogrammen ermitteln. Dient jedoch das jeweilige Kostenrechnungssystem als Entscheidungskriterium für die Wahl des optimalen Produktionsprogramms, ist von der Entscheidung auf Basis der Vollkostenrechnung abzusehen. Die Vollkostenrechnung wird bei einem Preis unter den Selbstkosten immer eine Ablehnung empfehlen.
    Diese Ablehnung ist jedoch objektiv falsch, wie das folgende Beispiel zeigen wird.Die Vollkostenrechnung beruht auf der Vorstellung, dass bei Verzicht auf die Produktion auch die fixen Kosten vermieden werden können. Abschreibungen, Mieten und Gehälter fallen jedoch unabhängig davon an, ob produziert wird oder nicht.
    2. Fallstudie
    Ein Sportartikelhersteller produziert in seinem Einzelunternehmen Fußballschuhe in verschiedenen Preiskategorien. Bisher stellt er monatlich vier Modelle in unterschiedlichen Mengen her, die auch wegen der großen Nachfrage abgesetzt werden konnten. Die Daten zu den Kosten entstammen der Kosten- und Leistungsrechnung.
    Tab. 1: Ermittlung der Fixkosten
    Zeile Modell 1 2 3 4 Summen
    1 Preis pro Stück (EUR) 225 450 600 700  
                 
    2 hergestellte und abgesetzte Menge 180 275 260 125  
    3 Selbstkosten pro Stück (EUR) 250 350 500 575  
    4 Gesamtkosten (EUR) (2 x 3) 45.000 96.250 130.000 71.875 343.125
    5            
    6 variable Kosten pro Stück (EUR) 100 200 250 325  
    7 Variable Gesamtkosten (EUR) (2 x 6) 18.000 55.000 65.000 40.625 178.625
                 
    8 Fixkosten (EUR) (Summe 4 ./. Summe 7)         164.500
    Hinweis: Im Online-Service (www.iww.de) können Sie ein Excel-Tableau herunterladen und die Fallstudie nachvollziehen bzw. selbst variieren.
    3. Ermittlung des Betriebserfolgs
    Beide Kostenrechnungssysteme liefern denselben Betriebserfolg:
  • In der Vollkostenrechnung werden in der Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung alle angefallenen Kosten (d.h. variable und fixe Kosten) berücksichtigt.
  • Die Teilkostenrechnung verzichtet auf die Verrechnung der Fixkosten auf die einzelnen Kostenträger. Den Kostenträgern werden nur die variablen Kosten zugerechnet, während die Fixkosten als Block bestehen bleiben und von allen Produktmodellen gemeinsam abgezogen werden. Bezieht man neben der Kosten- auch die Erlösseite in die Betrachtungen ein und stellt dann den Produktpreis den durch das Produkt verursachten variablen Kosten gegenüber, so erhält man den Deckungsbeitrag. Dieser gibt den Betrag an, den das Produkt zur Deckung der fixen Kosten leistet.
    Tab. 2: Betriebserfolg
      1. Vollkostenrechnung
    Zeile Modell 1 2 3 4
    1 Preis (EUR) 225 450 600 700
    2 Selbstkosten pro Stück (EUR) 250 350 500 575
    3 Erfolg pro Stück (EUR) (1 ./. 2) -25 100 100 125
    4 abgesetzte Menge 180 275 260 125
    5 Erfolg pro Modell (EUR) (3 x 4) -4.500 27.500 26.000 15.625
    6 Betriebserfolg (EUR) (Summen Modell 1 - 4) 64.625
     
