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  • 12.04.2016 · IWW-Abrufnummer 185072

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 18.12.2015 – 2 K 281/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FG Hamburg

    18.12.2015

    2 K 281/14

    Tatbestand

    Der Kläger begehrt eine Herabsetzung der hinzugeschätzten Umsatzerlöse und die Aufhebung des Lohnsteuerhaftungsbescheids.

    Der Kläger betrieb in den Streitjahren 2002 bis zur Betriebseinstellung am ... 2006 ein Taxiunternehmen mit ... Großraumtaxen, die alle mit Funk ausgestattet und an Taxenzentralen angeschlossen waren. Die Taxen wurden im Stadtgebiet, aber auch für längere Fahrten zu anderen Orten eingesetzt. Mit einigen Kunden (sogen. Individualkunden) erfolgte die Abrechnung der Fahrten durch Rechnung.

    Die angestellten Fahrer erhielten als Arbeitslohn 50 % des erzielten Umsatzes. Zu diesem Zweck rechnete der Kläger alle 14 Tage mit den Fahrern auf der Grundlage von deren handschriftlichen Aufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben ab. Die handschriftlichen Aufzeichnungen vernichtete er, nachdem er die Abrechnungsbeträge in der Buchführung erfasst hatte. Die Fahrer konnten das von ihnen gefahrene Taxi jeweils mit nach Hause nehmen. Soweit die Fahrzeuge im Zwei-Schicht-Betreib eingesetzt wurden, stimmten sich die Fahrer untereinander wegen der Übernahme des Fahrzeugs ab.

    Im Dezember 2008 wurde gegen den Kläger ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Anlass hierfür waren handschriftliche Aufzeichnungen, die im Rahmen eines Verfahrens gegen den Angestellten des Klägers A sichergestellt worden waren. Die Steuerfahndung kam u. a. auf Grund dieser Unterlagen zu dem Ergebnis, dass die tatsächlichen Einnahmen vor deren Erfassung in der Buchführung verkürzt worden seien, so dass sowohl in den monatlichen Lohnabrechnungen als auch in der Gewinnermittlung des Klägers geringere Umsätze berücksichtigt worden seien. Auf Grund von weiteren, beim Kläger sichergestellten Unterlagen ergebe sich, dass auch bei weiteren Fahrern die Abrechnungen manipuliert worden seien. Die Kilometerstände seien bei zwei Taxen manipuliert worden. Ebenfalls könne insbesondere bei in bar geleisteten Privateinlagen die Herkunft der Gelder nicht geklärt werden.

    Der Beklagte schätzte daraufhin die Besteuerungsgrundlagen, indem er die gefahrenen Kilometer an Hand eines Kraftstoffverbrauchs von 9 l auf 100 Kilometer (km) ermittelte und auf der Grundlage der Gutachten der Firma Linne und Krause zur wirtschaftlichen Lage des Hamburger Taxengewerbes von einem Nettoumsatz pro gefahrenen km im mehrjährigen Durchschnitt von 0,80 € ausging. Wegen der festgestellten Manipulation der Fahrerabrechnungen im Innenverhältnis und damit zu niedrig verbuchtem Lohnaufwand, wurden weitere Betriebsausgaben in Höhe der Differenz zwischen dem gebuchten Lohnaufwand und dem nach der Schätzung ermittelten höheren Löhnen berücksichtigt. Auf dieser Grundlage erließ der Beklagte am 09.11.2012 bzw. 13.11.2012 geänderte Steuerbescheide für 2002 bis 2005 und erstmalige Bescheide für 2006.

    Des Weiteren nahm der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 17.12.2012 wegen nicht abgeführter Lohnsteuer auf die gezahlten "Schwarzlöhne" in Höhe eines Betrags von ... € in Haftung. Für die Berechnung der nicht abgeführten Lohnsteuer hatte der Beklagte den vom Kläger im jeweiligen Jahr auf die Arbeitslöhne gezahlten durchschnittlichen Steuersatz herangezogen, soweit aus seiner Sicht eine individuelle Zuordnung der "Schwarzlöhne" nicht möglich sei. Soweit die "Schwarzlöhne" in Höhe von ... € in 2003 und in Höhe von ... € in 2004 auf den Angestellten A entfielen, erfolgte die Berechnung der Steuer auf der Grundlage der bekannten Steuerklasse. In den Erläuterungen wies der Beklagte darauf hin, dass der Kläger als Haftender anstelle der Arbeitnehmer in Anspruch genommen werde, weil ein Haftungsausschluss nicht vorliege. Von den Arbeitnehmern könnten die Beträge nicht nachgefordert werden.

    Am 10.12.2012 hat der Kläger gegen die geänderten Steuerbescheide und am 14.01.2013 gegen den Lohnsteuerhaftungsbescheid Einsprüche eingelegt. Auf Grund der Einwendungen des Klägers zum Umfang des Kraftstoffverbrauchs korrigierte der Beklagte seine Schätzung dahingehend, dass er von einem durchschnittlichen Verbrauch von 10 l pro gefahrenen 100 km ausging. Er erließ am 14.10.2013 geänderte Steuerbescheide und setzte die Einkommensteuer für 2002 auf ... €, für 2003 auf ... €, für 2005 auf ... €, sowie die Umsatzsteuer für 2002 auf ... €, für 2003 auf ... €, für 2004 auf ... €, für 2005 auf ... € und für 2006 auf ... € fest.

    Des Weiteren nahm der Beklagte mit Bescheid vom 31.01.2014 den Haftungsbescheid vom 17.12.2012 teilweise zurück und reduzierte den Haftungsbetrag auf ... €. Aufgrund der Herabsetzung der hinzugeschätzten Umsätze würden sich die "Schwarzlohnzahlungen" in 2002 auf ... €, in 2003 auf ... €, in 2004 auf ... €, in 2005 auf ... € und in 2006 auf ... € reduzieren.

    Mit Einspruchsentscheidungen vom 11.09.2014 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2005 auf ... € und für 2006 auf 0 € herab und wies im Übrigen die Einsprüche gegen die Steuerbescheide und gegen den Lohnsteuerhaftungsbescheid als unbegründet zurück. Zur Begründung der Zurückweisung des Einspruchs gegen den Haftungsbescheid führte er aus, dass die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner dem Grunde und der Höhe nach nicht zu beanstanden sei. Unstreitig seien "Schwarzlöhne" in Höhe von 50 % der geschätzten Mehrerlöse gezahlt worden, die der Lohnsteuer unterlegen hätten. Die Lohnsteuer sei, soweit eine direkte Zuordnung zu den jeweiligen Arbeitnehmern nicht möglich sei, in Anlehnung an § 40 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit einem Bruttosteuersatz zu schätzen und im Übrigen unter Anwendung der bekannten Steuerklasse gemäß § 38b EStG nachzuerheben. Der Kläger hafte für die festgesetzten Steuern gemäß § 42d Abs. 1 EStG weil er die Lohnsteuern in unzutreffender Höhe einbehalten und abgeführt habe und ein Haftungsausschluss nicht vorliege.

