09.05.2018 · IWW-Abrufnummer 201129
Finanzgericht Hamburg: Beschluss vom 08.01.2018 – 2 V 144/17
Bei der Gewinnermittlung mittels Einnahmenüberschussrechnung können die Buchführung bzw. die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden, wenn in einem Restaurationsbetrieb mit Lieferservice lediglich die Restaurantumsätze mittels Z-Bons nachgewiesen werden, welche entgegen der eigentlichen Hersteller-Programmierung über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren keinerlei Stornobuchungen aufweisen, und die Umsätze des Lieferservice, welche überwiegend vom ausliefernden Fahrer bar vereinnahmt werden, lediglich in gewissen Zeitabständen von einem Steuerbüro auf einem "Kassenkonto" verbucht werden.
FINANZGERICHT HAMBURG
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Hinzuschätzungen zur Umsatzsteuer des Antragsgegners im Rahmen einer bei ihr durchgeführten Außenprüfung.
Die Antragstellerin betreibt das italienische Restaurant "XX", A-Straße ... in Hamburg in unmittelbarer Nähe zum B-Platz. Dort finden sich fußläufig ... Theater sowie das C. Im weiteren Umfeld befinden sich Wohnhäuser, Bürohäuser und Einzelgewerbe. Das Restaurant ist täglich ab 11:00 Uhr bis mindestens 23:00 Uhr durchgehend geöffnet. Im Restaurant sind mindestens zwei bis drei Arbeitskräfte beschäftigt. Zusätzlich bietet das Restaurant die Möglichkeit von Außerhauslieferungen, auch mittels Bestellung über gängige Internet-Plattformen (Pizza.de, Lieferando.de). Ihren Gewinn ermittelte die Antragstellerin gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung.
Umsatzsteuer berechnete sie nach vereinbarten Entgelten. Für die Streitjahre 2012 bis 2014 erklärte sie folgende Besteuerungsgrundlagen:
2012 2013 2014
Umsätze 7 % außer Haus ... € ... € ... €
Umsätze 19 % ... € ... € ... €
Gewinn ... € ...€ ... €
Gehälter und Aushilfslöhne ... € ...€ ... €
In ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Streitjahre erklärte die Antragstellerin geschuldete Umsatzsteuer i. H. v. ... € (2012), ... € (2013) bzw. ... € (2014), welche zunächst als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung galt.
Auf Grundlage der Prüfungsanordnung vom 10. Oktober 2016 führte der Antragsgegner eine Außenprüfung hinsichtlich der Umsatz- und Gewerbesteuer für die Streitjahre durch. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Am 3. Januar 2017 gab die Prüferin den Fall an das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen ab. Im Rahmen der Außenprüfung gelangte der Antragsgegner zu folgenden Feststellungen:
Die Einnahmen des Restaurantbereichs erfasse die Antragstellerin mittels einer elektronischen Kasse der Marke ... Der Verkäufer der Kasse, die Firma D, habe in den Streitjahren diverse Umprogrammierungen vorgenommen. Schriftliche Unterlagen wie Programmierungsprotokolle bzw. Eingabeprotokolle über die Programmänderungen habe die Antragstellerin nicht vorgelegt. In der Standardeinstellung weise die eingesetzte Kasse Stornobuchungen auf ausgedruckten Z-Bons aus. Die nahezu lückenlos vorgelegten Z-Bons enthielten jedoch keinerlei Stornobuchungen, was nicht glaubhaft sei.
Umsätze aus dem Lieferservice würden bei Bestellung im Lokal über diese Kasse abgerechnet. Zudem befinde sich im Kellerbereich ein Computer- bzw. Kassensystem, mit welchem insbesondere die Onlinebestellungen abgewickelt würden. Die Umsätze aus dem Lieferservice würden bei bargeldloser Bezahlung durch das entsprechende Serviceunternehmen monatlich abgerechnet. Barzahlungen bei Auslieferung flössen in das Portemonnaie des Fahrers als "Außerhauskasse". Betriebseinnahmen und Ausgaben seien anhand von Z-Bons, den Summenendbons aus dem Kassensystem im Keller sowie Kartenabrechnungen am Monatsende anhand von Ausgangsrechnungen durch ein Steuerbüro gebucht worden. Dieses Steuerbüro habe auch das sogenannte Kassenbuch geführt. Die Kasse sei nur rechnerisch geführt worden. Eine tägliche Auszählung habe nicht stattgefunden. Entnahmen und Einlagen seien zwar auf diese Art erfasst worden, entsprechende Belege lägen jedoch nicht vor. Quittungen für bar ausgezahlte Löhne lägen ebenfalls nicht vor. Mangels nicht glaubhafter Z-Bons sowie wegen der fehlenden Belege sei die Buchführung der Antragstellerin nicht ordnungsgemäß und mithin zu verwerfen.
Gestützt werde dies auch durch weitere Tatsachen. Nach eigenen Angaben beschäftige die Antragstellerin drei bis vier Servicekräfte am Tag. Im Kalenderjahr 2012 habe sie jedoch lediglich ... €, mithin ... € pro Arbeitstag, an Lohnkosten geltend gemacht. So habe auch der Zoll bei einer Kontrolle drei Arbeitskräfte angetroffen, welche keine Arbeitserlaubnis gehabt hätten. Zudem sei bezüglich eines Hauskaufes und des Erwerbs eines Jaguars fraglich, woher die hohen geleisteten Barzahlungsbeträge stammten.
