23.03.2020 · IWW-Abrufnummer 214889
Finanzgericht Münster: Urteil vom 17.01.2020 – 4 K 16/16
Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Die Bescheide über die Festsetzung von Einkommen- und Umsatzsteuer sowie Gewerbesteuer-Messbeträgen 2006 und 2007 vom 06.08.2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.12.2015 werden aufgehoben.
Die Bescheide über die Festsetzung von Einkommen- und Umsatzsteuer sowie Gewerbesteuer-Messbeträgen 2008 bis 2012 vom 06.08.2015, die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2008 und den 31.12.2009 vom 17.08.2015, diese jeweils in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.12.2015, sowie die Bescheide über die Festsetzung von Einkommen- und Umsatzsteuer 2013 vom 08.06.2016 und des Gewerbesteuer-Messbetrags 2013 vom 14.06.2016, diese jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.09.2016 werden nach Maßgabe der Urteilsgründe abgeändert.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
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Tatbestand
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Die Beteiligten streiten für die Streitjahre 2006 bis 2013 darüber, ob und ‒ falls ja ‒ in welcher Höhe im Anschluss an Außenprüfungen Hinzuschätzungen bei den Einkünften des Klägers aus gewerblicher Tätigkeit vorzunehmen sind.
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Der Kläger und seine bisherige Ehefrau trennten sich im Dezember 2006 und wurden 2007 geschieden. Die bisherige Ehefrau des Klägers erhielt im Oktober 2006 für den Verkauf eines bebauten Grundstücks einen frei verfügbaren Betrag von rund 72.700 €.
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Die Kläger sind seit 2009 Ehegatten und werden seitdem zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
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Der Kläger betrieb seit 2006 (Bp-Akte, Bd. I, Bl. 64; Bp-Akte, Bd. II, Bl. 36) nebenberuflich eine Pizzeria („Pizzeria C“) in M-Stadt (Einwohnerzahl in den Streitjahren ca. 12.000; insgesamt sieben Imbissgaststätten). Das Ladenlokal bestand aus einer Küche und einer Theke, über die der Kläger Speisen verkaufte. Das Lokal verfügte über wenige Sitzgelegenheiten.
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Der Kläger ermittelt seinen Gewinn für die Streitjahre nach der Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Die aus seinen Aufzeichnungen folgenden Rohgewinnaufschlag- bzw. Reingewinnsätze lauten:
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Der Kläger erzielte in den Streitjahren aus seiner gewerblichen Tätigkeit weit überwiegend Bareinnahmen, wobei er auch Kundenrabatte gewährte. Er setzte eine elektronische Registrierkasse ein. Die von dieser Kasse ausgegebenen Tagesendsummenbons bewahrte er erst ab Juli 2013 und insoweit auch nur unvollständig auf (vgl. Bp-Akte, Bd. II, Bl. 182 ff.: für Juli 2013 sieben Tagesendsummenbons; für August 2013 zwei Tagesendsummenbons; für September 2013: sieben Tagesendsummenbons; für Oktober 2013: fünf Tagesendsummenbons; für Dezember 2013: zwei Tagesendsummenbons; keine Erkenntnisse für November 2013). Zudem hielt er für jeden Geschäftstag handschriftlich nur einzelne, nicht näher bezeichnete Beträge fest (vgl. Bp-Akte, Bd. I, Bl. 152, 186 und 196; Bp-Akte, Bd. II, Bl. 182 f., 185, 187 f. und Bl. 191).
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In den Streitjahren bezog der Kläger für seine Pizzeria u. a. von der Service N GmbH (SN) jedenfalls unter seiner Kundennummer Nr.1 Waren. Die SN ist Großhändlerin im Bereich Nahrungs- und Genussmittel sowie Gastronomiebedarf. Unter der Kundennummer Nr.1 lieferte die SN an den Kläger u. a. „Pizzasalami 80mm geschnitten“, „Pizza Mehl 405 25 kg `Pickosta´“, „Black Tiger Shrimps 90/120er A gek. 1 kg TK“, „Gnocchi 500g“, „Tortellini Gloria 250g“, „Küchensahne Naarmann 20 % 1 l“, I Vino de Tavola rosato 0,75 l Colle d`Oro“, „Gorgonzola Galbani `Erborinato´“, „Champignons III. Wahl, 6 kg“, „Edamer Holl. 40 % Block“ (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 53 ff.).
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Nachdem die Steuerfahndungsstelle T-Stadt (Steuerfahndung T-Stadt) beim Kläger im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens (vgl. dazu Steuerstrafrechtlicher Ermittlungsbericht vom 28.09.2015, Bp-Akte, Bd. II, Bl. 30 ff., Einleitung des Steuerstrafverfahrens für 2008 bis 2013 in 2013 bzw. 2015) den Kläger verdächtigt hatte, bei der SN Schwarzeinkäufe getätigt zu haben, führte die für die SN zuständige Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes X-Stadt (Steuerfahndung X-Stadt) bei der SN Ermittlungen durch. Dabei wertete sie auch das elektronische, mit der Software „A.eins, Finanz- & Warenwirtschaft by AMIC“ betriebene Warenwirtschaftssystem der SN aus. Mit der Aufbereitung der Daten des Warenwirtschaftssystems war ein sog. IT-Fahnder betraut.
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Die Auswertung des Warenwirtschaftssystems ergab, dass die SN ihr Warenwirtschaftssystem so einsetzte, dass sie auf Wunsch mancher Kunden Lieferscheine bei Barverkäufen stornierte und Unterlagen vernichtete, um ihren Kunden Schwarzeinkäufe zu ermöglichen. Der Steuerfahndung X-Stadt liegt inzwischen eine Vielzahl von Geständnissen von Kunden der SN (Gastwirten) vor. Danach hatten diese Gastwirte nach Absprache mit der SN in der Weise Schwarzeinkäufe getätigt (Standordner „C“, „vor 1.7“).
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Im Einzelnen ergaben sich folgende Erkenntnisse:
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Für das Streitjahr 2008 ermittelte die Steuerfahndung X-Stadt, dass die SN zu den Bestellungen ihrer Kunden oftmals unter demselben Belegdatum mehrere Rechnungen zu den jeweiligen Kundennummern erstellte (sog. Rechnungssplitting). Dieses Rechnungssplitting ermöglichte es den Kunden der SN, nur eine der Rechnungen alsWareneinkauf zu verbuchen (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 27).
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Nach den Erkenntnissen der Steuerfahndung X-Stadt änderte die SN sodann ab 2009 ihre Vorgehensweise. Nunmehr stornierte sie ‒ nach vorheriger Absprache mit demjeweiligen Kunden ‒ einen Teil der Bestellungen in ihrem Warenwirtschaftssystem zur Verschleierung der Wareneinkäufe der Kunden. Dabei ging sie folgendermaßen vor: Zu verschleiernde Warenlieferungen wurden im Warenwirtschaftssystem zunächst unter der jeweiligen Kundennummer als „Barverkauf“ erfasst. Sodann wurden unter der Kundennummer des jeweiligen Bestellers entsprechende Lieferscheine erstellt und gleichzeitig Packscheine ausgegeben, wobei auf den Packscheinen die Lieferadresse des Kunden angegeben war. Die Lieferscheine wurden anschließend von der SN vernichtet und in deren Warenwirtschaftssystem storniert. Aus den stornierten Lieferscheinen wurden ‒ mittels der Programmfunktion „Belegtrenner“ ‒ von der SN zur Kundennummer 111111 ein oder mehrere sog. Barverkaufsbelege generiert und ‒ für 2009 bis Juli 2012 ‒ in der Tabelle „Barverkäufe“ unter einer bestimmten Nummer gespeichert (Spalte „Referenz“). Die stornierten Bestellungen sind jedoch im Warenwirtschaftssystem in der Tabelle „Stornoprotokolle“ einschließlich der Kundennummer und einer eindeutigen Nummer elektronisch dokumentiert, da das von der SN eingesetzte elektronische Warenwirtschaftssystem zertifiziert war. Die in der Tabelle „Stornoprotokolle“ angelegte Spalte „v_ID“ weist Nummern auf, die den zu den Barverkaufsbelegen gespeicherten Nummern lt. Spalte „Referenz“ entsprechen. Weil für 2009 bis Juli 2012 zu den Barverkaufsbelegen die jeweilige Nummer in der Spalte „Referenz“ gespeichert worden war, war es der Steuerfahndung X-Stadt insoweit möglich, anhand der übereinstimmenden Nummern lt. Spalten „v_ID“ und „Referenz“ die lt. Lieferschein gelieferte Ware aufzudecken. Für den nachfolgenden Zeitraum August 2012 bis Mai 2014 war mangels entsprechender Speicherung zu den Barverkaufsbelegen eine solche Zuordnung nicht möglich. Der Gesamtbetrag der Bestellungen unter der Kundennummer ist jedoch auch insoweit in den „Stornoprotokollen“ erfasst.
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Den Mitarbeitern der SN war nicht bekannt, dass das eingesetzte Warenwirtschaftssystem die Tabelle „Stornoprotokolle“ unter Angabe der entsprechenden Kundennummer dokumentierte und ‒ bis Ende Juli 2012 ‒ durch Vergabe der übereinstimmenden Nummer eine Verknüpfung zu den ebenfalls gespeicherten Barbelegen zuließ.