    Das eingeleitete Steuerstrafverfahren wegen Verdachts der vorsätzlichen Verkürzung von Einkommensteuern und Umsatzsteuern wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom ... gemäß § 153 a der Strafprozessordnung gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von ... € eingestellt.

    Am 13.10.2014 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, dass der Beklagte den zulässigen Schätzungsrahmen überschritten habe und es deshalb zu einer übermäßigen Steuerbelastung komme. Der Beklagte gehe unzutreffender Weise davon aus, dass er, der Kläger, ... Funktaxen im Zwei-Schicht-Betrieb eingesetzt habe. Tatsächlich sei nur jeweils ein Fahrzeug begrenzte Zeit im Zwei-Schicht-Betrieb gefahren. Die Aufbewahrungspflicht von Schichtzetteln sei ihm, dem Kläger, nicht bekannt gewesen. Die Abweichungen bei den Tachoständen beruhten auf Ablesefehlern. Bei den ungeklärten Privateinlagen handle es sich im Wesentlichen um zurückgeflossene Entnahmen. Die dem Prüfungsbericht als Anlage 1 beigefügten Schicht- und Arbeitsnachweise des Fahrer B seien ihm ebenso wenig bekannt wie das dabei verwandte Formular. Der von dem Beklagten bei der Schätzung zugrunde gelegte Nettoumsatz pro gefahrenen km von 0,80 € sei zu hoch. Insoweit werde auf das Urteil des 3. Senats des Finanzgerichts Hamburg (Az.: 3 K 13/09) Bezug genommen, wonach jeweils der niedrigste Wert der dem Gutachten Linne und Krause zu Grunde liegenden Spannweite der Nettoumsätze pro gefahrenen Kilometer heranzuziehen sei, nämlich für die Jahre 2002 bis 2004 0,64 €, für 2005 0,67 € und für 2006 0,68 €. Die korrigierte Schätzung der Fahrleistung auf Grund des Kraftstoffverbrauchs weiche nur noch um 6.910 km von den tatsächlich gefahrenen km ab, so dass eine Schätzung nicht mehr gerechtfertigt sei.

    Für das Jahr 2002 sei eine Änderung der Steuerfestsetzungen nur möglich, wenn der Vorwurf der Steuerhinterziehung gemacht werden könne und die Mehrsteuern auf einer Steuerhinterziehung beruhten. Die Voraussetzungen seien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen, auch hierbei gelte der Grundsatz in dubio pro reo. Das bedeute, dass das Gericht auch der Höhe nach zu einer Steuerhinterziehung gelangen müsse. Angesichts der Entscheidungen anderer Senate des Finanzgerichts Hamburg, die in vergleichbaren Fällen bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen Kilometersätze von überwiegend deutlich unter 0,80 € Umsatz pro gefahrenen Kilometer zu Grunde gelegt hätten, müsse jedoch bezweifelt werden, dass das Gericht hinsichtlich der festgesetzten Mehr-Steuern auf der Grundlage eines Kilometersatzes von 0,80 € zu der Überzeugung einer Steuerhinterziehung komme.

    Der Lohnsteuerhaftungsbescheid sei rechtswidrig, weil der Beklagte sein Auswahlermessen nicht ausgeübt habe. Er habe keine Überlegungen dazu angestellt, in welchem Umfang die betroffenen Arbeitnehmer, die neben dem Kläger als Gesamtschuldner für die Lohnsteuer hafteten, hätten in Anspruch genommen werden können. Insbesondere sei nicht begründet worden, warum dies habe unmöglich sein sollen. Die Arbeitnehmer seien dem Beklagten namentlich bekannt gewesen. Im Zweifelsfall hätten für den jeweiligen Arbeitnehmer im Wege der Schätzung der gezahlte Mehr-Lohn und die darauf entfallende Lohnsteuer ermittelt werden können. Die Ausübung des Auswahlermessens könne vom Beklagten nicht nachgeholt und vom Gericht nicht ersetzt werden.

    Der Erlass eines Haftungsbescheides sei darüber hinaus auch nur bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung zulässig, denn die Lohnsteueranmeldungen seien jeweils zeitnah abgegeben worden, so dass die Festsetzungsfrist überwiegend vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens im August 2008 abgelaufen gewesen sei. Auch soweit die Festsetzungsfrist zu dem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen gewesen sei, sei fraglich, ob das eingeleitete Ermittlungsverfahren, das die Lohnsteuer nicht zum Gegenstand gehabt habe, den Ablauf der Frist nach § 171 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) habe hemmen können.

    Der Kläger beantragt,

    1.     die Umsatzsteuerbescheide für 2002 vom 14.10.2013 sowie vom 13.11.2012 und insoweit die Einspruchsentscheidung vom 11.09.2014 aufzuheben,
       
    2.  die Umsatzsteuerbescheide für 2003 bis 2005, jeweils vom 14.10.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 11.09.2014 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2003 auf ... €, für 2004 auf ... € und für 2005 auf ... € festgesetzt wird sowie
       
    3. den Haftungsbescheid vom 17.12.2012 in Gestalt der Teilrücknahme vom 31.01.2014 und die Einspruchsentscheidung vom 11.09.2014 aufzuheben.

    Die Kläger beantragen,

        1. die Einkommensteuerbescheide für 2002 vom 14.10.2013 sowie vom 09.11.2012 und insoweit die Einspruchsentscheidung vom 11.09.2014 aufzuheben,

        2. die Einkommensteuerbescheide für 2003 und 2005 vom 14.10.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 11.09.2014 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Einkünften aus Gewerbebetrieb für 2003 in Höhe von ... € und für 2005 in Höhe von ... € festgesetzt wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte nimmt Bezug auf die Einspruchsentscheidungen und führt ergänzend aus, dass von einer Steuerhinterziehung für die Streitjahre 2002 bis 2006 auszugehen sei. Die Frage, ob eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung dem Grunde nach gegeben sei, sei unter Anwendung der Verfahrensvorschriften der AO und nicht nach den strafprozessualen Grundsätzen festzustellen. Er, der Beklagte, habe auf der Grundlage der Ergebnisse der Steuerfahndungsprüfung die Tatbestandsmerkmale der Strafvorschriften bejaht.