Der Antragsgegner schätzte daraufhin die Besteuerungsgrundlagen sowohl für ertrag- als auch für umsatzsteuerliche Zwecke wie folgt:
Auf Grundlage der von der Antragstellerin vorgelegten Preisliste und der erklärten Wareneinsätze nahm er in einem ersten Schritt hinsichtlich der im Restaurantbetrieb erzielten Getränkeumsätze eine Nachkalkulation zu Nettobeträgen vor. Bei offenen Getränken nahm er dabei einen Schankverlust von grundsätzlich 3 %, bei Spirituosen von 10 % an, und ging von einer Abgabe von offenen Getränken in der jeweils größeren und günstigeren Abgabeeinheit aus. Das eingekaufte Mineralwasser ließ er bei der Kalkulation zu Gunsten der Antragstellerin vollständig unberücksichtigt. Für 2012 bzw. 2013 ermittelte er so einen Getränkeumsatz i. H. v. ... € (2012) sowie ... € (2013). Für diese beiden Jahre ermittelte er den Mittelwert des Rohgewinnaufschlagssatzes bezogen auf Getränke und wandte diesen auf den erklärten Getränkeeinkauf für das Jahr 2014 an und errechnete so einen Nettoumsatz i. H. v. ... €.
In einem zweiten Schritt ging er auf Grundlage eines Testessens und eines aufgefundenen Verzehrbons davon aus, dass üblicherweise der Getränkeanteil bei einem durchschnittlichen Restaurantbesuch lediglich 40 %, der Umsatz mit Speisen 60 % ausmacht. Auf dieser Grundlage setzte er die nachkalkulierten Getränkeumsätze als 40 % des Gesamtumsatzes an und schätzte weitere 60 % Speiseumsätze hinzu. Die Umsätze des Lieferservices übernahm er wie erklärt und gelangte unter Abzug des von der Antragstellerin erklärten Gesamtumsatzes zu folgenden Mehrumsätzen. Zu Gunsten der Antragstellerin setzte er für 2014 statt des eigentlich kalkulierten Getränkeumsatzes i. H. v. ... €, wohl aufgrund eines Übertragungsfehlers, die von der Antragstellerin erklärten gesamten Restaurantumsätze (Essen und Getränke) in Höhe von lediglich ... € an:
2012 2013 2014
Getränke (40%) ... € ... € ... €
Speisen (60 %) ... € ... € ... €
Gesamt (100 %) ... € ... € ... €
Außer Haus
(Wie erklärt) ... € ... € ... €
Gesamtumsatz ... € ... € ... €
Erklärter Umsatz - ... € - ... € - ... €
Mehr Umsatz (netto) ... € ... € ... €
Hinsichtlich des Wareneinkaufs stellte der Antragsgegner zudem fest, dass ohne tragfähige Erklärung die wirklichen Einkäufe beim Hauptlieferanten in unterschiedliche Rechnungen gesplittet worden seien. Zudem würden von diesen Lieferanten Rechnungen mit und ohne Kundennummer vorliegen. Auch werde die Antragstellerin von einer weiteren Firma unter drei verschiedenen Kundennummern mit Tiefkühlprodukten beliefert. Hefeeinkäufe seien trotz umfangreichen Pizzaangebots nicht erfolgt. Zudem sei der Einkauf von lediglich 14 Dosen Red Bull sowie 60 Liter Prosecco 2012 äußerst gering. Ebenso verhalte es sich mit den Kaffeeeinkäufen.
Zu Gunsten der Antragstellerin ging der Antragsgegner auf dieser Grundlage in einem dritten Schritt von einer sogenannten Doppelverkürzung aus und schätzte für ertragsteuerliche Zwecke einen zusätzlichen Wareneinsatz als Betriebsausgaben. Dabei nahm er an, dass der von ihm ermittelte Gesamtumsatz auf Grundlage des Mittelwerts des Rohgewinnaufschlagssatzes für Gast-, Speise- und Schankwirtschaften von 213 % (2011) erzielt wurde. Vom so ermittelten Wareneinsatz zog er den von der Antragstellerin erklärten Wareneinsatz ab und erhielt so den Nettomehrwareneinsatz. Unter Berücksichtigung von Umsatz- und Vorsteuer gelangte er für ertragsteuerliche Zwecke zu folgendem Mehrgewinn:
2012 2013 2014
Gesamtumsatz ... € ... € ... €
Soll-Wareneinsatz (RGA 213%) ... € ... € ... €
abzgl. Wareneinsatz erklärt - ... € - ... € - ... €
Mehr Wareneinsatz (netto) ... € ... € ... €
Mehr Umsatz (netto) ... € ... € ... €
zzgl. USt (19%) ... € ... € ... €
abzgl. Mehr Wareneinsatz (netto) - ... € - ... € - ... €
abzgl. Vorsteuer (19%) - ... € - ... € - ... €
Mehrgewinn (brutto) ... € ... € ... €
Unter dem Datum vom 1. März 2017 erließ der Antragsgegner für die Streitjahre Bescheide die Umsatzsteuer betreffend jeweils mit der Überschrift "Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer (-Vorauszahlung) für das Jahr...", wobei er auf eine Änderung gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) hinwies. Die von der Antragstellerin in ihren Jahressteuererklärungen erklärten Umsatzsteuerbeträge erhöhte er dabei um die Umsatzsteuer auf den von ihm geschätzten Mehrumsatz (netto) und setzte die Umsatzsteuer auf ... € (2012), auf ... € (2013) sowie auf ... € (2014) fest. Mangels ordnungsgemäßer Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis ließ er die auf den von ihm hinzugeschätzten Wareneinsatz entfallene Vorsteuer unberücksichtigt. Die Bescheide enthielten den Zusatz: "Bitte zahlen Sie spätestens am 01.03.2017 (Datum des Bescheides)...". In den Erläuterungen der Bescheide wird darauf hingewiesen, dass die Änderungen auf Erkenntnissen des Finanzamts für Prüfungsdienste und Strafsachen in Hamburg beruhten.
Am 17. März 2017 erließ der Antragsgegner zudem einen Bescheid über Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO, mit welchem er Zinsen zur Umsatzsteuer für die Streitjahre auf insgesamt ... € festsetzte. Der Bescheid enthielt eine Zahlungsaufforderung bis zum 20. April 2017.
