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  • Quicktest
    Schnell einen Überblick verschaffen
    von StB Dipl.-Kfm. Claus Koss, EMBSc, Regensburg
    Sagt der Meister zum Lehrling: "Jetzt gehen wir einmal pleite, damit Du das auch einmal lernst." Traurig genug: Dieses Lehrgeld haben im vergangenen Jahr 32.278 Unternehmen bezahlt. Für 2002 wird mit über 40.000 Unternehmen ein neuer Höchststand an Insolvenzen erwartet. Die Bilanzanalysten haben daher immer wieder versucht, Kennzahlen zu entwickeln, die die Insolvenzwahrscheinlichkeit voraussagen sollen. Ein kompakter Ansatz ist der so genannte Quicktest. Anhand von vier Kennzahlen wird beurteilt, ob ein Unternehmen insolvenzgefährdet ist.
    1. Vom Sinn des Quicktests
    Ein Quicktest sollte nicht für sich alleine genommen werden. Er ist aber ein guter Ausgangspunkt für die Ursachenforschung. Wichtig ist die Beobachtung der Kennzahlen über einen gewissen Zeitraum. Denn dann lassen sich Entwicklungen erkennen. Sinkt beispielsweise die Eigenkapitalquote beständig, lebt das Unternehmen von seiner Substanz. Das kann für ein bis zwei Jahre akzeptabel, aber kein Dauerzustand sein. Steigt die Schuldentilgungsdauer konstant Richtung 30 Jahre, verengt sich der finanzielle Spielraum der Unternehmensleitung. Gleiches gilt bei einem sinkenden Cash-Flow. Das Unternehmen wird dadurch immer abhängiger von Fremdkapitalgebern.
    2. Die Beurteilungsskala
    Wie bei Schulnoten werden anhand folgender Skala die Unternehmen bewertet.
      Sehr gut Gut Mittel Schlecht Insolvenz-
    gefährdet
      1 2 3 4 5
    Eigenkapitalquote (%) > 30 > 20 > 10 < 10 Negativ
    Schuldentilgungsdauer (Jahre) < 3 < 5 < 12 > 12 > 30
    Gesamtkapitalrentabilität > 15 > 12 > 8 < 8 Negativ
    Cash Flow im Verhältnis zur Betriebsleistung (%) > 10 > 8 > 5 < 5 Negativ
    Aussagekräftig wird die für jeden Stichtag ermittelte "Note" allerdings erst im Zeitvergleich von mindestens drei bis fünf Jahren. Bei einem Unternehmen, das von "Sehr gut" auf "Schlecht" abrutscht, sollten beim Berater die "Alarmglocken läuten". Neben diesem internen Betriebsvergleich sollten die Werte mit den Durchschnittswerten der Branche verglichen werden (externer Betriebsvergleich).
    3. Kennzahlen zur finanziellen Stabilität
    Insolvent ist ein Unternehmen bei Überschuldung (für Kapitalgesellschaften) oder bei Zahlungsunfähigkeit. Frühindikatoren hierfür sind die Kennzahlen zur finanziellen Stabilität: die Eigenkapitalquote und die Schuldentilgungsdauer.
    3.1 Eigenkapitalquote
    Die Eigenkapitalquote berechnet den Anteil der Anteilseigner am Vermögen:
    Je höher die Eigenkapitalquote ist, desto mehr "Kapitalpuffer" hat das Unternehmen im Krisenfall. Ob die Finanzierung mit Eigenkapital betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt.
    Bei Unternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft zählen neben dem Gezeichneten Kapital/Stammkapital auch die Rücklagen zum Eigenkapital. Für die Bilanzanalyse kann auch der Sonderposten mit Rücklageanteil anteilig hinzugerechnet werden. Denn der Sonderposten setzt sich aus einem Teil Eigenkapital und der darauf entfallenden Steuerbelastung zusammen. Der Anteil hängt vom zukünftigen Steuersatz ab - aus Vereinfachungsgründen können 50 Prozent gewählt werden. Gesellschafterdarlehen können nur hinzugerechnet werden, wenn diese Eigenkapitalcharakter haben (partiarische Darlehen).