    Auch der Haftungsbescheid sei rechtmäßig. Er habe sein Ermessen bei Erlass des Bescheides erkannt und letztlich auch hinreichend begründet. Angesichts der festgestellten Lohnsteuerhinterziehung sei die Inanspruchnahme des Klägers ermessensgerecht gewesen, denn bei den Arbeitnehmern hätten die Beträge nicht nachgefordert werden können, weil eine eindeutige Zuordnung bestimmter Beträge zu den einzelnen Arbeitnehmern nicht möglich gewesen sei. Selbst wenn diese Voraussetzung nicht vorläge, könne der Haftungsanspruch gegenüber dem Kläger geltend gemacht werden, weil er den Steuerschaden durch sein Handeln verursacht habe. Er habe als Arbeitgeber seine Pflichten verletzt, nämlich die bei Auszahlung der Arbeitslöhne einzubehaltenden Steuerabzugsbeträge ordnungsgemäß an das Finanzamt abzuführen.

    Dem Gericht haben die Sachakten des Beklagten zu der Steuernummer .../.../... sowie die Akten der Staatsanwaltschaft Hamburg zu dem Aktenzeichen ... vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage hat teilweise Erfolg. Die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide für das Jahr 2002 sind rechtswidrig. Ebenfalls ist der Haftungsbescheid rechtswidrig, soweit der Kläger für Lohnsteuer aus dem Jahr 2002 in Haftung genommen wird. Die Bescheide verletzten die Kläger insoweit in ihren Rechten und sind aufzuheben. Im Übrigen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und die Klage abzuweisen.

    I.

    Die Umsatzsteuerbescheide für 2003 bis 2005 und die Einkommensteuerbescheide für 2003 und 2005 sind rechtmäßig. Die Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen lagen vor, auch für das hier nur im Rahmen der Lohnsteuerhaftung betroffene Jahr 2006 (1.); die Schätzung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden (2.). Für das Jahr 2002 war jedoch Festsetzungsverjährung eingetreten und eine Änderung des Umsatzsteuerbescheids und des Einkommensteuerbescheids nicht mehr zulässig (3.)

    1. Der Beklagte war befugt, die Einkünfte des Klägers gemäß § 162 AO zu schätzen, denn die Aufzeichnungen des Klägers können der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden.

    a) Nach § 162 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen (§ 162 Abs. 2 AO).

    Der Kläger war im Rahmen der von ihm zulässigerweise nach § 4 Abs. 3 EStG vorgenommenen Gewinnermittlung zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen verpflichtet. Auch die Überschussrechnung setzt voraus, dass die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen werden. Die allgemeinen Ordnungsvorschriften in den §§ 145 ff. AO gelten nicht nur für Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach §§ 140, 141 ff. AO. Insbesondere § 145 Abs. 2 AO betrifft jegliche zu Besteuerungszwecken gesetzlich geforderten Aufzeichnungen, also auch solche, zu denen der Steuerpflichtige aufgrund anderer Steuergesetze, wie z. B. § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i. V. m. §§ 63-68 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) verpflichtet ist (BFH-Urteil vom 24.06.2009 VIII R 80/06, BStBl II 2010, 452). Diese Aufzeichnungspflicht nach dem UStG wirkt, sofern dieses Gesetz keine Beschränkung auf seinen Geltungsbereich enthält oder sich eine Beschränkung aus der Natur der Sache nicht ergibt, unmittelbar auch für andere Steuergesetze (BFH-Urteil vom 26.02.2004 IX R 25/02, BStBl II 2004, 599 [BFH 26.02.2004 - XI R 25/02] m. w. N.).

    Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG sind unter anderem die vereinnahmten Entgelte aufzuzeichnen. Nach § 63 Abs. 1 UStDV müssen die Aufzeichnungen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten. Betriebseinnahmen sind einzelnen aufzuzeichnen. Der Umstand der sofortigen Bezahlung der Leistung rechtfertigt nicht, die jeweiligen Geschäftsvorfälle nicht einzelnen aufzuzeichnen. Aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität genügen im Bereich des Taxigewerbes jedoch die sogenannten Schichtzettel i. V. m. den Angaben, die sich auf dem Kilometerzähler und dem Taximeter des einzelnen Taxis ablesen lassen, den sich aus der Einzelaufzeichnungspflicht ergebenden Mindestanforderungen (BFH-Urteil vom 26.02.2004 IX R 25/02, BStBl II 2004, 599 [BFH 26.02.2004 - XI R 25/02]; Beschluss vom 18.03.2015 III B 43/14, BFH/NV 2015, 978).

    § 147 Abs. 1 AO verlangt die geordnete Aufbewahrung von Unterlagen. Diese Aufbewahrungspflicht ist akzessorisch zur Aufzeichnungspflicht. Die Aufbewahrung von Einnahmeursprungsaufzeichnungen - wie den Schichtzetteln - ist dann nicht erforderlich, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihten Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird (BFH-Urteil vom 26.02.2004 IX R 25/02, BStBl II 2004, 599 [BFH 26.02.2004 - XI R 25/02]; Beschluss vom 18.03.2015 III B 43/14, BFH/NV 2015, 978).

    b) Sowohl die Verletzung der Aufzeichnungspflicht als auch der Aufbewahrungspflicht berechtigen im vorliegenden Fall zur Schätzung der Einkünfte. Die Aufzeichnungen der Einnahmen bieten nicht die Gewähr der Vollständigkeit und Richtigkeit. Der Kläger hat die Bareinnahmen und -ausgaben nicht täglich erfasst, sondern nach seinen eigenen Angaben erst im Rhythmus von 14 Tagen mit seinen angestellten Fahrern abgerechnet und die Einnahmen und Ausgaben monatlich verbucht. Einnahmeursprungsaufzeichnungen, im Taxigewerbe regelmäßig die Schichtzettel, sind ebenso wenig aufbewahrt worden wie die von den Fahrern für die Abrechnung mit dem Kläger erstellten, 14-tägigen Einnahmen- und Ausgabenaufzeichnungen.

