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  • 10.04.2024 · IWW-Abrufnummer 240802

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 10.05.2023 – 8 K 816/20

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Hessisches Finanzgericht 8. Senat

    10.05.2023


    Tenor

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung betreffend eine beabsichtigte Außenprüfung hinsichtlich des Baugewerbebetriebes des verstorbenen Vaters der Kläger, K, für die Veranlagungszeiträume 2014 bis 2016. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

    Die Kläger X und Y sind zu je ein Halb gemeinschaftliche Erben des in 2016 verstorbenen K. Dieser betrieb bis zu seinem Tode ein Bauunternehmen und erzielte hieraus als Einzelunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

    Im Zeitraum Juni 2014 bis Januar 2016 führte der Beklagte ‒das Finanzamt‒ für die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2012 bei K eine steuerliche Außenprüfung betreffend dessen Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus seinem Bauunternehmen durch. Auf Grundlage dieser Außenprüfung erließ das Finanzamt am 04.03.2016 geänderte Steuerbescheide. Gegen diese wurde nach erfolglosem Einspruchsverfahrens bei dem Hessischen Finanzgericht Klage erhoben (Az.: 1 K 743/20), über die noch nicht entschieden wurde.

    Mit Bescheid vom 22.01.2019 erließ das Finanzamt eine an den Kläger X adressierte, die steuerlichen Verhältnisse des K betreffende Prüfungsanordnung wegen Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer 2014 bis 2016 sowie Feststellungen nach § 10d EStG und § 10a GewStG. Das Finanzamt wies darauf hin, dass die Prüfungsanordnung an X als Vertreter der Erben nach K mit Wirkung für alle Miterben und Gesamtrechtsnachfolger nach K ergeht.

    Gegen die Prüfungsanordnung legten die Kläger am 13.02.2019 Einspruch ein und beantragten zugleich, diese von der Vollziehung auszusetzen. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzamt am 14.07.2020 ab. Der nachfolgend bei dem Hessischen Finanzgericht gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde ebenfalls abgelehnt (vgl. Beschluss vom 08.06.2021 ‒ 8 V 229/21). Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde vom Bundesfinanzhof ‒BFH‒ mit Beschluss vom 15.06.2022 (Az.: X B 87/21) ebenso zurückgewiesen, wie eine im Anschluss daran erhobene Anhörungsrüge (Beschluss vom 22.02.2023, Az.: X S 12/22). Über die im weiteren Verlauf hiergegen bei dem Bundesverfassungsgericht erhobene Verfassungsbeschwerde und den parallel dazu gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (gemäß § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz ‒BVerfGG‒) wurde bislang noch nicht entschieden.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 10.06.2020 hatte das Finanzamt den Einspruch der Kläger gegen die Prüfungsanordnung betreffend 2014 bis 2016 als unbegründet zurückgewiesen.

    Hiergegen haben die Kläger am 30.06.2020 bei dem Hessischen Finanzgericht Klage erhobenen und verfolgen so ihr Begehren weiter.

    Die Kläger tragen im Wesentlichen folgendes vor:

    Die Frage, ob das Finanzamt in der Prüfungsanordnung sein Ermessen rechtmäßig ausgeübt habe, stehe noch nicht rechtskräftig fest, da dies in dem Hauptsacheverfahren betreffend die Rechtmäßigkeit der aus der Außenprüfung 2010 bis 2012 resultierenden Änderungsbescheide noch verhandelt werde. Das Finanzamt gehe fälschlicherweise davon aus, dass im Streitzeitraum 2014 bis 2016 gleichgelagerte Sachverhalte wie bei der vorangegangenen Außenprüfung vorliegen würden und sich infolgedessen auch jetzt hohe Steuernachforderungen ergeben würden. Dies sei bereits deshalb unzutreffend, weil schon die Änderungsbescheide 2010 bis 2012, wie sich in dem entsprechenden Hauptsacheverfahren noch zeigen werde bzw. bereits gezeigt habe, nicht rechtmäßig seien.

    Eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) sei nur bei dem Steuerpflichtigen zulässig, der einen gewerblichen Betrieb unterhalten würde. Dies sei vorliegend nur bei K bis zu dessen Tod der Fall gewesen. Sie, die Kläger, hätten das Einzelunternehmen des K nach dessen Tod jedoch nicht weitergeführt, sondern aufgelöst und mithilfe des Steuerberaters beendet. Da das Einzelunternehmen nicht mehr unterhalten werde, sei eine Außenprüfung somit unzulässig.

    Nur K habe sich in seinem Unternehmen ausgekannt. Aufgrund ihres fehlenden Wissens sei eine Außenprüfung bei Ihnen ohne dessen (nicht mehr mögliche) Mitwirkung unzulässig. Wenn sich bei der Prüfung herausstellen sollte, dass etwas fehle oder auch Mängel gefunden würden, so könnten sie als Erben dies nicht so aufklären, wie dies K aufgrund seines Wissensstandes und der Erkenntnisse über sein Unternehmen hätte tun können. Eine Außenprüfung solle nämlich den Sinn haben, den Steuerpflichtigen, der das Unternehmen unterhalten und Umsätze erzielt habe, selbst zu prüfen. Denn nur dieser könne aufklären und verdeutlichen, was er gebucht und versteuert habe und möglicherweise Kassenfehlbeträge plausibel erklären. Sie, als Erben des Unternehmers, könnten entsprechende Auskünfte überhaupt nicht geben und auch nicht zur Aufklärung beitragen. K selbst jedoch könne sich nicht mehr entlasten und die Behauptungen des Finanzamtes auch nicht durch Nachweise widerlegen. Bereits aus diesem Grund sei es problematisch, ob eventuelle (strittige) Feststellungen überhaupt brauch- und verwertbar seien.

    Das Finanzamt habe die Prüfungsanordnung auch nicht ordnungsgemäß begründet. Aus § 45 Abs. 1 AO folge, dass alle Gelder sowie Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf die Kläger als Rechtsnachfolger übergegangen seien. Diesbezüglich bestehe in der Rechtsprechung zwar eine Tendenz, den Gesamtrechtsnachfolger in das Vermögen und auch in alle Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers eintreten zu lassen. Einen ähnlichen Übergang der Verpflichtung zur Duldung einer Außenprüfung habe der Gesetzgeber dagegen nicht vorgesehen. Eindeutig sei lediglich geregelt, dass Forderungen und Schulden auf die Erben übergehen und von diesen zu begleichen seien. Nicht eindeutig geklärt sei hingegen, ob alle Verpflichtungen aus dem Steuerschuldverhältnis übergehen würden. Insbesondere sei nicht geklärt, ob die Kläger als Erben, die keinerlei Wissen und Kenntnisse über das Unternehmen des verstorbenen Vaters hätten, für dessen frühere unternehmerische Tätigkeit eine zeit- und kostenaufwändige Außenprüfung dulden müssten. Von ihnen als Erben könne nur Zumutbares verlangt werden. Die beabsichtigte Außenprüfung würde Sie daher in unzulässiger Weise benachteiligen.

    Das Finanzamt gehe auch fehl in der Annahme, wenn es die beiden älteren Urteile des BFH (vom 24. August 1989 ‒ IV R 65/88BStBl II 1990, 2; und vom 9. Mai 1978 ‒ VII R 96/75BStBl II 1978, 501) zur Duldung einer Außenprüfung durch die Erben als Begründung und Rechtfertigung für die neue Außenprüfung heranziehe. Denn diese seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da sie wahrscheinlich kürzere Außenprüfungen betroffen hätten und es wohl kaum einer Aufklärung durch den Erblasser bedurft hätte. Mutmaßlich seien die Außenprüfungen damals auch nicht so intensiv, umfangreich und komplex gewesen. Auch seien in den Urteilsfällen die Unternehmen der Erblasser vermutlich durch die Erben weitergeführt worden, die Erben in den Betrieb involviert gewesen und es seien wahrscheinlich keine Steuererklärungen vorgelegt und die Einnahmen daher nicht gebucht und versteuert worden. In den genannten Urteilen sei es vermutlich hauptsächlich darum gegangen zu prüfen, ob es Betriebseinnahmen gegeben habe und ob diese nicht versteuert worden seien. Darüber hinaus könne auch nach der zitierten BFH-Rechtsprechung bei dem Gesamtrechtsnachfolger eine Außenprüfung nur dann angeordnet werden, wenn sich aus einer früheren Prüfung rechtskräftige Steuernachforderungen ergeben würden. Nur hierauf stützend sei eine Außenprüfung bei den Erben als Gesamtrechtsnachfolger zulässig. Auch in den beiden BFH-Fällen seien die Steuernachforderungen rechtskräftig, unstrittig und aufklärbar gewesen und habe es dort erhebliche Verfehlung bei der Besteuerung gegeben.