    Schwierig wird die Bestimmung des Eigenkapitals bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften (GbR, Offene Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaften). Hat der Inhaber hohe Entnahmen getätigt, ist die Eigenkapitalquote negativ. Wurden die Entnahmen nicht privat verbraucht, sondern stehen weiterhin zur Verfügung, ist diese negative Eigenkapitalquote nicht unbedingt bedenklich. Denn der Inhaber kann das Vermögen im Krisenfall wieder zur Verfügung stellen.
    Beispiel
    Ein Bauunternehmer hat Entnahmen getätigt, um davon Grundstücke für seine Altersversorgung zu kaufen. Das Kapitalkonto ist dadurch auf der Aktivseite auszuweisen. Die Eigenkapitalquote ist daher negativ. Die finanzielle Stabilität ist trotzdem gegeben. Denn im Krisenfall stünde dieses Vermögen zur Verfügung. Anders ist eine negative Eigenkapitalquote zu beurteilen, wenn den Entnahmen privater Konsum gegenübersteht. Denn dieses Vermögen steht im Krisenfall nicht mehr zur Verfügung.
    Die so genannten "Stillen Reserven" gehören nicht zum Eigenkapital. Da diese schwierig zu ermitteln sind, wird ausschließlich mit dem bilanziellen Eigenkapital gerechnet.
    Zum Vergleich: Die Deutsche Bundesbank gibt für alle deutschen Unternehmen die durchschnittliche Eigenkapitalquote mit rund 17 Prozent an. Diese entspricht in der Notenskala "2,5" ("mittel" bis "gut"). Für die Baubranche (Hoch- und Tiefbau) haben die Sparkassen eine durchschnittliche Eigenkapitalquote von weniger als vier Prozent ermittelt. In den Kategorien des Quicktest entspricht dies einer Bewertung von "schlecht" bis "insolvenzgefährdet".
    3.2 Schuldentilgungsdauer
    Die Schuldentilgungsdauer zeigt, wie viele Jahre ein Unternehmen unter sonst gleichen Bedingungen brauchen würde, um seine Schulden (Fremdkapital ohne flüssige Mittel) aus dem Cash-Flow vollständig zu tilgen. Mit anderen Worten: Wie weit reicht die Innenfinanzierungskraft des Unternehmens um die Schulden zu bezahlen?
    Unter Fremdkapital werden hierbei die auf der Passivseite ausgewiesenen Verbindlichkeiten und die Rückstellungen verstanden, unter flüssigen Mitteln die Kassen- und Bankbestände, Schecks sowie liquide Wertpapiere des Umlaufvermögens (z.B. Geldmarktfonds). Das Fremdkapital kann auch nach der Formel:
    Gesamtkapital (Bilanzsumme) ./. Eigenkapital
    berechnet werden.
    4. Kennzahlen zur Ertragskraft
    Unternehmen sollten nachhaltig mehr Erträge erwirtschaften als sie Aufwendungen haben. Denn aus den Erträgen fließt die Liquidität, mit der neben den Gläubigern auch die Eigenkapitalgeber bezahlt werden.
    4.1 Cash-Flow und Betriebsleistung
    Bekannteste Messgröße für die Liquidität ist der Cash-Flow. Dieser repräsentiert den Finanzmittelzu- und -abfluss in einem Unternehmen. Es gibt keine einheitliche Definition des Cash-Flows. Durchgesetzt hat sich die Ermittlung nach der so genannten "indirekten Methode":
      Jahresüberschuss (Jahresfehlbetrag)
    + Summe Abschreibungen im Geschäftsjahr
    + Summe Zuführung zu langfristigen Rückstellungen im Geschäftsjahr
    + Summe Auflösung/Verbrauch langfristiger Rückstellungen Vorjahre
    = Cash-Flow
    Durch diese Rechenoperationen werden die nicht zahlungswirksamen Aufwendungen aus dem Jahresergebnis eliminiert. Die Abschreibungen beinhalten auch die Sofortabschreibung von Geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG) und steuerrechtliche Sonder-AfA. Zu den langfristigen Rückstellungen gehören insbesondere die Pensionsrückstellungen. Bei Unternehmen mit langfristigen Gewährleistungsrückstellungen (zum Beispiel bei Bauunternehmen oder Bauträger) ist der langfristige Anteil der Gewährleistungsrückstellungen ebenfalls hinzuzurechnen. Dieser ist gegebenenfalls zu schätzen.