Mit Schreiben vom 17. bzw. 22. März 2017 legte die Antragstellerin gegen die vorgenannten Bescheide Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Mit Bescheid vom 19. April 2017 lehnte der Antragsgegner die AdV ab. Die Einsprüche sind bisher nicht beschieden
Am 9. Mai 2017 hat die Antragstellerin einen Antrag auf AdV bei Gericht gestellt. Zu Begründung trägt sie im Wesentlichen wie folgt vor:
Die erlassenen Bescheide seien bereits aus formalen Gründen rechtswidrig. Sie seien aufgrund des Klammerzusatzes "(-Vorauszahlung)" rechtswidrig. Es gebe keine Vorschrift, nach der Umsatzsteuervorauszahlungen festgesetzt werden dürften. Erlassen werden könnten nur gemäß § 18 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) Jahressteuerbescheide. Der vom Antragsgegner gewählte Zusatz "Vorauszahlung" sei damit schlicht fehlerhaft, mithin sei aus Sicht der Antragstellerin völlig unklar, ob es sich um eine Änderung der Jahresfestsetzung handeln solle.
Eine Änderung gemäß § 164 Abs. 2 AO im noch laufenden Betriebsprüfungsverfahren sei nicht zulässig. Weder sei sie, die Antragstellerin, durch einen Betriebsprüfungsbericht über das Ergebnis der Betriebsprüfung unterrichtet worden, noch habe sie Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt.
Den Bescheiden fehle überdies die erforderliche Begründung. Die Bescheide enthielten lediglich einen Verweis auf die Erkenntnisse des Finanzamtes für Prüfungsdienst und Strafsachen. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners werde der Formfehler auch nicht durch die oberflächliche Darstellung der Hinzuschätzung im gegnerischen Schreiben vom 19. April 2017 geheilt. Auch dieses Schreiben enthalte nicht das, was zum Verständnis der Steuerfestsetzung erforderlich sei. Die Kalkulation sei gerade nicht selbsterklärend, sondern habe erst durch Hinzuziehung der Ermittlungsakten teilweise nachvollzogen werden können. In der Ermittlungsakte würden zwar die Rohgewinnaufschlagsätze pro Getränk ersichtlich, nicht aber der Gesamtverbrauch, der für die Ermittlung des Rohgewinnaufschlagssatzes für Getränke erforderlich sei. Auch mithilfe dieser Angaben sei die Kalkulation nicht nachprüfbar. Eine eigene Kalkulation könne sie, die Antragstellerin, aus gleichem Grund nicht vorlegen.
Die eingeräumte Zahlungsfrist bis zum 1. März 2017 bei Übergabe der Bescheide am selben Tag sei offenkundig rechtswidrig. Der Antragsgegner verstoße damit gegen § 18 Abs. 4 Satz 2 UStG, wonach eine Monatsfrist gelte.
Die Hinzuschätzung sei auch der Höhe nach rechtswidrig. Die Schätzung beruhe auf diversen falschen Annahmen. Geschäftsmodell sei es, durch niedrige Preise und persönliche Betreuung die Kunden zu binden. Vergleichbar sei das Restaurant mit einem "low-budget-Italiener" oder dem Griechen um die Ecke. Entgegen der Darstellung des Antragsgegners liege das Lokal nicht in exponierter Lage. Das Lokal kämpfe seit der Eröffnung im Jahr 2008 ums Überleben. Der Mittagstisch sei kaum kostendeckend. Für das lukrative Abendgeschäft sei es insbesondere aufgrund der großen Konkurrenz schwierig, Kunden zu binden. Der Antragsgegner berücksichtige nicht, dass diverse Speisen teilweise unentgeltlich an die Kunden abgegeben würden. Die Getränkenachkalkulation sei völlig ungeeignet, die Hinzuschätzungen zu stützen. So sei sie auf Grundlage der falschen Getränkekarte vorgenommen worden. Für die Streitjahre gültig sei die Karte 2011 gewesen. Beim Espressoverbrauch sei zudem zu berücksichtigen, dass dieser auch für diverse Nachspeisen benötigt werde. Gleiches gelte für Wein, der auch zum Kochen verwendet worden sei. Freigetränke wie Amaretto, Sambuca und Grappa seien ebenso wenig wie genereller Schwund berücksichtigt worden. Fehlende Hefeeinkäufe könne der Antragsgegner nicht rügen. Diese sei frisch hinzugekauft und wegen der geringen Beträge belegmäßig nicht angesetzt worden. Unberücksichtigt lasse der Antragsgegner auch die Kooperation mit dem E. Gäste des Theaters erhielten ein 3-Gänge-Menü inklusive Cocktail und Prosecco. Die Abrechnung erfolge dann gegenüber dem Theater.
Der vom Antragsgegner angesetzte Rohgewinnaufschlagssatz i. H. v. 213 % sei unverhältnismäßig hoch. Die Steuerverwaltung könne nicht den unternehmerischen Erfolg eines Restaurants bestimmen. Mittlerweile werde jedoch die Buchführung von ca. 95 % der Gastronomiebetriebe verworfen und regelmäßig hinzugeschätzt. Der erklärte Rohgewinnaufschlagssatz i. H. v. 137,80 % (2012), 152,98 % (2013) sowie 156,58 % (2014) befinde sich innerhalb der Bandbreite der Richtsatzsammlung von 133 % bis 376 %.
Soweit der Antragsgegner bei den erklärten Gewinnen die Finanzierung des Eigenheims hinterfragt habe, sei das benötigte Eigenkapital aus dem Freundeskreis darlehnsweise gewährt worden. Soweit die Steuerfahndung Briefumschläge mit Beschriftungen über größere Geldbeträge sichergestellt habe, handele es sich um Beschriftungen in Höhe von ca. ... €. In den Umschlägen seien jedoch weitaus weniger Banknoten enthalten gewesen.
Im Übrigen bedeute die Vollstreckung für sie, die Antragstellerin, eine unbillige Härte. Die Nachzahlungsbeträge sein existenzgefährdend und es könnten unumkehrbare Schäden eintreten. Sicherheiten könne sie nicht leisten. Das Eigenheim sei mit einer Grundschuld i. H. v. ... € belastet.
