05.09.2023 · IWW-Abrufnummer 237191
Finanzgericht Münster: Urteil vom 28.04.2023 – 10 K 1193/20 K,G,F
Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Klägerin eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) aufgrund einer privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs durch ihren alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer zu berücksichtigen war, sowie darüber, ob für das Kraftfahrzeug eine Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 und 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorgenommen werden konnte.
2
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Einziger Gesellschafter und Alleingeschäftsführer der GmbH ist Herr A (A). Im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers vom 00.00.2012 haben die GmbH und A unter § 5 Abs. 4 Folgendes vereinbart:
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„… Der Geschäftsführer hat Anspruch auf die Gestellung eines Pkw der gehobenen Mittelklasse. Er darf den Pkw nicht privat nutzen… Betriebs- und Unterhaltungskosten trägt die Gesellschaft…“
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Die Klägerin hatte zunächst einen Firmenwagen der Marke B [gehobene Mittelklassefahrzeug] in ihrem Betriebsvermögen bilanziert. Ab Mai 2016 wurde dieser Firmenwagen durch ein Fahrzeug der Marke C [gehobene Mittelklassefahrzeug] ersetzt. Beide Firmenfahrzeuge wurden dem A von der GmbH zur Verfügung gestellt.
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Im Privatvermögen des A befand sich bis Mai 2016 ein auf den A angemeldetes Fahrzeug der Marke D [Mittelklassefahrzeug]. Ab Mai 2016 wurde der D durch ein auf den Namen der Ehefrau des A angemeldetes Fahrzeug der Marke E [Mittelklassefahrzeug] ersetzt.
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In ihrer beim Beklagten (dem Finanzamt (FA)) eingereichten Körperschaftsteuererklärung für 2016 erklärte die Klägerin einen Überschuss bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von … €. In ihrer Gewinnermittlung machte die GmbH für den neu angeschafften Pkw neben der Abschreibung gemäß § 7 Abs. 1 EStG zusätzlich eine Sonderabschreibung gemäß § 7g Abs. 5 und 6 EStG in Höhe von 7.981,- € als Betriebsausgaben geltend. Einnahmen im Zusammenhang mit einer Privatnutzung der beiden Firmenfahrzeuge erfasste die Klägerin nicht.
7
Das FA erkannte die Sonderabschreibung gem. § 7g Abs. 5 und 6 EStG nicht an und begründete dies mit einem fehlenden Nachweis der Klägerin über die (fast) ausschließlich betriebliche Nutzung des neu angeschafften Fahrzeugs. Insbesondere habe die Klägerin kein Fahrtenbuch vorgelegt, welches den für diese Sonderabschreibung geforderten Nutzungsumfang belegen könnte. Des Weiteren nahm das FA für das neu angeschaffte Firmenfahrzeug eine private Mitnutzung durch den alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer an und rechnete außerbilanziell eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) in Höhe von 4.000,- € dem zu versteuernden Einkommen der GmbH hinzu. Den Wert der vGA berechnete das FA dabei mittels der sog. 1%-Regelung.
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Auf der Grundlage dieser Feststellungen erließ das FA unter dem 18.7.2018 einen Körperschaftsteuerbescheid für 2016, mit dem es die Körperschaftsteuer (KSt) 2016 auf … € festsetzte. Unter dem 27.7.2018 bzw. 17.8.2018 ergingen an die Klägerin zudem der Bescheid auf den 31.12.2016 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes sowie der Gewerbesteuermessbescheid 2016.