    Von der Aufbewahrung dieser Einnahmeursprungsaufzeichnungen kann im vorliegenden Fall nicht abgesehen werden, da der Kläger die Betriebseinnahmen gerade nicht unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das fortlaufend geführte Kassenbuch eingetragen hat (vgl. Beschluss vom 18.03.2015 III B 43/14, BFH/NV 2015, 978). Hierbei kommt es nicht darauf an, dass dem Kläger seinem Vortrag nach die Erfassung der Einnahmen auf Schichtzetteln nicht bekannt gewesen sei. Der Kläger war steuerlich beraten. Im Übrigen ist von einem Gewerbetreibenden zu erwarten, dass er sich über seine Aufzeichnungspflichten kundig macht. Das Führen von Schichtzetteln dient dabei der Erleichterung der regelmäßig bestehenden Einzelaufzeichnungspflicht, die der Kläger auch in anderer Weise hätte erfüllen können. Der Kläger hat diese Pflicht bewusst verletzt und darüber hinaus auch die weiteren Unterlagen über eine ursprüngliche Erfassung von Betriebseinnahmen, nämlich die Abrechnungen der Fahrer, vernichtet.

    Hinzu kommt, dass die Herkunft von Privateinlagen nicht geklärt werden konnte. Angesichts der erklärten niedrigen Gewinne bzw. Verluste in den Streitjahren können die eingelegten Gelder nicht aus gebildeten Rücklagen stammen. Eine nachvollziehbare Erklärung über die Herkunft der in den Betrieb eingelegten Gelder hat der Kläger bis heute nicht geben können. Der von dem Kläger behauptete Zusammenhang mit zuvor entnommen Beträgen ist nicht nachvollziehbar. Die von dem Kläger angeführten zwei Vorgänge betreffen nur einen sehr geringen Teil der Privateinlagen und weichen im Übrigen hinsichtlich der (entnommenen und eingezahlten) Beträge ab, ohne dass die Differenz erläutert wird. Demgegenüber hat der Beklagte ausweislich der bei dem Angestellten Lauterwald und weiteren bei dem Kläger sichergestellten Unterlagen festgestellt, dass die auf diesen Abrechnungen ermittelten Beträge von den in der Buchführung erfassten Einnahmen abweichen, so dass ein Zusammenhang zwischen den verkürzten Einnahmen und den ungeklärten Einlagen naheliegt.

    Der Einwand des Klägers, dass er sowohl die Abrechnung des Fahrers B als auch das verwendete Abrechnungsformular nicht kenne, wertet das Gericht als Schutzbehauptung, denn die Unterlagen befanden sich auf dem von der Steuerfahndung ausgelesenen PC des Klägers.

    Die Voraussetzungen für eine Schätzung der Betriebseinnahmen entfallen auch nicht dadurch, dass die auf Grund des Kraftstoffverbrauchs geschätzten gefahrenen km nur im Umfang von 6.910 km von den vom Kläger unter Heranziehung der Wartungs- und Reparaturrechnungen ermittelten Kilometerständen abweichen. Die von dem Kläger ermittelten gefahrenen km beruhen zum Teil auch auf Schätzungen, denn bei allen Taxen wurde der Kilometerstand zum 01.01.2002 geschätzt. Ebenfalls sind die Kilometerstände bei Betriebsaufgabe zum Teil nicht belegt und häufig ebenfalls durch den Kläger geschätzt worden. Dass die Schätzung des Klägers die Gewähr größerer Richtigkeit bietet, kann nicht festgestellt werden.

    2. Da die Buchführung der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden konnte, lagen die Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vor. Das Gericht macht von seiner eigenen Schätzungsbefugnis nach § 96 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. §§ 158, 160, 162 AO Gebrauch und folgt der von dem Beklagten vorgenommenen sachgerechten Schätzung der Einkünfte.

    a) Im Rahmen der Schätzung können Tatsachenfeststellungen mit einem geringeren Grad an Überzeugung getroffen werden, als dies in der Regel geboten ist. Der Grad der grundsätzlich erforderlichen Gewissheit verringert sich dabei so weit, dass der Sachverhalt aufgrund von Wahrscheinlichkeitserwägungen festgestellt werden darf. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss aber schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein (BFH-Beschluss vom 13.10.2003 IV B 85/02, BStBl II 2004, 25).

    b) Der Beklagte hat in sachgerechter Weise zunächst die Laufleistung der Fahrzeuge auf der Grundlage des Kraftstoffverbrauchs geschätzt. Im Hinblick auf die bei zwei Fahrzeugen festgestellten, letztlich nicht aufklärbaren Ungereimtheiten bei den auf den Wartungs- und Reparaturrechnungen festgehaltenen Kilometerständen und der Notwendigkeit, dass die Kilometerstände zu Beginn und teilweise zum Abschluss des Prüfungszeitraums auch hätten geschätzt werden müssen, ist die Ermittlung der Laufleistung über den Kraftstoffverbrauch nicht zu beanstanden. Hierbei hat der Beklagte den Kraftstoffverbrauch mit 10 l auf 100 km angesichts der Verbrauchsdaten für ein vergleichbar großes Fahrzeug (Kraftstoffverbrauch eines Multivan T 4 TDI, 75 KW, 102 PS innerorts ca. 9,9 l, außerorts ca. 6,8 l) nicht zu niedrig angesetzt, zumal mit den Fahrzeugen des Klägers häufiger auch längere Fahrten zu Orten außerhalb Hamburgs durchzuführen waren. Auch der Kläger hat gegen die geschätzte Höhe des Kraftstoffverbrauchs keine Einwendungen erhoben.

    Die danach gefahrenen km (2002: 162.410 km, 2003: 226.800 km, 2004: 237.960 km, 2005 228.640 km, 2006: 126.100 km) hat der Beklagte mit einem Netto-Umsatz von 0,80 € multipliziert und kommt so zu Netto-Einnahmen in 2002 in Höhe von 129.928 €, in 2003 in Höhe von 181.440 €, in 2004 in Höhe von 190.368 €, in 2005 in Höhe von 182.912 € und in 2006 in Höhe von 100,880 €.

    c) Der so ermittelte Netto-Umsatz ist methodisch nicht zu beanstanden und bietet die hohe Wahrscheinlichkeit, dass er den tatsächlich erzielten Einnahmen sehr nahe kommt. Bei dem Ansatz von 0,80 € Netto-Einnahme pro gefahrenen km hat der Beklagte sich in sachgerechter Weise an dem von der Freien und Hansestadt Hamburg, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt bzw. Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation in Auftrag gegebenen Gutachten über die wirtschaftliche Lage des Hamburger Taxigewerbes orientiert. Die Gutachter Linne und Krause, die im Dezember 2004 den Auftrag erhielten, haben seit dem wiederholt Zwischenberichte über die wirtschaftliche Lage des Hamburger Taxigewerbes abgegeben, zuletzt im Mai 2012. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die in dem Gutachten ermittelten Werte, soweit sie im vorliegenden Verfahren relevant sind, methodisch fundiert sind und empirisch auf einer ausreichenden Grundlage beruhen. Die Methoden der Datenerhebung und Datenauswertung sind in den Gutachten dargestellt und somit für alle Beteiligten auf Plausibilität überprüfbar. Auch soweit die Gutachten bereits Gegenstand finanzgerichtlicher Verfahren waren (FG Hamburg, Urteil vom 07.09.2010, 3 K 13/09, EFG 2010, 2057; Urteil vom 11.11.2014, 6 K 206/11, [...]) haben sich die ermittelten Zahlen als belastbar erwiesen und sind zur Grundlage der Entscheidungen gemacht worden.