Die Antragstellerin beantragt,
die Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer (-Vorauszahlungen) für die Jahre 2012 bis 2014, jeweils vom 1. März 2017, sowie über Nachzahlungszinsen vom 17. März 2017 von der Vollziehung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die angegriffenen Bescheide seien rechtmäßig. Sie seien hinreichend bestimmt. Der Regelungsinhalt weise eindeutig auf die Jahresfestsetzung hin. Der Klammerzusatz "Vorauszahlung" sei unschädlich. Die Bescheide seien auch ausreichend begründet. Die notwendige Begründung sei spätestens mit Ablehnung des Antrags auf AdV und Übergabe des Vermerks über die Erkenntnisse des Finanzamts für Prüfdienst und Strafsachen erfolgt. Hinsichtlich der abweichenden Fälligkeit könne sich die Antragstellerin nicht auf § 18 Abs. 4 UStG berufen. Zulässigerweise habe er, der Antragsgegner, gemäß § 221 AO eine abweichende Fälligkeit bestimmen können, da der Eingang der Steuer aufgrund des massiven strafrechtlich relevanten Verhaltens der Antragstellerin gefährdet gewesen sei. Während der laufenden Betriebsprüfung bestehe überdies kein Vertrauensschutz. Grundlage für die Änderung der Bescheide sei § 164 Abs. 2 AO i. V. m. § 168 AO.
Auch die Hinzuschätzung sei rechtmäßig. Die Schätzungsbefugnis ergebe sich aufgrund der fehlerhaften Buchführung. Die Z-Bons wiesen keinerlei Stornovorgänge aus. Die Gewinnermittlung erfasse auffallend geringe Lohnaufwendungen. An der Registrierkasse seien Änderungen an der Programmierung vorgenommen worden, welche nicht anhand von Aufzeichnungen nachgewiesen worden seien. Der Computer für die Onlinebestellungen ermögliche zudem das Löschen von Umsätzen gleich nach dem Hochfahren. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls habe nicht angemeldete Arbeitskräfte während einer Prüfung im Jahr 2016 festgestellt. Ferner seien bei einer Durchsuchung eines Schließfaches leere Briefumschläge aufgefunden worden, welche mit größeren Geldbeträgen beschriftet gewesen seien.
Der Höhe nach sei die Schätzung nicht zu beanstanden. Grundlage der Nachkalkulation sei die von der Antragstellerin eingereichte Speise- und Getränkekarte. An deren Richtigkeit sei nicht zu zweifeln. Auch sei lediglich der nachgewiesene Espressoeinkauf berücksichtigt worden, welcher für das Lokal der Antragstellerin jedoch viel zu niedrig sei. Hinsichtlich der Freigetränke sei nicht nachzuvollziehen, dass die genannten Sorten ausschließlich umsonst abgegeben würden, da sie auch regulär auf der Speisekarte ausgewiesen seien. Zudem sei der Einkauf von Prosecco mit nur 60 l im Jahr 2012 äußerst gering. Auch habe er, der Antragsgegner, bereits Schwund i. H. v. 3 % bzw. i. H. v. 10 % bei Spirituosen berücksichtigt. Zu Gunsten der Antragstellerin sei auch bei Getränken in unterschiedlichen Abgabeeinheiten von der für die Antragstellerin günstigeren ausgegangen worden. Fehlender Kaffeeeinkauf sei zwar festgestellt, aber nicht in die Kalkulation mit einbezogen worden. Der Einsatz von Kochwein sei im Schwundanteil i. H. v. 10 % erfasst. Der fehlende Hefeeinkauf sei ebenfalls nicht zu Ungunsten der Antragstellerin berücksichtigt worden. Ein Rohgewinnaufschlagsatz von 213 % sei nicht zu beanstanden. Gerade bei einer Schätzung müsse sich das Finanzamt nicht am unteren Rand eines Schätzungsrahmens halten.
Eine unbillige Härte liege nicht vor. Ihren Vermögensstatus habe die Antragstellerin bereits nicht glaubhaft gemacht. Überdies seien Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide so gut wie ausgeschlossen. Hinzu komme, dass aufgrund der Begleitumstände des Falles davon auszugehen sei, dass die Antragstellerin über Geldreserven verfüge.
Dem Gericht haben ein Rückbehalt der Bp-Arbeitsakten sowie ein Band Betriebsprüfungsakten - Kalkulation und ein Band Rechtsbehelfsakten zur Steuernummer .../.../... vorgelegen.
II.
Der Antrag ist teilweise unzulässig. Im Übrigen hat er in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist bereits unzulässig, soweit die Antragstellerin die AdV des Zinsbescheides begehrt. Die Antragstellerin erhebt keine gegen die Zinsfestsetzung als solche gerichteten Einwendungen, sondern wendet sich inhaltlich nur gegen die Hinzuschätzung von Erlösen dem Grunde und der Höhe nach. Soweit sie sich jedoch gegen die Zinsfestsetzung als Folge der geänderten Grundlagenbescheide über Umsatzsteuer wendet, ist der Antrag auf AdV mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Als Folgebescheid ist der gemäß § 233a AO erlassene Zinsbescheid nicht selbständig aussetzungsfähig, vielmehr ist seine Vollziehung gemäß § 69 Abs. 2 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) von Gesetzes wegen auszusetzen, soweit die Vollziehung des Grundlagenbescheids ausgesetzt wird (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rn. 27, 36; BFH-Beschluss vom 20. Mai 1998 III B 9/98, BStBl II 1998, 721).
2. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.
a) Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Danach soll seitens des Gerichts eine Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Solche sind gegeben, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen und/oder Unklarheiten in der Beurteilung einer Tatfrage bewirken (st. Rspr., vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BStBl II 2005, 351; vom 3. Februar 1993 I B 90/92, BStBl II 1993, 426). Die Entscheidung ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage sowie aufgrund von präsenten Beweismitteln (§ 155 FGO i. V. m. § 294 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO) ergibt. Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809 m. w. N.). Die im Hauptsacheverfahren geltenden Regeln zur Feststellungslast finden auch im Aussetzungsverfahren Anwendung.
b) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide über Umsatzsteuer bestehen daran gemessen nicht. Bei gebotener summarischer Prüfung sind die angegriffenen Bescheide weder aus formalen Gründen rechtswidrig, noch ist die Hinzuschätzung dem Grunde und der Höhe nach zu beanstanden.
aa) Die angegriffenen Bescheide sind bereits nicht aus formalen Gründen rechtswidrig.
