14.11.2018 · IWW-Abrufnummer 205478
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 14.08.2018 – XI B 2/18
NV: Werden Stornierungen in Tagessummenbons (Z–Bons) nicht ausgewiesen, sondern allein die verbleibende Differenz, fehlt es an einer ordnungsgemäßen Kassenführung, die das Finanzamt dazu berechtigt, Hinzuschätzungen vorzunehmen.
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Dezember 2017 5 K 4033/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
I.
1
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt ein Restaurant. Im Jahr 2009 und im Streitjahr 2010 ermittelte er den Gewinn aus dem Betrieb des Restaurants gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes . Seine Einnahmen erwirtschaftete er ausschließlich im Bargeschäft. Für die Aufzeichnung der Kasseneinnahmen nutzte der Kläger eine Registrierkasse, welche gedruckte Tagessummenbons (Z–Bons) erstellte.
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Aufgrund einer Betriebsprüfung war der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) der Ansicht, dass die Kassenführung des Klägers u.a. im Streitjahr 2010 nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Die Kasse sei so eingestellt gewesen, dass Tageseinnahmen über Stornierungen und Retouren ohne Darstellung in den Z–Bons gemindert werden konnten. Zudem seien die Z–Bons nicht täglich ausgedruckt worden. Dies ermächtige zur Schätzung, die auf der Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung vorgenommen wurde. Daraufhin änderte das FA die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2010 mit Bescheid vom 28. Juli 2015.
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Der Kläger legte daraufhin gegen den geänderten Bescheid erfolglos Einspruch ein (Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2015).
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu. Es entschied, dass die Kassenführung nicht ordnungsgemäß sei. Es habe eine Schätzungsbefugnis bestanden, da insbesondere aufgrund der fehlenden Erfassung der Stornierungen und Retouren durch die Registrierkasse schwerwiegende formelle Kassenführungsfehler vorlägen. Die Höhe der vorgenommenen Schätzung sei auch nicht zu beanstanden. Das FG nahm eine eigene Schätzung auf der Grundlage der Schätzung des FA vor und hielt die Anwendung der amtlichen Richtsatzsammlung im Streitfall für rechtmäßig. Auf den vom FA zur Stützung der Schätzung angeführten Zeitreihenvergleich komme es daher nicht an.
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Mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, zur Sicherung der Rechtseinheit und wegen Verfahrensfehler zuzulassen.
II.
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Die Beschwerde ist —bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit— jedenfalls unbegründet. Der Rechtssache kommt aufgrund der vorhandenen Rechtsprechung keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die weiteren Revisionsgründe sind entweder nicht entsprechend § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hinreichend dargetan oder liegen nicht vor.
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1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ( § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ) zuzulassen.
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a) Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 29. August 2017 XI B 57/17 , BFH/NV 2018, 22, Rz 11; vom 2. Januar 2018 XI B 81/17 , BFH/NV 2018, 457, Rz 15).
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b) Der Kläger sieht es als klärungsbedürftig an, "ob bei Verwendung einer Registrierkasse der Ausdruck von Z–Bons als Kassenabschluss, der nicht täglich erfolgt und etwaig vorgenommene Stornierungs– und Retourenbuchungen nicht aufzeichnet, in einem Gastronomiebetrieb, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt und an den daher geringere Aufzeichnungspflichten zu stellen sind, einen derart schwerwiegenden formellen Kassenführungsfehler darstellt, dass für eine Hinzuschätzung zur Besteuerungsgrundlage zur Umsatzsteuer nach § 162 Abs. 2 [Satz 2 der Abgabenordnung (AO)] bereits ein äußerer Betriebsvergleich unter Anwendung der branchenspezifischen Richtsätze ausreichend ist" (Rechtsfrage 1). Damit sind klärungsbedürftige und im Streitfall klärbare Rechtsfragen nicht dargetan.
