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  • · Fachbeitrag · Bankenhaftung und Einlagensicherung

    „Nicht der Staat geht pleite, sondern seine Bürger!“ Was es mit „Bail-in“ und „EDI“ auf sich hat!

    von Dipl.-Bw. Christel Spielmann, Arnsberg

    | Bankkunden haften für ihre Bank ‒ so könnte man „Bail-in“ und „EDI“ (= Europäische Einlagensicherung) auch beschreiben. Prinzipiell ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Vertragspartner (Bank und Kontoinhaber), die sich ja immerhin zusammen finden, um zu beidseitigem Nutzen Geschäfte abzuwickeln, sich auch die Risiken teilen ‒ sofern sie vor „Vertragsabschluss“ über die Risiken informiert waren. Und genau hier liegt die Gefahr: Welcher Bankkunde weiß schon, wie solide seine Bank ist? Oder was ein Bail-in ist? Und macht EDIS Einlagen bei einer Bank wirklich sicherer? |

    1. „Bail-in“ in Kürze

    Nach wie vor steht das finanzielle Fundament des Banksektors auf tönernen Füßen. Sofern eine Bank insolvent zu werden droht und von ihr eine Ansteckungsgefahr für andere Finanzinstitute ausgeht, werden Bankkunden über die Bail-in-Mechanismen zur Kasse gebeten. Das Motto lautet dann: Bankkunden haften für ihre Bank ‒ und zwar in dieser Reihenfolge:

     

    • Anteilseigner (d. h. Aktionäre): Ihre Anteile werden de facto wertlos. Immerhin: Eine „Nachschusspflicht“ besteht nicht.
    • Wer Wandelanleihen des betroffenen Finanzinstituts in seinem Depot hält, wird zur Wandlung gezwungen (wird also sozusagen Zwangsaktionär) ‒ mit den oben beschriebenen Folgen.
    • Sollte dies nicht ausreichen, um die Bank wieder handlungsfähig zu machen, droht Haltern langfristiger nachrangiger Verbindlichkeiten dasselbe Schicksal wie Haltern von Wandelanleihen.
    • Besteht weiterer Handlungsbedarf, müssen auch Halter von Derivaten (z. B. von Zertifikaten) und schließlich Kontoinhaber mit ihren Einlagen für die Bank haften.

     

    Der Effekt ist immer der gleiche ‒ Vermögen wird von den Kunden auf die Bank übertragen. De facto werden Bankkunden enteignet, um den Fortbestand der Bank zu ermöglichen. Es gibt nur einige wenige Ausnahmen:

     

    • Bankeinlagen ≤ 100.000 EUR: Dazu zählen sämtliche Guthaben auf Giro-, Spar- und Festgeldkonten. Diese Grenze gilt pro Kunde und Institut!

     

    • Achtung: Die Grenze von 100.000 EUR, bis zu der Kundeneinlagen unangetastet bleiben sollen, besteht mehr auf dem Papier als in der Realität. Denn damit sie im Ernstfall zum Tragen kommt, sollen deutsche Banken in einen deutschen Fonds zur Einlagensicherung einzahlen ‒ und dieser Fonds ist derzeit krass unterfinanziert!

     

    • „Besicherte Verbindlichkeiten“ (der Bank wohlgemerkt): z. B. Pfandbriefe
    • Sog. „verwaltete Vermögen“, also Wertpapierdepots und Schließfächer
    • Und „Interbank-Einlagen“ sowie „Verbindlichkeiten gegenüber Zahlungssystemen“ mit einer Restlaufzeit von weniger als 7 Tagen:

     

    • Hierunter fallen auch Forderungen, die sich aus der Abwicklung des Zahlungsverkehrs ergeben. Mit dieser Vorschrift soll gewährleistet werden, dass der Zahlungsverkehr zwischen den Banken nicht sofort zum Erliegen kommt und der gefürchtete Dominoeffekt ausbleibt. Es stellt sich die Frage, ob hier nicht ein Spielraum gegeben ist, um seine Einlagen per Internet an ein anderes Institut zu überweisen. Auch der Einsatz von EC- bzw. Kreditkarten müsste noch möglich sein. Allerdings muss man bei Abhebungen am Geldautomaten wohl mit einer Limitierung des Abhebungsbetrags rechnen.

     

    Zu allem Überfluss muss man auch noch damit rechnen, dass Darlehen, die man bei der Bank aufgenommen hat, sofort fällig gestellt werden. Wer nun glaubt, dass Kreditsalden mit Guthaben verrechnet werden, wird eine unangenehme Überraschung erleben: Die Bail-in-Regularien sehen das nicht vor. Schließlich geht es darum, einer Bank Liquidität zu verschaffen ‒ auf welchem Wege und zu wessen Kosten, bleibt dabei zweitrangig.