    K habe das Geschäftsjahr 2016 fast komplett beendet, insbesondere alles abgerechnet und bei seinem Steuerberater Unterlagen und Belege eingereicht. Sie selbst hätten bei ihrem Vater nach dessen Tod nur Chaos vorgefunden; überall hätten offene Aktenordner, lose Blätter und Unterlagen herumgelegen und seien in Unordnung gewesen. Was in den Streitjahren 2014 bis 2016 alles abgelaufen, gebucht worden sei, usw. würden sie kaum oder nicht genau wissen und könnten dies daher auch kaum oder nicht aufklären. Um die Prüfung durchführen zu können müssten sie die im Chaos vorgefundenen Unterlagen und Aktenordner betreffend die Streitjahre zusammensuchen und sich umfangreich einlesen und einarbeiten, was mit hohen Kosten sowie zeitlichem Aufwand verbunden sei. Da sie sich kaum auskennen würden, müssten Sie sich mit den Unterlagen zudem auch zu dem Steuerberater ihres verstorbenen Vaters begeben, damit dieser den Inhalt zeitaufwändig überblicken und überprüfen könne. Sie, die Kläger, wüssten nicht, welche geschäftlichen Vorgänge K gebucht und geführt habe und könnten daher zu den zu prüfenden Sachverhalten der Streitjahre kaum Aufklärung leisten. Sie hätten lediglich alles zu Ende geführt, überprüft und zulässige Gläubiger aus dem Nachlass befriedigt.

    Durch die Kläger auf der anderen Seite könne nicht intensiv geprüft werden und sie könnten auch nicht alles aufklären, was K versteuert habe. Sie würden nicht wissen, welche Bautätigkeiten er entfaltet, Umsätze er erzielt, abgewickelt, gebucht und abgerechnet habe. Sofern Kassenfehlbeträge auftauchen würden, könne sich K als der tatsächliche Steuerpflichtige nicht entlasten und könne auch nicht die Mittelherkunft nachweisen oder Zeugen hierfür benennen. Die Vorschrift des § 200 AO über die Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten betreffe ausnahmslos die Pflichten des verstorbenen K als Hauptakteur. Nur dieser habe bei der Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich seien, mitzuwirken. Die Kläger seien insoweit ahnungslos und überfordert und wüssten gar nicht, was das Finanzamt alles detailliert bei der komplexen Versteuerung verlange. Daher könnten und dürften sie auch nicht mit K gleichgesetzt werden. Die Sachverhaltsaufklärung sei mit Mutmaßungen, Annahmen oder Hypothesen nicht zu bewältigen. Das Finanzamt trage jedoch grundsätzlich die objektive Beweislast dafür, dass die für die Änderung des Bescheides erforderlichen Voraussetzungen im Sinne des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO vorliegen würden und insbesondere dafür, dass Tatsachen nachträglich bekannt geworden seien.

    Der Umfang der die Streitjahre betreffenden Unterlagen werde auf zwölf bis 15 Aktenordner geschätzt. Hinzukommen würden noch weitere Aktenordner mit Materiallisten, Bauplänen, Angeboten, Leistungsnachweisen, Bauabnahmeprotokolle, Aufmaßzetteln, Stundenbelegen, Rechnungsanlagen, etc. Bei Unklarheiten und Aufklärungsbedarf sei zu erwarten, dass sie, die Kläger, dutzende oder gar hunderte Aktenordner durchsuchen müssten und einen entsprechend hohen Aufwand hätten. Sie wüssten nicht, wo der verstorbene Vater möglicherweise in Baubuden oder Bürocontainern noch Aktenordner gelagert habe. Vielleicht sei es auch so, dass sie überhaupt nicht alle Unterlagen hätten. Es sei ihnen daher auch nicht möglich, dem Finanzamt die Unterlagen aus den Streitjahren einfach so nachvollziehbar zusammenzustellen und vorzulegen. Bei den zu erwartenden Ermittlungsmaßnahmen sei eine rechtmäßige, zweifelsfreie und nicht benachteiligende (Sach-)Aufklärung ohne K nicht erreichbar und auch nicht möglich und daher sei die Prüfung zweckfehlerhaft. Ohne die erforderliche Mitwirkung des K könne die Außenprüfung kaum zulässig sein, so dass die entsprechenden Feststellungen einer solchen Außenprüfung gegen sie als Nachlassverwalter auch nicht verwertbar seien und wohl auch automatisch ein Verwertungsverbot greife.

    Die Prüfungsanordnung verletze die Kläger auch in ihren Grundrechten nach Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention ‒EMRK‒. Denn alle Menschen seien vor dem Gesetz gleich und dürften nicht benachteiligt werden. Zudem müsse jeder Person Gelegenheit zur Vorbereitung der Verteidigung gewährleistet werden (Art. 6 Abs. 3 EMRK). Die Prüfungsanordnung und die umfangreichen Ermittlungsmaßnahmen würden dem K keine angemessene Verteidigung ermöglichen, da er sich nicht mehr entlasten könne. Einem Verstorbenen dürfe jedoch nichts angelastet werden und es gelte zu seinen Gunsten die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK). Eine Grundrechtsverletzung sei auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK erkennbar, denn vorliegend sei das Recht auf ein faires Verfahren nicht gewährleistet. Nach dieser Vorschrift habe jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf Ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf dem Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt werde, was vorliegend nicht gewährleistet werden könne. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass gegen den verstorbenen K kein Verfahren geführt werden und schon gar kein Ermittlungsverfahren eröffnet werden dürfe. Gemäß § 206a StPO sei das Verfahren einzustellen, wenn ein Verfahrenshindernis vorliege. Auch sei ein Verstorbener nicht parteifähig und richte sich eine gegen den Verstorbenen erhobene Klage oder Beschuldigung nicht auch gegen dessen Erben. Wenn ein Beklagter oder Beschuldigte bereits vor Erhebung der Klage verstirbt, seien gegen ihn ergangene Urteile gegen eine nicht existente Partei ergangen und damit wirkungslos. K sei nicht verteidigungs- und parteifähig, weswegen von Vornherein ein Verfahrenshindernis vorliege.

    Das Finanzamt habe somit keinen Anspruch auf eine intensive zeit- und kostenaufwändige Außenprüfung bei ihnen als Erben bzw. Gesamtrechtsnachfolgern. Ein solcher bestehe nur gegenüber dem tatsächlichen Steuerpflichtigen. Eine Außenprüfung würde sie nur benachteiligen und sei die Duldung vom Umfang und der Intensität ihnen als Nachlassverwalter nicht zumutbar, da es hierzu wahrscheinlich viel Aufklärung, viele Rücksprachen und viel Schriftwechsel (wie bei der Außenprüfung 2010 bis 2012) bedürfe. Wenn das Finanzamt in einer neuen Außenprüfung wegen fehlender Aufklärung und Mitwirkung aber Hinzuschätzungen vornehme, so würden sich daraus hohe (oder weit höhere als übliche) Steuernachzahlungen gegenüber dem verwalteten Nachlass ergeben. Dies sei nicht gerecht und daher könnten und dürften die Kläger sich nicht so einfach auf eine intensive zeit- und kostenaufwändige Außenprüfung einlassen. Sie seien aufgrund der Erfahrungen mit der Außenprüfung 2010 bis 2012 skeptisch geworden und hätten erkannt, dass auch damals einiges zu Ungunsten Ihres verstorbenen Vaters gelaufen sei.