    Auf der Grundlage dieser Gutachten erachtet der Senat den Ansatz von 0,80 € pro gefahrenen km für sachgerecht. Die Erhebung hat ergeben, dass bei Mehrwagenbetrieben der Umsatz pro gefahrenen km im Durchschnitt in 2001 bei 0,80 €, in 2002 bei 0,84 €, in 2003 bei 0,82 €, in 2004 bei 0,84 €, in 2005 bei 0,86 € und in 2006 bei 0,87 € lag. Soweit ab 2006 eine Differenzierung zwischen Mehrwagenbetriebe mit Funk und ohne Funk erfolgt ist, wird ersichtlich, dass der Umsatz pro gefahrenen km bei Mehrwagenbetriebe mit Funk etwa 0,04 bis 0,05 € über dem der Mehrwagenbetriebe ohne Funk lag. Der Beklagte bleibt mit dem Ansatz eines Netto-Umsatzes von 0,80 € pro gefahrenen km für die Streitjahre deutlich unter den ermittelten Durchschnittswerten. Hierbei stützt der Beklagte sich auf eine Aussage aus dem ersten Zwischenbericht aus März 2006, wonach im mehrjährigen Durchschnitt die Fahrzeuge auf einen Umsatz von ca. 0,80 € kommen (vgl. S. 30 des ersten Zwischenberichts aus März 2006). Hierbei handelt es sich um einen Gesamtdurchschnittswert für alle Betriebsarten. In dem Gutachten wird an dieser Stelle nicht differenziert zwischen Betreiben mit oder ohne Funkanschluss, Betrieben mit einem oder mehr Fahrzeugen, mit oder ohne angestellte Fahrer.

    Der Senat sieht angesichts des hier zugrunde gelegten durchschnittlichen Netto-Umsatzes pro gefahrenen km für alle Betriebe keinen Anlass, die von dem 3. Senat des Finanzgerichts Hamburg in der Entscheidung vom 07.09.2010 (3 K 13/09, EFG 2010, 2057) herangezogenen niedrigeren Werte zugrunde zu legen. Der 3. Senat hat seiner Schätzung den unteren Wert einer von dem - in dem Verfahren angehörten - Sachverständigen angegebenen Spannbreite (0,64 € bis 0,68 € pro gefahrenen km) zugunsten des Klägers zugrunde gelegt, weil er der Auffassung war, dass es dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen dürfe, dass der Sachverständige nicht offenlegen könne, bei welcher Funkzentrale die niedrigsten Umsatzerlöse erzielt würden.

    Dieser Würdigung folgt der erkennende Senat nicht, denn Netto-Umsätze von 0,64 bis 0,68 €/km hält der Senat nach Auswertung des Gutachtens von Linne und Krause für nicht plausibel. Nach dem Gutachten sind Einkünfte in der Größenordnung nicht realitätsgerecht. Die Gutachter betonen, dass es insbesondere in Hamburg in großer Zahl Betriebe mit nicht erklärbar niedrigem Umsatz gebe. Die Daten von Betrieben, die im mehrjährigen Durchschnitt Umsätze zwischen 0,63 €/km und 0,66 €/km auswiesen, seien nicht plausibel. Vielmehr seien Werte professioneller Taxibetriebe in 2004 von 0,81 €/km plausibel, denn sie seien mit den per Fiskaltaxameter gewonnenen Daten aus 2005 von 0,83 €/km kompatibel (vgl. S. 29, 30 des ersten Zwischenberichts aus März 2006). Hinzu kommt, dass Taxen mit Funkanschluss - wie die weiteren Erhebungen zeigen - profitabler arbeiten und regelmäßig einen höheren Umsatz pro gefahrenen km erzielen als Taxen ohne Funkanschluss. Für den Betrieb des Klägers bedeutet das, dass er mit einiger Wahrscheinlichkeit höhere Einnahmen pro gefahrenen km erzielt hat, als der für alle Betriebsarten ermittelte Durchschnittwert. Eine Absenkung unter diesen Durschnittwert kommt deshalb nicht in Betracht, zumal der Kläger nichts dafür vorgetragen hat, dass er einer besonders unprofitablen Funkzentrale angeschlossen gewesen sein könnte. Vielmehr lässt auch der Umstand, dass mit den Fahrzeugen häufiger besondere Fahrten wie Kranken- und Behindertentransporte oder für Individualkunden durchgeführt wurden, vermuten, dass eher über dem Durchschnitt liegende Einnahmen erzielt wurden.

    Im Ergebnis hat auch der 3. Senat seiner Schätzung der Einkünfte einen Netto-Umsatz zugrunde gelegt, der von dem Durchschnittswert aller Betriebe von 0,80 €/km nur geringfügig abweicht. So setzte der 3. Senat in der Entscheidung für 2004 einen Wert von 0,76 €/km an, für 2005 von 0,78 €/km und für 2006 von 0,79 €/km, weil nur ein Teil der Taxen an einer Funkzentrale angeschlossen war.