    2. „Bail-in“ aus Bankensicht

    Seit der Finanzkrise 2007/2008 sind die Banken gehalten, Kredite, die sie an ihre Kunden gewähren, zu einem gewissen Prozentsatz aus ihrem „Eigenkapital“ heraus zu finanzieren (im Fachjargon: a„Unterlegung mit Eigenkapital“). Damit soll die „Solvenz“ des gesamten Finanzsektors gestärkt werden. Aber: Die Bail-in-Vorschriften lassen viele Kundenanlagen aus Bankensicht wie „Quasi-Eigenkapital“ aussehen. Es liegt also durchaus im Interesse einer Bank, dass Kunden in „bail-in“-fähige Anlagen investieren und nicht in „verwaltetes Vermögen“ abseits des Bankensektors.

     

    2.1 Konsequenzen für Kreditnehmer und Anleger

    Hieraus lassen sich einige Handlungsempfehlungen ableiten. Generell muss es darum gehen, die Abhängigkeit von einer Bank zu reduzieren und die Handlungshoheit über die eigenen Gelder zu behalten. Zu diesem Zweck ist es ratsam, Geschäftsbeziehungen bei mindestens 2 Banken zu unterhalten, denn:

     

    • Es ist unwahrscheinlich, dass alle Banken gleichzeitig die „Bail-in“-Karte ziehen müssen; nur ein Teil der Einlagen ist betroffen.

     

    • Möglicherweise lässt sich der Schaden minimieren, wenn man tatsächlich den Spielraum „Verbindlichkeiten gegenüber Zahlungssystemen“ mit einer Restlaufzeit von weniger als 7 Tagen (s. o.) nutzen kann.

     

    • Ferner sieht die derzeitige Rechtslage vor, dass die Grenze, bis zu der Einlagen unangetastet bleiben ‒ besagte 100.000 EUR ‒ pro Kunde und Bank gilt. Sie lässt sich also durch Gemeinschaftskonten und der Nutzung mehrerer Bankbeziehungen vervielfältigen. (Und auch wenn es im Crash-Fall weniger als 100.000 EUR, z. B. nur 20.000 EUR, sein sollten, würde sich der Freibetrag auf diese Art und Weise mehrfach nutzen lassen).

     

    Was die „Solvenz“ einer Bank angeht, stellt sich die Frage, ob diese gemessen werden kann. Indirekt mag ein Indiz in einer Liste von „systemrelevanten Kreditinstituten“ bestehen, die die EZB selbst zusammengestellt hat (www.iww.de/s1853). Diese werden sofort unter EZB-Aufsicht gestellt, wenn sie in Schieflage geraten. Wer sich einer Großbank anvertrauen möchte, kann auf dieser Internetseite ein Rating einsehen: www.iww.de/s1854. Wer nicht im Internationalen Handel tätig ist, dürfte sich bei regionalen und genossenschaftlich organisierten Instituten gut aufgehoben fühlen. Nicht umsonst verweisen Volks- und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen immer wieder auf ihre soliden Geschäftsmodelle.

     

    Für Kreditnehmer gilt außerdem:

    • Darlehen von Förderbanken (KfW, Landesbanken) bevorzugen: Dies vor dem Hintergrund, dass im Falle eines Bail-in Kredite mit hoher Wahrscheinlichkeit sofort fällig gestellt werden, um die Bank mit Liquidität zu versorgen; da aber die Bank selbst den Kreditbetrag von einer Förderbank erhalten hat, müsste sie ihn nach derzeitiger Rechtslage auch wieder an das Förderinstitut zurücküberweisen ‒ eine Kreditkündigung würde sich also gar nicht liquiditätsmäßig auswirken. Daher bestünde für die Bank auch kein Anreiz, Förderkredite zu kündigen.

     

    • Mittel, die man nicht braucht, sollten zu Sondertilgungen genutzt werden ‒ und zwar unabhängig von möglichen Vorfälligkeitsentschädigungen! Damit hat man zumindest erreicht, dass der Saldo des Kredits sinkt, und Einlagen nicht mehr zum Bail-in herangezogen werden können.

     

    2.2 Weitere Konsequenzen für Anleger

    • Natürlich benötigt man ein Bankkonto, um am Zahlungsverkehr teilzunehmen, aber ansonsten gilt: Auf einem Sparbuch nur eine Liquiditätsreserve von ca. 2 Monaten vorrätig halten und sämtliche anderen Anlageprodukte von Banken meiden ‒ das gilt auch für Zertifikate und andere Derivate.

