· Fachbeitrag · Größenklassen
Erhöhung der monetären Schwellenwerte und die (zahlreichen) Folgen
von Prof. Dr. Hanno Kirsch, Meldorf
| Durch das „Zweite Gesetz zur Änderung des DWD-Gesetzes sowie zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften" (BGBl I 24, Nr. 120) wurden die monetären Schwellenwerte für die Größenklassifizierung im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften und für die größenabhängige Befreiung von der Konzernrechnungslegung deutlich angehoben. Der Beitrag zeigt, welche Folgen das für die Jahres- und Konzernabschlüsse haben kann. |
1. Hintergrund
Grundlage für die Erhöhung ist die auf Art. 3 Abs. 13 der Bilanzrichtlinie (Richtlinie 2013/34/EU) gestützte Überprüfung der in der Bilanzrichtlinie (Art. 3 Abs. 1 bis 7) enthaltenen Schwellenwerte zwecks Vornahme einer inflationsbedingten Anpassung. Hierauf gestützt hat die EU mit der Delegierten Richtlinie (EU) 2023/2775 der Kommission vom 17.10.23 (ABl. EU L 21.12.23, S. 1) die monetären Schwellenwerte für kleine, mittlere und große Unternehmen jeweils um 25 % angepasst, für Kleinstunternehmen wurden sie sogar um knapp 29 % erhöht (vgl. Art. 1 der Delegierten Richtlinie [EU] 2023/2775).
Mit dem „Zweiten Gesetz zur Änderung des DWD-Gesetzes sowie zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften" (BGBl I 24, Nr. 120) wurde diese Erhöhung in deutsches Recht umgesetzt. Zudem wurde auch von dem Wahlrecht zur rückwirkenden Anwendung nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 3 der Delegierten Richtlinie (EU) 2023/2775 Gebrauch gemacht.
2. Erhöhung der Größenkriterien und Regelanwendung
2.1 Jahresabschluss
Die für die Aufstellung, Offenlegung und Prüfung von Jahresabschlüssen und Lageberichten von Kapitalgesellschaften und den diesen gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften i. S. d. § 264a HGB relevante Größenklassifizierung regeln die §§ 267, 267a HGB. Diese Größenklassifizierung findet zudem Anwendung auf die Jahresabschlüsse und Lageberichte von Genossenschaften (vgl. § 336 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HGB).
Die Größenklassen werden durch drei Kriterien bestimmt: Bilanzsumme, Umsatzerlöse und durchschnittliche Arbeitnehmerzahl. Da das letztgenannte Merkmal keinen inflatorischen Effekten unterliegt, wurden nur die monetären Schwellenwerte (Bilanzsumme und Umsatzerlöse) erhöht.
Beachten Sie | Die nachfolgende Tabelle stellt den neuen Schwellenwerten die bislang anzuwendenden Werte für die Unternehmensgrößenklassen gegenüber:
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Bilanzsumme | Umsatzerlöse | Ø ArbN | ||
Kleinstkapitalgesellschaft | bisher | ≤ 350.000 EUR | ≤ 700.000 EUR | ≤ 10 |
neu | ≤ 450.000 EUR | ≤ 900.000 EUR | ||
Kleine Kapitalgesellschaft | bisher | ≤ 6.000.000 EUR | ≤ 12.000.000 EUR | ≤ 50 |
neu | ≤ 7.500.000 EUR | ≤ 15.000.000 EUR | ||
Mittelgroße Kapitalgesellschaft | bisher | > 6.000.000 EUR ≤ 20.000.000 EUR | > 12.000.000 EUR ≤ 40.000.000 EUR | > 50 ≤ 250 |
neu | > 7.500.000 EUR ≤ 25.000.000 EUR | > 15.000.000 EUR ≤ 50.000.000 EUR | ||
Große Kapitalgesellschaft | bisher | > 20.000.000 EUR | > 40.000.000 EUR | > 250 |
neu | > 25.000.000 EUR | > 50.000.000 EUR |
Die neuen Schwellenwerte sind grundsätzlich (vgl. aber Abschnitt 2.3) erstmals auf Jahresabschlüsse und Lageberichte für das nach dem 31.12.23 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden (vgl. Art. 93 Abs. 1 S. 1 EGHGB); bei einem mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Geschäftsjahr sind diese somit erstmals zur Größenfeststellung zum 31.12.24 heranzuziehen.