    Schließlich ist bei der Schätzung grundsätzlich zu bedenken, dass Unsicherheiten zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen, dessen Aufzeichnungen ungenügend waren. Gibt es eine Bandbreite, innerhalb derer die geschätzte Größe sich realistischer Weise bewegt, so ist grundsätzlich zu Ungunsten des Steuerpflichtigen zu schätzen, d. h. auf der Betriebseinnahmenseite (Umsätze) am oberen Ende der Spanne, auf der Betriebsausgabenseite am unteren Ende, denn derjenige, der seine Buchführungspflichten nicht erfüllt, darf aus seinem Verhalten keinen Vorteil ziehen (FG Hamburg, Urteil vom 07.09.2010, 3 K 13/09, EFG 2010, 2057; BFH-Urteil vom 29.03.2001 IV R 67/99, BStBl II 2001, 484). Die Schätzungsungewissheit darf nicht dazu führen, nur den Betrag anzunehmen, der auch im ungünstigsten Fall als sicher vereinnahmt angesehen werden kann (Seer in Tipke/Kruse, § 162 AO Rn. 44). Auch vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass, den Durchschnittswert weiter abzusenken.

    d) Die auf dieser Grundlage hinzugeschätzten Netto-Mehrerlöse in Höhe von 10.221 € in 2002, in Höhe von 35.683 € in 2003, in Höhe von 60.880 € in 2004, in Höhe von 63.723 € in 2005 und in Höhe von 22.299 € in 2006 hat der Beklagte im Verhältnis der erklärten Umsätze zu 7 % und zu 16 % aufgeteilt. Dieses Aufteilungsverhältnis ist sachlich nicht zu beanstanden und wird auch von dem Kläger nicht gerügt.

    e) Der Beklagte hat zugunsten des Klägers bei der Gewinnermittlung weitere Betriebsausgaben für Lohnzahlungen an die angestellten Fahrer berücksichtigt. Nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen erhielten die angestellten Fahrer als Arbeitslohn 50 % des erzielten Brutto-Umsatzes. In Höhe dieses Betrages konnten folgerichtig Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beträge der Höhe nach unzutreffend ermittelt worden sind, bestehen nicht. Dem Kläger sind die Berechnungen der hinzugeschätzten Beträge als Anlagen zum Schreiben vom 26.06.2013 übersandt worden. Gegen die Berechnung sind auch von seiner Seite keine Einwendungen geltend gemacht worden.

    Nach allem sind die angefochtenen Bescheide für die Streitjahre sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach rechtlich nicht zu beanstanden.

    3. Eine Änderung des Einkommensteuerbescheids und des Umsatzsteuerbescheids 2002 war jedoch nicht mehr möglich, weil insoweit Festsetzungsverjährung eingetreten war. Der Änderung der angefochtenen Steuerbescheide für 2003 bis 2005 steht hingegen der Eintritt der Festsetzungsverjährung nicht entgegen.

    a) Die Festsetzungsfrist begann entsprechend der eingereichten Steuererklärung für 2002 mit Ablauf des Jahres 2003, für 2003 mit Ablauf des Jahres 2005 sowie für 2004 und 2005 mit Ablauf des Jahres 2006 zu laufen. Für die Jahre 2003 bis 2005 wurde der Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO durch die Einleitung der Ermittlungen der Steuerfahndung am 29.08.2008 sowie der Einleitung des Steuerstrafverfahrens im Dezember 2008 gemäß § 171 Abs. 5 AO gehemmt, bis die aufgrund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Eine Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2003 und 2005 sowie der Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2005 war danach zulässig.

    b) Für das Streitjahr 2002 war die reguläre Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO Ende 2007 abgelaufen. Der Ablauf der Festsetzungsfrist wurde durch die Ermittlungen der Steuerfahndung nicht unterbrochen, denn der Senat gelangt nach Würdigung aller Umstände nicht zu der Überzeugung, dass für 2002 die Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung vorliegen.

    Eine Steuerhinterziehung begeht nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

    Die für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung erforderlichen Feststellungen sind zwar nicht nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO), sondern nach denjenigen der AO und der FGO zu treffen. Auch muss bezüglich des Vorliegens eines Straftatbestands kein höheres Maß an Gewissheit gegeben sein, als bei sonstigen Tatbestandsmerkmalen. Es ist jedoch im Besteuerungs- und Finanzgerichtsverfahren der strafverfahrensrechtliche Grundsatz in dubio pro reo zu beachten. Dies schließt es aus, die Schätzung der hinterzogenen Steuern - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen im Falle der Verletzung von Mitwirkungspflichten - auf Wahrscheinlichkeitserwägungen, d. h. auf ein reduziertes Beweismaß zu stützen und an der oberen Grenze des für den Einzelfall zu beachtenden Schätzungsrahmens auszurichten. Erforderlich ist es vielmehr, dass das Finanzgericht auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 S. 1 FGO i. V. m. § 162 AO) von der Höhe der Steuerhinterziehung überzeugt ist. Nicht behebbare tatsächliche Zweifel dürfen selbst dann nicht im Rahmen der Schätzung des Hinterziehungsbetrages zu Lasten des Steuerpflichtigen gewürdigt werden, wenn die Unsicherheit hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten auf der unterbliebenen Mitwirkung des Steuerpflichtigen beruht (BFH-Urteil vom 07.11.2006 VIII R 81/04, BStBl II 2007, 364; Beschluss vom 29.01.2002 VIII B 91/01, BFH/NV 2002, 449, jeweils m. w. N.). Nach dem Grundsatz in dubio pro reo ist von der für den Täter günstigeren Tatsachenalternative auszugehen.

    c) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist für das Jahr 2002 Festsetzungsverjährung eingetreten. Zwar hat der Kläger wie in den Folgejahren seine Aufzeichnungspflichten verletzt. Für 2002 kann jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden, dass er willentlich über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat. Manipulierte Fahrerabrechnungen, die wesentliches Indiz für die Abgabe unrichtiger Angaben und die bewusste Verkürzung von Steuern sind, wurden erst ab 2003 festgestellt. Zwar sind die in den Wartungs- und Reparaturrechnungen angegebenen Kilometerstände in 2002 bei einem Fahrzeug niedriger als der in der vorherigen Rechnung angegebene Kilometerstand. Dies kann ein Indiz dafür sein, dass eine Manipulation erfolgt ist. Insoweit bestehen aber erhebliche Zweifel, denn die Unregelmäßigkeit ist im Streitzeitraum nur einmal festgestellt worden. Da die nachfolgenden Kilometerstände nicht unplausibel sind, ist es in gleicher Weise möglich, dass es sich lediglich um einen Ablese- oder Aufzeichnungsfehler handelt.

    Auch in 2002 sind Beträge mit ungeklärter Herkunft eingelegt. Diese Beträge sind jedoch im Vergleich zu denen der nachfolgenden Jahre geringer. Ohne weitere konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den Einlagen um nicht erklärte Betriebseinnahmen handelt, liegt auch darin kein Beweis, dass bereits in 2002 der objektive und subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung als erfüllt anzusehen ist.

    Auch wenn sich die Hinzuschätzung der Einnahmen nicht am oberen Rand des Schätzungsrahmen orientiert, sondern einen empirisch belegten Durchschnittwert zugrunde legt, ist der Senat für 2002 auch von der Höhe des Verkürzungsbetrags unter Einbeziehung des rechtsstaatlichen Grundsatzes in dubio pro reo nicht überzeugt.