    Beispiel
    Die Gewährleistungsfrist eines Unternehmens beträgt fünf Jahre. Als kurzfristig können drei Fünftel (3/5) angenommen werden. Der Rest der Zuführung kann zum Cash-Flow hinzugerechnet werden.
     Weitere Beispiele für langfristige Rückstellungen sind Rückstellungen für Rücknahmeverpflichtungen von Altautos und ähnliche Sachverhalte.
    Die Betriebsleistung umfasst neben den Umsatzerlösen auch die Bestandsveränderung bei den unfertigen/fertigen Erzeugnissen/Leistungen:
      Umsatzerlöse
    +/./. Bestandsveränderungen unfertige/fertige Erzeugnisse/Leistungen
    + Andere aktivierte Eigenleistungen
    = Betriebsleistung
    Der Grund für die Einbeziehung der Bestandsveränderung ist, dass es sich um Leistungen des Unternehmens handelt. Diese Leistungen sind jedoch noch nicht auf dem Markt realisiert. Bei den anderen aktivierten Eigenleistungen handelt es sich um Gegenbuchungen selbsterstellten Anlagevermögens.
    4.2 Gesamtkapitalrentabilität
    Die Gesamtkapitalrentabilität gibt die Verzinsung des insgesamt eingesetzten Kapitals an, indem das Betriebsergebnis (= Gewinn vor Steuern) zuzüglich der Fremdkapitalzinsen ins Verhältnis zum Gesamtkapital (= Bilanzsumme) gesetzt wird. Sie zeigt, wie effektiv die Aufnahme von Fremdkapital ist. Günstig ist die Aufnahme von Fremdkapital, wenn der Zins für Fremdkapital kleiner ist als die Gesamtkapitalrentabilität des Unternehmens bzw. wenn die Rentabilität des Eigenkapitals größer ist als die des Fremdkapitals. Kritisch wird es, wenn die Gesamtkapitalrentabilität unter den Fremdkapitalzins sinkt.
    Beispiel
    Liegt die Gesamtkapitalrentabilität unter 1 Prozent, hätte der Unternehmer sein Kapital besser auf einem Sparbuch angelegt. Denn dieses hätte sicher mehr als ein Prozent Rendite gebracht.
    4.3 Cash-Flow im Verhältnis zur Betriebsleistung
    Wird der Cash-Flow ins Verhältnis zur Betriebsleistung gesetzt,
    zeigt sich, wie zahlungswirksam das operative Ergebnis ist. Insbeson-dere bei anlageintensiven Unternehmen wird der Jahresüberschuss/-fehlbetrag stark durch die Abschreibungen beeinflusst. Auch machen (steuerlich motivierte) Sonderabschreibungen kein Unternehmen schlecht, sondern eher ertragsstark.
    5. Eignung des Quicktests bei der Unternehmensanalyse
    Die vier Kennzahlen des "Quicktests" haben einen entscheidenden Vorteil: Sie führen schnell zu einer Beurteilung der finanziellen Lage des Unternehmens. In Kennzahlen steckt jedoch stets das Risiko einer Fehlbeurteilung:
    1.Kennzahlen sind nur so gut wie der zu Grunde liegende Jahresabschluss. Buchungsfehler und das Ausnutzen von Schätzspielräumen können die Aussage verzerren. Werden beispielsweise Abschreibungen auf den niedrigeren beizulegenden Wert (Niederstwertprinzip) nicht vorgenommen, sieht ein ertragsschwaches Unternehmen ertragsstark aus. Gleiches gilt für die Umsätze: jede Forderung wirkt sich positiv auf die Kennzahlen aus. Bleibt der Zahlungseingang aus, nützt auch die beste Kennzahl nichts.