    Die erneute Außenprüfung verstoße auch gegen die Betriebsprüfungsordnung ‒BpO‒, insbesondere gegen § 4 Abs. 3 BpO, da es sich um zwei umfassende nacheinander fast lückenlose Außenprüfungen handeln würde. § 4 Abs. 3 BpO bewirke eine auch im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Selbstbindung der Finanzverwaltung bei der Anordnung von Betriebsprüfungen. Eine permanente Prüfung sei nach dieser Vorschrift nur für Großbetriebe vorgesehen. Bei dem Einzelunternehmen des K habe es sich jedoch um einen Mittelbetrieb gehandelt. Der Prüfungszeitraum bei Mittelbetrieben solle aber in der Regel nicht mehr als drei Jahre oder drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 24.1.1985 ‒ IV R 232/82 ‒, BStBl II 1985, 568) habe sich die Finanzverwaltung dahingehend entschieden, dass nur Großbetriebe grundsätzlich lückenlos und andere Betriebe (wie etwa der vorliegende Mittelbetrieb des K) nur in zeitlichen Abständen geprüft werden sollten. Sollten Prüfungen außerhalb des allgemeinen Prüfungsturnus aus besonderem Anlass durchgeführt werden, so müssten hierfür (rechtskräftige) Gründe in den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen vorliegen. Da die Vorprüfung (für 2010 bis 2012) bis in das Jahr 2016 dauerte (und man sich auch noch immer damit auseinandersetzt), habe K keine freie Prüfungszeit gehabt. Somit spiele es vorliegend auch keine Rolle, dass die zweite Prüfung keine direkte lückenlose Anschlussprüfung sei, denn es handele sich um eine fast lückenlose Anschlussprüfung bei einem Mittelbetrieb in einem kurzen Zeitabstand. Maßgeblich sei insoweit die Verhältnismäßigkeit (das Übermaß, die Belastung) der Außenprüfung für den Mittelbetrieb. Die Finanzverwaltung habe sich dementsprechend auch selbst Ermessensgrenzen gesetzt. Aus Gründen der Gleichbehandlung dürfte eine Außenprüfung bei einem Mittelbetrieb nur in einem statistisch ermittelten durchschnittlichen Prüfungsturnus von geschätzten acht bis 16 Jahren stattfinden.

    Da es sich bei einer Außenprüfung um eine besonders intensive, sehr umfangreiche und für den Steuerpflichtigen auch belastende und teure Ermittlungsmaßnahme handele, müssten die Finanzbehörden pflichtgemäß erwägen, ob die erforderliche Aufklärung auch ohne eine Außenprüfung erreicht werden könne. Die Finanzbehörden seien nach dem Vortrag der Kläger, unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (vom 27. Juni 1991 ‒ 2 BvR 1493/89 ‒, BStBl II 1991, 654, 665) verpflichtet, für eine steuerliche Belastungsgleichheit zu sorgen und diese auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges (bei K) zu gewährleisten. Eine drei Besteuerungszeiträume übersteigende Anschlussprüfung sei daher nur zulässig, wenn mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen sei. Dies sei vorliegend jedoch grade strittig und es seien die geänderten Bescheide für 2010 bis 2012 noch nicht endgültig rechtskräftig. Eine Rechtsgrundlage oder ein Anlass für die zweite Prüfung existiere daher aktuell nicht.

    Im Übrigen sei es auch so, dass die Außenprüfung der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen (§ 194 Abs. 1 AO) diene; andere Aufgaben habe sie nicht. Aus diesem Grunde würden Ermessensfehler bei der Auswahl des Steuerpflichtigen dann vorliegen, wenn einer Prüfungsanordnung außersteuerliche Gesichtspunkte zugrunde lägen und sie aufgrund sachfremder Erwägungen angeordnet worden sei. Das Auswahlermessen der Finanzbehörden finde seine Grenzen im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie im Willkür- und Schikaneverbot. Vorliegend stelle das Verhalten des Finanzamtes einen Verstoß gegen das Übermaß-, Willkür- und Schikaneverbot dar, da es die unwissenden Erben ermessensfehlerhaft zur Duldung und Mitwirkung bei der streitgegenständlichen Außenprüfung verpflichten wolle. Ein solcher Verstoß sei im Übrigen auch nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die angeordnete Außenprüfung in irgendeiner Weise einen Umsatzbonus zum Ergebnis haben könne. Insoweit verweisen die Kläger auf die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 29. Oktober 1992 ‒ IV R 47/91 ‒, BFH/NV 1993, 143; und vom 28. September 2011 ‒ VIII R 8/09 ‒, BStBl II 2012, 395). Vorsorglich verweisen die Kläger ausdrücklich auch auf das Schikaneverbot gemäß § 226 BGB, wonach die Ausübung eines Rechts unzulässig ist, wenn sie nur den Zweck haben könne, einem anderen Schaden zuzufügen. Auch sei das Verhalten des Finanzamtes mutmaßlich als versuchter (Prozess-)Betrug (§ 263 des Strafgesetzbuches ‒StGB‒) zum Nachteil der Kläger zu werten, da von Seiten der dort handelnden Personen unwahre Behauptungen erfunden worden seien, um die rechtswidrige Prüfung zu erzwingen. Die Prüfung sei aufgrund persönlicher Differenzen der Kläger mit den auf Seiten des Finanzamtes handelnden Personen ‒ namentlich der zuständigen Sachgebietsleiterin und der Prüferin der Vorprüfung sowie weiteren Sachbearbeitern ‒ angeordnet worden. Diesen gehe es darum, die Kläger mit der Prüfung ärgern und schikanieren zu können und ihnen haltlose Steuernachforderungen anzulasten.

    Die Kläger beantragen,

    die Prüfungsanordnung vom 22.01.2019 sowie die Einspruchsentscheidung vom 10.06.2020 aufzuheben,
    hilfsweise,
    die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist er vollumfänglich auf die Einspruchsentscheidung. Die Prüfungsanordnung betreffend die steuerlichen Verhältnisse des Erblassers für die Veranlagungszeiträume 2014 bis 2016 sei gemäß § 193 Abs. 1 AO zulässig, da dieser bis zu seinem Tode im Dezember 2016 ein gewerbliches Einzelunternehmen unterhalten habe. Zwar könne nach dem Wortlaut dieser Vorschrift eine Außenprüfung nur bei Steuerpflichtigen durchgeführt werden, die im Zeitpunkt der Prüfung noch einen gewerblichen Betrieb unterhalten würden. Gleichwohl sei es aber nach der Rechtsprechung so, dass nach dieser Vorschrift auch frühere Unternehmer geprüft werden könnten, welche ihren Betrieb veräußert oder aufgegeben hätten bzw. deren Unternehmen durch ihren Tod beendet worden sei, da die steuerlichen Verhältnisse der Unternehmer im Sinne der genannten Vorschrift besonders prüfungswürdig seien.

    Für die Anordnung einer Außenprüfung bedürfe es keiner speziellen Begründung. Die Beurteilung der Prüfungswürdigkeit eines Unternehmens obliege einzig und allein dem Beklagten als zuständiger Finanzbehörde. Auch spiele der Ausgang des Hauptsacheverfahrens gegen die Änderungsbescheide betreffend die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2012 für die Durchführung der Außenprüfung keine Rolle. Denn selbst wenn das Gericht zu dem Ergebnis käme, dass die Änderungsbescheide rechtswidrig seien, sei der Beklagte gleichwohl aufgrund der getroffenen Auswahlentscheidung berechtigt, eine Außenprüfung betreffend die Jahre 2014 bis 2016 durchzuführen. Dies ergebe sich insbesondere auch daraus, dass das Finanzamt seine Auswahlentscheidung gerade nicht allein auf die sich aus der letzten Außenprüfung ergebenden Steuernachforderung stütze.

    Die Kläger seien verpflichtet, die Außenprüfung zu dulden und an dieser mitzuwirken, da auf sie durch den Antritt des Erbes als Gesamtrechtsnachfolger die Verpflichtungen des Erblassers aus dem Steuerschuldverhältnis gemäß § 45 Abs. 1 AO übergegangen seien. Die Kläger müssten mithin die sich aus dieser Stellung ergebenden Pflichten erfüllen, wozu auch die Duldung einer Außenprüfung für solche Zeiträume gehöre, in denen der Erblasser unternehmerisch tätig war.

    Es sei gerade Sinn und Zweck einer Prüfung herauszufinden, ob eine ordnungsgemäße Buchführung vorgelegen habe. Dies sei der Fall, wenn sämtliche Geschäftsvorfälle in ihrer Entstehung und Abwicklung buchmäßig verfolgt werden könnten und sich ein sachverständiger Dritter ohne große Schwierigkeiten und in angemessener Zeit in den Aufzeichnungen zuverlässig zurechtfinden könne.