(1) Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg auf mangelnde inhaltliche Bestimmtheit der angegriffenen Bescheide berufen.
Gemäß § 119 Abs. 1 AO hat der Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt zu sein. Aus dem Verwaltungsakt muss klar, eindeutig, vollständig und widerspruchsfrei erkennbar sein, wem gegenüber die Behörde was festgestellt hat und von wem was verlangt wird. Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit können jedoch durch Auslegung behoben werden. In entsprechender Anwendung der §§ 133 und 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches sind dabei der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt, wie ihn der Betroffene nach dem ihnen bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte, entscheidend (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 119 AO Rn. 5 m. w. N.).
Bei verständiger Würdigung der Bescheide unter Berücksichtigung der Gesamtumstände musste die Antragstellerin davon ausgehen, dass der Antragsgegner Jahressteuerbescheide über Umsatzsteuer für die Streitjahre erlassen wollte. Die Überschriften der angegriffenen Bescheide beziehen sich bereits auf die Umsatzsteuer für ein bestimmtes Jahr und nicht wie bei der Abänderung von Vorauszahlungsbescheiden auf den Vorauszahlungszeitraum (Monat, Vierteljahr). Zudem hatte die Antragstellerin im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide bereits die entsprechenden Jahressteuererklärungen zur Umsatzsteuer für die Streitjahre abgegeben, welche als Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung galten. Die Bescheide sind unter Hinweis auf eine Änderung gemäß § 164 Abs. 2 AO nur so zu verstehen, dass sie diese Jahressteuererklärungen als Grundlage haben. Überdies wird dies aus dem Berechnungsteil deutlich. Insbesondere die aufgeführten bereits getilgten Beträge entsprechen denen der auf Grundlage der Jahressteuererklärungen festgesetzten Beträge.
(2) Bei summarischer Prüfung sind die Bescheide auch nicht wegen mangelhafter Begründung rechtswidrig. Einen etwaigen Begründungsmangel hat der Antragsgegner durch seinen Vortrag im außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren gemäß § 126 Abs. 2 AO geheilt. Nach unwidersprochenem Vortrag des Antragsgegners hat dieser zum einen im Ablehnungsbescheid über den Antrag auf AdV hinsichtlich der Schätzungsmethode kursorisch Stellung genommen und überdies den Vermerk über die Erkenntnisse des Finanzamts für Prüfungsdienste und Strafsachen überreicht. Dieser ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit der seitens der Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren eingereichten Anl. 6, einem Auszug aus den von der Antragstellerin eingesehen Ermittlungsakten. Sowohl bezogen auf die Darstellung der Schätzungsmethode als auch hinsichtlich des zugrunde gelegten Zahlenmaterials genügt der Antragsgegner damit dem Begründungserfordernis.
Das Ergebnis einer Schätzung muss gemäß § 121 Abs. 1 AO nur dergestalt begründet werden, dass der Steuerpflichtige das Schätzungsergebnis nachvollziehen kann (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 162 AO, Rn. 96); das Schätzungsergebnis muss ableitbar, schlüssig und fundiert dargelegt werden (BFH-Urteil vom 8. November 1989 X R 178/87, BStBl II 1990, 268). Der Steuerbescheid muss jedoch nicht alle Angaben enthalten, die für eine vollständige Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit in jeder tatsächlichen und rechtlichen Hinsicht nötig wären (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 162 AO, Rn. 9). Vor diesem Hintergrund ist es bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner als Begründung der geänderten Bescheide nicht die vollständige Getränkenachkalkulation von über 150 Seiten beifügte, sondern nur auf die hinsichtlich des Zahlenmaterials teilweise verdichtete Darstellung der Stellungnahme des Finanzamts für Prüfungsdienste und Strafsachen verwies. Die wesentlichen Angaben und Rechenschritte des Antragsgegners sind in dieser Stellungnahme nachvollziehbar. Gleiches gilt für die Überprüfung seines methodischen Vorgehens.
(3) Der Antragsgegner war auch nicht daran gehindert, noch während einer laufenden Außenprüfung die bereits gefundenen Ergebnisse durch Erlass von Änderungsbescheiden gemäß § 164 Abs. 2 AO umzusetzen. Gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 AO kann die Steuerfestsetzung jederzeit aufgehoben oder geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist. Einzige Voraussetzung für die Änderung ist neben dem Vorliegen eines wirksamen Vorbehalts der Nachprüfung, dass sich der Steuerbescheid als rechtswidrig erweist. Nur insoweit muss die Finanzbehörde die Steuerfestsetzung noch einmal geprüft haben. Die (abgeschlossene) Durchführung einer Außenprüfung ist nicht Voraussetzung für eine Änderung. An diese sind lediglich bestimmte Rechtsfolgen hinsichtlich der Aufhebung des Vorbehalts geknüpft, vgl. § 164 Abs. 3 Satz 2 AO (vgl. zum Ganzen Oellerich, Beermann/Gosch, AO/FGO, § 164 AO Rn. 90 ff.).