    Die geänderten Einkommensteuerbescheide für 2002 vom 14.10.2013 und vom 09.11.2012 sowie die geänderten Umsatzsteuerbescheide für 2002 vom 13.11.2012 und vom 13.11.2012 sind deshalb aufzuheben.

    II.

    Der auf der Grundlage von § 191 Abs. 1 S. 1 AO i. V. m. § 42d EStG ergangene Haftungsbescheid vom 17.12.2012 in Gestalt der Teilrücknahme vom 31.01.2014 und der Einspruchsentscheidung vom 11.09.2014 ist rechtswidrig und aufzuheben, soweit der Beklagte den Kläger auch für Lohnsteuern aus dem Jahre 2002 in Anspruch nimmt. Im Übrigen ist die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner rechtmäßig, insbesondere genügt die Ermessensbegründung im hier zu beurteilenden Sachverhalt noch den Anforderungen.

    Nach § 191 Abs. 1 S. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat, sowie gemäß § 42b Abs. 1 Nr. 3 EStG für die Einkommensteuer (Lohnsteuer), die auf Grund fehlerhafter Angaben im Lohnkonto oder in der Lohnsteuerbescheinigung verkürzt wird. Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gesamtschuldner. Das Betriebsstättenfinanzamt kann die Steuerschuld oder Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen. Der Arbeitgeber kann auch dann in Anspruch genommen werden, wenn der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt wird. Der Arbeitnehmer kann im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft nur in Anspruch genommen werden, (1) wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten hat und (2) wenn der Arbeitnehmer weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer den Sachverhalt dem Finanzamt unverzüglich mitgeteilt hat (§ 42d Abs. 3 EStG).

    1. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner für die nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer auf "Schwarzlohnzahlungen" an seine Angestellten liegen vor. Der Kläger hat an seine angestellten Fahrer zum Teil Lohn gezahlt, den er nicht gemäß § 41 EStG in seiner Buchführung erfasst hat und für den er weder gemäß § 38 EStG Lohnsteuer einbehalten noch abgeführt hat. Dies ergibt sich aus den von der Steuerfahndung bei dem Angestellten A sichergestellten und auf dem PC des Klägers vorgefundenen Unterlagen. Sowohl der Abgleich der handschriftlichen Aufzeichnungen des Angestellten A für Abrechnungszwecke mit den Buchführungsunterlagen des Klägers als auch die bei dem Kläger sichergestellten Abrechnungsunterlagen des Fahrer B als auch die weiteren im PC des Klägers wiederhergestellten Abrechnungsunterlagen für andere Fahrer belegen, dass tatsächlich höhere Löhne gezahlt als auf dem Lohnkonto verbucht wurden. Zudem ist es unglaubhaft, dass mehrere Fahrer über Monate hinweg immer genau den gleichen Betrag erwirtschaftet haben. Bei einer Entlohnung auf der Grundlage eine Umsatzbeteiligung von 50 % ist dies nicht möglich.

    Letztlich bestreitet der Kläger die Zahlung von "Schwarzlöhnen" auch nicht. Eine Herabsetzung des Haftungsbetrages auf der Grundlage seiner in diesem Verfahren vorgelegten Schätzung ist jedoch abzulehnen, denn die Hinzuschätzung des Beklagten, die auch Grundlage für die Berechnung der nicht versteuerten Lohnzahlungen ist, ist sachgerecht und rechtlich nicht zu beanstanden. Auf die Ausführungen unter I. 2. wird Bezug genommen.

    Ein Haftungsausschließungsgrund nach § 42d Abs. 2 EStG liegt nicht vor.

    2. Nach § 42d Abs. 3 EStG haftet der Kläger neben dem Arbeitnehmer als Gesamtschuldner. Gründe für einen Ausschluss der Arbeitnehmer von der Gesamtschuldnerschaft nach § 42d Abs. 3 S. 4 EStG liegen nicht vor, denn den Arbeitnehmern des Klägers war auf Grund der 14-tätigen Abrechnung sehr wohl bekannt, dass ein Teil des Lohnes nicht versteuert wurde. Der Beklagte konnte somit die Steuerschuld oder Haftungsschuld gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen. Er hat sein gemäß § 191 Abs. 1 AO i. V. m. § 42d Abs. 3 EStG bestehendes Entschließungs- und Auswahlermessen erkannt und ausgeübt. Die in dem Haftungsbescheid dargelegten und im Klageverfahren ergänzten Ermessenserwägungen genügen in dem hier zu beurteilenden Sachverhalt noch den Anforderungen.

    a) Ermessensentscheidungen des Finanzamtes sind nach § 102 FGO gerichtlich nur darauf zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Aus dem Begründungsgebot des § 121 AO ergibt sich, dass das Finanzamt spätestens in der Einspruchsentscheidung die für die Ermessensausübung maßgeblichen Gründe darstellen muss. Hierbei müssen die bei Ausübung des Verwaltungsermessens angestellten Erwägungen - die Abwägung des Für und Wider der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners - aus der Entscheidung selbst erkennbar sein (BFH-Urteil vom 09.08.2002 VI R 41/96, BStBl II 2003,160).

    § 102 S. 2 FGO erlaubt es dem Finanzamt, seine Ermessenserwägungen bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz zu ergänzen. Das Finanzamt kann danach bereits an- oder dargestellte Ermessenserwägungen vertiefen, verbreitern und verdeutlichen; es ist jedoch nicht befugt, Ermessenserwägungen im finanzgerichtlichen Verfahren erstmals darzustellen, die Ermessensgründe auszuwechseln oder vollständig nachzuholen (BFH-Urteile vom 11.03.2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579; vom 01.07.2008 II R 2/07, BStBl II 2008, 897 m. w. N.).