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Die SN gab gegenüber der Steuerfahndung T-Stadt schriftlich an (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 201), sie habe gelegentlich mit der Firma bestimmter Gastwirte (u. a. auch des Klägers) bedruckte Pizzakartons an andere Gastwirte verkauft, weil zum einen die entsprechenden gängigen Größen ohne Aufdruck nicht vorrätig gewesen seien und zum anderen der Aufdruck „nicht ganz in Ordnung“ gewesen sei. Dies habe jedoch andere Gastwirte nicht gestört, da sie diese Verpackungen zum Versenden von Gegenständen gebraucht hätten. Diese Gastwirte hätten sich im Lager selbst bedient und dann an der Kasse bar bezahlt. Im Nachhinein sei nicht feststellbar, wer die bedruckten Pizzakartons bezogen habe. Die Pizzakartons mit dem Aufdruck „Pizzeria C“ und der Adresse L- Straße 1, xxxxx M-Stadt (= Adresse, unter der der Kläger seine Pizzeria betrieb) seien unter den Artikelnummern 20, 22 und 24 verkauft worden.
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Die Kläger reichten ihre Steuererklärungen beim Beklagten ein (Einkommensteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärungen für 2006: 21.01.2009; 2007: 10.03.2009; 2008: 29.06.2009; 2009: 01.03.2010; Einkommensteuererklärung für 2010: 04.05.2011; Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärung für 2010: 07.02.2011; Einkommensteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärung für 2011: 12.09.2012; Einkommensteuererklärung für 2012: 27.03.2014; Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärung für 2012: 04.03.2014; Einkommensteuererklärung für 2013: 20.01.2015; Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärung für 2013: 19.12.2014).
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Der Beklagte setzte die Steuern zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.
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Sodann führte er beim Kläger Außenprüfungen zur Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer zunächst für die Streitjahre 2008 bis 2010 durch (Prüfungsbeginn: 11.03.2013), die er aufgrund der Ermittlungen der Steuerfahndung X-Stadt bei der SN und des daraus folgenden Verdachts auf Steuerstraftaten (Bp-Akte, Bd. I, Bl. 63) am 02.09.2014 auf die Streitjahre 2011 und 2012 sowie aus denselben Gründen am 06.01.2015 auf die Streitjahre 2006 und 2007 erweiterte. Des Weiteren führte er eine Außenprüfung für das Streitjahr 2013 durch (Prüfungsbeginn: 29.10.2015).
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Der Außenprüfer wertete auch die vom Kläger für die Streitjahre 2006 und 2007 gebuchten Wareneinkäufe bei der SN und bei der N-GmbH aus. Dabei stellte er fest, dass die SN dem Kläger jedenfalls auf einer Rechnung für das Streitjahr Gutschriften für Waren gewährte, die der Kläger zuvor nicht als Wareneinkauf aufgezeichnet hatte (vgl. Standordner, Kalkulation für 2006 bis 2012, Bd. 3, Bl. 28 f.: lt. Rechnung vom 21.09.2006 zur Kundennummer Nr.1 Erstattung von „Alu-kaschierten Deckeln 207 CA“, „Aluschalen 207 100 St.“ und „Weinessig klar 10 l“, die am 14.09.2006 gekauft worden waren (Warenwert insgesamt: 58,80 € netto); in der vom Kläger in seinen Aufzeichnungen erfassten Rechnung der SN vom 14.09.2006 sind derartige Positionen aber nicht aufgeführt). Gleiches nahm der Außenprüfer auch für andere Gutschriften an, obwohl bei diesen Gutschriften ‒ anders als bei der vorgenannten Gutschrift im Streitjahr 2006 ‒ nicht Bezug auf eine bestimmte Rechnung der SN genommen ist. Der Außenprüfer folgerte die übrigen Schwarzeinkäufe für die Streitjahre 2006 und 2007 aber daraus, dass er zeitlich vor den Gutschriften liegende Rechnungen auswertete und dort die später gutgeschriebenen Wareneinkäufe nicht auffinden konnte. In den Akten befinden sich nicht sämtliche Rechnungen der SN und der N-GmbH (vgl. Standordner, Kalkulation für 2006 bis 2012, Bd. 3, Bl. 7: Übersicht über sämtliche Wareneinkäufe bei der SN für 2006; Bl. 23: Übersicht über sämtliche Wareneinkäufe bei der N-GmbH für 2006; Bl. 28 ff.: nicht vollständige Rechnungskopien für 2006; Bl. 43 und 45: Übersicht über sämtliche Wareneinkäufe bei der SN für 2007; Bl. 46: Übersicht über sämtliche Wareneinkäufe bei der N-GmbH für 2007; Bl. 28 ff.: nicht vollständige Rechnungskopien für 2007).
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Überdies ermittelte der Außenprüfer, dass der Kläger für 2009 von der SN unter seiner Kundennummer Nr.1 Warengutschriften über „Küchensahne Naarmann 15 %“ (zwölf Stück) erhielt (Erstattung lt. Rechnung vom 05.03.2009, Standordner, Kalkulation für 2006 bis 2012, Bd. 2, Bl. 8 und 10), deren Einkauf er zuvor nur zur Hälfte (sechs Stück) in seinen Aufzeichnungen erfasst hatte (Rechnung vom 19.02.2009, Standordner, Kalkulation für 2006 bis 2012, Bd. 2, Bl. 8 und 12). Unter der Kundennummer 111111 wurde ebenfalls am 19.02.2009 sechsmal dieselbe Ware erworben (Standordner, Kalkulation für 2006 bis 2012, Bd. 2, Bl. 9 und 13).
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Im Laufe der Außenprüfungen durchsuchte die Steuerfahndung T-Stadt im Zuge des Steuerstrafverfahrens gegen den Kläger am 03.07.2013 (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 36) die Wohnung der Kläger. Im Rahmen dieser Durchsuchung fand die Steuerfahndung T-Stadt insbesondere einen Barverkaufsbeleg der SN, einen sog. Packschein und einen Quittungsbeleg der Sparkasse M-Stadt auf:
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1. Nach dem im Rahmen der Durchsuchung aufgefundenen Barverkaufsbeleg verkaufte die SN am 06.05.2013 Waren für 705,96 € (Heftung in Bp-Akte, Bd. II, Trennblatt „Belege Steufa“, Bl. 24). Auf diesem Barverkaufsbeleg ist neben der Belegnummer (1000) auch handschriftlich „Pizzeria C M-Stadt“ vermerkt. Dem Barverkaufsbeleg ist die handschriftliche Notiz „5 x Pizzasalami 80mm“ angeheftet. Im Warenwirtschaftssystem der SN konnte die Steuerfahndung X-Stadt aber einen entsprechenden Barverkauf der SN an den Klägerunter diesem Datum nicht auffinden. Stattdessen machte sie anhand des identischen Datums (06.05.2013) und derselben Belegnummer (1000) eine Rechnung mit gleichem Rechnungsbetrag ausfindig, u. a. über die Lieferung von „Pizza Mehl 405 25 kg `Pickosta´“, „Black Tiger Shrimps 90/120er“, „Edamer Holl. 40 % Block“, „Küchensahne Naarmann 20 %“, „Champignons III. Wahl, 6 kg“, I Vino de Tavola rosato 0,75 l Colle d`Oro“ sowie mit zwei Positionen „Pizza Kt`n „Pizzeria C“ (Heftung in Bp-Akte, Bd. II, Trennblatt „Belege Steufa“, Bl. 25 f.). Empfänger der im Warenwirtschaftssystem aufgefundenen Rechnung war indes nicht der Kläger, sondern ‒ unter der Kundennummer Nr. 2 ‒ die „Pizzeria D.“. Die SN belieferte diese Pizzeria seit April 2013 nicht mehr, weil sie ihr Geschäft aufgegeben hatte (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 38). Der Kläger räumtegegenüber der Steuerfahndung T-Stadt einen entsprechenden Bareinkauf ein (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 194). In Bezug auf die „Pizzeria D.“ stellte der Außenprüfer fest, dass mit Rechnung vom 26.06.2013 zur Kundennummer des Klägers Nr.1 (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 138) zwei Kartons mit Salatschalen vom Kläger an die SN zurückgegeben worden waren und von der SN dem Kläger gutgeschrieben wurden. Tatsächlich waren über das Kundenkonto des Klägers (Kundennummer Nr.1) zuvor aber nur 1,5 Kartons eingekauft worden (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 140 f.). Mit Datum vom 17.06.2013 wurde jedoch über das Kundenkonto der „Pizzeria D.“ (Kundennummer Nr. 2) ein halber Karton Salatschalen erworben (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 149). Des Weiteren ermittelte der Außenprüfer, dass mit Rechnung vom 07.05.2013 zur Kundennummer des Klägers Nr.1 (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 142) zwölf Dosen Schältomaten vom Kläger an die SN zurückgegeben worden waren und von der SN dem Kläger gutgeschrieben wurden. Allerdings waren über das Kundenkonto des Klägers (Kundennummer Nr.1) zuvor aber nur sechs Dosen Schältomaten am 30.04.2013 eingekauft worden (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 144). Mit Datum vom 29.04.2013 wurden jedoch über das Kundenkonto der „Pizzeria D.“ (Kundennummer Nr. 2) zuvor sechs Dosen Schältomaten erworben (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 150).
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2. Der von der Steuerfahndung T-Stadt beim Kläger aufgefundene Packschein weist die Belegnummer (2000) und das Datum 19.11.2012 auf (Heftung in Bp-Akte, Bd. II, Trennblatt „Belege Steufa“, Bl. 28 bis 30). Die auf diesem Packschein aufgedruckte Kundennummer und der Name des Kunden sind unkenntlich gemacht worden. Stattdessen ist auf dem Packschein handschriftlich „Pizzeria C M-Stadt“ vermerkt. Nach diesem Packschein wurden u. a. „Lasagne gelb `Gloria´“, „Tortellini Gloria 250g“, „Pizzamehl 405 25 Kg `Pickosta´“, „Gnocchi 500g“, „Gorgonzola Galbani `Erborinato´“„Pizzasalami 80mm, geschnitten“, „Champignons III. Wahl, 6 kg“, „Edamer Holl. 40 % Block“, „I Vino de Tavola rosato 0,75 l Colle d`Oro“ sowie „Pizza Kt`n `Pizzeria C´“ in den Größen 24 cm, 28 cm und 30 cm von der SN geliefert. Die Steuerfahndung X-Stadt ermittelte im Warenwirtschaftssystem anhand des identischen Datums (19.11.2012) und derselben Belegnummer (2000) eine Rechnung (Heftung in Bp-Akte, Bd. II, Trennblatt „Belege Steufa“, Bl. 33 f.), deren Empfänger nicht der Kläger, sondern der „Imbiss H. Grill“ aus N-Stadt ist (Kundennummer Nr. 3). Die generalbevollmächtigte Ehefrau des erkrankten und in Griechenland befindlichen Inhabers dieses Imbisses machte ‒ zur Überzeugung der Steuerfahndung T-Stadt glaubhaft ‒ geltend, seit 2011 nicht mehr bei der SN Waren bezogen zu haben.
