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  • · Fachbeitrag · Insolvenzrechtliche Überschuldung

    (Nur der „richtige“) Rangrücktritt stärkt GmbH und Gesellschafter in der Krise

    von StB Dr. Lukas Karrenbrock, Koblenz

    | Aufgrund der jüngsten Änderungen des COVInsAG ist in zahlreichen Fällen die Insolvenzantragspflicht bis zum 30.4.21 ausgesetzt. Gleichwohl kann und sollte bereits zuvor in einschlägigen Fällen zur Vermeidung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung ein Rangrücktritt für Gesellschafterdarlehen i. S. d. § 19 Abs. 2 S. 2 InsO erklärt werden. Hierbei gilt es steuerrechtliche Besonderheiten zu beachten, um einen (ungewollten) steuerpflichtigen Ertrag zu vermeiden. Der BFH (19.8.20, XI R 32/18) hat die diesbezüglichen Voraussetzungen mit einem kürzlich veröffentlichten Urteil nochmals gefestigt. |

    1. Rangrücktritt als Alternative zum Darlehensverzicht

    Für die Finanzierung von mittelständischen GmbHs sind Gesellschafterdarlehen aus guten Gründen weit verbreitet. Diese Fremdfinanzierung bietet eine deutlich größere Flexibilität als die Finanzierung mit Eigenkapital. Ferner kann, bei guter Ertragslage, das Darlehen steuerneutral an den Gesellschafter zurückgeführt werden. Hierdurch wird eine ansonsten steuerpflichtige Ausschüttung vermieden. Verglichen mit einer Finanzierung über Eigenkapital ist ein Gesellschafterdarlehen bei Gesellschaften „in der Krise“ jedoch von Nachteil, da dieses ‒ wie alle übrigen Verbindlichkeiten ‒ in der insolvenzrechtlichen Überschuldungsbilanz zu passivieren ist. Spätestens seit der Grundsatzentscheidung des BGH (5.3.15, IX ZR 133/14) ist das Instrument der Rangrücktrittsvereinbarung ein bewährtes Mittel, die insolvenzrechtliche Überschuldung zu vermeiden. Der BGH hat entschieden, dass eine qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung einen Schuldänderungsvertrag darstellt, nach dessen Inhalt die Gläubigerforderung in einer insolvenzrechtlichen Überschuldungsbilanz nicht mehr passiviert wird. Im Rahmen dieser Aufstellung können Darlehensverbindlichkeiten demnach unberücksichtigt bleiben, für die ein entsprechender Rangrücktritt vorliegt.

     

    Ein solcher Rangrücktritt ist insbesondere auch unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten häufig einem Darlehensverzicht vorzuziehen, weil letzterer bei der Gesellschaft zu einem steuerlichen Ertrag führt. Nur in Höhe des werthaltigen Teils des Darlehensverzichts liegt eine sogenannte „verdeckte Einlage“ vor, die außerbilanziell zu korrigieren ist. Bei einem Darlehensverzicht gegenüber einer GmbH „in der Krise“ ist im Zweifel keine Werthaltigkeit der Darlehensforderung mehr gegeben. Demnach ist ein Darlehensverzicht häufig ungeeignet, was sich an folgendem Beispiel zeigt.

     

    • Sachverhalt

    Vor Jahren hat der Gesellschafter A seiner A-GmbH ein Darlehen i. H. v. 100.000 EUR gewährt. Aufgrund der Coronakrise ist die A-GmbH in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Um eine insolvenzrechtliche Überschuldung zu vermeiden, verzichtet A auf seine Darlehensforderung. Die A-GmbH hätte zu diesem Zeitpunkt die Darlehensforderung auch nicht anteilig begleichen können.

    Lösung: Die mit dem Verzicht verbundene Ausbuchung der Darlehensverbindlichkeit führt zu einem Ertrag. Da die Forderung auch nicht in Teilen werthaltig ist, ist eine verdeckte Einlage mit 0 EUR anzusetzen. Folglich ist der Darlehensverzicht mit der vollen Valuta i. H. v. 100.000 EUR steuerpflichtig.