    Gleiches gilt für den Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses: veraltete Zahlen sagen über den aktuellen Zustand des Unternehmens nicht viel aus. In der Regel wird der Jahresabschluss im September des Folgejahres erstellt. Dann sind schon drei Viertel des nächsten Jahres vergangen, und die Ertragslage kann sich verändert haben.
    2.Mit bilanzpolitischen Maßnahmen lassen sich Kennzahlen drehen und wenden, wie sie benötigt werden.
    Aktiviert das Unternehmen die Vorräte zu Vollkosten, drehen sich alle Kennzahlen ins Positive. Durch die Bewertung zu Teilkosten lässt sich die Kennzahl schlechter darstellen als es eigentlich ist. Der Ansatz von Rückstellungen mit Teilkosten, die Wahl eines höheren Rechnungszinsfusses lassen die Rückstellungen sinken.
    3.Gestaltungen lassen ebenfalls die Beurteilung besser werden: beim "Sale and Lease-Back" verschwinden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten aus der Bilanz. Die Abschreibungen werden niedriger, da nur mehr die monatlichen Leasingraten anfallen. Bei überwiegend fremdfinanzierten Investitionen verbessert sich die Eigenkapitalquote, wenn die Erträge aus dem Verkauf zur Schuldentilgung verwendet werden.
    Ähnliches gilt bei Ausweiswahlrechten: werden die erhaltenen Anzahlungen von den Vorräten aktivisch abgesetzt, sinkt die Bilanzsumme und damit (unter sonst gleichen Bedingungen) die Eigenkapitalquote.
    4.Auch sind alle Bilanzkennzahlen stichtagsbezogen. Ein großer Zahlungseingang vor dem Stichtag und eine Verzögerung der Zahlungen bis nach dem Stichtag lassen die Flüssigen Mittel steigen und die Schuldentilgungsdauer sinken - ohne dass sich die Finanzlage des Unternehmens tatsächlich verbessert hätte.
    6. Maßnahmen zum Gegensteuern
    Bei einer schlechten Beurteilung im Quicktest ist es wie bei schlechten Noten in der Schule: zum Gegensteuern ist es nie zu früh. Das Patentrezept gibt es allerdings nicht.
    Was Unternehmen tun können:
    1.Die Rentabilität durch Kostensenkungen verbessern. Die Marktpreise können in den wenigstens Fällen durch das Unternehmen beeinflusst werden. Also muss an der anderen Stellgröße gedreht werden. Das bedeutet nicht notwendigerweise Entlassungen, sondern der effiziente Einsatz des Personals.
    2.Die Liquidität im Auge behalten: Ein Umsatz ist erst dann gut, wenn das Geld eingeht. Konsequentes Forderungsmanagement ist daher angesagt.
    Finanzierungsmethoden wie Leasing oder Factoring bringen kurzfristig finanzielle Entlastung, da sie die Liquidität kurzfristig erhöhen. Langfristig sind sie jedoch mit finanziellen Belastungen verbunden. Unternehmen sollten daher vorher rechnen, ob sich die Maßnahmen auch für das Unternehmen rechnen.
    3.Ertragsorientiertes Unternehmensmanagement hat noch keinem Unternehmen geschadet. Je weniger das Unternehmen von Fremdkapitalgebern abhängig ist, desto mehr bleibt auch für die Anteilseigner.
    Quelle: Betriebswirtschaftliche Mandantenbetreuung - Ausgabe 08/2002, Seite 189
    Quelle: Ausgabe 08 / 2002 | Seite 189 | ID 109392