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3. Nach dem bei der Durchsuchung entdeckten Quittungsbeleg der Sparkasse M-Stadt überwies der Kläger am 15.08.2011 einen Betrag von 55.627 € auf ein bei einer türkischen Bank geführtes Konto (Verwendungszweck „(Vorname) … (Stadt in der Türkei)“); nur eine Minute vor dieser Überweisung zahlte der Kläger 55.600 € in bar auf sein Konto bei der Sparkasse M-Stadt ein (Bp-Akte, Bd. II, B. 40).
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Im Rahmen der Durchsuchung des Ladenlokals des Klägers, die ebenfalls am 03.07.2013 stattfand, stellte die Steuerfahndung T-Stadt fest, dass sämtliche der von der elektronischen Registrierkasse des Klägers ausgegebenen Tagesendsummenbons die laufende Nr. 1 trugen. Denn in den Einstellungen der elektronischen Registrierkasse war eine fortlaufende Nummerierung der Tagesendsummenbons nicht aktiviert. Der Grand-Total-Speicher wies keine Umsätze aus, weil auch dieser nach den Kasseneinstellungen täglich auf den Wert „0“ zurückgesetzt wurde. Der Periodensummenbon trug am 03.07.2013 die laufende Nr. 8.555; auf ihm war ein Bruttoumsatz von 809.248,82 € ersichtlich (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 41, 178 und 182 ff.).
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Aufgrund ihrer Ermittlungen gelangte die Steuerfahndung X-Stadt zu dem Ergebnis, dass dem Kläger unter seiner Kundennummer Nr.1 in den Streitjahren 2008 bis 2013 weitere Wareneinkäufe zugeordnet werden können, die im Warenwirtschaftssystem storniert worden seien (Standordner „C“, „vor 1.6“ und „vor 1.7“). Darüber habe der Kläger neben den bei der SN stornierten Lieferungen in den Streitjahren 2012 und 2013 auch ‒ im Warenwirtschaftssystem nicht stornierte ‒ Wareneinkäufe unter den Kundennummern Nr. 3 und Nr. 2 getätigt (Standordner „C“, „vor 1.5“ und Aktenvermerk des IT-Fahnders vom 15.10.2018, Standordner „C“, Bl. 1-3).
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf das Schreiben des Finanzamts X-Stadt vom 16.10.2018 (Standordner „C“, „vor 1.1“ bis „vor 1.9“), auf den Vermerk des IT-Fahnders vom 15.10.2018 (Standordner „C“, Bl. 1-3) sowie auf den sonstigen Inhalt des Standordners „C“.
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Der Kläger räumte gegenüber dem Außenprüfer ein, er habe bei der SN Schwarzeinkäufe getätigt. Die Trennung von seiner Ehefrau und die anschließende Scheidung in 2007 habe wohl bei ihm (dem Kläger) zu einer Art Existenzangst geführt (vgl. Standordner, Kalkulation für 2006 bis 2012, Bd. 3, Bl. 208). Allerdings seien die Schwarzeinkäufe geringer als ihm vorgeworfen werde. Gegenüber der Steuerfahndung T-Stadt gab der Kläger an, 2008 und Anfang 2009 Bareinkäufe bei der SN getätigt zu haben, die er nicht in seiner Buchführung erfasst habe (FGA, Bl. 181 f.).
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Der Außenprüfer verwarf die Kassenführung des Klägers, weil er die Tagesendsummenbons/Z-Bons der Registrierkasse erst ab Juli 2013 aufbewahrte und der Kassenbericht nur unzureichend geführt sei (vgl. Tz. 2.2 des Berichts über die Betriebsprüfung vom 08.04.2015 für 2006 bis 2012 ‒ Betriebsprüfungsbericht 2006 bis 2012 ‒, Bp-Akte, Veranlagungsstelle, Bl. 19; Tz. 2.2 des Berichts über die Betriebsprüfung vom 18.05.2016 für 2013 ‒ Betriebsprüfungsbericht 2013 ‒, Bp-Akte, Veranlagungsstelle, Bl. 38).
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Zudem ging der Außenprüfer unter Berücksichtigung seiner Ermittlungsergebnisse sowie derjenigen der Steuerfahndungen T-Stadt und X-Stadt davon aus, dass der Kläger in sämtlichen Streitjahren, also insbesondere auch in den Streitjahren 2006 und 2007, durchgehend Wareneinkäufe getätigt und nicht in seiner Einnahmen-Überschuss-Rechnung erfasst habe, um Warenumsätze zu verschleiern. Nach entsprechender Anpassung des Wareneinsatzes (erklärter Wareneinkauf zuzüglich weiterer Wareneinkauf lt. Ermittlungen der Steuerfahndung abzüglich Eigenverbrauch lt. Buchhaltung und abzüglich Rabatte in Höhe von 9 %) schätzte der Außenprüfer ‒ ausgehend von einem durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz von 380 % (ermittelt aufgrund einer sog. (Mehl-) Kalkulation für das Streitjahr 2009, Heftung in Bp-Akte, Bd. II, Trennblatt „Ausbeutekalkulation“, Bl. 8 f.) und einem Sicherheitsabschlag auf den rechnerischen Mehrumsatz von 5 % ‒ Mehreinnahmen hinzu. Für die von ihm angenommenen zusätzlichen Wareneinkäufe berücksichtigte der Außenprüfer Betriebsausgaben. Ferner nahm der Außenprüfer an, auf die von ihm ermittelten Gesamtumsätze entfielen 5 % auf Getränkeumsätze, die dem Regelsteuersatz der Umsatzsteuer unterliegen würden (2006: 16 %; ab 2007: 19 %). Einen Vorsteuerabzug für den zusätzlichen Wareneinkauf gewährte der Prüfer mangels Vorlage ordnungsgemäßer Rechnungen hingegen nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tz. 2.3 bis 2.5 und Anlage 1 des Betriebsprüfungsberichts 2006 bis 2012 (Bp-Akte, Veranlagungsstelle, Bl. 19 f. und 25 f.) sowie Tz. 2.4 bis 2.6 des Betriebsprüfungsberichts 2013 (Bp-Akte, Veranlagungsstelle, Bl. 39 und 42) Bezug genommen.
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Der Beklagte folgte den Ergebnissen der Außenprüfung ‒ zunächst für die Streitjahre 2006 bis 2012 ‒ und erließ unter dem 06.08.2015 entsprechende, auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützte Änderungsbescheide zur Einkommensteuer-, Gewerbesteuer-Messbetrags- und Umsatzsteuerfestsetzung für die Jahre 2006 bis 2012. Daneben erließ er unter dem 17.08.2015 geänderte Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2008 und auf den 31.12.2009.
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Weil die Kläger ihre hiergegen am 17.09.2015 (gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2008 und den 31.12.2009) bzw. 07.09.2015 (übrige Bescheide) beim Beklagten eingegangenen Einsprüche nicht begründet hatten, wies der Beklagte die Einsprüche mit Einspruchsentscheidungen vom 03.12.2015 als unbegründet zurück.
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Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage (Eingang bei Gericht: 04.01.2016) haben sich die Kläger zunächst gegen die Hinzuschätzungen zu den Streitjahren 2006 bis 2012 gewandt.
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Im Laufe des Klageverfahrens hat der Beklagte dann auch die Ergebnisse der Außenprüfung für 2013 mit Einkommen- und Umsatzsteuerfestsetzungen (Änderungsbescheide vom 08.06.2016) bzw. mit Gewerbesteuer-Messbetragsfestsetzung (Änderungsbescheid vom 14.06.2016) für dieses Streitjahr umgesetzt. Zugleich hat er mit Bescheid vom 11.07.2016 die nicht von den Außenprüfungen betroffene Einkommensteuer 2014 festgesetzt. Nachdem die Kläger auch insoweit Einspruch ohne weitere Begründung eingelegt hatten (Eingang beim Beklagten: 23.06.2013 zur Einkommensteuer-, Gewerbesteuer-Messbetrags- und Umsatzsteuerfestsetzung 2013; 27.07.2016 zur Einkommensteuerfestsetzung 2014) und der Beklagte ‒ im Anschluss an eine Ausschlussfrist gemäß § 364b AO für das Streitjahr 2013 ‒ auch diese Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen hatte (Einspruchsentscheidungen vom 07.09.2016), haben die Kläger ihre Klage mit bei Gericht am 10.10.2016 eingegangenem Schriftsatz auf diese Steuerfestsetzungen erweitert.
