· Fachbeitrag · Neues zur Kaufpreisaufteilung
Arbeitshilfe des BMF nicht maßgebend
von Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de
| Um in der Praxis die Bemessungsgrundlage für Abschreibungen von Gebäuden zu ermitteln, ist es unerlässlich, einen einheitlichen Gesamtkaufpreis für ein bebautes Grundstück auf das abzuschreibende Gebäude und den nicht abnutzbaren Grund und Boden aufzuteilen. Oft geschieht dies mittels einer Arbeitshilfe des BMF. Nun urteilte der BFH (21.7.20, IX R 26/19), dass diese ungenau und nicht maßgebend sein kann. |
1. Grundsatz der Einzelbewertung
Basierend auf dem Grundsatz der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) hat bei gleichzeitigem Erwerb mehrerer Wirtschaftsgüter eine Aufteilung der Anschaffungskosten auf jedes erworbene Wirtschaftsgut zu erfolgen. Aus diesem Grundsatz folgt die Maßgabe, dass bei Erwerb eines bebauten Grundstücks die insgesamt zu leistenden Anschaffungskosten (Kaufpreis + Nebenkosten) auf die erworbenen Wirtschaftsgüter aufzuteilen sind. In der Praxis sind dies mindestens das der Abnutzung unterliegende Gebäude sowie der nicht abnutzbare Grund und Boden. Je nach Sachverhalt können aber noch weitere Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen sein. Zu nennen wären insbesondere Inventar, Waren oder Betriebsvorrichtungen. Dabei handelt es sich bei der Aufteilung des Gesamtkaufpreises nicht bloß um ein verfahrensrechtliches Erfordernis. Vielmehr sind hieran weitreichende steuerliche Konsequenzen gebunden. So bemisst sich beispielsweise die im weiteren Verlauf geltend zu machende Abschreibung nach den jeweiligen Anschaffungskosten. Da der Grund und Boden keiner Abschreibung unterliegt (wohl aber das Gebäude), ist insbesondere hier auf eine zutreffende Aufteilung zu achten. Ferner wären erworbene Waren zum Zeitpunkt ihrer Veräußerung auszubuchen und die darauf entfallenden Anschaffungskosten als Betriebsausgabe abzugsfähig. Wurden die Anschaffungskosten der Waren zu gering bemessen, wird ein zu hoher Gewinn versteuert.
Beachten Sie | Je höher der auf das Gebäude entfallende Teil der Anschaffungskosten ausfällt, je höher fallen die Abschreibungen aus. Da für den Grund und Boden keine Abschreibungen zu berücksichtigen sind (nicht abnutzbares Wirtschaftsgut), sollten die Anschaffungskosten soweit möglich dem Gebäude zugeordnet werden.
2. Vertragliche Kaufpreisaufteilung grundsätzlich maßgebend
Wurde bereits eine von wechselseitigen Interessen getragene vertragliche Kaufpreisaufteilung vorgenommen (insbesondere in den notariellen Verträgen über den Erwerb des Grundstücks) ist der hierin vorgenommenen Aufteilung auch für steuerliche Zwecke zu folgen (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. 16.9.15, IX R 12/14).
Dies gilt allerdings nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Aufteilung nur zum Schein getroffen wurde (BFH 28.10.98, X R 96/96) oder Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO vorliegt (BFH 4.12.08, IX B 149/08). Ebenfalls ist eine primär aus Steuerersparnisgründen getroffene Aufteilung nicht bindend (BFH 16.9.04, X R 19/03). Das Finanzgericht bzw. das Finanzamt haben deshalb im Einzelfall zu prüfen, ob Zweifel an der vertraglichen Aufteilung bestehen. Dabei ist das Ergebnis anhand weiterer Umstände, insbesondere der objektiv am Markt erzielbaren Preise oder Verkehrswerte, zu verifizieren. Ein alleiniger Verweis auf eine wesentliche Diskrepanz im Vergleich zu den amtlichen Bodenrichtwerten rechtfertigt es nicht ohne Weiteres, diese an die Stelle der vereinbarten Werte zu setzen oder die Aufteilung zu schätzen.
PRAXISTIPP | Wird in den notariellen Verträgen bereits eine Aufteilung getroffen, welche den tatsächlichen Gegebenheiten sehr nahekommt, kann diese unbesorgt der Bilanzierung und der künftigen Abschreibung zugrunde gelegt werden. Das Finanzamt hat regelmäßig keinen Grund, die Aufteilung zu beanstanden. |
Fehlt es an einer Kaufpreisaufteilung der Parteien oder kann diese nicht zugrunde gelegt werden, weil sie z. B. nur zum Schein getroffen wurde, hat die Aufteilung nach anderen Kriterien zu erfolgen. Die Aufteilung ist folglich im Rahmen des § 162 Abs. 1 AO sachgerecht zu schätzen (BFH 10.10.00, IX R 86/97).