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Gegen sämtliche Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie sich sowohl gegen die Nichtberücksichtigung der Sonderabschreibung gem. § 7g Abs. 5 und 6 EStG als auch gegen die außerbilanzielle Hinzurechnung der vGA wandte. Mit Einspruchsentscheidung vom 3.4.2020 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück und führte insoweit aus, die bloße Vereinbarung eines Nutzungsverbots entkräfte bei einem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer nicht den Anscheinsbeweis für eine private Mitbenutzung des Firmenfahrzeugs. Als Indizien für eine private Mitnutzung würden beispielsweise das Fehlen eines gleichwertigen Fahrzeugs im Privatvermögen, das Nichtführen eines Fahrtenbuchs oder fehlende organisatorische Maßnahmen zur Überwachung des vertraglichen Nutzungsverbots sprechen (Hinweis auf das Urteil des FG Köln vom 15.9.2016 10 K 2497/15, zitiert in juris). Der Anwendung des Anscheinsbeweises stehe im vorliegenden Fall ‒ entgegen der Auffassung der Klägerin ‒ auch nicht die Rechtsprechung des VI. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) entgegen. Die Rechtsprechung des VI. Senats sei zur Kfz-Überlassung an Angestellte ergangen. Der VI. Senat des BFH habe hierzu ausgeführt, dass der Anscheinsbeweis ausschließlich dafür streite, dass ein zur Privatnutzung überlassenes Fahrzeug auch tatsächlich privat genutzt werde. Wenn allerdings nicht feststehe, dass das Fahrzeug auch für Privatfahrten überlassen worden sei, könne der Anscheinsbeweis diese Feststellung nicht ersetzen. Dies solle nach der Auffassung des IV. Senats auch dann gelten, wenn ein arbeitsvertraglich vereinbartes Nutzungsverbot nicht überwacht werde. Diese Rechtsprechungsgrundsätze ließen sich aber auf den vorliegenden Fall, bei dem es sich um einen alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH handele, nicht übertragen. Bei einem Gesellschafter sei die auf der Basis des ersten Anscheins gestützte Annahme, dieser habe einen ihm zur Verfügung stehenden Dienstwagen privat genutzt, auch dann möglich, wenn formal ein Nutzungsverbot zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter vereinbart worden sei. Bei einem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer sei wegen seiner herausragenden Position und dem damit verbundenen jederzeitigen Zugriff auf den betrieblichen Pkw nach den Regeln des Anscheinsbeweises von einer privaten Nutzung des Pkw auszugehen. Andernfalls hätte es der Gesellschafter in der Hand, ob er den Eigenverbrauch versteuert. Entscheidend sei, dass das private Nutzungsverbot in der Gesellschaft nicht hätte durchgesetzt werden können bzw. ein Verstoß gegen dieses Verbot keine Sanktionen nach sich gezogen hätte. Es könne im Streitfall auch nicht davon ausgegangen werden, dass das vertragliche Nutzungsverbot trotz eines fehlenden Interessengegensatzes eingehalten worden sei.
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Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 und 6 EStG lägen nicht vor. Dies sei nur dann der Fall, wenn das Wirtschaftsgut im Jahr der Inanspruchnahme der Sonderabschreibung im Betrieb des Steuerpflichtigen ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt worden sei. Den Steuerpflichtigen treffe insoweit die Feststellungslast. § 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG enthalte keine konkreten Vorgaben dafür, in welcher Form die nahezu ausschließliche betriebliche Nutzung zu führen sei. Bei einem Pkw werde sich der Umfang der privaten bzw. betrieblichen Nutzung aus tatsächlichen Gründen im Regelfall durch das Führen eines Fahrtenbuches nachweisen lassen. Dieses sei im Streitfall allerdings nicht geführt worden. Es könne dahingestellt bleiben, auf welche andere Weise die tatsächliche Nutzung des in Rede stehenden Pkws belegt werden könne. Denn es bestünde jedenfalls kein Zweifel darüber, dass der Nachweis der nahezu ausschließlich betrieblichen Nutzung nicht anhand der 1%-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG geführt werden könne (Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 3.1.2006 XI B 106/05).
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Die Klägerin hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin aus, der A nutze den im Mai 2016 angeschafften Firmenwagen ausschließlich betrieblich und sei verpflichtet, das Fahrzeug nach Geschäftsschluss auf dem Firmengelände abzustellen. Es liege zudem ein ausdrückliches vertragliches Nutzungsverbot für Privatfahrten mit diesem Fahrzeug vor. Das FA habe daher zu Unrecht eine private Pkw-Nutzung angesetzt. Da § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG ebenso wenig wie § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG originär einen steuerbaren Tatbestand begründe, komme eine „Dienstwagenbesteuerung“ nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen habe. Stehe dies nicht fest, könne auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen. Dies gelte selbst dann, wenn der Arbeitgeber ein arbeitsvertraglich vereinbartes Nutzungsverbot nicht überwache (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 6.10.2011, BStBl II 2012, 362) oder das Fahrzeug, wie im vorliegenden Fall, einem Gesellschafter-Geschäftsführer lediglich für betriebliche Fahrten zur Verfügung gestellt werde (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 31.3.2013, BStBl II 2013, 918). Eine private Nutzung sei bei einem Nutzungsverbot auch dann nicht anzunehmen, wenn die „Kontrollinstanz“ fehle. Denn allein aus der Nutzungsmöglichkeit lasse sich nicht auf eine rechtsgeschäftliche (ausdrücklich oder konkludent) vermittelte Privatbefugnis schließen. Der VI. Senat des BFH habe sich insoweit vom sog. Anscheinsbeweis verabschiedet. … Weiterhin werde darauf hingewiesen, dass ein zweiter, auf die Ehefrau des A zugelassener Pkw existiere, der überwiegend durch den A genutzt werde. Die Ehefrau des A sei aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage, größere Fahrten wahrzunehmen. Diese nutzte den Privatwagen nur für Einkaufsfahrten.