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aa) Durch die Rechtsprechung des BFH ist bereits geklärt, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, damit eine Hinzuschätzung erfolgen kann. Für die Prüfung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist das Gesamtbild aller Umstände im Einzelfall maßgebend ( BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 5/10 , BFH/NV 2012, 1921, Rz 22). Formelle Buchführungsmängel berechtigen nur zur Schätzung, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln (vgl. BFH-Urteile vom 17. November 1981 VIII R 174/77 , BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430; vom 26. Oktober 1994 X R 114/92 , BFH/NV 1995, 373; vom 7. Juni 2000 III R 82/97 , BFH/NV 2000, 1462; in BFH/NV 2012, 1921, Rz 22; BFH-Beschluss vom 9. Januar 2008 X B 144/07 , Zeitschrift für Steuern und Recht 2008, R645). Ob ggf. nur unwesentliche formelle Buchführungsmängel vorliegen, unterliegt den Regeln der freien Beweiswürdigung (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 22, m.w.N.). Bezogen auf die Kassenführung hat der BFH zu erkennen gegeben, dass das Fehlen einer lückenlosen Dokumentation zur Kassenprogrammierung in seinen Auswirkungen auf die Beurteilung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Eröffnung der Schätzungsbefugnis dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse bzw. dem Fehlen täglicher Protokolle über das Auszählen einer offenen Ladenkasse gleichsteht. In allen drei Fällen lässt der formelle Mangel zwar keinen sicheren Schluss auf die Verkürzung von Einnahmen zu. Gleichwohl gibt es systembedingt keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen, ohne dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation bzw. eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre ( BFH-Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13 , BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743). Maßgeblich für eine Hinzuschätzung ist somit, dass die Verletzung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung dazu führt, dass keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen geboten wird. Dies ist —wie das FG zu Recht erkannt hat–– bei Stornierungen der Fall, wenn diese in Z–Bons nicht ausgewiesen werden, sondern allein die verbleibende Differenz aus ihnen hervorgeht (ebenso FG Hamburg, Beschluss vom 26. August 2016 6 V 81/16, juris, Rz 72; Niedersächsisches FG, Beschluss vom 2. September 2004 10 V 52/04 , juris, Rz 34). Infolge der fehlenden Stornobuchungen lässt sich nicht mehr feststellen, ob lediglich Fehlbuchungen oder auch Einnahmebuchungen gelöscht worden sind. Die erforderliche Vollständigkeit der Buchungen ist infolge dieser Veränderungen nicht gewährleistet und diese Unvollständigkeit ergreift die gesamte Buchführung ( Niedersächsisches FG, Beschluss vom 2. September 2004 10 V 52/04 , juris, Rz 34).
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Danach fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage. Denn diese kann anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden. Neue Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen, sind nicht erkennbar.
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bb) Im Übrigen kann im Streitfall nicht geklärt werden, nach welcher Schätzungsmethode das FG im Fall einer Hinzuschätzungsbefugnis wegen Nichterfassung von Stornierungen im Kassensystem verfahren darf. Dies ist eine Frage, die nur für den Einzelfall entschieden werden kann, so dass sie einer allgemeingültigen Klärung nicht zugänglich ist ( BFH-Beschlüsse vom 29. Februar 2012 I B 88/11 , BFH/NV 2012, 1089, Rz 26; vom 21. September 2016 VI B 34/16 , BFH/NV 2017, 26, Rz 5; vom 26. April 2018 XI B 117/17 , BFH/NV 2018, 953, Rz 51). Denn es ist allein Sache der Tatsacheninstanz, welcher Schätzungsmethode sie sich bei Beachtung der Umstände des Einzelfalls bedienen will, wenn diese geeignet ist, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. November 1988 IV R 150/86 , BFH/NV 1989, 416; vom 28. Juni 1989 I R 89/85 , BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854; vom 5. Oktober 1994 I R 50/94 , BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549, unter II.2.b; BFH-Beschlüsse vom 1. September 2004 X B 162/03 , BFH/NV 2005, 224, unter 3.c; vom 26. Juni 2008 X B 143/07, juris, Rz 4; vom 21. Juli 2017 X B 167/16 , BFH/NV 2017, 1447).