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Die Kläger meinen, dem Beklagten stehe schon keine Schätzungsbefugnis zu. So habe der Kläger die Kasse ordnungsgemäß geführt. Des Weiteren seien die von der Steuerfahndung ermittelten Wareneinkäufe bei der SN nicht dem Kläger zuzurechnen. Anders als in dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27.08.2019 X B 160/18, X B 3-10/19 (BFH/NV 2020, 5) habe der Kläger nicht mit der SN kollusiv i. S. eines Tatplans zusammengearbeitet. Er sei für die fehlerhafte Buchführung der SN nicht verantwortlich. Er habe nur die von ihm in seiner Einnahmen-Überschuss-Rechnung aufgezeichneten Wareneinkäufe getätigt. Dass der Kläger die ihm vom Außenprüfer bzw. der Steuerfahndung X-Stadt zugerechneten Wareneinkäufe nicht getätigt habe, folge auch daraus, dass er insbesondere die Waren lt. Bl. 48, 49 und 126 des Standordners „C“ zu keinem Zeitpunkt von der SN bezogen habe. Erstattungen der SN würden nicht auf Schwarzeinkäufen, sondern darauf beruhen, dass der Kläger solche Waren nicht bestellt habe. Zudem ergebe sich aus dem während der Durchsuchung aufgefundenen Barverkaufsbeleg vom 06.05.2013 nichts anderes. Der Kläger habe diesen Beleg nur aus Versehen nicht an seinen Berater weitergeleitet. Auch aus der Einzahlung des Bargeldes von 55.600 € auf sein Konto bei der Sparkasse folge nicht, dass der Kläger von ihm erzielte Umsätze unvollständig erklärt habe. Das eingezahlte Bargeld stamme ‒ so noch im Schriftsatz vom 22.03.2017 ‒ aus dem Verkauf eines Wohnhauses, dessen Eigentum der Kläger anteilig geerbt hatte. Einen Teilbetrag vom Verkaufspreis (65.000 €) habe der Kläger in einem Tresor bei der Sparkasse aufbewahrt. Weil der Sparkasse diese Umstände bekannt gewesen seien, habe sie auch von einer Geldwäscheverdachtsanzeige abgesehen. Der Kläger habe das eingezahlte Geld an seine krebskranke Schwester überwiesen. Ausweislich ihres (der Kläger) Schriftsatzes vom 12.06.2017 sei richtigzustellen, dass das auf seinem Konto bei der Sparkasse eingezahlte Geld nur in Höhe von 35.400 € aus dem Verkauf des Wohnhauses stamme. Weiterhin habe der Kläger im Rahmen einer vermögensrechtlichen Auseinandersetzung mit der ehemaligen Ehefrau des Klägers einen Betrag von 12.500 € erhalten. Den daraus folgenden Gesamtbetrag von 47.900 € habe der Kläger im Tresor aufbewahrt. In der Folgezeit habe er kleinere Barbeträge von seinem Konto abgehoben und den Geldbestand in seinem Tresor entsprechend erhöht. Der Kläger habe das Bargeld auch nicht in einem Tresor bei der Sparkasse, sondern in einem privaten Tresor in seinem Wohnhaus verwahrt.
39
Überdies seien die Hinzuschätzungen überhöht. Der Kläger habe seine Umsätze und Gewinne aus dem Betrieb seiner Pizzeria gegenüber dem Beklagten zutreffend angegeben. Weil der Kläger lediglich eine kleine Pizzeria in einer Kleinstadt mit 12.000 Einwohnern betrieben habe, seien die vom Beklagten unter Rückgriff auf größere Pizzeria-Restaurants geschätzten Besteuerungsgrundlagen nicht zutreffend. Auch müsse der Umstand Berücksichtigung finden, dass am gleichen Ort insgesamt sieben Imbissgaststätten betrieben worden seien. Ferner sei die vom Außenprüfer vorgenommene (Mehl-) Ausbeutekalkulation unzutreffend, weil weder der Mehleinsatz noch die vom Kläger angebotenen Nudelsorten noch die (unentgeltlich) abgegebenen Pizzabrötchen noch sonstige Verbrauchswaren (Pizzakartons und Salatschalen) zutreffend berücksichtigt habe. Daher sei der vom Außenprüfer ermittelte Rohgewinnaufschlagsatz von 380 % überhöht.
40
Die Kläger beantragen,
41
die Bescheide über die Festsetzung von Einkommen- und Umsatzsteuer sowie Gewerbesteuer-Messbeträge 2006 bis 2012 vom 06.08.2015 und die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2008 und den 31.12.2009 vom 17.08.2015, diese jeweils in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.12.2015,
42
sowie die Bescheide über die Festsetzung von Einkommen- und Umsatzsteuer 2013 vom 08.06.2016 und des Gewerbesteuer-Messbetrags 2013 vom 14.06.2016, diese jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.09.2016 aufzuheben.
43
Der Beklagte beantragt,
44
die Klage abzuweisen.
45
Er verweist auf die Berichte über die Außenprüfungen und die Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndungen T-Stadt und X-Stadt. Eine Schätzungsbefugnis folge allein schon aus den festgestellten Kassenmängeln. Dass der Kläger die Wareneinkäufe nicht zutreffend gebucht habe, ergebe sich aus seinen teilweise geständigen Einlassungen, aus dem Geldtransfer ins Ausland sowie aus den Gutschriften für zurückgegebene Waren, die zuvor nicht im Wareneinkauf enthalten waren. Überdies seien die Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndungen T-Stadt und X-Stadt zutreffend. Dass der Kläger Wareneinkäufe bei der SN nicht als Betriebsausgaben verbucht habe, würde neben dem im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung aufgefundenen Barverkaufsbeleg auch der gleichzeitig aufgefundene Packschein belegen.
46
Es hat am 13.12.2019 ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie am 17.01.2020 die mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschriften wird verwiesen.
47
Entscheidungsgründe
48
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
49
I. Die Klage ist zulässig.
50
Dies gilt insbesondere für das Streitjahr 2013, auf das die Kläger ihre Klage im Laufe des Klageverfahrens erweitert haben.
51
Bei fristgebundenen Klagen ist eine Klageänderung, unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthaft, wenn nicht nur für das ursprüngliche, sondern auch für das geänderte Klagebegehren die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen. Bei der Anfechtungsklage ist deshalb eine Klageänderung innerhalb der Klagefrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO zulässig (BFH-Beschluss vom 10.09.1997 VIII B 55/96, BFH/NV 1998, 282, Rz. 22). Diese einmonatige Klagefrist haben die Kläger auch hinsichtlich des Streitjahres 2013 gewahrt, weil sie mit bei Gericht am 10.10.2016 eingegangenem Schriftsatz und mithin innerhalb eines Monats seit Bekanntgabe der insoweit ergangenen Einspruchsentscheidung vom 07.09.2016 ihr Klagebegehren auch auf die Steuerfestsetzung für 2013 erstreckt haben.
52
II. Die Klage ist teilweise begründet.
53
Die Besteuerungsgrundlagen sind für die Streitjahre 2008 bis 2013 dem Grunde nach zu schätzen (1.a und b). Der Höhe nach sind die Schätzungen des Beklagten für 2008 bis 2013 zu reduzieren (2.). Einer Änderung der Steuerfestsetzung für die Streitjahre 2006 und 2007 zulasten des Klägers steht der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegen (3.).
54
1. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO i. V. m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen.
55
Im Streitfall bestand für die Streitjahre 2008 bis 2013 deshalb eine Schätzungsbefugnis, weil der Kläger seine Kasse nicht ordnungsgemäß führte, mithin ein gravierender formeller Mangel vorliegt (a) und weil der Kläger zur Überzeugung des Senats für diese Streitjahre Wareneinkäufe zur Verschleierung von Warenumsätzen nicht aufgezeichnet hat, also zusätzlich materielle Mängel gegeben waren (b).
56
a) Für die Streitjahre 2008 bis 2013 begründen die Mängel in der Kassenführung des Klägers gravierende formelle Mängel, die zur Schätzung berechtigen.
57
aa) Werden Bareinnahmen mit einer elektronischen Registrierkasse erfasst, so erfordert dies den Ausdruck sowie die Aufbewahrung des Tagesendsummenbons als des täglich erstellten Z-Bons. Fehlen Z-Bons, ist dies ‒ ebenso wie im Fall des Fehlens täglicher Protokolle über das Auszählen einer offenen Ladenkasse ‒ ein formeller Mangel. Dieser formelle Mangel lässt zwar keinen sicheren Schluss auf die Verkürzung von Einnahmen zu. Gleichwohl gibt es systembedingt keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen, ohne dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation bzw. eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre (BFH-Urteil vom 25.03.2015 X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 27).
58
Eine Hinzuschätzung ist somit dann zulässig und geboten, wenn die Verletzung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung dazu führt, dass keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen besteht.
59
bb) So liegt es hier mangels Vorlage von Z-Bons überhaupt (2008 bis Juni 2013) bzw. wegen weit überwiegend unvollständiger Vorlage der Z-Bons (Juli bis Dezember 2013). Mithin ist insoweit die erforderliche Vollständigkeit aufgezeichneter Kasseneinnahmen nicht gewährleistet.
60
Jedenfalls dann, wenn ‒ wie hier ‒ vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen (BFH-Urteil vom 25.03.2015 X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 34, m. w N.).
61
b) Zur Überzeugung des Senats hat der Kläger über die in seiner Gewinnermittlung als Betriebsausgaben angesetzten Wareneinkäufe hinaus für die Streitjahre 2008 bis 2013 weitere Wareneinkäufe bei der SN getätigt.
62
aa) Dies betrifft die Einkäufe zur Kundennummer Nr.1 (1) sowie zu den Kundennummern Nr. 3 und Nr. 2 (2).
63
(1) Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger unter seiner Kundennummer Nr.1 sowohl die im Warenwirtschaftssystem der SN stornierten als auch die dort nicht stornierten Warenlieferungen bezogen hat.
64
(a) Dies folgt hinsichtlich der nicht annullierten Warenlieferungen der SN zur Kundennummer Nr.1 bereits aus dem Umstand, dass im Warenwirtschaftssystem diese Kundennummer des Klägers erfasst ist. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die SN diese Warenbestellungen fälschlicherweise als solche des Klägers erfasste.