(4) Jedenfalls bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Vorverlegung der Fälligkeit der Umsatzsteuer auf den Tag der Bekanntgabe des Änderungsbescheides. Gemäß § 221 Satz 1 i. V. m. Satz 2 AO kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Steuer jeweils zu einem von der Finanzbehörde zu bestimmenden, vor der gesetzlichen Fälligkeit, aber nach Entstehung der Steuer liegenden Zeitpunkt entrichtet wird, wenn die Annahme begründet ist, dass der Eingang der Umsatzsteuer gefährdet ist. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kann die Finanzbehörde damit von der gesetzlichen Fälligkeitsregel des § 18 Abs. 4 Satz 2 UStG abweichen. Die Voraussetzungen sind bei summarischer Prüfung vorliegend gegeben. Der Antragsgegner hat einen Zeitpunkt nach Entstehung und vor eigentlicher Fälligkeit der Umsatzsteuer gewählt. Insbesondere war die jeweilige Jahressteuer der Streitjahre bereits entstanden. Denn sie entsteht, sobald sie nach § 16 Abs. 1 und 2 UStG berechenbar ist, mithin nach Ablauf des durch § 13 Abs. 1 UStG festgelegten Entstehungszeitpunkts, d. h. mit Ablauf des Kalenderjahres (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 2011 V R 13/11, BStBl II 2012, 298). Auch ist nach Lage der Akten der Antragsgegner zutreffend von einer Gefährdungslage ausgegangen. Wie er spätestens im gerichtlichen Verfahren mit Verweis auf die Erkenntnisse des Finanzamts für Prüfungsdienste und Strafsachen hinreichend zum Ausdruck gebracht hat, handelt es sich bei dem Betrieb der Antragstellerin um einen bargeldintensiven Geschäftsbereich, bei dem konkrete Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung sowie die Entziehung von Geldern aus dem Zugriff der Finanzverwaltung bestehen. Bei summarischer Prüfung ist insoweit der Verweis auf die im Schließfach aufgefundenen Umschläge mit Geldbetrags-Beschriftungen sowie Erwerb eines Eigenheims sowie eines Jaguars mit hohen Barmitteln nicht zu beanstanden.
bb) Nach Würdigung der präsenten Beweismittel und der Aktenlage begegnet die Hinzuschätzung keinen Bedenken.
(1) Bei summarischer Prüfung geht der Antragsgegner zutreffend davon aus, dass die Buchführung der Antragstellerin in den Streitjahren derart fehlerbehaftet war, dass sie der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden kann und deshalb eine Hinzuschätzung geboten ist.
(a) Nach § 162 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen (§ 162 Abs. 2 AO).
Die Antragstellerin war im Rahmen der von ihr nach § 4 Abs. 3 EStG vorgenommenen Gewinnermittlung zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen verpflichtet. Auch die Überschussrechnung setzt voraus, dass die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen werden. Die allgemeinen Ordnungsvorschriften in den §§ 145 ff. AO gelten nicht nur für Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach §§ 140, 141 ff. AO. Insbesondere § 145 Abs. 2 AO betrifft jegliche zu Besteuerungszwecken gesetzlich geforderten Aufzeichnungen, also auch solche, zu denen der Steuerpflichtige aufgrund anderer Steuergesetze, wie z. B. § 22 UStG i. V. m. §§ 63 bis 68 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) verpflichtet ist (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 2009 VIII R 80/06, BStBl II 2010, 452). Diese Aufzeichnungspflicht nach dem Umsatzsteuergesetz wirkt, sofern dieses Gesetz keine Beschränkung auf seinen Geltungsbereich enthält oder sich eine Beschränkung aus der Natur der Sache nicht ergibt, unmittelbar auch für andere Steuergesetze (BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 IX R 25/02, BStBl II 2004, 599 m. w. N.).
Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG sind unter anderem die vereinnahmten Entgelte aufzuzeichnen. Nach § 63 Abs. 1 UStDV müssen die Aufzeichnungen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten. Betriebseinnahmen sind einzeln aufzuzeichnen. Der Umstand der sofortigen Bezahlung der Leistung rechtfertigt nicht, die jeweiligen Geschäftsvorfälle nicht einzeln aufzuzeichnen. Aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität besteht die Pflicht zur Einzelaufzeichnung jedoch nicht für Einzelhändler (und vergleichbare Berufsgruppen), die im Allgemeinen Waren an ihnen der Person nach unbekannte Kunden über den Ladentisch gegen Barzahlung verkaufen.
Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG besteht zwar grundsätzlich keine Pflicht zum Führen eines Kassenbuchs, denn es gibt keine Bestandskonten und somit auch kein Kassenkonto (FG Saarland, Urteil vom 21. Juni 2012 1 K 1124/10, EFG 2012, 1816). Trotzdem müssen Geschäftsvorfälle fortlaufend, vollständig und richtig verzeichnet werden. Insbesondere bei bargeldintensiven Betrieben sind dafür detaillierte Aufzeichnungen ähnlich einem Kassenkonto oder einem Kassenbericht notwendig (vgl. Sächsisches FG vom 4. April 2008 5 V 1035/07, juris; FG Saarland, Urteil vom 13. Januar 2010 1 K 1101/05, EFG 2010, 772). So können die Tageseinnahmen in einer Summe aufgezeichnet und diese Summe zusätzlich durch Aufbewahrung der angefallenen Kassenstreifen, Kassenzettel und Bons nachgewiesen werden. In einem solchen Fall ist es zwar nicht erforderlich, den Kassenbestand täglich zu ermitteln. Es müssen aber die Ursprungsaufzeichnungen über die Einnahmen und Ausgaben aufbewahrt und in gewissen Abständen der tatsächliche Kasseninhalt mit dem buchmäßigen Kassenbestand abgeglichen werden (vgl. Sächsisches FG, Beschluss vom 4. April 2008 5 V 1035/07, juris; FG Saarland, Urteil vom 13. Januar 2010 1 K 1101/05, EFG 2010, 772). Diese Möglichkeit bietet sich insbesondere bei der Nutzung von Registrierkassen an (vgl. Urteil des FG Köln vom 6. Mai 2009 15 K 1154/05, EFG 2009, 1261). Für den Nachweis der Kasseneinnahmen durch Aufbewahrung der Z-Bons ist jedoch erforderlich, dass diese eine hinreichende Gewissheit über die Vollständigkeit der darin enthaltenen Einnahmen zulassen (FG Hessen, Beschluss vom 24. Februar 2014 4 V 84/13, juris). Sämtliche Stornobuchungen müssen sich einwandfrei aus den Unterlagen ergeben und ohne Probleme nachvollziehbar sein (vgl. FG Niedersachsen, Beschluss vom 2. September 2004 10 V 52/04, DStR 2005, 281).