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c) Der Kläger sieht es des Weiteren als klärungsbedürftig an, "ob nach Verwerfung einer formell nicht ordnungsgemäßen Buchführung ein Zeitreihenvergleich in Form einer Quantilsschätzung eine geeignete und vernünftige Schätzungsmethode darstellt ..." (Rechtsfrage 2). Diese Rechtsfrage ist im Streitfall ebenfalls nicht klärbar, da das FG ausdrücklich auf Grundlage seiner eigenen Schätzung hervorgehoben hat, dass es auf den vom FA zur Stützung der Schätzung angeführten Zeitreihenvergleich nicht ankommt (s. FG-Urteil, S. 7). Da die Wahl der Schätzungsmethode der Tatsacheninstanz obliegt und das FG auf diese Methode des Zeitreihenvergleichs nicht zurückgegriffen hat, ist diese Rechtsfrage im Streitfall nicht klärbar.
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2. Die anderen Revisionszulassungsgründe liegen entweder nicht vor oder sind nicht ausreichend dargelegt.
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a) Soweit der Kläger der Ansicht ist, dass die Revision zur Fortbildung des Rechts zuzulassen sei ( § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO ), fehlt es an der erforderlichen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (s. oben unter II.1.; BFH-Beschluss vom 3. November 2011 IV B 62/10 , BFH/NV 2012, 369, Rz 7; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 116 Rz 38, m.w.N.).
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b) Ebenso ist die Revision nicht wegen Divergenz ( § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ) zuzulassen. Da aufgrund der Umstände des Einzelfalls die Wahl der Schätzungsmethode der Tatsacheninstanz obliegt (s. oben unter unter II.1.b bb), kann es in vermeintlich vergleichbaren Streitfällen zu unterschiedlicher Anwendung von Schätzungsmethoden kommen.
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c) Einen schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehler, der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Zulassung der Revision führen könnte, hat der Kläger nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form dargelegt.
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aa) Eine Zulassung der Revision wegen fehlerhafter Rechtsanwendung oder fehlerhafter Beweiswürdigung durch das FG kommt nur bei offensichtlichen materiellen oder formellen Fehlern des FG i.S. einer objektiv willkürlichen und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbaren Entscheidung in Betracht (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 25. März 2010 X B 176/08 , BFH/NV 2010, 1455; vom 9. November 2011 II B 105/10 , BFH/NV 2012, 254; vom 25. Juli 2012 X B 144/11 , BFH/NV 2012, 1982; vom 10. Juli 2013 IX B 25/13 , BFH/NV 2013, 1604; vom 19. März 2014 XI B 144/13 , BFH/NV 2014, 1064, Rz 37). In der Beschwerdebegründung muss bei Geltendmachung dieses Zulassungsgrundes substantiiert dargelegt werden, weshalb die Vorentscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 3. November 2005 V B 9/04 , BFH/NV 2006, 248; in BFH/NV 2012, 1982; in BFH/NV 2013, 1604; in BFH/NV 2014, 1064, Rz 37).
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bb) Derartig schwerwiegende Rechtsfehler wurden vom Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Soweit er sich darauf beruft, dass es —nach seiner Ansicht— wirtschaftlich unmöglich und offensichtlich realitätsfremd sei, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum den geschätzten Umsatz erzielt habe, fehlt es bereits an einem substantiierten Sachverhaltsvortrag, wonach die Vorentscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist. Sie sind im Übrigen ebenso wenig ersichtlich.
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d) Der behauptete Verfahrensmangel ( § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ) liegt nicht vor. Soweit der Kläger der Ansicht ist, der Senat hätte statt der Anwendung der amtlichen Richtwertsammlung eine "eigene Schätzung" vornehmen müssen, verkennt der Kläger, dass die Anwendung der amtlichen Richtsatzsammlung eine anerkannte Schätzungsmethode ist, die sich das FG zu eigen gemacht hat. Es ist nicht zu erkennen, dass das FG hierbei Rechtsfehler begangen hat; sie sind auch nicht substantiiert vorgetragen worden.
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3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.