65
(b) Aus demselben Umstand ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass der Kläger die unter seiner Kundennummer zunächst erfassten und dann stornierten Warenbestellungen getätigt und mithin die entsprechenden Waren in den Streitjahren 2008 bis 2013 bezogen hat.
66
Den Daten lt. der Tabelle „Stornoprotokolle“ liegen entsprechende Bestellvorgänge zugrunde. Die Mitarbeiter der SN haben in Absprache mit einzelnen Kunden im Streitjahr 2008 unter demselben Datum über eine Bestellung mehrere Rechnungen erstellt, die nur zum Teil als Betriebsausgaben abgezogen wurden. Für die späteren Streitjahre haben die Mitarbeiter der SN nach vorheriger Absprache mit einzelnen Kunden über einzelne Warenlieferungen keine Rechnungen ausgestellt, sondern für „Barverkäufe“ nur Lieferscheine und Packscheine ausgedruckt, um die Waren an die Kunden ausliefern zu können und im Anschluss an die Barzahlung im Warenwirtschaftssystem Barverkaufsbelege erstellt.
67
Jedoch archivierte das Warenwirtschaftssystem aufgrund seiner Zertifizierung die von den Mitarbeitern der SN annullierten Daten unter der jeweiligen Kundennummer in der Tabelle „Stornoprotokolle“, sodass es demIT-Fahnder möglich war, aufgrund der übereinstimmenden Nummern in den Spalten „v_ID“ einerseits und „Referenz“ andererseits für die Streitjahre 2008 bis 2013 insbesondere nicht nur den Rechnungsbetrag und das Datum der Stornierung, sondern ‒ bis Ende Juli 2012 ‒ auch die einzelnen bestellten Waren lt. Barverkaufsbelegen aufzudecken.
68
Die Menge und die Art der unter dieser Kundennummer erworbenen Artikel ergibt sich zur Überzeugung des Senats durch einen Abgleich der jeweils übereinstimmenden Nummern in den Spalten „Referenz“ der Tabellen „C ‒ 111111 ‒ Referenz Barverkauf aus V_Id Stornoprotokoll“ und „D ‒ 111111 ‒ [Nachname des Klägers] ‒ Barverkauf mit Positionen“. Der vorgenannte Abgleich zeigt für die Streitjahre 2008 bis Juli 2012, dass die stornierten Bestellungen ihrer Art nach Waren betrafen, die der Kläger auch unstreitig unter seiner Kundennummer Nr.1 erwarb und im Übrigen ihrer Art nach dem Bedarf einer Pizzeria entsprechen sowie ‒ soweit es sich um Pizza-Kartons mit dem Aufdruck „Pizzeria C“ handelte ‒ nur den Kläger betreffen konnten, z. B.
69
̶ Streitjahr 2008: „Artischockenherzen 2.650 ml“ lt. Stornierung vom 04.01.2008 wie nach Rechnung vom 03.01.2008 zur Kundennummer Nr.1; „Oliven grün ohne Stein 4.250 ml“ lt. Stornierung vom 04.01.2008 wie nach Rechnungen vom 03.01.2008; „Gorgonzola Galbani `Erbonrinato´“ lt. Stornierung zur Kundennummer Nr.1 am 04.01.2008 wie nach Rechnungen vom 06.03.2008; „Pizzasalami 80mm, geschnitten“ lt. stornierter Bestellung am 04.01.2008 wie nach Rechnung vom 14.02.2008;
70
̶ Streitjahr 2009: „Champignons III. Wahl 6 kg “ lt. Stornierung vom 13.02.2009 wie nach Rechnung vom 08.01.2009 zur Kundennummer Nr.1; „Artikelnummer 5006“ (= „Tiger Shrimps gek. 100/200er)“ lt. Stornierung vom 27.03.2009 wie nach Rechnung vom 05.02.2009 zur Kundennummer Nr.1; „Edamer `Holl.´ 40 % Block“ lt. Stornierung vom 09.04.2009 wie nach Rechnung vom 15.01.2009 zur Kundennummer Nr.1; „Pizza Mehl 405 25 kg“ lt. Stornierung vom 13.02.2009 wie nach Rechnung vom 08.01.2009 zur Kundennummer Nr.1; „Pizza Ktn.`s 24 cm Pizzeria C“ lt. Stornierungen vom 19.02.2009 und 16.04.2009; „Pizza Ktn.`s 28 cm Pizzeria C“ lt. Stornierungen vom 05.03.2009, 09.04.2009 und 06.11.2009; „Pizza Ktn.`s 30 cm Pizzeria C“ lt. Stornierungen vom 13.02.2009, 05.03.2009, 27.03.2009 und 16.04.2009; „Pizzasalami 80mm, geschnitten“ lt. Stornierungen vom 19.02.2009, 09.04.2009 und 24.04.2009, wie nach Rechnungen vom 08.01.2009, 15.01.2009 und 16.04.2009;
71
̶ Streitjahr 2010: „Champignons III. Wahl 6 Kg“ lt. Stornierung vom 07.01.2010, „Edamer `Holl.´ 40 % Block“ lt. Stornierung vom 15.01.2010, „Artikelnummer 5006“ (= „Tiger Shrimps gek. 100/200er)“ lt. Stornierung vom 07.01.2010 und „Pizza Mehl 405 25 kg“ lt. Stornierung vom 20.01.2010 wie nach o. g. Rechnungen zur Kundennummer Nr.1; „Pizza Ktn.`s 24 cm Pizzeria C“ lt. Stornierungen vom 07.01.2010, 29.01.2010, 09.04.2010, 06.05.2010, 28.05.2010, 24.08.2010, 17.09.2010, 29.10.2010 und 16.12.2010; „Pizza Ktn.`s 28 cm Pizzeria C“ lt. Stornierung vom 07.01.2010, 25.03.2010, 27.03.2010, 06.05.2010, 28.05.2010, 24.08.2010, 17.09.2010, 13.11.2010 und 16.12.2010; „Pizza Ktn.`s 30 cm Pizzeria C“ lt. Stornierungen vom 07.01.2010, 29.01.2010, 11.02.2010, 26.02.2010, 12.03.2010, 27.03.2010, 01.04.2010, 15.04.2010, 14.05.2010, 21.05.2010, 24.08.2010, 03.09.2010, 24.09.2010, 07.10.2010, 14.10.2010, 29.10.2010, 13.11.2010, 03.12.2010 und 23.12.2010;
72
̶ Streitjahr 2011: „Champignons III. Wahl 6 Kg“ lt. Stornierung vom 13.01.2011, „Edamer `Holl.´ 40 % Block“ lt. Stornierung vom 27.01.2011, „Artikelnummer 5006“ (= „Tiger Shrimps gek. 100/200er)“ lt. Stornierung vom 21.01.2011 und „Pizza Mehl 405 25 kg“ lt. Stornierung vom 12.02.2011 wie nach o. g. Rechnungen zur Kundennummer Nr.1; „Pizza Ktn.`s 24 cm Pizzeria C“ lt. Stornierungen vom 24.02.2011, 30.03.2011, 02.04.2011, 09.04.2011, 23.04.2011, 20.05.2011, 16.06.2011, 15.07.2011, 24.09.2011, 01.10.2011, 14.10.2011, 07.11.2011 und 23.12.2011; „Pizza Ktn.`s 28 cm Pizzeria C“ lt. Stornierungen vom 13.01.2011, 18.02.2011, 15.03.2011, 09.04.2011, 05.05.2011, 14.06.2011, 01.07.2011, 24.08.2011, 02.09.2011, 14.09.2011, 29.10.2011 und 23.12.2011; „Pizza Ktn.`s 30 cm Pizzeria C“ lt. Stornierungen vom 13.01.2011, 27.01.2011, 12.02.2011, 18.02.2011, 15.03.2011, 30.03.2011, 09.04.2011, 23.04.2011, 29.04.2011, 05.05.2011, 20.05.2011, 04.06.2011, 16.06.2011, 01.07.2011, 15.07.2011, 26.08.2011, 02.09.2011, 15.09.2011, 01.10.2011, 14.10.2011, 21.10.2011, 29.10.2011, 07.11.2011, 18.11.2011, 02.12.2011, 15.12.2011 und 29.12.2011;
73
̶ Streitjahr 2012: „Champignons III. Wahl 6 Kg“ lt. Stornierung vom 04.04.2012, „Edamer `Holl.´ 40 % Block“ lt. Stornierung vom 16.03.2012, „Artikelnummer 5006“ (= „Tiger Shrimps gek. 100/200er)“ lt. Stornierung vom 30.03.2012 und „Pizza Mehl 405 25 kg“ lt. Stornierung vom 21.04.2012 wie nach o. g. Rechnungen zur Kundennummer Nr.1; „Pizza Ktn.`s 24 cm Pizzeria C“ lt. Stornierungen vom 20.01.2012, 26.01.2012, 03.02.2012, 09.02.2012, 02.03.2012, 22.03.2012, 17.04.2012, 26.04.2012 und 11.08.2012; „Pizza Ktn.`s 28 cm Pizzeria C“ lt. Stornierungen vom 20.01.2012, 09.02.2012, 02.03.2012, 16.03.2012, 22.03.2012, 22.03.2012, 26.04.2012 und 11.08.2012; „Pizza Ktn.`s 30 cm Pizzeria C“ lt. Stornierungen vom 12.01.2012, 26.01.2012, 03.02.2012, 09.02.2012, 25.02.2012, 02.03.2012, 16.03.2012, 22.03.2012, 22.03.2012, 04.04.2012, 17.04.2012, 26.04.2012 und 04.05.2012.