    Nicht relevant sei auch, ob eine aufgrund der Prüfung möglicherweise höhere Steuerforderung eine Nachlassinsolvenz zur Folge haben könnte. Denn Ziel der Außenprüfung sei es, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, um eine gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen. Ob eventuelle Steuerforderungen durch den Nachlass ausgeglichen werden könnten, sei ohne Prüfung nicht vorhersehbar und deshalb kein Grund, von der Prüfung abzusehen.

    Mit Beschluss des 8. Senats des Hessischen Finanzgerichts vom 31.08.2020 zur Änderung des senatsinternen Geschäftsverteilungsplanes mit Wirkung ab dem 01.09.2020 hat dieser ‒ aufgrund der ungleichen Verteilung der Eingänge im Jahr 2020 und der sich hieraus ergebenden überproportional hohen Belastung des Dezernats des Richters am Hessischen Finanzgerichts B ‒ alle Verfahren betreffend das Finanzamt C, die in der Zeit zwischen 01.06. bis 31.08.2020 eingegangen sind und die ab 01.09. bis 31.12.2020 eingehen werden, dem Dezernat des Richters am Hessischen Finanzgerichts A zugewiesen.

    Mit Schriftsatz vom 02.02.2020 haben die Kläger daraufhin den zuständigen Berichterstatter, Richter am Hessischen Finanzgericht A, wegen Besorgnis der Befangenheit u.a. in dem vorliegenden Verfahren abgelehnt. Mit Beschluss vom 05.03.2021 hat der 8. Senat des Hessischen Finanzgerichts die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen am 28.03.2022 erhobene Anhörungsrüge (Aktenzeichen 8 V 452/21) hat der 8. Senat des Hessischen Finanzgerichts mit Beschluss vom 6. April 2021 genauso als unzulässig (unstatthaft) verworfen, wie die nachfolgend gegen diesen Beschluss erhobenen weiteren Anhörungsrügen (Beschlüsse vom 05.05.2021, Aktenzeichen 8 V 564/21 und vom 18.06.2023, Aktenzeichen 8 V 772/21). Sämtliche Beschlüsse im Zusammenhang mit dem Ablehnungsgesuch sowie nachfolgend betreffend die Anhörungsrügen ergingen ohne Mitwirkung des Richters am Hessischen Finanzgericht A.

    Dem Gericht lagen die Finanzgerichtsakten der Verfahren 1 K 743/20, 8 V 806/20, 8 V 229/21, 8 V 564/21 und 8 V 772/21 vor und waren Gegenstand der Entscheidung.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die streitige Prüfungsanordnung durfte gegenüber den Klägern als Gesamtrechtsnachfolgern des K zu Recht ergehen.

    1. Eine Außenprüfung ist gemäß § 193 Abs. 1 AO zulässig u.a. bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen Betrieb unterhalten.

    Im vorliegenden Fall unterhielt K bis zu seinem Tode Ende 2016 ein Bauunternehmen und entsprechend einen gewerblichen Betrieb, so dass bei ihm nach dieser Vorschrift eine Außenprüfung ohne weitere Voraussetzungen hätte stattfinden dürfen.

    Nach dem Wortlaut des § 193 Abs. 1 AO kann die Außenprüfung zwar nur bei Steuerpflichtigen durchgeführt werden, die noch im Zeitpunkt der Prüfung einen gewerblichen oder landwirtschaftlichen Betrieb unterhalten oder freiberuflich tätig sind. Das entspricht aber nicht dem Zweck der Vorschrift, welche die steuerlichen Verhältnisse von Unternehmern für besonders prüfungsbedürftig hält. Deshalb muss es die Möglichkeit geben, die steuerlichen Verhältnisse früherer Unternehmer auch dann nach § 193 Abs. 1 AO zu prüfen, wenn sie ihren Betrieb veräußert oder aufgegeben haben. Gleiches gilt beim Tod des Unternehmers für dessen Erben (vgl. BFH, Beschluss vom 15.06.2022 ‒ X B 87/21 ‒, juris, m. w. N.). Auf diesen geht als Gesamtrechtsnachfolger die Steuerschuld des Erblassers und damit auch die Verpflichtung aus Steuernachforderungen über (§ 45 Abs. 1 AO); soweit die Steuerschuld auf der unternehmerischen Betätigung des Erblassers beruht, kann bei ihm auch eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO stattfinden. Dies hat der BFH bereits in seinem Urteil vom 09.05.1978 ‒ VII R 96/75 ‒ (BFHE 125, 144, BStBl II 1978, 501) mit dem Hinweis entschieden, dass der Erbe Steuerschuldner geworden sei und die aus dieser Stellung erwachsenen Pflichten erfüllen müsse; hierzu gehöre auch die Duldung einer Außenprüfung. Die Entscheidung ist zwar zum Rechtszustand unter der Reichsabgabenordnung und dem Steueranpassungsgesetz ergangen; durch das Inkrafttreten der AO 1977 hat sich hieran aber nichts geändert (vgl. BFH-Urteil vom 24.08.1989 ‒ IV R 65/88 ‒, BFHE 158, 114, BStBl II 1990, 2, unter 2.; BFH-Beschluss vom 14.03.2005 ‒ IV B 84/03 ‒, BFH/NV 2005, 1477, unter 2.).

    Ausgehend von dem reinen Wortlaut der Vorschrift weisen die Kläger zwar zutreffend darauf hin, dass sie persönlich ‒ anders als K ‒ die Voraussetzungen nach § 193 Abs. 1 AO nicht erfüllen, da sie das Unternehmen des K nach dessen Tod selbst nicht fortgeführt und somit keinen gewerblichen Betrieb unterhalten haben. Allerdings darf das Finanzamt nach den oben genannten Maßstäben von der Ermächtigung zur Anordnung einer Außenprüfung auch gegenüber den Klägern Gebrauch machen und war berechtigt, bei ihnen als Gesamtrechtsnachfolgern eine Außenprüfung für das gewerbliche Unternehmen des K anzuordnen. Dies ergibt sich daraus, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift über den reinen Wortlaut hinausgeht und eine Außenprüfung mithin auch dann zulässig ist, wenn das Unternehmen veräußert, aufgegeben, handelsrechtlich beendet oder liquidiert wurde sowie auch dann, wenn der Unternehmer verstorben ist (BFH, Beschluss vom 15.06.2022, a.a.O., sowie Urteile vom 09.05.1978 ‒ VII R 96/75BStBl II 1978, 501 und vom 24.08.1989 ‒ IV R 65/88BStBl II 1990, 2). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH und der herrschenden Auffassung im Schrifttum tritt der (oder treten die) Gesamtrechtsnachfolger ‒ vorliegend also die Kläger ‒ über den Wortlaut der Vorschrift hinaus in die gesamte materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers ‒ vorliegend des K ‒ ein. Dementsprechend gehen nicht nur Forderungen und Schulden über, sondern alle steuerlich relevanten Umstände, die in der Person des Rechtsvorgängers eingetreten waren, und wirken diese grundsätzlich auch für und gegen den Gesamtrechtsnachfolger (vgl. Schindler in: Gosch, AO/FGO, § 45 AO, Rn. 15, m.w.N.). Dies betrifft auch die Pflicht zur Duldung einer Außenprüfung als formalisiertes Verfahren zur Ermittlung steuerlich erheblicher Sachverhalte.

    Soweit die Kläger dem widersprechen und ausführen, dass die zitierten BFH-Urteile auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar seien, vermag sich der Senat dieser Sichtweise nicht anzuschließen. Zunächst einmal hat der BFH bereits in dem vorangegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. Beschluss vom 15.06.2022) klargestellt, dass die Erben eines gewerblich tätigen Steuerpflichtigen die Durchführung einer Außenprüfung zu dulden haben. Ungeachtet dessen begründen die Kläger ‒ in Bezug auf die frühere Rechtsprechung des BFH ‒ ihre gegenteilige Auffassung aber auch hauptsächlich mit Vermutungen in Bezug auf den jeweils zugrunde liegenden Sachverhalt und die entsprechende Prüfung (etwa, dass die Außenprüfungen seinerzeit nicht so intensiv, umfangreich oder komplex gewesen seien; dass sie kaum der Aufklärung durch den Erblasser bedurft hätten; dass wahrscheinlich keine Steuererklärungen vorgelegt worden seien oder dass es hauptsächlich darum gegangen sei zu prüfen, ob es Betriebseinnahmen gegeben habe, die nicht versteuert worden seien). Ungeachtet dessen, dass aus den Urteilen nicht hervorgeht, was Gegenstand der (damals beabsichtigten, streitgegenständlichen) Prüfungen war und es sich insoweit bei dem Vortrag der Kläger um bloße Mutmaßungen handelt, spielt es für die Frage der Zulässigkeit keine Rolle, ob die durchzuführende Prüfung mehr oder weniger intensiv, umfangreich oder komplex sein wird, ob das Unternehmen durch die Erben weitergeführt wurde oder diese in den Betrieb involviert waren. Auch dies hat der BFH in seinem Beschluss vom 15.06.2022 zuletzt noch einmal klargestellt. Ungeachtet dessen kann vor einer Prüfung (bzw. im Zeitpunkt des Erlasses der Prüfungsanordnung) aber auch regelmäßig die Komplexität oder Intensität der späteren Prüfung nicht abgeschätzt werden.