Die Größenklassifizierung zu einem bestimmten Abschlussstichtag kommt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn die zu klassifizierende Kapitalgesellschaft nicht kapitalmarktorientiert i. S. d. § 264d HGB ist; analoges gilt auch für Personenhandelsgesellschaften i. S. d. § 264a HGB sowie Genossenschaften (im Folgenden nicht mehr explizit erwähnt). Sofern eine Kapitalgesellschaft hingegen am Abschlussstichtag kapitalmarktorientiert ist, dann gilt die Kapitalgesellschaft als groß (vgl. § 267 Abs. 3 S. 2 HGB). Hierfür ist bereits die Beantragung der Zulassung an einem organisierten Markt bis zum Abschlussstichtag ausreichend. Endet die Notierung an einem organisierten Markt (z. B. nur noch Listing im Freiverkehr) während des Geschäftsjahrs, dann ist die Kapitalgesellschaft bereits am folgenden Abschlussstichtag nach § 267 Abs. 1 bis 3 S. 1 i. V. m. Abs. 4 S. 1 HGB einzustufen.
Liegt keine Kapitalmarktorientierung vor, gilt Folgendes:
- Kleinst- und kleine Kapitalgesellschaften dürfen zwei der in der Tab. 1 für sie enthaltenen Schwellenwerte nicht überschreiten.
- Große Kapitalgesellschaften i. S. d. § 267 Abs. 3 S. 1 HGB liegen zu einem Abschlussstichtag vor, wenn diese mindestens zwei der in Tab. 1 für sie enthaltenen Größenmerkmale überschreiten.
- Mittelgroße Kapitalgesellschaften sind solche, die zwei der für kleine Kapitalgesellschaften geltenden Schwellenwerte überschreiten und jeweils zwei Schwellenwerte für große Kapitalgesellschaften nicht überschreiten.
Beachten Sie | Allerdings steht mit der Klassifizierung einer Kapitalgesellschaft zum jeweiligen Abschlussstichtag noch nicht fest, ob diese Kapitalgesellschaft bereits die für diese Größenklasse anwendbaren Rechtsvorschriften zu erfüllen hat. Hierzu ist (zumindest) auch eine Klassifizierung zum vorausgehenden Abschlussstichtag vorzunehmen (vgl. § 267 Abs. 4 S. 1 HGB; vgl. zu den Ausnahmen § 267 Abs. 4 S. 2 f. HGB).
Entsprechend der Praxis bei früheren Anhebungen sind die neuen Schwellenwerte auch bezüglich der Beurteilung zum vorausgehenden Abschlussstichtag anzuwenden (vgl. BT-Drs. 20/10428, S. 12). Dementsprechend sind für die Größenklassifizierung ‒ bei einem kalenderjahrgleichen Geschäftsjahr ‒ zum 31.12.24 die erhöhten Schwellenwerte auch auf den Abschlussstichtag 31.12.23 anzuwenden.
2.2 Konzernabschluss
Mutterunternehmen, die mindestens ein nicht unwesentliches Tochterunternehmen beherrschen (vgl. § 290 Abs. 5 HGB), für das auch kein anderes Einbeziehungswahlrecht greift (vgl. § 296 Abs. 1 HGB), müssen einen Konzernabschluss und einen -lagebericht aufstellen, wenn sie nicht größenabhängig von der Aufstellung befreit (vgl. § 293 HGB) oder nicht in den Konzernabschluss und -lagebericht eines übergeordneten Mutterunternehmens einbezogen sind (vgl. §§ 291 f. HGB). Eine größenabhängige Befreiung kommt nicht in Betracht, wenn entweder das Mutterunternehmen oder eines seiner Tochterunternehmen kapitalmarktorientiert i. S. d. § 264d HGB ist (vgl. § 293 Abs. 5 HGB).