74
Soweit die Steuerfahndung für den Zeitraum August 2012 bis Dezember 2013 mangels entsprechender Verknüpfung nicht in der Lage war, die bestellten Waren nach Art und Menge aufzuführen, sieht sich der Senat nicht gehindert, die zur Kundennummer Nr.1 erfassten Verkäufe dem Kläger zuzurechnen, da ‒ wie bereits ausgeführt ‒ allein die Verwendung der selbst bei einer Stornierung der Warenbestellung noch gespeicherten Kundennummer eine solche Zurechnung rechtfertigt.
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(2) Auch soweit der Beklagte in den Streitjahren 2012 bis 2013 aufgrund der Erkenntnisse der Steuerfahndung dem Kläger die ‒ nicht im Warenwirtschaftssystem stornierten ‒ Umsätze zu den Kundennummern Nr. 3 (2012 und 2013) und Nr. 2 (2013) zurechnet, ist dies zur Überzeugung des Senats zutreffend.
76
(a) Dies ergibt sich schon daraus, dass unter diesen Kundennummer Pizza-Kartons veräußert wurden, die den Aufdruck „Pizzeria C Lieferservice, M-Stadt“ trugen und der Kläger unter diesem Namen firmierte und an diesem Ort ansässig war.
77
Im Einzelnen handelte es sich um folgende nicht im Warenwirtschaftssystem stornierten Verkäufe von Pizzakartons, die ebenfalls wie die zur Kundennummer Nr.1 erfassten Warenverkäufe Kartons der Größen 24 cm, 28 cm und 30 cm betrafen:
78
̶ Streitjahr 2012 (zur Kundennummer Nr. 3): „Pizza Ktn.`s 24 cm Pizzeria C“ lt. Rechnungen vom 20.06.2012, 29.08.2012, 03.09.2012, 06.09.2012, 10.09.2012, 19.11.2012 und 18.12.2012; „Pizza Ktn.`s 28 cm Pizzeria C“ lt. Rechnung vom 20.06.2012, 03.09.2012, 06.09.2012, 10.09.2012, 29.09.2012, 01.11.2012, 19.11.2012, 26.11.2012 und 18.12.2012; „Pizza Ktn.`s 30 cm Pizzeria C“ lt. Rechnung vom 12.06.2012, 14.06.2012, 20.06.2012, 29.08.2012, 03.09.2012, 06.09.2012, 10.09.2012, 29.09.2012, 01.11.2012, 19.11.2012, 26.11.2012, 04.12.2012 und 18.12.2012;
79
̶ Streitjahr 2013 (zur Kundennummer Nr. 3): „Pizza Ktn.`s 24 cm Pizzeria C“ lt. Rechnungen vom 18.02.2013, 27.02.2013 und 24.06.2013; „Pizza Ktn.`s 28 cm Pizzeria C“ lt. Rechnungen vom 07.01.2013, 04.02.2013, 18.02.2013, 15.04.2013, 13.05.2013 und 24.06.2013; „Pizza Ktn.`s 30 cm Pizzeria C“ lt. Rechnungen 07.01.2013, 04.02.2013, 18.02.2013, 27.02.2013, 29.04.2013, 13.05.2013, 27.05.2013, 24.06.2013 und 02.07.2013;
80
̶ Streitjahr 2013 (zur Kundennummer Nr. 2): „Pizza Ktn.`s 24 cm Pizzeria C“ lt. Rechnung vom 06.05.2013 und „Pizza Ktn.`s 30 cm Pizzeria C“ lt. Stornierungen vom 06.05.2013 und 17.06.2013.
81
Eine (zufällige) Namensgleichheit zu anderen Inhabern dieser Kundennummern ist schon deshalb auszuschließen, weil die Kundennummern Kunden der SN mit abweichenden Namen betreffen (Kundennummer Nr. 3: H. Grill; Kundennummer Nr. 2: Pizzeria D.) und auf die Pizzakartons die Adresse aufgedruckt ist, unter der der Kläger seine Pizzeria in den Streitjahren betrieb.
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(b) Dass der Kläger die Wareneinkäufe unter der Kundennummer Nr. 3 nicht stornierten Lieferungen für die Jahre 2012 und 2013 getätigt hat, ergibt sich zur Überzeugung des Senats ferner auch daraus, dass die Steuerfahndung T-Stadt beim Kläger den Packschein aufgefunden hat, auf dem handschriftlich „Pizzeria C M-Stadt“, also der Name der vom Kläger betriebenen Pizzeria nebst Geschäftsort, vermerkt ist, und der dem Packschein zugrundeliegende Wareneinkauf im Warenwirtschaftssystem unter der Kundennummer Nr. 3 erfasst ist.
83
Überdies entsprechen die nach dem Packschein erworbenen Produkte denjenigen, die der Kläger auch sonst erwarb bzw. die ihrer Art nach zum Betrieb einer Pizzeria benötigt werden (z. B. „Lasagne gelb `Gloria´“, „Tortellini Gloria 250g“, „Pizzamehl 405 25 Kg `Pickosta´“, „Gnocchi 500g“, „Gorgonzola Galbani `Erborinato´“„Pizzasalami 80mm, geschnitten“, „Champignons III. Wahl, 6 kg“, „Edamer Holl. 40 % Block“, „I Vino de Tavola rosato 0,75 l Colle d`Oro“ sowie „Pizza Kt`n `Pizzeria C´“ in den Größen 24 cm, 28 cm und 30 cm).
84
(c) Dass dem Kläger die im Warenwirtschaftssystem zur Kundennummer Nr. 2 und zum Streitjahr 2013 gespeicherten und nicht stornierten Wareneinkäufe zuzurechnen sind, folgt zur Überzeugung des Senats aus dem im Rahmen der Durchsuchung in der Wohnung der Kläger aufgefundenen Barverkaufsbeleg.
85
Danach verkaufte die SN am 06.05.2013 Waren für 705,96 € (Heftung in Bp-Akte, Bd. II, Trennblatt „Belege Steufa“, Bl. 24), der anhand des identischen Datums (06.05.2013) und derselben Belegnummer (1000) zu einer Rechnung mit gleichem Rechnungsbetrag führte, nach der u. a. über die Lieferung von „Pizza Mehl 405 25 kg `Pickosta´“, „Black Tiger Shrimps 90/120er“, „Edamer Holl. 40 % Block“, „Küchensahne Naarmann 20 %“, „Champignons III. Wahl, 6 kg“, I Vino de Tavola rosato 0,75 l“ Colle d`Oro“ sowie mit zwei Positionen „Pizza Kt`n „Pizzeria C“ geliefert wurde (Heftung in Bp-Akte, Bd. II, Trennblatt „Belege Steufa“, Bl. 25 f.). Auch diese Produkte entsprechen ihrer Art nach den unter der Kundennummer des Klägers (Nr.1) bestellten Waren.
86
Dass die Lieferung nicht dem Inhaber der „Pizzeria D.“, sondern dem Kläger zuzurechnen ist, ergibt sich des Weiteren neben dem Umstand des Auffindens des Barverkaufbeleges in der Wohnung des Klägers auch daraus, dass die SN diese Pizzeria seit April 2013 nicht mehr belieferte, weil sie ihr Geschäft aufgegeben hatte (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 38).
87
Hinzu kommt die Feststellung des Außenprüfers, dass mit Rechnung vom 26.06.2013 zur Kundennummer des Klägers Nr.1 (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 138) zwei Kartons mit Salatschalen vom Kläger an die SN zurückgegeben worden waren und von der SN dem Kläger gutschrieben wurden. Tatsächlich waren über das Kundenkonto des Klägers (Kundennummer Nr.1) zuvor aber nur 1,5 Kartons eingekauft worden (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 140 f.). Mit Datum vom 17.06.2013 wurde jedoch über das Kundenkonto der „Pizzeria D.“ (Kundennummer Nr. 2) ein halber Karton Salatschalen erworben (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 149). Damit muss der Kläger diese Waren zur Kundennummer Nr. 2 erworben haben.
88
Gleiches folgt aus dem vom Außenprüfer ermittelten Indiz, dass mit Rechnung vom 07.05.2013 zur Kundennummer des Klägers Nr.1 (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 142) zwölf Dosen Schältomaten vom Kläger an die SN zurückgegeben worden waren und von der SN dem Kläger gutschrieben wurden. Tatsächlich waren über das Kundenkonto des Klägers (Kundennummer Nr.1) zuvor aber nur sechs Dosen Schältomaten am 30.04.2013 eingekauft worden (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 144). Mit Datum vom 29.04.2013 wurde jedoch über das Kundenkonto der „Pizzeria D.“ (Kundennummer Nr. 2) zuvor sechs Dosen Schältomaten erworben (Bp-Akte, Bd. II, Bl. 150).
89
bb) Aus den vorgenannten Gründen ergeben sich insgesamt folgende Wareneinkäufe:
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Die so ermittelten Wareneinkäufe liegen oberhalb der vom Kläger aufgezeichneten:
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93
cc) Hat aber der Kläger ‒ wie ausgeführt ‒ Wareneinkäufe nicht aufgezeichnet, sind seine Aufzeichnungen nicht nur formell, sondern auch materiell unrichtig, was zur Schätzung von Warenumsätzen berechtigt (vgl. BFH-Urteil vom 25.03.2015 X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 66).
94
dd) Die Einwendungen der Kläger greifen für die Streitjahre 2008 bis 2013 nicht durch.