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Weiterhin hat die Klägerin ein zwischen dem A und der Klägerin vereinbartes schriftliches „Nutzungsverbot“ für den neu angeschafften Fahrzeugs C vom 18.5.2016 vorgelegt, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Dort heißt es:
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„[...]
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Dieses Fahrzeug darf nicht zu privaten Zwecken genutzt werden.
15
Das Fahrzeug ist ausschließlich für betriebliche Fahrten genutzt werden.
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Es ist nach Geschäftsschluss auf dem Firmengelände abzustellen.“
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Die Klägerin beantragt,
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den Körperschaftsteuerbescheid 2016 vom 18.7.2018, den Gewerbesteuermessbescheid 2016 vom 17.8.2018 und den Bescheid auf den 31.12.2016 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes vom 27.7.2018, sämtlich in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3.4.2020, dahingehend zu ändern, dass der Gewinn der Klägerin um die Sonderabschreibung in Höhe von 7.981,- € als Betriebsausgaben gemindert wird und die bisher vom Beklagten außerbilanziell hinzurechnete verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 4.000,- € rückgängig gemacht wird,
19
hilfsweise,
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die Revision zuzulassen.
21
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
23
hilfsweise,
24
die Revision zuzulassen.
25
Zur Begründung verweist das FA auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Im Übrigen - so das FA - sei bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden, ob die Rechtsprechung des VI. Senats auf die vorliegende Konstellation, nämlich die private Pkw-Nutzung eines Firmenwagens beim beherrschenden Gesellschafter, zu übertragen oder ob eine Gleichstellung mit dem Einzelunternehmer vorzunehmen sei, d.h., dass für den alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer - wie bei Einzelunternehmern - ein Anscheinsbeweis zugunsten einer privaten Nutzung von Firmenfahrzeugen spreche (Hinweis auf das Urteil des FG Köln vom 15.9.2016 - 10 K 2497/15). Im Übrigen sei das private Fahrzeug, ein E (Erstzulassung 13.10.2014), entgegen der Auffassung der Klägerin weder in Status noch vom Gebrauchswert mit dem Dienstfahrzeug C (… Erstzulassung 17.12.2015) vergleichbar.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die wechselseitig ausgetauschten Schriftsätze, sowie die vorliegenden Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
28
Der KSt-Bescheid 2016 vom 18.7.2018, der Gewerbesteuermessbescheid 2016 vom 17.8.2018 sowie der Bescheid auf den 31.12.2016 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes vom 27.7.2018, sämtlich in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3.4.2020, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
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I. Das FA hat dem Grunde nach zu Recht aufgrund eines von der Klägerin nicht erschütterten Anscheinsbeweises im Zusammenhang mit der privaten Nutzung des Firmenwagens eine vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) - für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ‒ außerbilanziell hinzugerechnet. Dabei hat das FA zwar in unzutreffender Weise die sog. 1%-Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zur Berechnung der Höhe der vGA angewandt. Für die Bewertung der vGA ist der gemeine Wert des Nutzungsvorteils maßgebend. Da der auf der Grundlage der sog. 1%- Regelung vom FA angesetzte Wert für die vGA von 4.000,- € im Ergebnis aber niedriger ist als die Ermittlung des privaten Nutzungsanteils auf der Grundlage des gemeinen Wertes (4.771,- €; zur Berechnung unter I. 4b) und das Gericht im Klageverfahren nicht verbösern darf, führt die Klage insoweit zu keiner Änderung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
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1. Unter einer vGA ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. z.B. BFH, Urteile vom 4.9.2002 I R 48/01, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2003, 347; vom 22.10.2003 I R 37/02, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFHE- 204, 96, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2004, 121).