3. Restwertmethode kein Aufteilungsmaßstab
In der Vergangenheit wurde die Aufteilung eines einheitlichen Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück oft nach der Restwertmethode vorgenommen. Dabei wurde regelmäßig der Bodenwert anhand der amtlich festgestellten Richtwerte ermittelt und dieser Betrag von dem Gesamtkaufpreis abgezogen. Übrig blieb der auf das abnutzbare Gebäude entfallende Anteil. Dieses Verfahren ist zwar sehr einfach, verstößt jedoch gegen den Grundsatz der Einzelbewertung. Deshalb ist dieses Verfahren unzulässig (BFH 10.10.00, IX R 86/97).
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Erwerb eines bebauten Grundstücks zum Kaufpreis von 300.000 EUR. Nach den amtlichen Bodenrichtwerten entfallen auf den Grund und Boden 120.000 EUR (1.000 qm zu je 120 EUR).
Lösung: Nach der Restwertmethode wäre von dem Gesamtkaufpreis der Grund- und Bodenanteil abzuziehen. Der verbleibende Betrag von 180.000 EUR stellt die abzuschreibenden Anschaffungskosten des Gebäudes dar.
Praxistipp | Die Restwertmethode findet nur bei Erwerb eines Betriebs oder Teilbetriebs für die Bestimmung der Höhe des Geschäfts- oder Firmenwerts Anwendung. Denn dieser ist nur anzusetzen, soweit der Gesamtkaufpreis die Summe der Teilwerte der anderen Wirtschaftsgüter übersteigt (BFH 27.2.92, IV R 129/90). |
4. Verhältnis der Verkehrswerte/Teilwerte ist entscheidend
Der BFH hält damit an seiner früheren Auffassung fest und entschied, dass vielmehr eine Aufteilung nach dem Verhältnis der Verkehrswerte oder Teilwerte vorzunehmen ist (10.10.00, IX R 86/97). Um eine entsprechende Ermittlung im Masseverfahren einfach zu gestalten, veröffentlichte das BMF eine Arbeitshilfe hierzu als xls-Datei. Diese sollte es auf einfachem Weg nach Maßgabe der Rechtsprechung des BFH ermöglichen, einen einheitlichen Gesamtkaufpreis auf das erworbene Gebäude und den Grund und Boden aufzuteilen bzw. eine bereits vorliegende Kaufpreisaufteilung hinsichtlich der Plausibilität zu prüfen.
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Wie Beispiel 1, jedoch wurde das Grundstück verhältnismäßig günstig erworben. Es wurde ermittelt, dass der Verkehrswert des Grund und Bodens 120.000 EUR (amtliche Bodenrichtwerte) und der Verkehrswert des Gebäudes 250.000 EUR (Verkehrswert gesamt 370.000 EUR) beträgt.
Lösung: Der Gesamtkaufpreis von 300.000 EUR ist im Verhältnis der einzelnen Verkehrswerte auf die Wirtschaftsgüter aufzuteilen. Der als Anschaffungskosten für den Grund und Boden zugrunde zu legende Anteil beträgt 97.297 EUR (300.000 ÷ 370.000 × 120.000), der auf das Gebäude entfallende abzuschreibende Anteil 202.703 EUR (300.000 ÷ 370.000 × 250.000). Vorteil: Im Vergleich zum Beispiel 1 ergibt sich eine um 22.703 EUR höhere AfA-Bemessungsgrundlage und ein entsprechend höheres AfA-Volumen. |
5. Bewertungsspielraum spricht gegen Arbeitshilfe des BMF
Dem Finanzgericht (und auch dem Finanzamt) stehen im Rahmen der Gesamtwürdigung ein gewisser Bewertungsspielraum zu (BFH 16.9.15, IX R 12/14). Kann eine Aufteilung nicht nach der vertraglichen Vereinbarung erfolgen, hat eine Aufteilung nach den realen Verkehrswerten zu erfolgen. Dabei sind zunächst Boden- und Gebäudewert gesondert zu ermitteln und sodann der Gesamtkaufpreis nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile aufzuteilen. Zur Ermittlung der Verkehrswerte stehen das Vergleichswert-, Ertragswert- oder Sachwertverfahren zur Verfügung. Welches dieser Verfahren anzuwenden ist, ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls zu entscheiden. Die Verfahren stehen einander gleichwertig gegenüber, keinem Verfahren ist ein pauschaler Vorrang einzuräumen (BFH 27.11.17, IX B 144/16). Auch ein Mittelwert zwischen Sach- und Ertragswertverfahren kann zulässig sein.