95
(1) Dies gilt zunächst insoweit, als sie geltend machen, die Pizzakartons mit dem Aufdruck „Pizzeria C“ seien auch an andere Kunden verkauft worden, deren Identität sich nicht mehr nachvollziehen lasse. Hier verkennen sie, dass die entsprechend bedruckten Pizzakartons von anderen Kunden als dem Kläger von der SN ohne Ausstellung von Lieferscheinen verkauft wurden (vgl. Bp-Akte, Bd. II, Bl. 201: „Die Kunden haben sich im Lager selbst bedient und haben ihre Ware auch direkt an der Kasse bar bezahlt. Im Nachhinein ist nicht feststellbar, wer im Einzelnen diese bedruckten Kartons noch bezogen hat.“). Die dem Kläger zur Überzeugung des Senats unter den Kundennummern 13032, Nr. 3 und Nr. 2 zuzurechnenden Einkäufe der Pizzakartons mit dem Aufdruck „Pizzeria C“ sind aber im Warenwirtschaftssystem zu den genannten Kundennummern zur Auslieferung erfasst und mithin nicht vor Ort verkauft worden.
96
(2) Angesichts vorstehender Umstände (teilweise Verwendung der Kundennummer des Klägers, detaillierte Ermittlungen der Steuerfahndung, im Vergleich zu den vom Kläger erfassten Wareneinkäufen identisches Warensortiment) greifen sowohl die Behauptung, der Kläger habe den Barverkaufsbeleg vom 06.05.2013 seinem Steuerberater versehentlich nicht überreicht, als auch der pauschale Einwand des Klägers nicht durch, die zu den Kundennummern Nr.1, Nr. 3 und Nr. 2 stornierten Umsätze habe er nicht getätigt und er könne nicht für ein fehlerhaftes Verhalten der SN verantwortlich gemacht werden.
97
(3) Soweit die Kläger meinen, Erstattungen der SN würden nicht für Schwarzeinkäufe, sondern dafür sprechen, der Kläger habe solche Waren nicht bestellt, erscheint dies dem Senat wirtschaftlich nicht nachvollziehbar. Denn wenn der Kläger solche Waren nicht bestellt hätte, dann gäbe es für eine Erstattung keinen Grund.
98
(4) Entgegen der Auffassung der Kläger lässt sich zu ihren Gunsten nichts aus dem BFH-Beschluss vom 27.08.2019 X B 160/18, X B 3-10/19 (BFH/NV 2020, 5) entnehmen. Denn anders als sie meinen, ist es für die Zurechnung der Wareneinkäufe zur Überzeugung des Senats nicht erforderlich, dass ein kollusives Zusammenwirken i. S. eines gemeinsamen Tatplans zwischen dem Kläger und der SN festgestellt wird. Dass der Kläger die Wareneinkäufe zu den Kundennummern Nr.1 (storniert und nicht storniert), Nr. 3 und Nr. 2 tätigte, ergibt sich für den Senat vielmehr aus den o. g. Umständen.
99
(5) Auch soweit die Kläger angeben, der Kläger habe die nach dem Kontrollmaterial der Steuerfahndung X-Stadt ermittelten Waren niemals bezogen und hierfür exemplarisch den Kauf einzelner Waren lt. Bl. 48, 49 und 126 des Standordners „C“ in Abrede stellen, vermag dies der Senat nicht festzustellen.
100
Denn zur Überzeugung des Senats erwarb der Kläger Waren genau dieser Art. Dies folgt aus den dem Senat vorliegenden, im Warenwirtschaftssystem nicht stornierten Warenbestellungen, zu denen die SN dem Kläger unter seiner Kundennummer Nr.1 Rechnungen einschließlich der jeweils bestellten Artikel stellte (vgl. dazu Bl. 165 ff. des Standordners „C“).
101
Aus diesen Rechnungen ergibt sich insbesondere der Kauf von
102
̶ Champignons III. Wahl 6 kg (vgl. z. B. Bl. 168, 170, 172, 174, 176, 178, 218, 236, 238, 240, 242, 248 und 256 des Standordners „C“);
103
̶ Artischockenherzen 2.650 ml (vgl. z. B. Bl. 165 und 180 des Standordners „C“);
104
̶ Vegeta Gewürzsalz 1 kg (vgl. z. B. Bl. 230, 232, 238 und 240 des Standordners „C“);
105
̶ Ako Oregano gerebelt 1 kg (vgl. z. B. Bl. 230 des Standordners „C“);
106
̶ Ako Pfeffer schwarz fein (vgl. z. B. Bl. 190 und 192 des Standordners „C“);
107
̶ Aluschalen rund 17 cm 540 C+C (vgl. z. B. Bl. 175, 200, 214 und 216 des Standordners „C“) und
108
̶ Alu-kasch. Deckel 533/540 CA (vgl. z. B. Bl. 175, 201, 214, 216, 242 und 243 des Standordners „C“).
109
Da aber der Kläger nachweislich die vorgenannten Produkte erworben hat, erscheint dem Senat der Vortrag der Kläger insgesamt nicht glaubhaft, der Kläger habe die ihm vom Außenprüfer und der Steuerfahndung X-Stadt zugerechneten Wareneinkäufe nicht getätigt.
110
2. Der Höhe nach sind die Hinzuschätzungen des Beklagten für diese Streitjahre herabzusetzen.
111
Der Senat wählt im Ausgangspunkt die Schätzungsmethode der Richtsatzschätzung (a) und schätzt die Besteuerungsgrundlagen in der Höhe, dass der mittlere Rohgewinnaufschlagsatz unterschritten und der mittlere Reingewinnrichtsatz nicht überschritten wird (b).
112
a) Der Senat schätzt im Rahmen seiner eigenen Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 FGO i. V. m. § 162 AO) die Besteuerungsgrundlagen nach Maßgabe der Richtsatzschätzung.
113
aa) Die Auswahl zwischen verschiedenen Schätzungsmethoden steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzgerichts (FG). Ermessensleitend ist dabei das Ziel, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen (BFH-Urteil vom 25.03.2015 X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 60).
114
bb) In Anwendung dieser Grundsätze sieht der Senat eine Schätzung mittelsamtlicher Richtsätze als geeignetste Schätzungsmethode an, das wahrscheinlichste Ergebnis zu erzielen.
115
(1) Ein innerer Betriebsvergleich in Form einer Ausbeutekalkulation scheidet zur Überzeugung des Senats aufgrund des umfangreichen Speisenangebots in der vom Kläger in den Streitjahren betriebenen Pizzeria aus. Die Beteiligten haben insoweit insbesondere weder die Hauptumsatzträger noch die jeweils maßgeblichen Rezepte benannt bzw. sonst ermittelt. Auch mit Blick auf den Schriftsatz der Kläger vom 15.01.2020, in dem sie Angaben zum Mehlverbrauch für einzelne Speisen bzw. zu sonst eingesetzten Zutaten und Verbrauchsartikeln (Pizzakartons und Salatschalen) gemacht haben, ergibt sich nichts anderes. Denn trotz dieses Vortrages ist es dem Senat nach wie vor nicht möglich, die Hauptumsatzträger im gesamten Streitzeitraum festzustellen und ‒ mangels entsprechender Substantiierungen ‒ die maßgeblichen Rezepte zu bestimmen. Weil aber deshalb die gängigsten Speisen und die jeweiligen Mengenangaben unklar bleiben, ist die vom Außenprüfer durchgeführte pauschale (Mehl-) Kalkulation (Heftung in Bp-Akte, Bd. II, Trennblatt „Ausbeutekalkulation“, Bl. 8 f.) schon aus diesem Grund nicht der Schätzung zugrunde zu legen. Hinzu kommt, dass diese Kalkulation nur das Streitjahr 2009 betrifft, also nicht für sämtliche Streitjahre maßgeblich sein kann.
116
(2) Auch eine Geldverkehrs- und Vermögenszuwachsrechnung ist vorliegend nicht durchführbar. Die Vermögenszuwachsrechnung und Geldverkehrsrechnung beruhen auf dem Grundgedanken, dass ein Steuerpflichtiger während eines bestimmten Zeitraums so viele Einkünfte ‒ aus welcher Quelle auch immer ‒ erzielt haben muss, wie er während dieses Zeitraums an Vermögen gebildet und Werten verbraucht hat. Um diesen Grundgedanken zu verwirklichen, müssen im Wege der Verprobung die Geldflüsse innerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen nachvollzogen werden (BFH-Urteil vom 08.11.1989 X R 178/87, BFHE 159, 20, BStBl II 1990, 268). Die Anwendung dieser Schätzungsmethode setzt voraus, dass das FG in der Lage ist, die hierzu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen (BFH-Urteil vom 28.05.1986 I R 265/83, BFHE 147, 105, BStBl II 1986, 732). Im Streitfall kann die Höhe der Umsätze des Klägers nicht anhand einer Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung geschätzt werden, denn dafür müssten die Vermögenszuwächse und Geldflüsse innerhalb des gesamten Haushalts überprüft werden. Dazu ist das Gericht anhand der ihm vorliegenden Steuerakten nicht imstande.
117
(3) Aus den vorgenannten Gründen wählt der Senat die Richtsatzschätzung. Die Anwendung der amtlichen Richtsatzsammlung ist eine anerkannte Schätzungsmethode, die sich das FG zu eigen machen darf (BFH-Beschlüsse vom 08.08.2019 X B 117/18, BFH/NV 2019, 1219, Rz 37; vom 14.08.2018 XI B 2/18, BFH/NV 2019, 1, Rz 20).
118
b) Aufgrund der Richtsatzschätzung sind die Hinzuschätzungen des Beklagten für die Streitjahre 2008 bis 2013 herabzusetzen.
