Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Fremdfinanzierung

    Gefahren von Fremdwährungskrediten ‒ Lehren aus der Türkei

    von Dr. Peter Hoberg, Worms

    | Viele türkische Unternehmen sind in schweres Fahrwasser geraten, weil sie hohe Kredite in Fremdwährung aufgenommen haben. Die Schwäche der Lira führt u. a. zu einer Erhöhung ihrer Verbindlichkeiten in lokaler Währung. Katastrophale Auswirkungen auf die Bilanzen der Unternehmen sind die Folge. Der Beitrag macht deutlich, welche Lehren deutsche Unternehmen aus den Problemen unserer europäischer Nachbarn ziehen können. |

    1. Zahlen und Fakten

    In den ersten acht Monaten des Jahres 2018 hat die Lira ca. 40 % ihres Wertes verloren von 0,252 auf 0,152 $/Lira. Anders herum ausgedrückt: Am Anfang des Jahres 2018 reichten noch 3,97 Lira, um einen Dollar zu kaufen. Ende August waren bereits 6,57 Lira notwendig. Aus türkischer Sicht sind ca. 65 % höhere Lira-Beträge erforderlich, wenn 1 $ getilgt werden muss. In Euro sind die Änderungen ähnlich: Von 4,51 Lira/EUR auf 7,65.

     

    Die Probleme der in Fremdwährung verschuldeten Unternehmen sind groß angesichts von Schulden hauptsächlich in $. Und die Äußerungen des türkischen Präsidenten und die amerikanischen Strafzölle lassen bei den Gläubigern keine große Bereitschaft zur Hilfe aufkommen. Im Folgenden werden die Fremdwährungsprobleme analysiert und auf andere Unternehmen übertragen.

    2. Auswirkungen von Währungsverlusten

    Im täglichen Geschäft führt die Abwertung der lokalen Währung zunächst einmal zu einer Verteuerung der Importe und zu einer Förderung der Exporte.

     

    In diesem Beitrag soll aber die Wirkung der Abwertung auf die Verbindlichkeiten in Fremdwährung im Mittelpunkt stehen. Mit der Abwertung werden nicht nur die Kreditzinsen in lokaler Währung teurer, sondern vor allen Dingen die Rückzahlungen der Darlehen. Die Schulden der türkischen Firmen (ohne Banken) liegen bei ca. 200 Mrd. $ (vgl. Süddeutsche vom 13.8.18 https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tuerkei-lira-verliert-erneut-massiv-an-wert-1.4091176). Erschwerend kommt hinzu, dass ca. 1/3 der Schulden bereits in 2019 fällig werden.

     

    Die Größe des Problems wird offensichtlich, wenn man sich anschaut, welche Folgen in den Bilanzen der Unternehmen ausgelöst werden können.

     

    • Beispiel

    Als Beispiel sei dazu angenommen, dass ein türkisches Unternehmen eine Eigenkapitalquote von 30 % habe. Das Fremdkapital von dann 70 % bestehe zur Hälfte aus Fremdwährungsdarlehen, sodass insgesamt 35 % der Passivseite im Währungsrisiko stehen. Wenn nun für einen Dollar Fremdwährungsdarlehen 50 % mehr bezahlt werden muss, so macht dies 17,5 Prozentpunkte aus. Bei zunächst unveränderter Aktivseite muss diese Schuldenerhöhung vom Eigenkapital aufgefangen werden, welches damit von 30 % auf 12,5 % sinkt. Dies bedeutet, dass sich die EK-Quote mehr als halbiert hat, was massive Reaktionen der Banken auslösen dürfte. Trotz der vormals hohen EK-Quote von 30 % würde das Unternehmen in große Probleme geraten.

     

    Unternehmen mit noch schlechteren Ausgangspositionen im Eigenkapital oder beim Anteil der Fremdwährungsdarlehen werden noch härter getroffen.

     

    3. Verallgemeinerung mit Tabellen

    In der Realität werden die oben angenommenen Beispielsdaten nur ausnahmsweise zutreffen. Deswegen soll als Nächstes abgeleitet werden, wie sich Währungsverluste bei anderen Kombinationen der Kapitalanteile in der Bilanz auswirken. In der folgenden Tabelle ist simuliert, welche neue Eigenkapitalquote sich ergibt, wenn es ‒ ausgehend von der EK-Quote am 31.12.17 ‒ eine Erhöhung der Fremdwährungsschulden durch Wechselkursverluste gibt. Die Verteuerung der Dollarverbindlichkeiten durch die Liraschwäche ist in der ersten Spalte der folgenden Abbildung aufgeführt. In den weiteren Spalten sind die Eigenkapitalanteile und die Anteile der Fremdwährungskredite vor der Währungskrise angegeben. Damit ergeben sich neuen Eigenkapitalquoten. Diese sind in der Tabelle 1 im Folgenden zusammengefasst.