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Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter ‒ dem Grunde oder der Höhe nach ‒ nicht gewährt hätte. Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen Vereinbarung fehlt (BFH-Urteil vom 5.3.2008 I R 12/07, BFH/NV 2008, 1273).
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2. Dies zugrunde gelegt geht der Senat im Streitfall von einer privaten Nutzung des betrieblichen Pkw durch A aus, denn es spricht ein ‒ von der Klägerin nicht erschütterter - Anscheinsbeweis für eine private Nutzung des betrieblichen Pkw durch den Alleingesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin.
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a. Ob eine private Pkw-Nutzung vorliegt, ist nach allgemeinen Grundsätzen festzustellen. Da es sich insoweit um eine steuerbegründende Tatsache handelt, trägt grundsätzlich das Finanzamt die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer den betrieblichen Pkw tatsächlich zu privaten Zwecken genutzt hat. Die Regeln der Feststellungslast kommen jedoch erst zum Zuge, wenn das zu beweisende Tatbestandsmerkmal nicht ersichtlich ist. Zuvor ist im Rahmen der Beweiswürdigung zu prüfen, ob sich das Gericht, ggf. unter Anwendung der Regeln des Anscheinsbeweises, eine Überzeugung von den tatsächlichen Lebensumständen bilden kann. Ein solcher Beweis des ersten Anscheins trägt der allgemeinen Lebenserfahrung Rechnung. Er beruht auf der Erfahrung, dass gewisse typische Sachverhalte bestimmte Folgen auslösen oder umgekehrt bestimmte Folgen auf einen typischen Geschehensablauf hindeuten. Der zu Grunde liegende Erfahrungssatz muss geeignet sein, die volle Überzeugung des Gerichts vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache zu begründen. Der Anscheinsbeweis greift nur bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein gewisser Sachverhalt feststeht, der nach der Lebenserfahrung auf einen bestimmten Ablauf hinweist. Liegt ein solcher Erfahrungssatz vor und sind seine Voraussetzungen erwiesen, so ist es Sache des nicht beweisbelasteten Beteiligten, einen vom gewöhnlichen Verlauf abweichenden Gang des Geschehens substantiiert darzulegen und zu beweisen (Gräber/Stapperfend, FGO, § 96 Rn. 35).
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aa. Der I. Senat des BFH ist in seiner Rechtsprechung bislang davon ausgegangen, dass für die Privatnutzung eines dem Gesellschafter-Geschäftsführer von der Gesellschaft zur Nutzung überlassenen betrieblichen Fahrzeugs ein Anscheinsbeweis greift (vgl. etwa BFH-Urteile vom 23.1.2008 I R 8/06, BStBl II 2012, 260 und vom 17.7.2008 I R 83/07, BFH/NV 2009, 417). Danach spricht aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass ein (Allein-)Gesellschafter-Geschäftsführer einen ihm zur Verfügung stehenden betrieblichen Pkw auch für private Fahrten nutzt. Dies gilt auch dann, wenn entweder keine vertragliche Vereinbarung über eine Privatnutzung geschlossen worden ist oder aber bei einem im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ausdrücklich vereinbarten Privatnutzungsverbot, insbesondere dann, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer kein Fahrtenbuch führe, keine organisatorischen Maßnahmen getroffen würden, die eine Privatnutzung des Fahrzeugs ausschließen, und eine unbeschränkte Zugriffsmöglichkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers auf den Pkw bestehe. Es widerspreche insoweit der Lebenserfahrung, dass, wenn eine Fahrt teils betrieblichen Zwecken, teils privaten Zwecken dient, das Fahrzeug gewechselt wird. Nach der Lebenserfahrung sei vielmehr davon auszugehen, dass gerade das Fahrzeug genutzt wird, das zur Verfügung steht.