Die Bareinnahmen können aber auch ähnlich einem Kassenbericht nachgewiesen werden, indem sie mit dem Anfangs- und Endbestand der Kasse abgestimmt werden. In diesem Fall brauchen die Kassenstreifen, Kassenzettel und Kassenbons nicht aufbewahrt zu werden (BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12). Für die Anfertigung eines Kassenberichts ist der geschäftliche Bargeldendbestand auszuzählen, weil hier die Feststellung des Kassenbestandes eine unentbehrliche Grundlage für die Berechnung der Tageslosung bildet. Der Kassenbestand ist sodann rechnerisch um die belegmäßig festgehaltenen Entnahmen und Ausgaben zu erhöhen und um die ebenfalls dokumentierten Einlagen zu mindern, so dass sich die Einnahme ergibt (vgl. Sächsisches FG, Beschluss vom 4. April 2008 5 V 1035/07, juris; FG Saarland, Urteil vom 13. Januar 2010 1 K 1101/05, EFG 2010, 772; FG Münster, Urteil vom 23. Juni 2010 12 K 2714/06 E, U, juris).
Da die Ordnungsvorschriften der §§ 146, 147 AO grundsätzlich auch für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gelten (z. B. BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BStBl II 2004, 858), muss allgemein gewährleistet sein, dass die Aufzeichnungen unveränderlich sind bzw. nachträgliche Veränderungen nachvollzogen werden können. Gerade bei manipulationsanfälligen EDV-Systemen müssen Veränderungen zwingend vom Programm kenntlich gemacht werden (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 146 AO Rn. 59).
(b) Daran gemessen erfüllen die buchmäßigen Aufzeichnungen der Antragstellerin nicht die gesetzlichen Voraussetzungen.
Zum einen teilt das Gericht bei summarischer Prüfung die Bedenken des Antragsgegners an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Z-Bons, mit welchen die Antragstellerin die Restaurantumsätze erfasst hat. Sie liegen zwar nahezu vollständig vor, weisen allerdings keinerlei Stornobuchungen aus, wie dies die herstellerbedingte Programmierung erwarten ließe. Dass jedoch in einem Zeitraum von drei Jahren keinerlei Stornobuchungen vorgekommen sein sollen, widerspricht jeder Lebenserfahrung. Überdies hat die Antragstellerin die vom Antragsgegner ermittelten Umprogrammierungen des Kassensystems nicht durch ausreichende Dokumentation nachgewiesen (vgl. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Oktober 2017 4 K 4206/14, juris).
Zum anderen umfassen die vorgelegten Z-Bons lediglich die Umsätze des Restaurantbetriebs und nicht auch diejenigen des Lieferservices. Für diese Umsätze hat der Fahrer letztlich eine eigene Barkasse geführt. Nach Aktenlage ist nichts dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin diese Bareinnahmen mithilfe kassenähnlicher Aufzeichnungen wie z. B. einem Kassenbericht erfasst hat. Die monatsweise Erfassung bzw. Kontierung durch ein Beratungsbüro ist insoweit unzureichend.
(2) Da wegen der aufgezeigten gravierenden Mängel die Buchführung der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden konnte, lagen die Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vor. In Ausübung seiner Schätzungsbefugnis (§ 162 AO i. V. m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) folgt das Gericht im vorliegenden summarischen Verfahren der Schätzung des Antragsgegners.
(a) Die Wahl der Schätzungsmethode steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde und des Finanzgerichts, wenn es - wie hier - seine eigene Schätzungsbefugnis aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 162 AO ausübt. Es ist eine Schätzungsmethode zu wählen, die die größte Gewähr dafür bietet, mit einem zumutbaren Aufwand das wahrscheinlichste Ergebnis zu erzielen (vgl. Seer in Tipke/ Kruse, AO/ FGO, § 162 AO Rn. 52 m. w. N.). Die Wahl der Schätzungsmethode richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles (vgl. z. B. FG Bremen, Urteil vom 17. Januar 2007 2 K 229/04, EFG 2008, 8). Ziel jeder Schätzung muss es sein, Besteuerungsgrundlagen so zu ermitteln, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Schätzergebnisse müssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BStBl II 1986, 226). Es liegt in der Natur der Sache, dass das Ergebnis einer Schätzung von den tatsächlichen Verhältnissen abweichen kann. Solche Abweichungen sind notwendig mit einer Schätzung verbunden, die in Unkenntnis der wahren Gegebenheiten erfolgt. Die Schätzung muss sich allerdings in dem durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen halten (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1992 IV R 34/90, BStBl II 1993, 259).
(b) Auf dieser Grundlage ist die Nachkalkulation des Antragsgegners im summarischen Verfahren nicht zu beanstanden.
Dies gilt zum einen für das methodische Vorgehen. Bei summarischer Prüfung begegnet es keinen Bedenken, wenn der Antragsgegner in einem ersten Schritt eine Getränkenachkalkulation auf Grundlage des erklärten Wareneinkaufs vornimmt und sodann in einem zweiten Schritt auf Grundlage der Schätzung des Verhältnisses zwischen Getränke- und Speiseumsatz in einem typischen Bewirtungsfall den Gesamtumsatz schätzt. Jedenfalls im summarischen Verfahren ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner auf ein Verhältnis von 40 % (Getränke) zu 60 % (Speisen) nur auf Grundlage eines einzigen aufgefundenen Verzehrbons abstellt. Dieses Verhältnis ist jedenfalls nicht unrealistisch, zumal hochpreisige Getränke wie rare Weine, welche das Verhältnis zu Gunsten Antragstellerin verschieben könnten, der Getränkekarte nicht zu entnehmen sind. Im Übrigen hat die Antragstellerin den Ansatz dieses Verhältnisses nicht beanstandet.