     

    Im obigen Beispiel einer 50 %-Verteuerung des Dollars hatte es bei einer Eigenkapitalquote von 30 % und einem Fremdwährungsanteil von 50 % eine Reduktion auf 12,5 % gegeben. Dieses Ergebnis taucht ‒ fett gedruckt ‒ in der folgenden Tabelle auf.

     

    Man kann erkennen, dass nur Unternehmen mit hoher Eigenkapitalquote die Probleme auffangen können. Wenn eine eher normale EK-Quote von 20 % vorliegt, reicht schon ein Anteil der Fremdwährungskredite von 30 % am Fremdkapital, um das Unternehmen an den Rand des Abgrunds zu bringen. Denn mit verbleibenden 4,4 % Eigenkapitalquote werden die meisten Banken die Reißleine ziehen.

     

    Selbst wenn es den Unternehmen gelingt, eine Kündigung der Kredite zu verhindern, so müssen sie doch wesentlich höhere Zinsen zahlen, weil die Zinsen ja auf Dollar oder Euro lauten, wofür dann wesentlich mehr Lire notwendig werden.

     

    • Tab. 1: Verringerte Eigenkapitalquoten nach Verteuerung des Dollars
    Verteuerung des Dollars
    Eigenkapitalquote alt
    50 %
    40 %
    30 %
    20 %
    10 %
    Anteil Fremdwährungsdarlehen alt
    10 %
    30 %
    50 %
    10 %
    30 %
    50 %
    10 %
    30 %
    50 %
    10 %
    30 %
    50 %
    10 %
    30 %
    50 %