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bb. Dagegen vertritt der VI. Senats des Bundesfinanzhofs die Auffassung, dass für lohnsteuerliche Zwecke bereits die bloße Gestattung der Privatnutzung unabhängig von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen beim Arbeitnehmer den Zufluss eines geldwerten Vorteils begründe und im Zuge dessen eine Anwendung des Anscheinsbeweises abzulehnen sei. Danach streite der Anscheinsbeweis nur dafür, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassener Pkw auch tatsächlich privat genutzt werde, aber nicht dafür, dass dem Arbeitnehmer überhaupt ein betriebliches Fahrzeug vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werde oder dass er einen solchen unbefugt auch privat nutze. Dies gilt nach Ansicht des VI. Senats des BFH auch für einen angestellten Gesellschafter-Geschäftsführer, dem die Nutzung des ihm von der GmbH als Arbeitgeber überlassenen Pkw zu privaten Zwecken ausdrücklich untersagt worden ist. Danach gebe es keinen auf der allgemeinen Lebenserfahrung gründenden Erfahrungssatz, nach dem ein angestellter Gesellschafter-Geschäftsführer generell arbeitsvertraglich vereinbarte Nutzungsverbote nicht achten werde. Selbst wenn er in Ermangelung einer „Kontrollinstanz“ bei einer Zuwiderhandlung keine arbeitsrechtlichen oder gar strafrechtlichen Konsequenzen zu erwarten habe, rechtfertige dies keinen entsprechenden steuerstrafrechtlich erheblichen Generalverdacht. Dass der Arbeitgeber ein arbeitsvertraglich vereinbartes Privatnutzungsverbot nicht überwache, ändere hieran nichts (vgl. BFH-Urteile vom 21.4.2010 VI R 46/08, BStBl II 2010, 848; vom 21.3.2013 VI R 46/11, BStBl II 2013, 1044; vom 21.3.2013 VI R 42/12, BStBl II 2013, 918; vom 18.4.2013 VI R 23/12, BStBl II 2013, 920; vom 14.11.2013 VI R 25/13, BFH/NV 2014, 678). Diese Grundsätze hat der VI. Senat des BFH auch auf den Fall eines alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH angewendet (vgl. BFH-Urteil vom 8.8.2013 VI R 71/12, BFH/NV 2014, 153).
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cc. Innerhalb der finanzgerichtlichen Rechtsprechung sind u.a. das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 3.9.2013 6 K 6154/10, EFG 2013, 1955) und das Finanzgericht Köln (Urteile vom 15.9.2016 10 K 2497/15, EFG 2016, 2081 und vom 8.12.2022 13 K 1001/19, zitiert in juris) der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH für alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer nicht gefolgt. Danach seien die vom VI. Senat des BFH zur lohnsteuerlichen Behandlung aufgestellten Grundsätze nicht auf die Ebene der GmbH für Zwecke der Prüfung einer vGA an den alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer übertragbar, so dass hier weiterhin ein für die private Pkw-Nutzung sprechender Anscheinsbeweis gelte.
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dd. Auch der erkennende Senat folgt für den hier vorliegenden Fall eines alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH der Rechtsprechung des VI. Senats nicht und legt vielmehr insoweit weiterhin die bisherige Rechtsprechung des I. Senats des BFH sowie die vorgenannte finanzgerichtliche Rechtsprechung zugrunde. Er wendet daher für Zwecke der Prüfung des Vorliegens einer vGA auf der Ebene der Gesellschaft für die Privatnutzung eines dem Alleingesellschafter-Geschäftsführers zur Verfügung stehenden Firmenwagens die Grundsätze des Anscheinsbeweises an.
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Für den Anscheinsbeweis spricht, dass nicht zu erwarten ist, dass ein Verstoß gegen ein vom Alleingesellschafter-Geschäftsführer mit der ebenfalls von ihm vertretenen Gesellschaft vereinbartes Privatnutzungsverbot aufgrund des fehlenden Interessengegensatzes eine irgendwie geartete gesellschaftsrechtliche bzw. arbeitsrechtliche Konsequenz nach sich ziehen würde. Angesichts dessen kann für diesen Fall nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass der Alleingesellschafter-Geschäftsführer sich tatsächlich an ein solchermaßen vereinbartes Verbot einer privaten Nutzung hält. Vielmehr spricht die allgemeine Lebenserfahrung hier dafür, dass er unabhängig von einem solchen Nutzungsverbot das Fahrzeug auch privat nutzt. Im Übrigen schließt sich der Senat vollumfänglich den nach seiner Auffassung überzeugenden Ausführungen des FG Köln in seiner Entscheidung vom 8.12.2022 13 K 1001/19, a.a.O., an.
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b. Aufgrund des Anscheinsbeweises steht zur Überzeugung des Gerichts im Streitfall fest, dass der A als Alleingesellschafter‒Geschäftsführer den betrieblichen Pkw auch privat genutzt hat. Die Klägerin hat diesen Anscheinsbeweis nicht entkräften können. Hierzu geht das Gericht von Folgendem aus:
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Es ist für das Gericht nicht objektiv überprüfbar, wie die beiden betrieblichen Pkw jeweils tatsächlich genutzt worden sind. Dies geht zu Lasten der Klägerin, die insofern hätte Beweisvorsorge treffen sollen bzw. können; bspw. durch die Führung eines Fahrtenbuches oder sonstiger Aufzeichnungen.