    Die Kläger verkennen weiter auch, dass Tatbestandsvoraussetzung des § 193 Abs. 1 AO zuvorderst ist, dass derjenige, bei dem die Prüfung durchgeführt werden soll, Gewinneinkünfte (§§ 13, 15, 18 EStG) erzielt. Dies ist darin begründet, dass Gewinneinkünfte, anders als etwa Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, nicht durch Erhebung an der Quelle besteuert werden. Die Erfüllung der laufenden steuerlichen Pflichten beispielsweise eines Arbeitnehmers (insbesondere Berechnung, Einbehalt und Abführung von Lohnsteuer) obliegt nicht diesem selbst, sondern dem Arbeitgeber. Im Unterschied dazu hat der Bezieher von Gewinneinkünften selbst Sorge dafür zu tragen, die Grundlagen der Besteuerung durch ordnungsgemäße Aufzeichnungen, Aufbewahrung von Unterlagen, Erstellung von Abschlüssen, usw. selbst zu beschaffen. Um bei entsprechenden Steuerpflichtigen letztendlich die Steuer in der richtigen Höhe festzusetzen, ist der Staat darauf angewiesen, dass diese Personen ihren damit einhergehenden Pflichten (insbesondere Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten) sorgsam und gewissenhaft nachkommen. Um zu überprüfen, ob dies der Fall ist, kann daher bei Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften ‒ voraussetzungslos ‒ eine eingehende Prüfung der steuerlichen Verhältnisse in Form einer Außenprüfung angeordnet werden.

    Dies gilt nach der zitierten Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn die Person, die das gewerbliche (oder freiberufliche) Unternehmen betrieben hat, verstirbt. Denn in diesem Fall treffen diese Pflichten die Erben, also vorliegend die Kläger als Gesamtrechtsnachfolger nach K. Soweit ‒ wortreich und stetig wiederholend ‒ vorgetragen wird, dass sich aus den Urteilen als weitere Voraussetzung ergebe, dass eine Prüfung bei den Erben eines zu Lebzeiten gewerblich (oder freiberuflich) tätigen Steuerpflichtigen nur dann möglich sei, wenn aus einer vorangegangenen Prüfung (erhebliche) Steuernachforderungen resultieren würden und die entsprechenden Steuerbescheide rechtskräftig geworden seien, ist dies unzutreffend. Auch dies hat der BFH zuletzt mit Beschluss vom 15.06.2022 klargestellt (vgl. 2. Leitsatz). Aber auch mit Blick auf die frühere BFH-Rechtsprechung sind die Ausführungen der Kläger unzutreffend. So wurde etwa in dem, dem BFH-Urteil vom 24.08.1989 zugrundeliegenden Streitfall, bei dem Sohn eines Zahnarztes (als Erbeserbe, nachdem zwischenzeitlich auch dessen Mutter (und Erbin nach dem Vater) verstorben war) eine Außenprüfung u.a. betreffend die steuerlichen Verhältnisse seines Vaters (i. e. dessen freiberuflicher Tätigkeit) für den Zeitraum 1978 bis 1981 angeordnet. Zutreffend ist, dass bei dem Verstorbenen zuvor bereits eine Außenprüfung für die Jahre 1972 bis 1975 durchgeführt worden war, welche zu Steuernachforderungen geführt hatte. Allerdings war im Zeitpunkt der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung hierüber noch ein Klageverfahren anhängig, so dass diese Steuernachforderungen eben noch nicht rechtskräftig waren. Der BFH hat in dem Verfahren somit auch nicht entschieden, dass die Prüfung bei dem Erben voraussetze, dass die aus der Vorprüfung resultierenden Steuernachforderungen rechtskräftig, unstrittig und aufklärbar seien. Zu diesem Punkt enthält das Urteil ebensowenig Ausführungen wie zu der Frage, ob es bei der Vorprüfung erhebliche Verfehlungen gegeben habe. Entsprechendes gilt auch für die Entscheidung vom 09.05.1978. Dort übersehen die Kläger, dass noch nicht einmal eine vorangegangene Prüfung stattgefunden hat, aus welcher rechtskräftige Steuernachforderungen hätten resultieren können, was aber ‒ so der Vortrag der Kläger ‒ Voraussetzung für die Zulässigkeit der Prüfung bei den Erben sein soll. Auf die Frage (sowie die entsprechenden sehr umfang- und wortreichen Ausführungen der Kläger), ob, und, falls ja, in welcher Höhe sich aus der Vorprüfung für 2010 bis 2012 Steuernachforderungen ergeben, ob gleichgelagerte Sachverhalte vorliegen und ob die Kläger möglicherweise in dem anhängigen Verfahren 1 K 743/20 vor dem Hessischen Finanzgericht obsiegen, kommt es daher für die Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht an.

    (2) Für die Zulässigkeit einer Außenprüfung bei den Erben eines zu Lebzeiten gewerblich tätigen Steuerpflichtigen spielt es ‒ genauso wie bei dem ursprünglich gewerblich tätigen Steuerpflichtigen ‒ auch keine Rolle, was Gegenstand der Prüfung sein soll bzw. welchen Grad der Intensität oder Komplexität diese habe könnte. Auch dies hat der BFH mit seinem Beschluss vom 15.06.2022 zuletzt noch einmal bestätigt. Eine derartige Voraussetzung würde im Übrigen auch dem oben beschriebenen Sinn und Zweck einer Außenprüfung wiedersprechen. Denn auch, oder sogar erst recht, in solchen Fällen, in denen die steuerlichen Verhältnisse eines (verstorbenen) Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften eine höhere Komplexität aufweisen, muss der Staat die Möglichkeit haben zu überprüfen, ob dieser zu Lebzeiten seinen steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist. Wenn ein Steuerpflichtiger zu Lebzeiten Gewinneinkünfte erzielt hat und diese (respektive das daraus aufgebaute entsprechende Vermögen) nach dessen Tode auf die Erben übergehen, so muss auch nach dem Tode die Möglichkeit bestehen zu überprüfen, ob die Einkünfte, die zu dem Aufbau des Vermögens geführt (oder zumindest mit dazu beigetragen) haben, richtig ermittelt wurden, ob der Erblasser zu Lebzeiten Aufzeichnungen korrekt geführt hat und ob die Unterlagen ordnungsgemäß aufbewahrt wurden.