    Wie intensiv das Auswahlermessen vom Finanzamt zu begründen ist, ist eine Frage des Einzelfalls und davon abhängig, welche für das Finanzamt ersichtlichen besonderen Umstände auf Seiten des jeweiligen Gesamtschuldners bestehen, die für oder gegen eine Inanspruchnahme sprechen und die deshalb in die Ermessenserwägungen und in die schriftliche Begründung des betreffenden Verwaltungsaktes einfließen müssen. So ist im Fall vorsätzlicher Steuerstraftaten die Ermessensentscheidung in der Weise vorgeprägt, dass es einer besonderen Begründung der Ermessensbetätigung nicht bedarf. In dem Fall würde das Finanzamt vielmehr ermessensfehlerhaft handeln, wenn der Betreffende von der Inanspruchnahme freigestellt würde. Einer besonderen Begründung für die Ermessensübung bedarf es in diesen Fällen nicht (BFH-Urteil vom 12.02.2009 VI R 40/07, BStBl II 2009 478). Diese Vorprägung des Ermessens gilt insbesondere auch dann, wenn sich mehrere Gesamtschuldner einer vorsätzlichen Steuerstraftat schuldig gemacht haben und deshalb bei der Ausübung des Auswahlermessens grundsätzlich gleichrangig nebeneinander stehen. Auch in diesen Fällen würde es sich regelmäßig als ermessensfehlerhaft erweisen, wenn die Behörde einen Gesamtschuldner, der sich eine vorsätzliche Steuerstraftat hat zuschulden kommen lassen und damit einen Steuertatbestand verwirklicht hat, von seiner abgabenrechtlichen Verpflichtung freistellte. Auf die Heranziehung eines vorsätzlich an einer Steuerstraftat Beteiligten kann grundsätzlich nicht verzichtet werden. Deshalb kann der haftende Steuerstraftäter nicht beanspruchen, dass statt seiner ein gleichrangig haftender Mittäter in Anspruch genommen wird, selbst wenn die Haftungsschuld bei den übrigen Mittätern ebenso schnell und einfach nach erhoben werden kann (BFH-Urteil vom 12.02.2009 VI R 40/07, BStBl II 2009, 478, m. w. N.).

    b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze erweist sich die Entscheidung des Beklagten noch als rechtmäßig.

    Der Beklagte hat sein Auswahlermessen erkannt. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheids ergibt sich, dass er den Kläger an Stelle der Arbeitnehmer in Anspruch genommen hat, weil dies nicht unbillig sei und die Beträge bei den Arbeitnehmern nicht nachgefordert werden könnten.

    Eine Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner ist bereits deshalb vorgeprägt, weil er den Steuerschaden durch die bewusste Verletzung der ihm obliegenden Pflichten herbeigeführt hat. Er hat nach Überzeugung des Gerichts ab 2003 den objektiven und subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt. Ausweislich der sichergestellten Unterlagen hat er nachweislich ab März 2003 die Einnahmen verkürzt, indem er niedrigere Umsatzerlöse verbucht hat als nach den Abrechnungen mit den Fahrern erzielt worden waren. Da die Fahrer durch Beteiligung in Höhe von 50 % an den erzielten Umsatzerlösen entlohnt wurden, sind auf Grund zu niedrig angegebenen und verbuchten Lohnzahlungen auch vorsätzlich Lohnsteuern in zu geringem Umfang einbehalten und abgeführt worden.

    Der Kläger kann sich nicht durch den Hinweis entlasten, dass der Beklagte möglicherweise auch anteilig bei den Arbeitnehmern die Lohnsteuer hätte nachfordern können. Als Steuerstraftäter kann er grundsätzlich nicht beanspruchen, dass statt seiner andere Personen herangezogen werden. Dies gilt im vorliegenden Sachverhalt auch deshalb, weil der Kläger - worauf der Beklagte im gerichtlichen Verfahren ergänzend hinweist - in erster Linie für die Auszahlung der Arbeitslöhne sowie Einbehaltung und Abführung der Steuerabzugsbeträge verantwortlich war. In dem Fall ist eine Inanspruchnahme auch dann ermessensfehlerfrei, wenn die an der Steuerhinterziehung beteiligten Arbeitnehmer namentlich bekannt sind (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 191 AO Rn. 60; Jatzke in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 191 AO Rn. 25). Ohne sein pflichtwidriges Handeln hätte der Steuerschaden nicht eintreten können.

    Ob der Beklagte tatsächlich von den Fahrern die Einkommensteuer hätte nachfordern können, ist zudem zweifelhaft. Lediglich hinsichtlich des Fahrers A stehen "Schwarzlohnzahlungen" in Höhe von ... € in 2003 und ... € in 2004 sicher fest. Hinsichtlich der weiteren Fahrer ergeben sich die "Schwarzlohnzahlungen" auf Grund der im PC des Klägers sichergestellten differierenden Abrechnungen, die handschriftlichen Aufzeichnungen der Fahrer liegen nicht mehr vor. Ob die dann - auch nur in Höhe von Teilbeträgen - den Fahrer möglicherweise nachweisbaren "Schwarzlohnzahlungen" bei diesen nachgefordert werden könnten, ist im Übrigen ungewiss. Vor diesem Hintergrund ist es nicht ermessensfehlerhaft vorrangig der Kläger als Steuerstraftäter in Anspruch zu nehmen.

    3. Der Haftungsbescheid ist jedoch aufzuheben, soweit der Kläger für nicht einbehaltene und nicht abgeführte Lohnsteuer für 2002 in Höhe von ... € in Anspruch genommen wird.

    Nach § 191 Abs. 5 Nr. 1 AO kann ein Haftungsbescheid nicht mehr ergehen, soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann. Dies gilt nach Satz 2 nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

    Die mit dem Haftungsbescheid geltend gemacht Lohnsteuer ist gegenüber den Steuerschuldnern nicht festgesetzt worden. Sie kann wegen Ablaufs der regulären Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO) gegenüber den Steuerschuldnern auch nicht mehr festgesetzt werden. Der Kläger hat die quartalsweise abgegebenen Lohnsteueranmeldung gemäß § 41a Abs. 1 EStG jeweils nach Ablauf von 10 Tagen eines jeden Lohnsteueranmeldezeitraums eingereicht. Die vierjährige Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO begann für die Lohnsteueranmeldung des I. bis III. Quartals 2002 mit Ablauf des Jahres 2002 und endete mit Ablauf des Jahres 2006. Für das IV. Quartal 2002 begann die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2003 zu laufen und endete mit Ablauf des Jahres 2007. Der Haftungsbescheid vom 17.12.2012 ist somit nach Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen.

    Etwas anderes folgt auch nicht aus § 191 Abs. 5 S. 2 AO, denn für das Jahr 2002 kann nach Überzeugung des Gerichts nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger eine Steuerhinterziehung begangen hat. Insoweit wird auf die Ausführungen unter I. 3.) verwiesen.

    Für den Zeitraum 2003 bis 2006 liegt keine Festsetzungsverjährung vor, denn insoweit hat der Kläger den objektiven und subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt (vgl. II. 2. b). Die zehnjährige Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 S. 2 AO war für diesen Zeitraum bei Erlass des Haftungsbescheids am 17.12.2012 noch nicht abgelaufen.

    III.

    Die Kosten des Verfahrens sind gemäß § 136 Abs. 1 FGO im Verhältnis des jeweiligen Obsiegens zu teilen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Erster Halbsatz, Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

    Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.