     

    • Da „verwaltete Vermögen“ nicht von einem Bail-in betroffen sind, liegt es prinzipiell nahe, Geld anzulegen. Stellt sich derzeit nur die Frage, in was? Denn an den Börsen wächst derzeit die Crash-Gefahr! Es war die ultra-lockere Geldpolitik aller westlichen Zentralbanken der letzten Jahre, die für den größten Teil der Börsengewinne verantwortlich ist. Angesichts der nun von der Amerikanischen Zentralbank eingeläuteten 180°-Wendung hin zu einer restriktiveren Geldpolitik (der die EZB, wenn auch zögerlich, nach eigenem Bekunden folgen will), ist mit fallenden Kursen zu rechnen. Hier hilft nur „stock picking“ bzw. jede einzelne Aktie/Anleihe/Investmentfonds (und deren passives Pendant ‒ die ETFs) selbst zu bewerten.


     

    • Bankschließfächer sind ‒ im Widerspruch zu dem, was die Bail-in-Regularien nahelegen ‒ keine geeigneten Orte, um Wertgegenstände (vor allem Edelmetalle, Sparbücher etc.) zu verwahren. Denn im „Bail-in“-Fall muss man damit rechnen, dass eine Bank zumindest vorübergehend geschlossen wird ‒ dann ist der Zugang zu Bankschließfächern ebenfalls verwehrt.

     

    • Einen Teil des Vermögens „unsichtbar“ machen ‒ z. B. durch das Halten von Edelmetallen.

     

    • Alternative Investments (d. h. solche außerhalb des Börsengeschehens) können ebenfalls einen Schutz bieten ‒ seien es Investment in lokale Firmen, über Kreditplattformen wie Smawa, Crowdinvesting o. Ä.

    3. EDIS und ESM

    EDIS stellt die nächste Stufe der Bail-in-Vorschriften dar! Hinter EDIS verbirgt sich die Idee einer europäischen Einlagensicherung. Dafür sollen die europäischen Banken in einen gemeinsamen Fonds einzahlen ‒ soweit die Theorie. Da aber viele Banken nur durch die Niedrigzinspolitik der EZB am Leben erhalten wurden, sind sie gar nicht in der Lage, in einen solchen Fonds einzuzahlen. Wer wäre dazu in der Lage? Richtig ‒ die deutschen Volksbanken und Sparkassen. EDIS wird zu Recht von ihnen kritisch gesehen, da es letztendlich ein Angriff auf die Reserven ist, die für deutsche Sparer (mit deren Mittel) aufgebaut wurden.

     

    Der ESM stellt die EU-Version eines Bail-out dar ‒ Bankenrettung zulasten der Steuerzahler. Auf dem Papier natürlich die Steuerzahler aller EU-Staaten. Aber auch hier gilt: Die EZB hat mit ihren Maßnahmen (Stichwort: Anleihenkauf!) diverse EU-Staaten vor der Insolvenz bewahrt ‒ deren Steuerzahler dürften kaum in der Lage sein, zum ESM beizutragen. Man kann sich also vorstellen, wer letztendlich für den ESM aufkommen soll.

    4. Kann man sich EDIS und ESM entziehen?

    Hier wird es schwierig, denn die EU-Regularien gelten nicht nur innerhalb der EU, sondern auch für jeden Bürger, der in der EU seinen Wohnsitz hat (und in Drittländern, z. B. in der Schweiz, ein Wertpapierdepot unterhält). Das immer dichter gespannte Netz des internationalen Datenaustauschs tut ein Übriges, um die EU-Gesetze dann auch im Drittland durchzusetzen.

     

    Vor diesem Hintergrund scheint es nur 2 Optionen zu geben:

    • 1. Verlegung des Wohnsitzes außerhalb der EU: Diese Option dürfte für die meisten mehr in der Theorie als in der Praxis bestehen.
    • 2. Vermögen „unsichtbar“ machen ‒ und da wären wir dann wieder bei Bargeld und Edelmetallen.

     

    Das wichtigste Werkzeug aber ist ein hellwaches Bewusstsein für die Gefahren, die gleichermaßen im Bankensektor und bei hoch verschuldeten Staaten lauern, gepaart mit geistiger Flexibilität, um Warnzeichen im Vorfeld zu erkennen und Gefahren entgegenzutreten. Ob steigende Anleiherenditen, erhöhte Volatilität am Aktienmarkt oder stark anziehende Inflationsraten ‒ wenn sie alle gleichzeitig auftreten, können sie die Vorboten für eine unheilvolle Entwicklung sein!

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: Ausgabe 09 / 2018 | Seite 236 | ID 45407001