    Vergleichbares gilt auch mit Blick auf den Vortrag, dass die Kläger nicht das Wissen und die Kenntnisse ihres verstorbenen Vaters über dessen Unternehmen geerbt hätten und die Vorschrift des § 200 AO über die Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten ausnahmslos die Pflichten des Verstorbenen als Hauptakteur betreffen würde. Diese Auffassung ist unzutreffend, da grundsätzlich auch die Kläger als Gesamtrechtsnachfolger bei der Feststellung der Sachverhalte mitzuwirken haben, die für die Besteuerung des K zu dessen Lebzeiten erheblich sind (siehe oben und vgl. Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 165. Lieferung 04.2021, § 200 AO unter Verweis auf BFH vom 24.08.1989, a. a. O.). Der Übergang der Mitwirkungspflichten setzt auch nicht voraus, dass die Gesamtrechtsnachfolger vergleichbare Kenntnisse wie der Verstorbene besitzen. Denn zum einen könnte dies in der Praxis kaum nachgeprüft werden und zum anderen hatte der (verstorbene) Steuerpflichtige ‒ auch derjenige, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes ‒EStG‒ ermittelte ‒ zu Lebzeiten die Pflicht, seine Einnahmen und Ausgaben geordnet und einzeln aufzuzeichnen und die entsprechenden Aufzeichnungen und Unterlagen aufzubewahren, um so dem Finanzamt zu ermöglichen, die Einnahmen und Ausgaben auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen (vgl. Rätke, in: Klein, Abgabenordnung, § 146 Rn. 28, § 147 Rn. 4). Auch nach der Vorschrift des (auf Einnahmenüberschussrechner anwendbaren) § 145 Abs. 2 AO sind die Aufzeichnungen so vorzunehmen, dass der Zweck, den sie für die Besteuerung erfüllen sollen, erreicht wird. Das Ordnen und Sortieren sowie die Vorlage der Unterlagen kann und darf daher von den Erben verlangt werden, benachteiligt diese nicht in unzumutbarer Weise, sondern gehört zu den Pflichten, die mit der Gesamtrechtsnachfolge auf sie übergegangen und die sie mit der Übernahme des Erbes eingegangen sind. Würde man die Zulässigkeit einer Prüfung bei Erben davon abhängig machen, dass diese die notwendigen Unterlagen schnell und einfach beschaffen und sich darin kurzfristig einarbeiten können (insbesondere weil die Unterlagen klar und verständlich sind und geordnet aufbewahrt wurden), so würde dies zu dem nicht vertretbaren Ergebnis führen, dass eine Außenprüfung zwar bei klarer und verständlicher Führung und ordentlicher Aufbewahrung von Unterlagen zulässig ist, dass dies aber nicht der Fall wäre, wenn der Erblasser zu Lebzeiten seine Unterlagen ungeordnet aufbewahrt und nicht klar und verständlich geführt hat.

    Ungeachtet dessen und ohne dass es auf Tatbestandsebene darauf ankommt, weil es ausreichend ist, dass K zu Lebzeiten einen Gewerbebetrieb unterhalten hat, spricht der Vortrag, dass K einerseits kurz vor seinem Tode das Geschäftsjahr 2016 noch fast komplett beendet und insbesondere alles abgerechnet und bei seinem Steuerberater Unterlagen und Belege eingereicht habe, die Kläger andererseits dann aber nach dem Tod nur Chaos vorgefunden hätten und überall offene Aktenordner, lose Blätter und Unterlagen herumgelegen hätten und in Unordnung gewesen seien, nicht gegen, sondern grade für die Durchführung einer Außenprüfung. Denn danach scheint es ja so zu sein, dass die Aufzeichnungen, Unterlagen, usw. des K grade nicht ‒ wie dies notwendig gewesen wäre ‒ ordnungsgemäß geführt und aufbewahrt wurden. Auch dies indiziert eindeutig die Prüfungswürdigkeit.

    Insoweit geht auch der Einwand der Kläger völlig fehl, dass sie den Nachlass nur verwalten würden, sich in hunderte Ordner einarbeiten müssten (was Jahre dauern würde) und sie hieraus lediglich eine Entschädigung beanspruchen könnten. Eine Nachlassverwaltung ist eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger (vgl. § 1975 BGB). Mit Anordnung der Nachlassverwaltung verliert der Erbe die Befugnis, den Nachlass zu verwalten und über ihn zu verfügen (§ 1984 I BGB). Diese Rechte gehen auf den Nachlassverwalter über, der den Nachlass in Besitz zu nehmen sowie die Nachlassverbindlichkeiten aus dem Nachlass zu berichtigen hat (§ 1985 BGB). Ungeachtet dessen, dass auch ein Nachlassverwalter grade die Pflichten hätte, die Unterlagen zu sichten und zu sortieren, sind die Kläger aber auch nicht Verwalter des Nachlasses nach ihrem verstorbenen Vater, sondern gemeinschaftlich Erben und Gesamtrechtsnachfolger. Mit der Annahme des Erbes sind sie als Gesamtrechtsnachfolger an die Stelle ihres verstorbenen Vaters getreten; dessen Vermögen ging mit dem Tode als Ganzes auf die Kläger über (§ 1922 BGB). Sie hatten mithin auch seit dem Tode umfassenden und alleinigen Zugriff auf sämtliche Unterlagen des K. Selbst wenn diese ungeordnet waren, so wäre es ihnen auf jeden Fall möglich gewesen, in den mittlerweile rund sechseinhalb Jahren seit dem Tod des Vaters die entsprechenden Unterlagen zu sortieren und sich einen ordentlichen Überblick zu verschaffen (was alleine schon im Hinblick auf eventuelle zivilrechtliche Verpflichtungen aus dem Bauunternehmen, die auf die Kläger übergegangen sein könnten, notwendig gewesen wäre). Auch insoweit wird von den Klägern ‒ insbesondere auf Ebene zunächst der Anordnung der Prüfung ‒ nichts Unmögliches oder Rechtsmissbräuchliches verlangt.

    Im Übrigen verkennen die Kläger auch, dass mit der an sie gerichteten Prüfungsanordnung lediglich eine allgemeine Duldungspflicht ausgesprochen wird. Erst wenn im späteren Verlauf der Prüfung das einzelne Mitwirkungsverlangen zu einer im Verhältnis zum Aufklärungsbedürfnis bzw. dem voraussichtlichen Aufklärungserfolg nicht mehr angemessenen Belastung der Mitwirkungspflichtigen führt oder etwas Unmögliches von ihnen verlangt, greift das von den Klägern angesprochene Übermaßverbot als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein. Denn selbstredend kann von den Gesamtrechtsnachfolgern nichts gefordert und gegebenenfalls mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, was außerhalb ihres Wissens- oder Einflussbereichs liegt (BFH vom 15.06.2022, a.a.O.). Dies betrifft dann jedoch nicht die Prüfungsanordnung als solche.

    (3) Auch die Berufung auf die Vorschrift des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO führt nicht zu dem gewünschten Ergebnis. Denn bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Korrekturvorschrift. Die Frage, ob eine Außenprüfung angeordnet werden kann, ist jedoch unabhängig von der Frage zu beurteilen, ob und nach welcher Vorschrift nach Abschluss der Prüfung eine Änderung des Steuerverwaltungsaktes und der Steuerfestsetzung erfolgen kann. Ebensowenig hängt die Zulässigkeit einer Prüfung davon ab, dass dem Finanzamt steuerrelevante Tatsachen neu bekannt geworden sind (vgl. Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 193 AO, Rn. 4, 5).

    (4) Die Anordnung und Durchführung einer Außenprüfung bei den Klägern für das frühere gewerbliche Unternehmen des K verletzt auch weder diese noch K in ihren bzw. seinen Grundrechten. Soweit auf K selbst abgestellt wird geht die behauptete Verletzung von Verfahrensgrundrechten und dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 6 EMRK) bzw. dass auch gegenüber K die Unschuldsvermutung zu gelten habe (Art. 6 Abs. 2 EMRK) bereits deshalb ins Leere, weil K nicht Adressat des angefochtenen Verwaltungsaktes ist, sondern die Kläger. Darüber hinaus wird verkannt, dass die Außenprüfung als Teil des steuerlichen Festsetzungsverfahrens keine strafrechtliche oder strafprozessuale Maßnahme ist oder überhaupt dem Strafrecht zugeordnet werden kann. Sofern im Hinblick auf mögliche Grundrechtsverletzungen auf die Kläger selbst abgestellt wird ist nicht einmal ansatzweise erkennbar, welche konkrete Verletzung von Grundrechten, insbesondere von Verfahrensgrundrechten oder dem Recht auf ein faires Verfahren, hier vorliegen sollte. Alleine der Umstand, dass die Kläger als Erben steuerliche Pflichten des Verstorbenen zu erfüllen und eine Prüfung zu dulden habe, führt nicht zu einer Verletzung ihrer Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG oder aus Art. 6 EMRK. Ebensowenig erschließt sich, wo vorliegend ‒ sei es bezogen auf K oder die Kläger selbst ‒ eine Verletzung des Gleichheitsgrundrechtes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen sein könnte.