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Der Anscheinsbeweis ist vorliegend auch nicht mit dem Einwand der Klägerin, dem A hätte für die privaten Fahrten ein Fahrzeug im Privatvermögen zur Verfügung gestanden, erschüttert worden. Denn bei den betrieblichen Fahrzeugen handelte es sich um sehr hochwertige und stark motorisierte Fahrzeuge (B; C) während es sich bei dem D als auch bei dem später angeschafften E weder hinsichtlich des Status noch hinsichtlich des Nutzungswerts um vergleichbare Fahrzeuge handelte. Darüber hinaus hat die Klägerin selbst vorgetragen, dass der im Privatvermögen vorhandene Pkw auch von der Ehefrau des A für Einkaufsfahrten etc. genutzt wurde. Aus diesem Vortrag schließt das Gericht, dass der A ‒ insbesondere in zeitlicher Hinsicht ‒ nicht die uneingeschränkte Nutzung des D bzw. des E beanspruchen konnte, sondern sich vielmehr mit seiner Ehefrau absprechen und dabei auch auf die Belange und die Interessen seiner Ehefrau Rücksicht nehmen musste. Dies schließt nach Ansicht des Senats eine ständige Verfügbarkeit zu seinen Gunsten aus.
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Ebenfalls ist der Anscheinsbeweis im Streitfall für den ab Mai 2016 überlassenen [Pkw] C nicht dadurch entkräftet, dass die Klägerin für diesen Pkw ein vom 18.6.2016 datierendes Nutzungsverbot vorgelegt hat, in dem es u.a. auch heißt, dass der Pkw nach Geschäftsschluss auf dem Firmengelände abzustellen ist. Dafür, dass diese Vereinbarung tatsächlich so durchgeführt worden ist, hat die Klägerin keinerlei Belege vorgelegt. Der Geschäftsführer der Klägerin hat hierzu lediglich in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des FA erklärt, der … [Angestellter] sei ebenfalls in einer der unter der Geschäftsanschrift der Klägerin tätigen Gesellschaften beschäftigt und habe ihn jeweils morgens und nach Feierabend mit seinem Pkw zur Arbeit bzw. wieder nach Hause mitgenommen. Zu diesem Vorbringen hat die Klägerin jedoch keinen Beweis angeboten. Der Senat war auch nicht gehalten, dem Vorbringen von Amts wegen nachzugehen.
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3. Der aufgrund des Anscheinsbeweises anzunehmenden privaten Nutzung des Pkw lag keine entsprechende Nutzungs- und Überlassungsvereinbarung zugrunde. Vielmehr enthielt die Überlassungsvereinbarung ein Privatnutzungsverbot. Die private Nutzung des Pkw durch A war daher nicht durch das Arbeitsverhältnis, sondern durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und führte nicht zu einem aus Sicht der Klägerin betrieblich veranlassten Sachlohn, sondern zu einer vGA.
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4. Allerdings hat das FA bei der Berechnung der Höhe der vGA rechtsfehlerhaft die sog. 1%-Regelung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG herangezogen.