      2. Teilkostenrechnung
    Zeile Modell 1 2 3 4
    1 Preis (in EUR) 225 450 600 700
    2 variable Kosten pro Stück 100 200 250 325
    3 Deckungsbeitrag pro Stück (EUR) (1 ./. 2) 125 250 350 375
    4 abgesetzte Menge 180 275 260 125
    5 Deckungsbeitrag pro Modell (EUR) (3 x 4) 22.500 68.750 91.000 46.875
    6 Summe Deckungsbeiträge je Modell (EUR) 229.125
    7 Fixkosten (EUR) (Tab. 1) 164.500
    8 Betriebserfolg (in EUR) (6 ./. 7) 64.625
    4. Ermittlung des optimalen Produktionsprogramms
    Bisher waren die Absatzmengen vorgegeben. Der Sportartikelhersteller kommt nach einer Marktforschung zu dem Ergebnis, dass er noch mehr Schuhe je Modell absetzen könnte (Höchstmengen). Allerdings muss er auf Grund bestehender Lieferverträge auch monatlich bestimmte Mindestmengen an die Vertriebspartner liefern.
    Tab. 3: Absatzmengen
    Modell 1 2 3 4
    absetzbare Höchstmenge 200 350 300 150
    bislang abgesetzte Menge 180 275 260 125
    Mindestmengen 75 150 200 50
    Gesucht ist nun das optimale Produktionsprogramm:
  • In der Vollkostenrechnung stützt sich die Entscheidung auf die Spanne zwischen dem Stückpreis und den Selbstkosten pro Stück. Somit würde man bei Anwendung der Vollkostenrechnung zu dem Ergebnis kommen, dass Modell 1 auf die Mindestabsatzmenge zu reduzieren ist, da sich hier ein negativer Stückerfolg von 25 EUR ergibt. Die anderen drei Modelle sind auf die Höchstmenge auszuweiten, da sich hier ein positiver Stückgewinn ergibt.
  • In der Teilkostenrechnung wird die Entscheidung anhand des De-ckungsbeitrags je Stück getroffen. Die Produktions- und Absatzausweitung der jeweiligen Modelle ist immer dann vorteilhaft, wenn der Deckungsbeitrag positiv ist. Da bei allen vier Produktmodellen der Deckungsbeitrag positiv ist, kommt man bei der Teilkostenrechnung zu dem Ergebnis, die Produktion bei allen Modellen bis zu den jeweiligen höchstmöglichen Absatzmengen auszuweiten.
    Bei einer Entscheidung auf Basis der Teilkostenrechnung wird ein um 27.375 EUR höherer Betriebserfolg (109.250 EUR ./. 81.875 EUR) erzielt.
    Tab. 4: Optimales Produktionsprogramm
      1. Vollkostenrechnung
    Zeile Modell 1 2 3 4
    1 Preis (EUR) 225 450 600 700
    2 Selbstkosten pro Stück (EUR) 250 350 500 575
    3 Nettoerfolg pro Stück (EUR) (1 ./.2) -25 100 100 125
    4 hergestellte Menge 75 350 300 150
    5 Erfolg pro Modell (EUR) (3 x 4) -1.875 35.000 30.000 18.750
    6 Betriebserfolg (EUR) (Summen Modell 1 - 4) 81.875
     
      2. Teilkostenrechnung
    Zeile Modell 1 2 3 4
    1 Preis (EUR) 225 450 600 700
    2 variable Kosten pro Stück (EUR) 100 200 250 325
    3 Deckungsbeitrag pro Stück (EUR) (1 ./. 2) 125 250 350 375
    4 hergestellte Menge 200 350 300 150
    5 Deckungsbeitrag pro Modell (EUR) (3 x 4) 25.000 87.500 105.000 56.250
    6 Summe Deckungsbeiträge je Modell (EUR) 273.750
    7 Fixkosten (EUR) (Tab. 1) 164.500
    8 Betriebserfolg (EUR) (6 ./.7) 109.250
    Fazit: Der Gedankenfehler der Vollkostenrechnung liegt darin, dass mit der Reduzierung des Produktionsvolumens bei Modell 1 nicht eine entsprechende Senkung der vollen Selbstkosten einhergeht. Denn die vollen Selbstkosten beinhalten auch fixe Kosten, die bei einer Produktionseinschränkung nicht sofort wegfallen. Daher ist der Deckungsbeitrag für kurzfristige betriebliche Entscheidungen über das Produktionsprogramm ohne Kapazitätsengpässe die relevante Kenngröße. Zu beachten ist dabei, dass der Deckungsbeitrag keinen Nettogewinn darstellt, sondern vielmehr einen Bruttogewinn, aus dem noch die Fixkosten gedeckt werden müssen.
    Quelle: Betriebswirtschaftliche Mandantenbetreuung - Ausgabe 10/2003, Seite 278
    Quelle: Ausgabe 10 / 2003 | Seite 278 | ID 109473