Die größenabhängige Befreiung zu einem Abschlussstichtag (des Mutterunternehmens) kann entweder durch die sog. Brutto- (§ 293 Abs. 1 Nr. 1 HGB) oder Netto-Methode (§ 293 Abs. 1 Nr. 2 HGB) nachgewiesen werden (vgl. hierzu Kirsch, WiSu 12, S. 1470 ff.). Hierzu müssen jeweils am Abschlussstichtag und am vorhergehenden Abschlussstichtag mindestens zwei der in Tab. 2 genannten Größenmerkmale zutreffen:
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Mutter-/Tochterunternehmen | ||||
∑ Bilanzsummen | ∑ Umsatzerlöse | ∑ Ø ArbN | ||
Bruttomethode | bisher | ≤ 24.000.000 EUR | ≤ 48.000.000 EUR | ≤ 250 |
neu | ≤ 30.000.000 EUR | ≤ 60.000.000 EUR | ||
Konzernbilanzsumme | Konzernumsatzerlöse | ∑ Ø ArbN | ||
Nettomethode | bisher | ≤ 20.000.000 EUR | ≤ 40.000.000 EUR | ≤ 250 |
neu | ≤ 25.000.000 EUR | ≤ 50.000.000 EUR |
Wie bereits unter Abschnitt 2.1 ausgeführt, sind die neuen Schwellenwerte für die größenabhängige Befreiung auch für die Beurteilung am vorhergehenden Abschlussstichtag anzuwenden.
2.3 Wahlrecht zur rückwirkenden Anwendung
Art. 93 Abs. 2 S. 1 EGHGB eröffnet das Wahlrecht, die erhöhten monetären Schwellenwerte bereits auf Jahres- und Konzernabschlüsse, Lageberichte sowie Konzernlageberichte für das nach dem 31.12.22 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden, jedoch nur insgesamt. Bei einem mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Geschäftsjahr sind die neuen Schwellenwerte bereits zur Größenklassifizierung der Kapitalgesellschaft zum 31.12.23 auf die Abschlussstichtage 31.12.23 und 31.12.22 anzuwenden (vgl. Ollinger/Philippsen, StuB 24, S. 284 f.). Analoges gilt auch für die Anwendung der Kriterien zur größenabhängigen Befreiung von der Konzernrechnungslegung.
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Eine Kapitalgesellschaft mit einem kalenderjahrgleichen Geschäftsjahr war zum 31.12.22 als mittelgroße Kapitalgesellschaft (§ 267 Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 S. 1 HGB) klassifiziert. Die nachfolgende Tabelle enthält die Größenmerkmale zu den Abschlussstichtagen 31.12.22 und 31.12.23. | ||
31.12.22 | 31.12.23 | |
Bilanzsumme | 20.500.000 EUR | 23.000.000 EUR |
Umsatzerlöse | 39.000.000 EUR | 42.000.000 EUR |
Ø ArbN | 255 | 260 |
Bei der Regelanwendung sind die erhöhten Schwellenwerte erstmals für die Größenfeststellung zum 31.12.24 anzuwenden. Dementsprechend liegt zum 31.12.23 nach den bisher anzuwendenden Größenkriterien des § 267 Abs. 1 und Abs. 2 HGB eine große Kapitalgesellschaft i. S. d. § 267 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 S. 1 HGB vor, da am 31.12.22 zwei Größenmerkmale für eine große Kapitalgesellschaft erfüllt sind (Bilanzsummen- und Arbeitnehmerkriterium) und am 31.12.23 sogar alle Größenmerkmale einer großen Kapitalgesellschaft vorliegen.