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a. Die durch die Privatnutzung des betrieblichen Pkw bedingte vGA ist nicht mit dem lohnsteuerrechtlichen Wert (§ 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) zu bewerten (st. Rspr. des BFH, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23.2.2005 I R 70/04, BStBl. II 2005, 882). Denn für die Bewertung der vGA im Rahmen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auf der Ebene der Kapitalgesellschaft ist § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) nicht einschlägig. Der Vorteil ist hier vielmehr ausschließlich nach Fremdvergleichsmaßstäben zu bewerten, was in der Regel zum Ansatz des gemeinen Wertes führt und damit einen angemessenen Gewinnaufschlag einbezieht (BFH-Urteil vom 23.1.2008 I R 8/06, a.a.O.). Bei der erforderlich werdenden Schätzung können ‒ unter Beachtung einer Bandbreite ‒ die marktmäßigen Mietraten eines professionellen Fahrzeugvermieters nur grobe Orientierungspunkte liefern, weil Kapitalgesellschaften im Allgemeinen keine solchen Vermieter sind. Der Nutzungsüberlassende und der Nutzungsempfänger werden deswegen gemeinhin auf Kostenbasis abrechnen und sich etwaige Gewinnaufschläge teilen (vgl. etwa BFH-Urteil vom 22.12.2010 I R 47/10, BFH/NV 2011, 1019). Dabei werden im Rahmen der Abrechnung „auf Kostenbasis“ die Fixkosten des betrieblichen Pkw (z.B. Aufwendungen für Kfz-Steuer und Kfz-Versicherung, AfA) ohne Aufteilung in einen betrieblich veranlassten und einen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Teil miterfasst (vgl. BFH-Urteil vom 22.12.2010 I R 47/10, BFH/NV 2011, 1019; BFH-Beschluss vom 16.9.2009 I B 70/09, BFH/NV 2010, 247). Dies beruht auf der Erwägung, dass die vGA in der Übernahme von Aufwendungen zugunsten des Gesellschafters ohne Vereinbarung einer angemessenen Kostenerstattung und eines Gewinnelements besteht. Daher ist der regelmäßig aus den fixen und variablen Kosten (Kfz-Steuer und Versicherung, Abschreibung, Betriebskosten, ggf. Fremdkapitalzinsen bei kreditfinanzierter Anschaffung oder angemessene Kapitalverzinsung) gebildete und um einen Gewinnaufschlag zu erhöhende Fremdvergleichspreis zugrunde zu legen (vgl. Frotscher in: Frotscher/Drüen, KStG, Anhang zu § 8 KStG: ABC der vGA (Kraftfahrzeugkosten) mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
46
b. Im Rahmen der nachfolgenden Berechnung hat der Senat mangels Vorliegen geeigneter Unterlagen die im Rahmen der Einnahme-Überschussrechnung berücksichtigten Aufwendungen für die beiden Fahrzeuge herangezogen. Zugunsten der Klägerin hat der Senat zudem - statt der von der Klägerin im Rahmen der Gewinnermittlung berücksichtigten hohen Abschreibungen (ausgehend von einem Fünf-Jahreszeitraum) - zur Ermittlung der Abschreibungsbeträge für beide Fahrzeuge jeweils einen Abschreibungszeitraum von 8 Jahren zugrunde gelegt. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte schätzt der Senat den Anteil der privaten Nutzung des Pkw auf 50 % und einen Gewinnzuschlag von 5 % (vgl. zur Schätzung eines privaten Nutzungsanteils von 50 % bei Fehlen anderweitiger Anhaltspunkte für Zwecke der Umsatzsteuer BFH, Urteil vom 7.12.2010 VIII R 54/07, BStBl II 2011, 451).
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Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen ermittelt sich der gemeine Wert des privaten Nutzungs- und damit des Zuwendungsvorteils des A nach Kostenbelastungsgesichtspunkten wie folgt:
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2016
Gesamtkostenbelastung:
Kfz-Versicherungen
680,80 €
Lfd. Betriebskosten (netto)
2.383,14 €
Kfz-Reparaturen (netto)
176,00 €
Garagenmiete
960,00 €
AfA (Altwagen); 5 Monate v. 3.750 ,-
1.562,50 €
AfA (Neuwagen); 8 Monate v. 4.988,44 €
3.325,63 €
Summe:
9.088,07 €
Private Veranlassung (50 %)
4.544,03 €
Gewinnaufschlag (geschätzt 5 %)
227,20€
Nettosumme (gerundet o. Nachkommastellen)
4.771,-- €
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Da der danach ermittelte gemeine Wert (netto) von 4.771,- € bereits über dem vom FA berücksichtigten Wert von 4.000,- € liegt und das Gericht aufgrund des Verböserungsverbots (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO i.V.m. Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) daran gehindert ist, die angefochtenen Bescheide zum Nachteil der Klägerin zu ändern, bleibt es bei dem Ansatz des FA. Eine Klärung der Frage, inwieweit auf die o.a. errechnete Nettosumme entfallende Umsatzsteuerbeträge zu berücksichtigen wären, kann daher offen bleiben.
50
II. Darüber hinaus hat das FA zu Recht die von der Klägerin geltend gemachte Sonderabschreibung in Höhe von 7.891,- € gemäß § 7g Abs. 5 und 6 EStG nicht anerkannt.