119
aa) Die für die Richtsatzschätzung maßgeblichen amtlichen Richtsatzsammlungen bestimmen für Pizzerien als möglichen Rohgewinnaufschlagsatz
120
̶ für die Streitjahre 2008 bis einschließlich 2009 203 % bis 400 % (Mittelwert: 285 %);
121
̶ für die Streitjahre 2010 bis einschließlich 2013 203 % bis 426 % (Mittelwert: 285 %);
122
der Reingewinnrichtsatz bewegt sich bei Pizzerien
123
̶ in den Streitjahren 2008 bis einschließlich 2009 zwischen 10 % bis 43 % (Mittelwert: 25 %) und
124
̶ in den übrigen Streitjahren von 13 % über den Mittelwert von 27 % bis hin zum Höchstwert von 46 %
125
(vgl. Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 16.08.2007 IV A 7-S 1544/0, 2007/0375336, BStBl I 2007, 574; vom 03.07.2008 IV A 7-S 1544/0, 2007/0375336, BStBl I 2008, 696; vom 02.10.2009 IV A 4-S 1544/09/10001-01, 2009/0500916, BStBl I 2009, 1149; vom 06.10.2010 IV A 4-S 1544/09/10001-02, 2010/0776300, BStBl I 2010, 734; vom 22.08.2011 IV A 4-S 1544/09/10001-03, 2011/0661031, BStBl I 2011, 758; vom 21.06.2012 IV A 4-S 1544/09/10001-04, 2012/0529969, BStBl I 2012, 626; vom 18.07.2013 IV A 4-S 1544/09/10001-05, 2013/0674140, BStBl I 2013, 863; vom 29.07.2014 BStBl I 2014, 1075, BStBl I 2014, 1075 ‒ Richtsatzsammlungen 2006 bis 2014 ‒; jeweils Umsätze bis 150.000 €).
126
bb) Bei der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen lässt sich der Senat von folgenden Überlegungen leiten:
127
(1) Ausgangspunkt der Schätzung ist der vom Senat festgestellte Wareneinkauf zu den Kundennummern Nr.1, Nr. 3 und Nr. 2.
128
(2) Hierauf wendet der Senat einen innerhalb der möglichen Bandbreite liegenden Rohgewinnaufschlagsatz von 300 % an. Von dem sich daraus ergebenden Betrag zieht der Senat den Eigenverbrauch lt. Buchführung ab. Da der Kläger aber gegenüber seinen Kunden Rabatte gewährte, nimmt der Senat hierfür einen weiteren Abschlag vor. Aufgrund dieser Minderung ergibt sich ‒ wie unter II.2.b cc ersichtlich ‒ insgesamt ein Rohgewinnaufschlagsatz, der unterhalb des mittleren Werts lt. amtlicher Richtsatzsammlung liegt (264 %).
129
Die Unterschreitung des mittleren Rohgewinnaufschlagsatzes erscheint dem Senat deshalb realitätsgerecht, weil die vom Kläger betriebene Pizzeria über wenige Sitzgelegenheiten verfügte und daher der Anteil der Laufkundschaft höher ist, so dass der Kläger vergleichsweise geringer Trinkgelder erzielte. Überdies bot der Kläger ausweislich der dem Senat vorliegenden und in den Streitjahren maßgeblichen Speisekarte (Bp-Akte, Bd. I, Bl. 129) Speisen zu eher geringen Preisen an, was auch auf die Konkurrenzsituation in dem Ort mit geringer Einwohnerzahl zurückzuführen gewesen sein dürfte. Andererseits erscheint dem Senat ein Rohgewinnaufschlagsatz von 264 % nicht überhöht, weil der Kläger nach seiner eigenen Buchführung in der Lage war, einen solchen Rohgewinnaufschlagsatz zu erzielen und nicht ersichtlich ist, dass sich der Betrieb in seiner Struktur wesentlich geändert hat.
130
(3) Zur Ermittlung der auf die so ermittelten Umsatzerlöse anfallenden Umsatzsteuer teilt der Senat die Umsätze auf im Verhältnis 95 % Umsätze zum Regelsteuersatz zu 5 % Umsätze zum ermäßigten Umsatzsteuersatz.
131
So ist auch der Außenprüfer vorgegangen. Die Kläger haben insoweit keine Einwendungen erhoben. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich, zumal sich im Ladenlokal des Klägers in den Streitjahren wenige Sitzplätze befanden.
132
(4) Der Senat berücksichtigt als zusätzliche Betriebsausgaben zu den erhöhten Mehrumsätzen nicht nur die auf die Schwarzeinkäufe entfallenden Vorsteuerbeträge, die der Kläger mangels Vorlage ordnungsmäßiger Rechnungen nicht abziehen darf, sondern auch weitere Aufwendungen, damit im Grundsatz der mittlere Reingewinnrichtsatz nicht überschritten ist. Nur soweit der Kläger nach seinen Angaben in den Streitjahren 2011 bis 2013 einen höheren als den mittleren Reingewinnsatz erzielt hat, schätzt der Senat die sonstigen Betriebsausgaben in einem solchen Umfang, dass diese (abgerundeten) Reingewinnsätze nicht überschritten werden.
133
(5) Die Ergebnisse der Schätzung lassen sich der nachfolgenden Übersicht entnehmen:
134
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135
cc) Da aufgrund der Schätzung des Senats die Rohgewinnaufschlagsätze ‒ wie ausgeführt ‒ unterhalb des mittleren Rohgewinnaufschlagsatzes liegen sowie die einschlägigen mittleren Reingewinnrichtsätze nicht überschritten sind, bestehen zur Überzeugung des Senats keine Zweifel an der Richtigkeit seiner Schätzung (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226).
136
Die Einzelheiten ergeben sich aus den nachfolgenden Berechnungen:
137
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138
3. Der Änderung der Steuerfestsetzungen für 2006 und 2007 steht der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegen, weil der Senat für diese Streitjahre hinsichtlich der Wareneinkäufe des Klägers keine fehlerhaften Aufzeichnungen solchen Ausmaßes feststellen konnte, die einen Steuerhinterziehungsvorsatz begründen und die Kassenmängel keinen sicheren Schluss auf einen Vorsatz zulassen.
139
a) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.
140
b) So lag es aber für die Streitjahre 2006 und 2007.
141
aa) Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Da die Steuererklärungen für die Streitjahre 2006 und 2007 jeweils 2009 eingereicht wurden, begann die Festsetzungsfrist jeweils mit Ablauf dieses Jahres.
142
bb) Die Festsetzungsfrist für Steuern beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Mithin war die vierjährige Festsetzungsfrist für die Streitjahre 2006 und 2007 mit Ablauf des Jahres 2013 abgelaufen.
143
Bis zum Ablauf dieses Jahres hatte der Beklagte allerdings seine Außenprüfung auf die Streitjahre 2006 und 2007 nicht ausgeweitet. Dies geschah erst im Laufe des Jahres 2015, so dass der Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist nicht nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt war. Eine Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen durch Steuerfahndungsstellen, die den Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO gehemmt hätte, lag nicht vor. Das Steuerstrafverfahren betraf nur die Streitjahre ab 2008.
144
cc) Eine Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre scheidet aus.
145
Zwar verlängert sich die Festsetzungsfrist bei einer Steuerhinterziehung i. S. des § 370 Abs. 1 AO auf zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO).
146
Indes ist bei nicht behebbaren Zweifeln die Feststellung einer Steuerhinterziehung mittels reduzierten Beweismaßes ‒ mithin im Schätzungswege ‒ nicht zulässig. Hängt die Rechtmäßigkeit eines Bescheides davon ab, dass eine Steuerhinterziehung vorliegt, kann das Gericht eine Straftat also nur feststellen, wenn es von ihrem Vorliegen überzeugt ist (BFH-Urteil vom 07.11.2006 VIII R 81/04, BFHE 215, 66, BStBl II 2007, 364, Rz 14).
147
(1) Allerdings lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass der Kläger in den Streitjahren 2006 und 2007 Waren eingekauft hat, die zu vom Kläger nicht erfassten Warenverkäufen führten.
148
Einen nicht aufgezeichneten Wareneinkauf kann der Senat nämlich nur insoweit feststellen, als dem Kläger in der Rechnung vom 21.09.2006 Wareneinkäufe von „Alu-kaschierten Deckeln 207 CA“ sowie „Aluschalen 207 100 St.“ und „Weinessig klar 10 l“ gutgeschrieben wurden. Weitere, bei Gutschriften in Bezug genommene Rechnungen aus den Streitjahren 2006 und 2007 liegen dem Senat nicht vor. Daher kann er nicht mit der notwendigen Sicherheit erkennen, dass der Einkauf der sonstigen Waren, deren Erwerb dem Kläger später wieder gutgeschrieben wurde, aus den nicht vorliegenden Rechnungen folgt. Weil sich demnach allein ein nicht aufgezeichneter Wareneinkauf geringen Ausmaßes ergibt (Warenwert insgesamt: 58,80 € netto), lässt sich kein materieller Mangel solchen Ausmaßes feststellen, der eine Hinzuschätzung zu den Warenumsätzen rechtfertigt.
149
(2) Die Kassenmängel in den Streitjahren 2006 und 2007 rechtfertigen ebenfalls nicht die Annahme eines Hinterziehungsvorsatzes.
150
Denn an der hierfür erforderlichen Überzeugung fehlt es dem Senat aber deshalb, weil Kassenmängel als formelle Mangel ‒ wie bereits ausgeführt ‒ keinen sicheren Schluss auf die Verkürzung von Einnahmen zulassen (vgl. BFH-Urteil vom 25.03.2015 X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz. 27).
151
4. Die Berechnung der Steuern der Streitjahre 2008 bis 2013 wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
152
5. Die Kostenentscheidung beruht für die Streitjahre 2006 bis 2012 auf § 137 Satz 1 FGO, weil die Entscheidung auf Tatsachen beruht, die die Kläger früher hätte geltend machen oder beweisen können und müssen. Für das Streitjahr 2013 beruht die Kostenentscheidung auf § 137 Satz 3 FGO, weil der Beklagte insoweit eine Ausschlussfrist nach § 364b AO gesetzt hat.
153
6. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung unter Zugrundelegung allgemein feststehender Rechtsgrundsätze.