Macht die Kapitalgesellschaft hingegen von dem Wahlrecht Gebrauch, sind zur Klassifizierung der Kapitalgesellschaft zum 31.12.23 die erhöhten Schwellenwerte auf die Abschlussstichtage 31.12.23 und 31.12.22 anzuwenden. Dementsprechend ist die Kapitalgesellschaft zum 31.12.23 (weiterhin) als mittelgroß zu klassifizieren, da zu beiden Abschlussstichtagen nur das Arbeitnehmerkriterium für eine große Kapitalgesellschaft erfüllt ist. |
3. Mögliche Folgen für die Aufstellung des Jahresabschlusses durch Umklassifizierung in eine niedrigere Größenklasse
3.1 Von kleiner Kapitalgesellschaft zu Kleinst-Kapitalgesellschaft
Sofern kleine Kapitalgesellschaften wegen der erhöhten monetären Schwellenwerte nunmehr als Kleinst-Kapitalgesellschaften zu klassifizieren sind, können diese für die Aufstellung des Jahresabschlusses folgende Erleichterungen in Anspruch nehmen:
- Aufstellung einer verkürzten Bilanz, welche nur die in § 266 Abs. 2 und Abs. 3 HGB mit Buchstaben bezeichneten Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge enthält (vgl. § 266 Abs. 1 S. 4 HGB).
- Verwendung der GuV-Gliederung nach § 275 Abs. 5 HGB, die deutlich umfangreichere Postenzusammenfassungen enthält (insbesondere die Sammelposten „sonstige Erträge“ und „sonstige Aufwendungen“, die u. a. auch Beteiligungs- und Zinserträge bzw. -aufwendungen einschließen).
- Verzicht auf die Aufstellung eines Anhangs, wenn stattdessen die in § 264 Abs. 1 S. 5 HGB genannten Angaben unter der Bilanz aufgenommen werden; hinzu treten jedoch ggf. einige wenige weitere Angaben unter der Bilanz (vgl. § 253 Abs. 3 S. 6 HGB sowie ggf. Wahlpflichtangaben, wie § 277 Abs. 3 S. 1 HGB).
Beachten Sie | Die Inanspruchnahme dieser Erleichterungen ist jedoch auch davon abhängig, dass die Kapitalgesellschaft nicht unter die in § 267a Abs. 3 HGB ausgeschlossenen Gesellschaftsformen fällt (Investmentgesellschaften, Unternehmensbeteiligungsgesellschaft oder reine Holding) und weiterhin auch nicht den beizulegenden Zeitwert als Bewertungsmaßstab anwendet (vgl. § 253 Abs. 1 S. 5 HGB).
MERKE | In vielen Fällen dürften die Einsparpotenziale aufgrund der deutlich stärker aggregierten Aufstellung von Bilanz und GuV-Rechnung aber wohl begrenzt bleiben. Denn für Zwecke der E-Bilanz sind die Bilanz- und GuV-Posten auf deutlich detaillierterer (Konten-)Ebene zu übermitteln und damit aufzuzeichnen; lediglich wird die für diese Unternehmen vorgesehene GuV-Struktur nach § 275 Abs. 5 HGB im Eingabeformat der Kerntaxonomie berücksichtigt (vgl. Bongaerts/Neubeck, E-Bilanz, 8. Aufl. 20, S. 563 f.). |
3.2 Von mittelgroßer zu kleiner Kapitalgesellschaft
Sofern mittelgroße Kapitalgesellschaften nunmehr als klein zu klassifizieren sind, können diese für die Aufstellung des Jahresabschlusses folgende Erleichterungen nutzen:
- Aufstellung einer verkürzten Bilanz, welche nur die in § 266 Abs. 2 und Abs. 3 HGB mit Buchstaben und römischen Zahlen bezeichneten Posten gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge enthält (vgl. § 266 Abs. 1 S. 3 HGB).
- Zusätzliche Anwendung der auf die Bilanz bezogenen Erleichterungen nach § 274a HGB, insbesondere Verzicht auf die Abgrenzung latenter Steuern nach § 274 HGB (vgl. § 274a Nr. 4 HGB).