    (5) Den Klägern ist allerdings zuzugestehen, dass es entgegen der zitierten Rechtsprechung und wohl herrschenden Auffassung im Schrifttum ganz vereinzelt auch Stimmen gibt, die den umfassenden Eintritt sowohl in die gesamte materiell-rechtliche als auch verfahrensrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers als zu weitgehend ablehnen. Doch selbst wenn man dieser Auffassung folgen und lediglich einen Übergang der Forderungen und Schulden (und nicht der steuerlichen Nebenpflichten, wie etwa die Pflicht zur Duldung einer Außenprüfung) aus dem Steuerschuldverhältnis annehmen würde, so würde sich hieraus am Ende kein anderes Ergebnis ergeben. Denn nach dieser Auffassung erlöschen zwar mit dem Tode die in der Person des Rechtsvorgängers entstandenen steuerlichen Hilfspflichten und gehen diese nicht kraft Gesamtrechtsnachfolge über. Gleichzeitig mit dem Übergang der Forderungen und Schulden auf den Rechtsnachfolger entstehen diese Pflichten jedoch in der Person des Gesamtrechtsnachfolgers neu und zwar nunmehr als eigene Pflichten, da der Gesamtrechtsnachfolger nunmehr selbst Subjekt des Steuerrechtsverhältnisses geworden ist. Dies hat zur Folge, dass der Gesamtrechtsnachfolger auch nach dieser Auffassung etwa zur Abgabe (oder Berichtigung) von Steuererklärungen, zur Mitwirkung bei Ermittlung des Sachverhalts, zur Auskunft und Vorlage von Urkunden, zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen und auch zur Duldung einer Außenprüfung für Zeiträume vor dem Erbfall verpflichtet ist (vgl. Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 45 AO, Rn. 15, m.w.N.).

    bb. Das Finanzamt hat das ihm aufgrund der grundsätzlichen Zulässigkeit der Außenprüfung bei den Klägern als Gesamtrechtsnachfolgern des K zustehende Ermessen auch korrekt ausgeübt.

    (1) § 193 AO bestimmt lediglich, unter welchen Voraussetzungen eine Außenprüfung „zulässig“ ist. Die tatsächliche Anordnung und Vornahme einer Außenprüfung steht demgegenüber im Ermessen der Finanzbehörde. Hierbei ist gleichwohl zu beachten, dass die Finanzbehörde den steuerbaren Sachverhalt gem. § 88 Abs. 1 Satz 1 AO sowieso von Amts wegen zu ermitteln hat. Aus diesem Grunde bezieht sich das durch die Vorschrift eingeräumte Ermessen in erster Linie darauf, ob im konkreten Fall die Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts (wozu das Finanzamt nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist) im Rahmen des regulären Besteuerungsverfahrens oder durch eine Außenprüfung vorgenommen werden soll (vgl. Schallmoser in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 193 AO, Rn. 90).

    (2) Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, beschränkt sich die Prüfung des Gerichts darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Art und Weise Gebrauch gemacht ist (§ 102 Satz 1 FGO), ob also Ermessensfehler vorliegen.

    Im vorliegenden Fall sind keine solchen Ermessensfehler erkennbar. Das Finanzamt hat das ihm zustehende Ermessen korrekt ausgeübt.

    Gemäß § 4 Abs. 1 BpO bestimmt die Finanzbehörde den Umfang der Außenprüfung nach pflichtgemäßem Ermessen. Bei der Ausübung dieses Ermessens ist insbesondere zu beachten, dass die Kontrolle und Prüfung der verschiedenen Einkunftsarten gleich effizient sein muss. Aus diesem Grunde sind für alle Einkunftsarten, die nicht dem Quellenabzug unterliegen, entsprechende Aufzeichnungen zu führen und geordnet aufzubewahren und dürfen daher eben diese Einkünfte geprüft werden, wenn nicht ausnahmsweise das Prüfungsbedürfnis zu verneinen ist (vgl. Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 193 AO, Rn. 10a). Das Prüfungsbedürfnis hat der Gesetzgeber dadurch determiniert, indem er selbst für den Regelfall entschieden hat, dass die Vornahme einer Außenprüfung eine angemessene, hinzunehmende Belastung darstellt, wenn ein gewerblicher oder land- und forstwirtschaftlicher Betrieb unterhalten wird oder wurde oder eine freiberufliche Tätigkeit vorliegt oder vorlag (vgl. Schallmoser in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 193 AO, Rn. 91). Entsprechend hat auch der BFH mit Urteil vom 02.10.1991 ‒ X R 89/89 ‒ (BStBl II 1992, 220) entschieden, dass zur Begründung der Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO grundsätzlich der Hinweis auf diese Rechtsgrundlage genügt. Dies gelte, so der BFH weiter, auch dann, wenn ein Mittelbetrieb geprüft werden soll und der Prüfungszeitraum so bemessen ist, dass zwischen ihm und dem Ende des letzten Prüfungszeitraums nur ein ungeprüftes Jahr liegt. Dies entspricht der im Streitfall vorliegenden Konstellation.

    Einer Begründung der Außenprüfung hat es mithin gar nicht bedurft. Und tatsächlich hat das Finanzamt in der Prüfungsanordnung vom 22.01.2019 auch keine Begründung gegeben, sondern lediglich ‒ wie vom BFH als ausreichend angesehen ‒ auf § 193 Abs. 1 AO als Rechtsgrundlage verwiesen. Dass das Finanzamt im nachfolgenden Einspruchsverfahren ausgeführt hat, dass die Durchführung einer Außenprüfung notwendig sei, weil sich bei der für 2010 bis 2012 durchgeführten Prüfung erhebliche Steuernachforderungen ergeben hätten und damit zu rechnen sei, dass gleich gelagerte Sachverhalte auch im Zeitraum 2014 bis 2016 vorliegen, ist nicht zu beanstanden und lässt insbesondere nicht erkennen, dass das Finanzamt sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Hieran vermag auch die Überzeugung der Kläger, dass sie in dem Verfahren 1 K 743/20 letztendlich obsiegen werden, nichts zu ändern. Vielmehr ist es so, dass das Finanzamt im Rahmen der Vorprüfung Sachverhalte ermittelt hat, die nach Auffassung der Behörde zu entsprechenden Steuernachforderungen führen. Die Annahme des Finanzamtes, dass sich in dem Betrieb des K in den Folgejahren ähnlich gelagerte Sachverhalte ereignet haben könnten ist zumindest nicht grob abwegig oder völlig aus der Luft gegriffen. Ob sich im Verfahren betreffend die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2012 am Ende die rechtliche Auffassung der Behörde oder die der Kläger als zutreffend erweist, spielt keine Rolle. Denn bevor darüber diskutiert und möglicherweise auch gestritten werden kann, ob ein bestimmter Sachverhalt den Tatbestand eines Steuergesetzes erfüllt, muss dieser Sachverhalt erst einmal ermittelt werden. Genau diese Sachverhaltsermittlung soll jedoch zunächst einmal mit der Außenprüfung erfolgen. Im Übrigen erscheint der Vortrag der Kläger (wie an so vielen Stellen ihres wortreichen und umfangreichen Vorbringens) ‒ ohne dass dies relevant wäre ‒ auch hier in weiten Teilen widersprüchlich. Denn einerseits tragen die Kläger vor, dass sie von dem Unternehmen des Vaters keinerlei Kenntnisse gehabt hätten; andererseits zeigen sie sich überzeugt davon, dass sowohl in den von der Vorprüfung betroffenen Jahren 2010 bis 2012 als auch in den Jahren 2014 bis 2016 alles ordentlich gelaufen sei und sich (am Ende) keine Mehrsteuern ergeben würden. Beides kann indes nicht stimmen: Wenn jemand überzeugt ist, dass es zu keinen Beanstandungen kommt, so erfordert dies ein eingehendes Wissen von den betrieblichen Verhältnissen und der Richtigkeit der geführten Aufzeichnungen. Wenn solche Kenntnisse dagegen nicht vorhanden sind, so kann man nicht abschätzen, ob eine Prüfung zu keinen Beanstandungen führen wird.

    (3) Auch unter Berücksichtigung der Vorschriften der Betriebsprüfungsordnung stellt sich die Anordnung der Außenprüfung nicht als ermessensfehlerhaft dar.

    Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BpO soll der Prüfungszeitraum bei Großbetrieben an den vorhergehenden Prüfungszeitraum anschließen. Bei anderen Betrieben soll der Prüfungszeitraum nach § 3 Satz 1 in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen. Der Prüfungszeitraum kann insbesondere dann drei Besteuerungszeiträume übersteigen, wenn mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist oder wenn der Verdacht einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit besteht (Abs. 3 Satz 2). Anschlussprüfungen sind zulässig (Abs. 3 Satz 3).