51
Gemäß § 7g Abs. 5 EStG in der in dem Streitjahr anwendbaren Fassung können bei abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unter den Voraussetzungen des § 7g Abs. 6 EStG im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Jahren neben den Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 20 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden. Die Sonder-AfA nach Absatz 5 kann gemäß § 7g Abs. 6 EStG nur in Anspruch genommen werden, wenn der Betrieb zum Schluss des Wirtschaftsjahres, das der Anschaffung oder Herstellung vorangeht, die Größenmerkmale des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG nicht überschreitet (§ 7g Abs. 6 Nr. 1 EStG) und das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauf folgenden Wirtschaftsjahr in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs des Steuerpflichtigen ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird (§ 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG). Eine fast ausschließliche betriebliche Nutzung setzt einen betrieblichen Nutzungsanteil von mindestens 90 % voraus (BFH-Urteil vom 6.4.2016 X R 28/14, BFHE 254, 218, BStBl. II 2017, 302, zu § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG). § 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG enthält keine konkreten Vorgaben dafür, in welcher Form der Nachweis zu führen ist. Bei einem PKW wird sich der Umfang der privaten bzw. betrieblichen Nutzung aus tatsächlichen Gründen im Regelfall durch das Führen und die Vorlage eines Fahrtenbuchs nachweisen lassen (BFH-Beschluss vom 3.1.2006 XI B 106/05, BFH/NV 2006, 1264). Wird der Pkw von einer GmbH im Rahmen des Anstellungsverhältnisses an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer überlassen, ist die Überlassung aus Sicht der Gesellschaft eine betriebliche Nutzung. Dies gilt auch dann, wenn der Pkw dem angestellten Gesellschafter-Geschäftsführer als Lohnbestandteil auch zur ‒ für ihn ‒ privaten Nutzung überlassen hat (vgl. etwa Kulosa in Schmidt, 42. Aufl. 2023, § 7g EStG Rz. 22). Allerdings gilt das nur für entsprechende Überlassungen im Rahmen des Anstellungsverhältnisses als schuldrechtliches Verhältnis (vgl. BFH, Urteil vom 6.4.1990 III R 2/87, BStBl II 1990, 752).
52
Im Streitfall hat die Klägerin ihrem Geschäftsführer den jeweiligen Pkw im Streitjahr jedoch nicht im Rahmen des Anstellungsverhältnisses als Lohnbestandteil auch für eine private Nutzung überlassen. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass ein Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass der Alleingesellschafter-Geschäftsführer den jeweiligen Pkw, für den er mit der von ihm vertretenen Gesellschaft ein Privatnutzungsverbot vereinbart hat, nicht ausschließlich dienstlich, sondern auch privat genutzt hat, und dies zu einer vGA bei der Klägerin geführt hat (s.o. unter I.). Dieser Fall ‒ Privatnutzung im Rahmen einer vGA ‒ stellt auch aus Sicht der Gesellschaft keine betriebliche Nutzung i.S.v. § 7g Abs. 6 Nr. 2 EStG dar.
53
III. Es bestehen auch keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Bescheides über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2016.
54
1. Gemäß § 35b Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie der Gewerbesteuerfestsetzung des Veranlagungszeitraums zu Grunde gelegt worden sind, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird. Es besteht nach § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG also eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Gewerbesteuermessbescheid, obwohl dieser verfahrensrechtlich kein Grundlagenbescheid für den Verlustfeststellungsbescheid ist. Daher sind Einwände des Steuerpflichtigen, die sich im Ergebnis nur gegen die Höhe des Gewinns als solches richten, im Klageverfahren gegen den Verlustfeststellungsbescheid ‒ wie im vorliegenden Streitfall ‒ unbeachtlich. Nur soweit der Steuerpflichtige konkrete Einwände gegen die Verlustverrechnung vorbringt, sind diese im Verfahren gegen den Verlustfeststellungsbescheid erheblich.
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2. Dies zugrunde gelegt, ist die Klage insoweit unbegründet. Weder hat die Klägerin mit ihrer Klage konkrete Einwände gegen die Verlustverrechnung als solches vorgetragen noch ergeben sich hierfür Anhaltspunkte aus dem vorliegenden Akteninhalt.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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V. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Es ist klärungsbedürftig, ob für den Fall eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH ein Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass er einen ihm überlassenen betrieblichen Pkw, für den er mit der von ihm vertretenen Gesellschaft ein Privatnutzungsverbot vereinbart hat, nicht ausschließlich dienstlich, sondern auch privat nutzt.