- Umfangreiche Aufstellungserleichterungen für den Anhang: Im Vergleich zur mittelgroßen Kapitalgesellschaft entfallen insbesondere die Anhangangaben nach § 264c Abs. 2 S. 9, § 265 Abs. 4 S. 2, § 284 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3, § 285 Nr. 2, 3, 8, 9 Buchstabe a und b, Nr. 10 bis 12, 14, 15, 15a, 17 bis 19, 21, 22, 24, 26 bis 28, 30, 30a, 32 bis 34 HGB. Zudem muss die durchschnittliche Zahl der während des Geschäftsjahrs beschäftigten Arbeitnehmer nur insgesamt (nicht nach Gruppen aufgegliedert) angegeben werden (vgl. § 288 Abs. 1 HGB).
Allerdings ist bei AG und KGaA zusätzlich zu beachten, dass bei Anwendung der Aufstellungserleichterungen nach § 266 Abs. 1 S. 3, § 276 (betrifft auch mittelgroße Kapitalgesellschaften) oder § 288 HGB jeder Aktionär verlangen kann, dass ihm in der Hauptversammlung über den Jahresabschluss der Jahresabschluss in der Form vorgelegt wird, die er ohne diese Erleichterungen hätte (vgl. § 131 Abs. 1 S. 3 AktG i. V. m. § 278 Abs. 3 AktG). Ebenso ist der Verzicht auf die Aufstellung des Anlagespiegels nach § 284 Abs. 3 HGB praktisch bedeutungslos, da dieser für steuerliche Zwecke aufzustellen und auch im Rahmen der E-Bilanz elektronisch zu übermitteln ist.
Die größte Erleichterung dürfte im Verzicht auf den Lagebericht bestehen, zu dessen Aufstellung kleine Kapitalgesellschaften nicht verpflichtet sind (vgl. § 264 Abs. 1 S. 4 Halbs. 1 HGB). Zudem dürfen kleine Kapitalgesellschaften ihren Jahresabschluss innerhalb der ersten sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahrs aufstellen, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht (vgl. § 264 Abs. 1 S. 4 Halbs. 2 HGB).
3.3 Von großer zu mittelgroßer Kapitalgesellschaft
Sofern große Kapitalgesellschaften nunmehr als mittelgroß zu klassifizieren sind, können diese für die Aufstellung des Jahresabschlusses im Einzelnen folgende Erleichterungen beanspruchen:
- Zusammenfassung der GuV-Posten § 275 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 HGB bei Anwendung des Gesamtkostenverfahrens oder der GuV-Posten § 275 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 und 6 HGB bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens zum Posten „Rohergebnis“ (vgl. § 276 S. 1 HGB; vgl. Abschnitt 3.2 in Bezug auf die Einschränkung dieser Erleichterung aufgrund von § 131 Abs. 1 S. 3 AktG).
- Begrenzte Aufstellungserleichterungen für den Anhang: Es entfallen die Angaben zur Aufgliederung der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen sowie nach geografisch bestimmten Märkten (§ 285 Nr. 4 HGB), zur Zusammensetzung und Bewertung der latenten Steuern (§ 285 Nr. 29 HGB) und zu den periodenfremden Erträgen und Aufwendungen (§ 285 Nr. 32 HGB). Zudem können die Angaben zu den nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommenen Geschäften auf solche beschränkt werden, die mit einem Gesellschafter, Unternehmen, an denen die Gesellschaft selbst eine Beteiligung hält, oder Mitgliedern des Geschäftsführungs-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgans abgeschlossen wurden (§ 288 Abs. 2 HGB).
MERKE | Mittelgroße Kapitalgesellschaften müssen zwar auch einen Lagebericht aufstellen, sie brauchen jedoch bei der Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage nicht die nichtfinanziellen Leistungsindikatoren, wie Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, einzubeziehen (vgl. § 289 Abs. 3 HGB).