    0 %

    50,0 %

    50,0 %

    50,0 %

    40,0 %

    40,0 %

    40,0 %

    30,0 %

    30,0 %

    30,0 %

    20,0 %

    20,0 %

    20,0 %

    10,0 %

    10,0 %

    10,0 %

    10 %

    49,5 %

    48,5 %

    47,5 %

    39,4 %

    38,2 %

    37,0 %

    29,3 %

    27,9 %

    26,5 %

    19,2 %

    17,6 %

    16,0 %

    9,1 %

    7,3 %

    5,5 %

    20 %

    49,0 %

    47,0 %

    45,0 %

    38,8 %

    36,4 %

    34,0 %

    28,6 %

    25,8 %

    23,0 %

    18,4 %

    15,2 %

    12,0 %

    8,2 %

    4,6 %

    1,0 %

    30 %

    48,5 %

    45,5 %

    42,5 %

    38,2 %

    34,6 %

    31,0 %

    27,9 %

    23,7 %

    19,5 %

    17,6 %

    12,8 %

    8,0 %

    7,3 %

    1,9 %

    ‒ 3,5 %

    40 %

    48,0 %

    44,0 %

    40,0 %

    37,6 %

    32,8 %

    28,0 %

    27,2 %

    21,6 %

    16,0 %

    16,8 %

    10,4 %

    4,0 %

    6,4 %

    ‒ 0,8 %

    ‒ 8,0 %

    50 %

    47,5 %

    42,5 %

    37,5 %

    37,0 %

    31,0 %

    25,0 %

    26,5 %

    19,5 %

    12,5 %

    16,0 %

    8,0 %

    0,0 %

    5,5 %

    ‒ 3,5 %

    ‒ 12,5 %

    60 %

    47,0 %

    41,0 %

    35,0 %

    36,4 %

    29,2 %

    22,0 %

    25,8 %

    17,4 %

    9,0 %

    15,2 %

    5,6 %

    ‒ 4,0 %

    4,6 %

    ‒ 6,2 %

    ‒ 17,0 %

    65 %

    46,8 %

    40,3 %

    33,8 %

    36,1 %

    28,3 %

    20,5 %

    25,5 %

    16,4 %

    7,3 %

    14,8 %

    4,4 %

    ‒ 6,0 %

    4,2 %

    ‒ 7,6 %

    ‒ 19,3 %

    70 %

    46,5 %

    39,5 %

    32,5 %

    35,8 %

    27,4 %

    19,0 %

    25,1 %

    15,3 %

    5,5 %

    14,4 %

    3,2 %

    ‒ 8,0 %

    3,7 %

    ‒ 8,9 %

    ‒ 21,5 %

    80 %

    46,0 %

    38,0 %

    30,0 %

    35,2 %

    25,6 %

    16,0 %

    24,4 %

    13,2 %

    2,0 %

    13,6 %

    0,8 %

    ‒ 12,0 %

    2,8 %

    ‒ 11,6 %

    ‒ 26,0 %

    90 %

    45,5 %

    36,5 %

    27,5 %

    34,6 %

    23,8 %

    13,0 %

    23,7 %

    11,1 %

    ‒ 1,5 %

    12,8 %

    ‒ 1,6 %

    ‒ 16,0 %

    1,9 %

    ‒ 14,3 %

    ‒ 30,5 %

    100 %

    45,0 %

    35,0 %

    25,0 %

    34,0 %

    22,0 %

    10,0 %

    23,0 %

    9,0 %

    ‒ 5,0 %

    12,0 %

    ‒ 4,0 %

    ‒ 20,0 %

    1,0 %

    ‒ 17,0 %

    ‒ 35,0 %

     

    Während auf der Passivseite die Fremdwährungsdarlehen um ca. 65 % in lokaler Währung steigen, gibt es nur einen geringen Ausgleich auf der Aktivseite. Die Forderungen sind nominal und behalten ihren Wert, wobei dann noch zu klären wäre, ob durch die verschlechterte Wirtschaftssituation mit höheren Forderungsausfällen zu rechnen ist. Beim Anlagevermögen kann man hoffen, dass die meisten Bestandteile mit der Inflationsrate wachsen, auch wenn das in der Bilanz nicht ausgewiesen werden darf.

    4. Lehren für Unternehmen und den privaten Bereich

    Auch wenn die Wechselkursänderungen in der Türkei besonders groß sind, so zeigen sie doch, dass Währungsrisiken nur in sehr geringem Maße eingegangen werden sollten. Alle Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens sollten im Zeitablauf prognostiziert werden und mit den erwarteten Einzahlungen abgeglichen werden. Dabei werden die Verpflichtungen in einer Fremdwährung teil-weise durch entsprechende Einzahlungsüberschüsse ausgeglichen (Netting).

     

    Die Finanzierungen sollten dann in den Währungen abgeschlossen werden, in denen auch die verbleibenden Einzahlungsüberschüsse kommen. Wenn dies in einigen Fällen nicht möglich oder zu teuer ist, kann darüber nachgedacht werden, die Risiken mit Absicherungsgeschäften zu begrenzen. So sind Termingeschäfte möglich oder aber auch Optionen.

     

    Es kann nun eingewendet werden, dass damit die Chancen positiver Währungsveränderungen ausgeschlossen werden, wenn z. B. ein Unternehmen glaubt, dass eine Verschuldung in Dollar gut sei, weil dieser schwächer würde. Dem muss entgegnet werden, dass es nur wenige Unternehmen gibt, deren Geschäftszweck darin besteht, an Dollarkursänderungen zu verdienen. Ein deutscher Maschinenbauer hingegen braucht Sicherheit. Er sollte nur dann Dollarkredite aufnehmen, wenn er entsprechende Einzahlungen in Dollar erwartet.

     

    FAZIT | Die Schlussfolgerungen gelten besonders für Nicht-Banken. Bei Banken kann es zum Geschäftsmodell gehören, an Währungskursänderungen zu verdienen, wobei aber auch dort Sicherheitsnetze gespannt sein sollten. So haben die türkischen Banken Ende 2017 noch eine Eigenkapitalquote von 10,72 % gehabt (siehe KNOEMA). Man kann für die türkischen Banken nur hoffen, dass sie sich entweder nur gering in Fremdwährung verschuldet haben oder entsprechende Sicherungsgeschäfte getätigt haben.

     

    Zum Schluss sei noch an die Geheimtipps vor einigen Jahren erinnert, nach denen man seine Immobilie in Schweizer Franken finanzieren sollte, weil die Zinssätze deutlich geringer waren. Auch wenn das für kurze Zeit funktioniert hat, sind viele Häuslebauer in große Probleme geraten, als der Schweizer Franken stärker wurde. So konnte es passieren, dass sie nach einigen Jahren der Ratenzahlung mehr Schulden hatten also vorher.

     

    Weiterführende Hinweise

    • KNOEMA: Türkei ‒ Eigenkapitalquote der Banken, www.iww.de/s2252, Abruf: 1.9.18
    • Süddeutsche (12.8.18): Die Türkei gerät in eine gefährliche Schieflage, www.iww.de/s2253
    Quelle: Ausgabe 01 / 2019 | Seite 9 | ID 45477457