5.1 Arbeitshilfe zur Kaufpreisaufteilung des BMF genügt nicht
Daraus folgt, dass eine vertraglich vorgenommene Kaufpreisaufteilung nicht durch die Arbeitshilfe zur Kaufpreisaufteilung des BMF ersetzt werden darf. Denn diese beinhaltet lediglich das vereinfachte Sachwertverfahren und genügt damit nicht den Anforderungen an die Methodenwahl. Zudem ist in der Arbeitshilfe ein grundlegender Fehler enthalten, da bei der Ermittlung des Gebäudewerts der vor allem in Großstädten relevante Orts- bzw. Regionalisierungsfaktor unberücksichtigt bleibt. Dies unterstellt, dass die Baukosten pro qm eines ausstattungsgleichen Gebäudes unabhängig von Standort und Region gleich hoch sind. Die Realität sieht jedoch anders aus. Bei dem Grund- und Bodenanteil wird dieser aufgrund der regionsabhängigen Bodenrichtwerte berücksichtigt.
5.2 Sachverständigengutachten erforderlich
Wird dennoch die Arbeitshilfe des BMF angewandt, hat spätestens regelmäßig das Finanzgericht das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen einzuholen. So entschied jüngst der BFH (21.7.20, IX R 26/19) und verwies zugleich auf das Urteil vom 21.12.11 (VIII B 88/11).
PRAXISTIPP | Keine verbindliche Arbeitshilfe des BMF: Die Kaufpreisaufteilung ist zwar unumgänglich, das zugrunde zu legende Verfahren jedoch offen. Der BFH stellte mehrfach fest (zuletzt mit Urteil vom 21.7.20, IX R 26/19), dass die Arbeitshilfe des BMF weder für die Beteiligten noch für das FG bindend ist. Es handelt sich lediglich um ein Hilfsprogramm für Finanzverwaltung und Steuerbürger. Das Ergebnis kann widerlegt werden, beispielsweise durch ein Sachverständigengutachten. Zwar beinhaltet die Arbeitshilfe im Wesentlichen die bisherige BFH-Rechtsprechung, lässt jedoch die örtlichen Gegebenheiten vollkommen außer Ansatz. Insbesondere bei Objekten in den Ballungsräumen sollte daher gesondert geprüft werden, ob nicht eine von der Arbeitshilfe abweichende Ermittlung zu einem zutreffenderen Ergebnis führt. Ergibt sich danach ein höherer Gebäudeanteil, erhöhen sich die laufenden Abschreibungen und die Steuerlast sinkt. Begründet werden könnte eine abweichende Ermittlung insbesondere mit Verweis auf von der Arbeitshilfe bisher nicht erfasste Umstände. Als Beispiele könnten hier insbesondere die Ausstattungsmerkmale des Gebäudes, vorgenommene Renovierungen sowie der Wohnwert des Gebäudes im Kontext der Nachbarschaft (Straßenlärm, soziale Einrichtungen usw.) angeführt werden. |
5.3 Reaktion der Finanzverwaltung offen
Ob und wie sich die Finanzverwaltung zu dem neuesten Urteil des BFH vom 21.7.20 positioniert, ist derzeit offen. Da die Finanzämter in der Praxis weiterhin die Kaufpreisaufteilung nach Maßgabe der Arbeitshilfe des BMF vornehmen, sollte bei einer entsprechenden Diskrepanz zu den erklärten Werten mit Verweis auf das Urteil Einspruch eingelegt werden. Wird substanziiert begründet, weshalb der Gebäudewert höher als nach der Arbeitshilfe ermittelt ist, spricht viel für die Berücksichtigung entgegen der Arbeitshilfe.
PRAXISTIPP | Um Zweifel im Vorfeld auszuräumen und für Planungssicherheit zu sorgen, empfiehlt es sich, bereits im Vertragsverhältnis eine Kaufpreisaufteilung mit dem Verkäufer nach den tatsächlichen Gegebenheiten vorzunehmen. Wird diese idealerweise direkt mit der Arbeitshilfe des BMF abgeglichen, ergibt sich bei größeren Differenzen sogleich die Vermutung für spätere Konflikte mit dem Finanzamt. In diesem Fall sollten umgehend Argumente und Begründungen für die vertraglich vorgenommene Kaufpreisaufteilung gesammelt und dokumentiert werden. Bestenfalls halten Sie diese direkt in dem Kaufvertrag fest. So fällt es im Anschluss leichter, die Entscheidung für die vertraglich vorgenommene Aufteilung auch vor dem Finanzamt zu behaupten. |