Zudem sind mittelgroße Kapitalgesellschaften, wenn sie nicht zugleich kapitalmarktorientiert i. S. d. § 264d HGB sind, zukünftig nicht zur Erweiterung des Lageberichts um einen Nachhaltigkeitsbericht verpflichtet, währenddessen große Kapitalgesellschaften ‒ auch ohne Kapitalmarktorientierung ‒ für die nach dem 31.12.24 beginnenden Geschäftsjahre zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sein werden (§ 289b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB-E sowie Art. 5 Abs. 2b [i] der CSRD-Richtlinie). |
4. Mögliche Auswirkungen auf die Jahresabschlussprüfung
Da kleine Kapitalgesellschaften nicht prüfungspflichtig sind (vgl. § 316 Abs. 1 S. 1 HGB), kann die Anhebung der Größenmerkmale zu einem Entfallen der Abschlussprüfungspflicht führen. Falls vom Wahlrecht der rückwirkenden Anwendung der höheren Schwellenwerte Gebrauch gemacht wird, entfällt in diesem Fall bereits für die nach dem 31.12.22 beginnenden Geschäftsjahre die Prüfungspflicht. Sofern für die Geschäftsjahre 2023 oder 2023/24 bereits ein Prüfungsauftrag erteilt und vom Abschlussprüfer angenommen wurde, kann dieser nur vom Abschlussprüfer aus wichtigem Grund gekündigt werden (vgl. § 318 Abs. 6 S. 1 HGB). Allerdings soll nach Teilen der Kommentierung u. a. bei Entfallen der Prüfungspflicht ein Widerruf des Prüfungsauftrags möglich sein; ein Honoraranspruch richtet sich in diesem Fall nach § 628 BGB (Justenhoven/Heinz, Beck’scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 22, § 318 HGB, Rz. 51 f.; Ollinger/Philippsen, StuB 24, S. 284 f.).
5. Mögliche Auswirkungen auf die Offenlegung
Sofern eine bislang kleine Kapitalgesellschaft nunmehr als Kleinstkapitalgesellschaft zu klassifizieren ist, kann diese Gesellschaft von der Möglichkeit der dauerhaften Hinterlegung der Bilanz, einschließlich der Angaben unter der Bilanz (vgl. § 326 Abs. 2 HGB), Gebrauch machen.
Falls durch die Umklassifizierung eine bislang mittelgroße Kapitalgesellschaft als klein einzustufen ist, entfällt insbesondere die Offenlegung der GuV-Rechnung und der darauf bezogenen Angaben (§ 326 Abs. 1 HGB). Zudem können für die zur Offenlegung einzureichenden Unterlagen (insbesondere Anhang) auch noch die Aufstellungserleichterungen (vgl. Abschnitt 3.2) genutzt werden, wenn dies nicht schon bei der Aufstellung erfolgt ist (z. B. Kirsch in Rechnungslegung, § 326 HGB, Rz. 53 m. w. Literaturnachweisen).
Sofern eine große zu einer mittelgroßen Kapitalgesellschaft umklassifiziert wird, kann für Zwecke der Offenlegung die Bilanzstruktur verkürzt werden (vgl. § 327 Nr. 1 HGB) und ‒ über die bestehenden Aufstellungserleichterungen (vgl. Abschnitt 3.3) hinaus ‒ auf einige wenige Angaben im Anhang verzichtet werden (§ 327 Nr. 2 HGB).
6. Mögliche Auswirkungen aus dem Entfallen der Aufstellungspflicht des Konzernabschlusses
Sofern aufgrund der erhöhten Schwellenwerte die Voraussetzungen für eine größenabhängige Befreiung nach § 293 Abs. 1 HGB vorliegen, entfällt die Pflicht zur Aufstellung von Konzernabschluss und -lagebericht und damit auch deren Prüfung und Offenlegung.
MERKE | Wird hiervon Gebrauch gemacht, kann jedoch für Tochterunternehmen § 264 Abs. 3 HGB nicht genutzt werden. Dies bedeutet, dass diese Tochterunternehmen ‒ bei Vorliegen der ansonsten dort enthaltenen Voraussetzungen ‒ dann nicht mehr ihren Jahresabschluss nach den Regelungen für alle Kaufleute aufstellen dürfen (Jahresabschluss gemäß § 242 Abs. 3 HGB, bestehend nur aus Bilanz und GuV-Rechnung, Verzicht auf die Aufstellung eines Lageberichts sowie auf die Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses), sondern stattdessen die für Kapitalgesellschaften geltenden Regelungen anzuwenden haben. |