     

    Ein „richtig formulierter“ Rangrücktritt vermeidet diese häufig nachteiligen Auswirkungen, da die entsprechende Verbindlichkeit in der Steuerbilanz weiterhin passiviert wird und nicht steuerpflichtig auszubuchen ist. Nur in der insolvenzrechtlichen Überschuldungsbilanz bleibt diese unberücksichtigt. Hierbei ist insbesondere die Regelung des § 5 Abs. 2a EStG zu beachten. Demnach kommt eine Passivierung einer Verbindlichkeit nicht in Betracht, wenn sie nur aus zukünftigen Gewinnen zu bedienen ist. So nimmt die ständige Rechtsprechung auch bei einer Rangrücktrittsvereinbarung grundsätzlich eine erfolgswirksame Auflösung der Verbindlichkeit an, wenn es an einer Regelung über die „Tilgung aus dem sonstigen freien Vermögen“ fehlt (vgl. BFH 15.4.15, I R 44/14, BStBl II, 769). Eine Bezugnahme auf das sonstige freie Vermögen ist für den Rangrücktritt damit elementar. So kann die Formulierung bspw. lauten:

     

    Musterformulierung / 

    […] Der Gläubiger tritt mit sofortiger Wirkung hinsichtlich seiner Forderungen aus dem Darlehensvertrag vom […] in voller Höhe einschließlich Zinsen im Rang hinter sämtliche Forderungen anderer Gläubiger der Gesellschaft in der Weise zurück, dass die Zahlung nur nachrangig nach allen anderen Gläubigern verlangt werden kann. Nur außerhalb einer Krise und erst nach wirksamer Aufhebung dieses Rangrücktritts ist der Gläubiger wieder befugt, seine Rechte vollumfänglich aus dem Darlehensvertrag geltend zu machen und vollständige Erfüllung zu verlangen. Eine vollständige Erfüllung der Ansprüche aus dem Darlehensvertrag darf ausdrücklich nur aus zukünftigen Jahresüberschüssen, Steuerbilanzgewinnen, einem etwaigen Liquidationsüberschuss oder aus sonstigem freien Vermögen erfolgen. […]

     

    2. Freies Vermögen muss nicht zweifelsfrei vorhanden sein

    Die Bezugnahme auf das „sonstige freie Vermögen“ vermeidet auch in den Fällen eine steuerpflichtige Ausbuchung der Verbindlichkeit, wenn kein freies Vermögen vorhanden ist oder, etwa aus Sicht des Finanzamts, auch künftig kein freies Vermögen geschaffen werden kann. Dies hat der BFH (19.8.20, XI R 32/18) jüngst bestätigt. Im Streitfall hatte die Gesellschaft bereits die operative Geschäftstätigkeit eingestellt und es war mit einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit offenkundig, dass auch in Zukunft nicht mit einer Rückzahlung des Darlehens zu rechnen ist.

     

    FAZIT | Aufgrund der nunmehr gefestigten Rechtsprechung sind die Leitlinien klar, wie eine bilanzielle Überschuldung über einen Rangrücktritt vermieden werden kann und gleichwohl die betroffene Verbindlichkeit nicht steuerpflichtig auszubuchen ist. Erfreulicherweise hat der BFH klar bestätigt, dass es für einen steuerneutralen Rangrücktritt nicht darauf ankommt, ob das Darlehen künftig (wahrscheinlich oder unwahrscheinlich) zurückgezahlt werden kann.

     

    Zum Autor | StB Dr. jur. Lukas Karrenbrock, Dipl.-Wirtschaftsjurist, ist geschäftsführender Gesellschafter der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft HLB Dr. Dienst & Partner GmbH & Co. KG in Koblenz und Lehrbeauftragter an der Hochschule Koblenz.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2021 | Seite 84 | ID 47264035