    Die BpO bewirkt eine auch im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Selbstbindung der Finanzverwaltung bei der Anordnung von Außenprüfungen. Es handelt sich um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, so dass ihre Auslegung sich nicht nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Maßstäben richtet, sondern danach, wie die Verwaltung sie versteht und verstanden wissen will. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (vgl. BFH, Beschluss vom 15.06.2022, a.a.O., m. w. N.).

    Das Berufen auf die Vorschriften der BpO führt ‒ selbst wenn man, was der Senat in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung nicht tut, hieraus das Verbot einer Anschlussprüfung u.a. bei Mittelbetrieben herauslesen würde ‒ vorliegend bereits deswegen nicht zu dem von den Klägern verfolgten Ziel, da die genannten Vorschriften auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Dies deshalb, weil vorliegend grade kein drei Besteuerungszeiträume übersteigender Prüfungszeitraum vorliegt. Die Vorprüfung betraf die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2012; die hier streitgegenständliche Prüfung betrifft die Veranlagungszeiträume 2014 bis 2016. Die Kläger versuchen dies wiederholend und wortreich abzutun, indem sie sich auf den Standpunkt stellen, dass ja eine fast lückenlose Anschlussprüfung vorliegen würde. Zudem habe auch keine prüfungsfreie Zeit vorgelegen, da die Vorprüfung bis in das Jahr 2016 dauerte. Die Kläger verkennen diesbezüglich zunächst, dass die Vorschrift des § 4 BpO nicht auf den Zeitraum der Prüfung (also den Zeitraum, in dem die Prüfung ‒ von … bis … ‒ stattfand) bezieht, sondern auf den zu prüfenden Besteuerungszeitraum. Die Frage, wie lange eine Prüfung andauert, ist für Zwecke des § 4 BpO ohne irgendeine Relevanz. Darüber hinaus betrifft die Vorschrift auch nicht Fälle „fast“ lückenloser Prüfungen. Vielmehr geht es um Fälle ohne prüfungsfreie Zeiträume, wenn also die Folgeprüfung direkt auf das letzte Jahr oder den letzten Besteuerungszeitraum der Vorprüfung folgt. Dies ist hier nicht der Fall; zwischen den beiden Prüfungen liegt ein prüfungsfreies Jahr.

    Ungeachtet dessen kommt es hierauf aber auch nicht an. Denn selbst wenn das Finanzamt direkt im Anschluss an die Vorprüfung eine weitere Außenprüfung als Anschlussprüfung angeordnet hätte, wäre dies nicht ermessenswidrig gewesen. Die Kläger begründen ihre gegenteilige Auffassung unter anderem mit Verweis auf die Rechtsprechung des FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 27.03.2014 ‒ 4 K 2166/13 ‒, juris). Nach dieser Entscheidung ist eine Prüfungsanordnung wegen Ermessensfehlern aufzuheben, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Anordnung der streitbefangenen Außenprüfung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zuwiderläuft oder wenn das Finanzamt gegen § 10 Abs. 1 BpO (Verdacht einer Steuerstraftat oder ‒ordnungswidrigkeit) und damit gegen eine aufgrund der Selbstbindung zu beachtende Ermessensrichtlinie verstoßen hat. Die Kläger verkennen jedoch, dass diese Entscheidung im nachfolgenden Revisionsverfahren gerade wegen des fehlerhaften rechtlichen Ansatzes aufgehoben wurde (vgl. BFH, Beschluss vom 15.06.2022, a.a.O., und Urteil vom 15.06.2016 ‒ III R 8/15 ‒, BStBl II 2017, 25). Danach bedarf vielmehr sogar die Anordnung einer zweiten Anschlussprüfung ‒ im vorliegenden Fall hier geht es sogar „nur“ um eine Folgeprüfung mit einem prüfungsfreien Jahr ‒ für ein gewerbliches Einzelunternehmen, das im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung als Mittelbetrieb eingestuft wurde, grundsätzlich keiner über § 193 Abs. 1 AO hinausgehenden Begründung.

    Soweit die Kläger auf den zweiten Leitsatz der Entscheidung des BFH vom 15.06.2016 Bezug nehmen und daraus den Schluss ziehen, dass der BFH die Anordnung nur dann ‒ im Sinne von ausschließlich ‒ als nicht übermäßig angesehen habe, wenn das Unternehmen während des vorgesehenen Prüfungszeitraumes zeitweise als Großbetrieb eingeordnet war und sich aufgrund vorliegenden Kontrollmaterials aus Sicht des FA ein Prüfungsbedarf ergibt, kann dem nicht gefolgt werden. Zutreffend ist, dass der BFH in dem Fall entschieden hat, dass die Anordnung nicht übermäßig ist, weil der Betrieb zeitweilig als Großbetrieb eingeordnet war und Kontrollmaterial vorlag. Daraus jedoch den Schluss zu ziehen, dass eine Prüfung in allen anderen Fällen ‒ zwingend ‒ gegen das Übermaßverbot verstößt und es sich quasi um Voraussetzungen handelt, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Der BFH hat vielmehr allgemein ausgeführt, dass eine solche (zweite Anschluss-) Prüfung ermessensgerecht ist, wenn keine Anhaltspunkte für eine willkürliche oder schikanöse Belastung bestehen und sie nicht gegen das Übermaßverbot verstößt. Derartiges ist hier jedoch nach der Überzeugung des Senats nicht der Fall. Es sind nicht einmal ansatzweise irgendwelche Anhaltspunkte hierfür erkennbar und es deutet auch nichts darauf hin, dass die Anordnung der Außenprüfung aufgrund außersteuerlicher Gesichtspunkte oder sachfremder Erwägungen, wie etwa die behaupteten persönlichen Differenzen der Kläger mit den auf Seiten des Finanzamtes handelnden Personen, erfolgte (mit dem einzigen Ziel, den Klägern haltlose Steuernachforderungen anzulasten). Eine derartige Motivation ist weder aus den Akten erkennbar, noch reichen die pauschalen und wiederholt vorgetragenen Behauptungen und Vorwürfe seitens der Kläger aus, diese irgendwie zu begründen. Völlig fernliegend sind auch die Vorhaltungen, dass das Verhalten der für das Finanzamt handelnden Personen mutmaßlich als versuchter Betrug oder Prozessbetrug zum Nachteil der Kläger zu werten sei. Der Senat kann nicht erkennen, dass auf Seiten des Finanzamtes irgendetwas erfunden wurde, um die Prüfung zu erzwingen. Dies gilt auch mit Blick auf die ‒ tatsächliche nicht korrekte ‒ Ausführung des Finanzamtes dahingehend, dass es sich bei der Vorprüfung um eine Umsatzsteuersonderprüfung gehandelt habe. Denn zum einen hat das Finanzamt diese Aussage selbst klargestellt und den Fehler eingeräumt. Und zum anderen spielt es für die Frage der Zulässigkeit der hier streitgegenständlichen Außenprüfung auch keine Rolle, ob es sich bei der Vorprüfung um eine Umsatzsteuersonderprüfung oder Vollprüfung handelte.

    (4) Ihrem Begehren vermögen die Kläger auch nicht durch Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (vom 27. Juni 1991 ‒ 2 BvR 1493/89 ‒, BStBl II 1991, 654, 665) zum gewünschten Erfolg zu verhelfen. Das Urteil betraf u.a. die gleichheitswidrige Besteuerung privater Kapitalerträge, die normative Steuerpflicht und deren Durchsetzung bei der Steuererhebung, das Deklarations- und Verifikationsprinzip im Veranlagungsverfahren und den Verzicht auf Kontrollen wegen gesamtwirtschaftlicher Belange. Welche Schlussfolgerungen die Kläger aus diesem Urteil für den vorliegenden Fall ziehen wollen, erschließt sich dem Senat nicht und ist auch sonst nicht erkennbar.

    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    3. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (Nr. 1), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH (Nr. 2), denn die von den Klägern aufgeworfenen und in den Raum gestellten Rechtsfragen sind hinreichend geklärt. Auch sind keine Anzeichen für das Vorliegen eines Verfahrensmangels erkennbar, auf dem das Urteil beruhen könnte (Nr. 3).

    RechtsgebietAOVorschriften§ 193 Abs 1 AO, § 45 Abs 1 AO