Sofern die Antragstellerin die Nachkalkulation der Getränke mit einzelnen Einwendungen angreift, sind diese bei summarischer Prüfung nach Lage der Akten nicht stichhaltig. So konnte der Antragsgegner zutreffend auf die von der Antragstellerin im Rahmen der Prüfung eingereichte Speise- und Getränkekarte zurückgreifen. Warum nunmehr diese keine Gültigkeit haben soll und vielmehr auf die Karte aus dem Jahr 2011 für die Jahre 2012 bis 2014 zurückgegriffen werden soll, erschließt sich dem Gericht ohne substantiierte weitere Darstellung nicht. Hinsichtlich der Berücksichtigung von Freigetränken und Schwund hält es das Gericht bei summarischer Prüfung für plausibel und ausreichend, diesen bei offenen Getränken mit 3 % bzw. bei Spirituosen mit 10 % anzusetzen. Die Abgabe bestimmter Spirituosen nahezu ausschließlich im Rahmen von Freigetränken hat die Antragstellerin nicht hinreichend substantiiert dargetan. Soweit die Antragstellerin einwendet, insbesondere Erdbeercocktail und Prosecco seien im Rahmen eines Menüs in Kooperation mit dem E abgegeben worden, ist eine Nachkalkulation dieser Getränkeposition dennoch zulässig. Wie die Antragstellerin selbst einräumt, wurden dieses Menü entgeltlich abgegeben. Folglich entfällt auch kalkulatorisch ein Getränkeerlös auf diese Positionen.
Allgemein ist anzumerken, dass der Antragsgegner bereits zu Gunsten der Antragstellerin die umfangreiche Position des Mineralwassers gänzlich unberücksichtigt und den Schorlengetränken zugeschlagen hat. Ebenso zu Gunsten der Antragstellerin ist er bei offenen Getränken davon ausgegangen, dass diese ausschließlich in der größeren und rechnerisch günstigeren Einheit abgegeben wurden. Soweit die Antragstellerin einen weiteren Abschlag für Espressobohnen und Kochwein aufgrund des Einsatzes in der Küche begehrt, ist der Vortrag zu pauschal und unsubstantiiert. Im Streitjahr 2014 wirkt sich im Übrigen zu Gunsten der Antragstellerin aus, dass der Antragsgegner wohl im Rahmen eines Übertragungsfehlers nicht vom nachkalkulierten Getränkeumsatz in Höhe von ca. ... € ausging sondern vom erklärten Gesamtumsatz in Höhe von ca. ... €.
Der Antragsgegner hat im Rahmen der Neuberechnung der Umsatzsteuer zudem zulässigerweise von einer Hinzuschätzung von Vorsteuern auf nicht erklärte Wareneinkäufe (sogenannte Doppelverkürzung) abgesehen. Eine solche Hinzuschätzung zu Gunsten der Steuerpflichtigen kommt grundsätzlich nicht in Betracht, da die Berücksichtigung von Vorsteuern die Vorlage einer ordnungsgemäßen Rechnung voraussetzt. Die Schätzung von Vorsteuerbeträgen wird daher nur ausnahmsweise für zulässig gehalten, wenn mit ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass ursprünglich ordnungsgemäße Rechnungen vorhanden waren, diese jedoch verloren gegangen sind oder vom Steuerpflichtigen mittlerweile nicht mehr beigebracht werden können (Seer Tipke/Kruse, AO/FGO, § 162 AO Rn. 27 m. w. N.). Für den hier in Rede stehenden nicht erklärten zusätzlichen Wareneinsatz kann allerdings nicht mit der geforderten Gewissheit davon ausgegangen werden, dass der Antragstellerin jemals ordnungsgemäße Rechnungen vorgelegen haben. Dafür sprechen gewisse Auffälligkeiten im Einkaufsverhalten der Antragstellerin. So sind Einkäufe bei ihrem Hauptlieferanten teilweise in verschiedene Rechnung gesplittet worden, teilweise mit Ausweis der Kundennummer der Antragstellerin, teilweise als Bareinkauf ohne Kundennummer. Tiefkühlprodukte bezog die Antragstellerin von demselben Lieferanten unter drei verschiedenen Kundennummern. Bei dieser unüblichen Gestaltung ist es jedenfalls bei summarischer Prüfung nicht ausgeschlossen, dass diverse Einkäufe gänzlich ohne Rechnungserstellung abgewickelt wurden.
Soweit die Antragstellerin sich gegen die Anwendung eines Rohgewinnaufschlagsatzes i. H. v. 213 % durch die Antragstellerin wendet, ist dies im gegenständlichen Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuerbescheide irrelevant. Die mithilfe dieses Rohgewinnaufschlagssatzes vorgenommene Kalkulation des Antragsgegners diente allein der Ermittlung der Hinzuschätzung von Betriebsausgaben zu Gunsten der Antragstellerin für ertragsteuerliche Zwecke (Annahme einer Doppelverkürzung). Im Rahmen der Änderung der Umsatzsteuerbescheide hat der Antragsgegner jedoch rechtmäßig vom Ansatz der auf diese hinzugeschätzten Betriebsausgaben entfallenden Vorsteuern abgesehen.
Im Übrigen begegnet der Ansatz eines Rohgewinnaufschlagssatzes von 213 % auch keinen Bedenken. Nach den Werten der für die Streitjahre geltenden Richtsatzsammlung lag der Rohgewinnaufschlagssatz für Gast-, Speise- und Schankwirtschaften zwischen 186 % und 400 % bei einem Mittelwert von 257 %. Die Kalkulation des Antragsgegners bewegt sich mithin am unteren Rahmen, wohingegen die von der Antragstellerin erklärten Rohgewinnaufschlagsätze von max. 156,6 % außerhalb der Bandbreite liegen. Verbleibende Unsicherheiten gehen zulasten der Antragstellerin. Insbesondere ist die Finanzbehörde nicht verpflichtet, sich am unteren Ende des Schätzungsrahmens zu halten. Vielmehr kann sie einen gegebenen Schätzungsrahmen zulasten des Steuerpflichtigen ausschöpfen.
c) Eine AdV wegen unbilliger Härte ist nicht geboten. Nachteile, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder schwer wiedergutzumachen wären, oder die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz durch die Vollziehung hat die Antragstellerin nicht substantiiert dargetan, sondern lediglich pauschal behauptet. Detaillierte Auskünfte über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die Möglichkeit der Erlangung von Krediten u. ä. liegen nicht vor.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für eine Zulassung der Beschwerde liegen nicht vor (§ 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO).