10.02.2023 · IWW-Abrufnummer 233698
Finanzgericht Münster: Urteil vom 14.09.2022 – 13 K 3154/21 AO
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster
13 K 3154/21 AO
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Nichtigkeit einer Außenprüfung bzw. eines Schreibens der Betriebsprüfung aufgrund einer Versendung dieses Schreibens in einem unverschlossenen Briefumschlag sowie über die Feststellung eines Verstoßes gegen das Steuergeheimnis und über das Vorliegen eines Verwertungsverbots.
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Die Klägerin wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. In den Jahren 2016 bis 2018 erzielte sie gewerbliche Einkünfte aus drei Einzelunternehmen sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. ...
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Als Maklerin war die Klägerin bis 2012 für die C. AG tätig. Im Jahr 2012 schloss sie einen Vertretervertrag mit der D. AG ab. Es kam zu Unstimmigkeiten zwischen der Klägerin und der D. AG. Im Rahmen eines zivilgerichtlichen Rechtsstreits schloss die Klägerin mit der D. AG im Jahr 2018 in der zweiten Instanz vor dem Oberlandesgericht ... einen Vergleich, wonach die D. AG einen Betrag von 62.000 € an die Klägerin zu zahlen hatte. Die Vergleichssumme wurde an die Klägerin über ihren Prozessvertreter im Jahr 2018 ausgezahlt, wobei dieser Honorarbeträge i.H.v. 7.523 € einbehielt.
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Die Klägerin gab für die Jahre 2016 bis 2018 Steuererklärungen ab. Bei der Einkünfteermittlung für das Jahr 2018 berücksichtigte sie nicht die erhaltene Schadensersatzzahlung. Der Beklagte veranlagte sie zunächst erklärungsgemäß.
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Mit Anordnungen vom 9.6.2020 und 9.8.2020 ordnete der Beklagte eine steuerliche Außenprüfung bei der Klägerin an, die sich auf die Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer der Jahre 2016 bis 2018 bezog. Die Prüferin des Beklagten begann die Betriebsprüfung am 17.9.2020.
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Während der Betriebsprüfung kam es ab November 2020 zu einem Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der Prüferin. Die Prüferin bat die Klägerin mit Schreiben vom 23.11.2020 u.a., eine Spendenbescheinigung einzureichen, die Anlagenverzeichnisse für ihre drei Betriebe vorzulegen, bei dem Einzelunternehmen als Maklerin zu einzelnen Betriebsausgaben Erläuterungen, Berechnungsgrundlagen und Unterlagen vorzulegen, zu dem weiteren Einzelunternehmen Aufzeichnungen zum Fahrtenbuch vorzulegen und nähere Erläuterungen zu geben sowie zu dem dritten Einzelunternehmen die Zinsaufwendungen zu erläutern. Außerdem bat die Prüferin, zukünftig Belege zu kontieren, die Entnahmen und Einlagen für Zwecke des § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes ‒ EStG ‒ zu ermitteln, die Aufteilung der Kosten für die Instandhaltung betrieblicher Räume zwischen den drei Einzelunternehmen zu erläutern und die Aufteilung der Nebenkosten für das Grundstück E-Straße 01 zu erklären. Zudem wies die Prüferin im Schreiben vom 23.11.2020 darauf hin, dass eine Überprüfung des Bankkontos der Klägerin ergeben habe, dass nicht alle Erlöse in den Provisionsumsätzen für 2017 und 2018 erklärt worden seien. Weiter nahm die Prüferin hinsichtlich der Entschädigung i.H.v. 62.000 € im Jahr 2018 auf ein am 20.11.2020 mit der Klägerin geführtes Telefonat Bezug und teilte mit, sie werde sie in den nächsten Wochen, „nach Überprüfung Ihres Standpunktes hinsichtlich Vertrauensschaden oder Erfüllungsschaden“ noch einmal gesondert anschreiben.
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Mit einem weiteren Schreiben vom 25.1.2021 teilte die Prüferin mit, sie habe sich hinsichtlich der im Jahr 2018 vereinnahmten Schadensersatzzahlung ausführlich mit der von der Klägerin erläuterten Rechtsauffassung auseinandergesetzt. Zunächst schilderte die Prüferin den Sachverhalt und teilte danach in einer rechtlichen Würdigung mit, dass die Schadensersatzzahlung nach ihrer Auffassung eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstelle und damit steuerpflichtig sei. Wenn es sich hier um einen „Vertrauensschaden“ gehandelt habe, führe dies aus steuerlicher Sicht dazu, dass es eine „echte Entschädigung“ sei, so die Prüferin.
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Der Steuerberater der Klägerin antwortete der Prüferin mit Schreiben vom 2.2.2021 und ging auf gezahlte Umsatzsteuer sowie auf die Entnahmen und Einlagen nach § 4 Abs. 4a EStG ein. Zudem antwortete die Klägerin mit Schreiben vom 3.2.2021 auf die beiden Schreiben der Prüferin und gab Erläuterungen zu der Spende, zu den Betriebsausgaben, zu den Provisionsumsätzen für 2017 und 2018, zu dem Fahrtenbuch und zu ihren Betriebstätigkeiten. Hinsichtlich der Entschädigung wies die Klägerin darauf hin, dass es sich nicht nur um „ihren Standpunkt“ handele, sondern ihre Auffassung aus dem Inhalt der zivilgerichtlichen Klageschrift und der erstinstanzlichen Entscheidung zu entnehmen sei. Weiter bat die Klägerin die Prüferin um Mitteilung, aus welchen Teilen der zivilgerichtlichen Prozessakte sie ihre Auffassung entnehme.
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Mit Schreiben vom 28.4.2021 antwortete die Prüferin und nahm Bezug auf das Schreiben des Steuerberaters vom 2.2.2021 und das Schreiben der Klägerin vom 3.2.2021. Sie fasste ihre bisherigen Erkenntnisse aus der Betriebsprüfung zusammen und ging im Einzelnen u.a. auf die Provisionen für 2017 und 2018 ein. Zu der Entschädigung teilte sie mit, für die steuerliche Überprüfung der Schadensersatzzahlung sei der gesamte von der Klägerin vorgelegte Schriftverkehr gewürdigt worden. Die von der Klägerin vertretene Auffassung, dass es sich bei der Entschädigungszahlung nicht um einen steuerbaren Vorgang handele, teile sie nicht. Außerdem teilte die Prüferin mit, die von der Klägerin gebuchten Fahrzeugkosten seien nicht zu beanstanden und die vorgelegten Fahrtenbücher würden anerkannt. Allerdings seien Kürzungen der Betriebsausgaben für den Pkw vorzunehmen. Zudem teilte die Prüferin mit, die Aufwendungen für privat und betrieblich genutzte Büroflächen seien mit einem betrieblichen Anteil von 31,82 % zu berücksichtigen. Weiter bat die Prüferin die Klägerin hinsichtlich der Grundstücksaufwendungen, einen Darlehensvertrag zu der Kontonummer 111 1111 111 bei der Sparkasse ... einzureichen, die betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen zu erläutern und mitzuteilen, ob es für eine „Büro-Wohnung“ eigene Zähler für Strom und Wasser gebe. Das Schreiben vom 28.4.2021, welches aus drei Seiten und weiteren vier Seiten Anlagen bestand und keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, ging der Klägerin postalisch zu.
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Mit Schreiben vom 7.5.2021 bemängelte die Klägerin, das Schreiben vom 28.4.2021 sei von der Prüferin nicht verschlossen worden. Der Umschlag sei unverklebt in ihrem Briefkasten gewesen. Es liege ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz sowie gegen das Steuergeheimnis vor.
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Die Klägerin vertrat daraufhin mit Schreiben vom 24.6.2021 die Auffassung, aufgrund des unverschlossenen Briefumschlags weise die Betriebsprüfung, die einen Verwaltungsakt darstelle, einen besonders schwerwiegenden Fehler auf und sei nichtig gemäß § 125 der Abgabenordnung ‒ AO ‒. Sie beantragte, die Nichtigkeit der Außenprüfung für 2016 bis 2018 festzustellen.
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Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28.6.2021 den Antrag auf Nichtigkeitsfeststellung ab. Er erklärte, bei dem Schreiben vom 28.4.2021 habe es sich nicht um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO gehandelt. Inwieweit sich aus dem angezeigten Zustellungsmangel eine Nichtigkeit der gesamten Betriebsprüfung ergeben solle, erschließe sich nicht.
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Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 19.7.2021 Einspruch ein.
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Die Prüferin des Beklagten erstellte am 29.9.2021 einen Prüfungsbericht und führte unter Tz. 2.3 aus, als betrieblich veranlasste Aufwendungen (Strom, Wasser, Heizung, Grundbesitzabgaben sowie Schuldzinsen) für das Objekt E-Straße 01 in F., welches von der Klägerin teilweise privat und teilweise betrieblich genutzt werde, sei ein betrieblicher Anteil von 31,82 % der Aufwendungen für das Jahr 2016 und von 30 % für die Folgejahre zu berücksichtigen. Darüber hinaus seien bislang nicht erfasste Provisionseinnahmen aus dem Einzelunternehmen der Maklerin im Jahr 2017 i.H.v. 3.397 € anzusetzen (Tz. 2.5 des Prüfungsberichts). Im Jahr 2018 seien angesetzte Anwaltskosten i.H.v. 350 € nicht abzugsfähig, da sie privat veranlasst seien (Tz. 2.6 des Prüfungsberichts). Nach Tz. 2.7 des Prüfungsberichts gehöre, so die Prüferin, die im Jahr 2018 vereinnahmte Schadensersatzzahlung i.H.v. 62.000 € zu den steuerbaren Einkünften gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 15 EStG. Es handele sich um einen Ersatz für steuerbare Provisionseinkünfte. Von dem vereinnahmten Betrag sei allerdings ein Rechtsanwaltshonorar i.H.v. 7.523 € abzuziehen, welches der Prozessvertreter im Zuge der Auszahlung des Schadensersatzes einbehalten habe. Der Klägerin seien 54.477 € zugeflossen. Nach Tz. 2.8 des Prüfungsberichts waren Fahrzeugkosten des Jahres 2016 zu korrigieren.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 30.11.2021 wies der Beklagte den Einspruch vom 19.7.2021 als unbegründet zurück. Zur Begründung erklärte er, es fehle im Streitfall an dem für die Nichtigkeitsfeststellung erforderlichen Verwaltungsakt. Bei dem Schreiben vom 28.4.2021 handele es sich mangels Regelungscharakters nicht um einen Verwaltungsakt. Die Betriebsprüfung insgesamt stelle ebenfalls keinen Verwaltungsakt dar. Der Zustellungsmangel des Schreibens vom 28.4.2021 sei aber dem Bundesdatenschutzbeauftragten gemeldet worden.
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Daraufhin hat die Klägerin am 22.12.2021 Klage erhoben.
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Der Beklagte erließ am 21.1.2022 Änderungsbescheide für die Jahre 2016 bis 2018 über die Einkommen- und Umsatzsteuer und über die Gewerbesteuermessbeträge. Die Klägerin legte gegen die Änderungsbescheide Einspruch ein und wandte sich im Wesentlichen gegen den Ansatz der Schadensersatzzahlung als steuerbare Einnahme. Der Beklagte hat bislang über diesen Einspruch noch nicht entschieden. Darüber hinaus stellte die Klägerin in Bezug auf die Einkommensteuer-Änderungsbescheide einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, den der Senat mit Beschluss vom 22.6.2022 13 V 731/22 E teilweise ablehnte.
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Mit ihrer Klagebegründung vom 27.1.2022 hat die Klägerin wörtlich begehrt, „den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 28.06.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.11.2021 aufzuheben und den Beklagten zum Überlass eines Bescheides zu verpflichten, in dem die Nichtigkeit der Betriebsprüfung sowie die Unverwertbarkeit der Feststellungen in der Betriebsprüfung festgestellt wird“. Hilfsweise hat sie begehrt, „festzustellen, dass die im Rahmen der von dem Beklagten bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung für den Veranlagungszeitraum 2016 bis 2018 gewonnenen Ergebnisse und Feststellungen einem absoluten Verwertungsgebot unterliegen“.
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Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, es sei unstreitig, dass das Schreiben vom 28.4.2021 in einem unverschlossenen Umschlag versandt und bei der Klägerin angekommen sei. Auf die vom Beklagten aufgeworfene Frage, ob das Schreiben vom 28.4.2021 einen Verwaltungsakt darstelle, komme es nicht an. Im Fokus stehe die Verletzung des Steuergeheimnisses, welche einen Straftatbestand darstelle. Dies führe zu einem absoluten Beweisverwertungsverbot und zur Nichtigkeit der gesamten Betriebsprüfung. Denn das Steuergeheimnis berühre den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung. In der Folge dürften auch keine Änderungsbescheide ergehen.
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Mit Schriftsatz vom 22.6.2022 hat die Klägerin sodann ihre Klageanträge neu gefasst. Sie begehrt nun die Feststellung, dass das Schreiben des Beklagten vom 28.4.2021 nichtig sei, sowie hilfsweise die Feststellung, dass ein Verstoß gegen das Steuergeheimnis vorliege und die im Rahmen der Betriebsprüfung gewonnenen Ergebnisse und Feststellungen einem absoluten Verwertungsverbot unterlägen.
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Zur Begründung trägt sie vor, bei dem Hauptantrag handele es sich um einen zulässigen Klageantrag, da das Schreiben vom 28.4.2021 einen Verwaltungsakt darstelle. Das Schreiben habe Vorlage- und Auskunftsersuchen gemäß §§ 93 und 97 AO enthalten. Auch der Hilfsantrag sei zulässig, da die Feststellung eines Rechtsverhältnisses i.S.d. § 41 der Finanzgerichtsordnung ‒ FGO ‒ begehrt werde, nämlich die Beantwortung der aus dem Rechtsverhältnis entstehenden Rechtsfrage, ob der Beklagte seine Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses verletzt habe. Der Klägerin sei auch ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 41 FGO zuzugestehen, da es ihr u.a. um eine Genugtuung im Hinblick auf die Verletzung des Steuergeheimnisses gehe. Die Feststellungsklage sei nicht subsidiär, da die Verletzung des Steuergeheimnisses ihrer Natur nach nicht rückgängig gemacht werden könne. Im Übrigen würde die begehrte Feststellung im Obsiegensfalle der Klägerin eine „Vielzahl“ von Klagen gegen Einkommensteuer-, Umsatzsteuer-, Gewerbesteuermess- und Feststellungsbescheide ersparen.
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Die Klage sei auch begründet, da der Verstoß gegen § 30 AO entweder zur Nichtigkeit des Schreibens vom 28.4.2021 oder zur Unverwertbarkeit der sich aus diesem Schreiben ergebenden Erkenntnisse führen müsse, was im Ergebnis gleich sei. Zweifelsfrei sei der Briefumschlag bei der Klägerin unverschlossen angekommen. Dies ergebe sich auch aus der vom Beklagten vorgenommenen Meldung des Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung ‒ DSGVO ‒ an den Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit ‒ BfDI ‒ vom xx.xx.2021. Der Beklagte habe in dieser Meldung mitgeteilt, dass das fragliche Schreiben durch einen Fehler im Finanzamt unverschlossen versendet worden sei. Für eine Offenbarung geschützter Daten i.S.d. § 30 Abs. 2 AO genüge es, wenn die Daten Dritten bekannt werden könnten. Eine tatsächliche Kenntnisnahme Dritter sei nicht erforderlich. Auch ein Offenbarungswille werde nicht vorausgesetzt, sodass die Verletzung des Steuergeheimnisses auch fahrlässig begangen werden könne. Der Verstoß gegen das Steuergeheimnis führe zu einem Verwertungsverbot. Auch das FG Köln habe mit Urteil vom 13.12.2017 2 K 837/17 entschieden, dass die Bekanntgabe von Verwaltungsakten, die unter Verletzung des Steuergeheimnisses erfolgt sei, als unwirksam anzusehen sein dürfte.
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Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, die Prüferin habe die fraglichen Feststellungen bereits vor Versand des streitgegenständlichen Schreibens vom 28.4.2021 getroffen. Der Verstoß gegen das Steuergeheimnis wiege so schwer, dass es auf die Art der Erlangung der Erkenntnisse nicht mehr ankomme.
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Die Klägerin beantragt wörtlich,
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festzustellen, dass das im Rahmen der bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung verfasste und versandte Schreiben des Beklagten vom 28.4.2021 und somit der gesamte Inhalt dieses Schreibens nichtig ist,
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hilfsweise,
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festzustellen, dass der Beklagte mit der Versendung seines Schreibens vom 28.4.2021 in einem unverschlossenen Briefumschlag gegenüber der Klägerin gegen das Steuergeheimnis verstoßen hat, ferner, dass die im Rahmen der von dem Beklagten bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung für den Veranlagungszeitraum 2016 bis 2018 gewonnenen Ergebnisse und Feststellungen einem absoluten Verwertungsverbot unterliegen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung und erklärt, es sei nicht unstreitig, dass das Schreiben vom 28.4.2021 in einem unverschlossenen Umschlag versandt worden sei. Die Darstellung der Klägerin werde bestritten.
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Im Übrigen liege eine Verletzung des Steuergeheimnisses nicht vor. Die Absendung von Briefen erfolge nicht durch die Betriebsprüferin, sondern durch eine behördeninterne Poststelle. Briefe würden maschinell verklebt und frankiert. Der Vorgang könne im Nachhinein nicht mehr überprüft werden. In dem maschinellen Verkleben und Frankieren von Briefen könne keine Verletzung des Steuergeheimnisses gesehen werden. Eine Verletzung des Steuergeheimnisses setze zudem den tatsächlichen Zugriff auf die Daten voraus. Eine Kenntnisnahme der Daten durch Dritte habe die Klägerin aber nicht vorgetragen.
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Der Berichterstatter des Senats hat am 2.5.2022 einen Erörterungstermin durchgeführt. In dem Erörterungstermin hat die Klägerin den Briefumschlag, in welchem sie das Schreiben vom 28.4.2021 erhalten hat, im Original vorgelegt und am Ende des Termins auf eigenen Wunsch wieder ausgehändigt bekommen. Der Berichterstatter des Senats hat den Briefumschlag in Augenschein genommen.
34
Der Senat hat am 14.9.2022 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat keinen Erfolg.
37
Die hinsichtlich des Hauptantrags der Klägerin eingetretene Klageänderung ist gemäß § 67 Abs. 1, 1. Halbsatz FGO zulässig. Nach dieser Vorschrift ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Der Hauptantrag der vorliegenden Klage war nach der Klagebegründung vom 27.1.2022 als Klage auf Verpflichtung des Beklagten zum Erlass eines Bescheids über die Feststellung der Nichtigkeit gemäß § 125 Abs. 5 AO formuliert. Nach Umstellung der Klageanträge im Schriftsatz vom 22.6.2022 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 14.9.2022 beantragt die Klägerin mit ihrem Hauptantrag nun die Feststellung, dass das Schreiben des Beklagten vom 28.4.2021 nichtig sei. Die Änderung der Verpflichtungsklage in eine Nichtigkeitsfeststellungsklage ist sachdienlich gemäß § 67 Abs. 1, 1. Halbsatz FGO.
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Die Klage ist mit ihrem Haupt- und ihrem Hilfsantrag unzulässig.
39
I. Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag auf Feststellung, dass das im Rahmen der bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung verfasste und versandte Schreiben des Beklagten vom 28.4.2021 und somit der gesamte Inhalt dieses Schreibens nichtig ist, unzulässig.
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Gem. § 41 Abs. 1 FGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
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Die von der Klägerin mit ihrem Hauptantrag verfolgte Nichtigkeitsfeststellungsklage gem. § 41 Abs. 1, 2. Alt. FGO ist nicht statthaft. Sie setzt einen Verwaltungsakt voraus. Daran fehlt es im Streitfall. Bei dem Schreiben des Beklagten vom 28.4.2021 handelt es sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um einen Verwaltungsakt.
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1. Verwaltungsakt ist gem. § 118 Satz 1 AO jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Außenprüfungen stellen nicht in ihrer Gesamtheit einen Verwaltungsakt dar. Vielmehr können einzelne Maßnahmen im Ablauf der Außenprüfung als Verwaltungsakt anzusehen sein. Das maßgebliche Kriterium hierfür ist der Reglungscharakter der Maßnahme. Dabei sind reine Hilfs- und Vorbereitungsmaßnahmen ohne Regelungscharakter von Verwaltungsakten abzugrenzen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‒ BFH ‒ vom 28.9.2011 VIII R 8/09, Sammlung der Entscheidungen des BFH ‒ BFHE ‒ 235, 298, Bundessteuerblatt ‒ BStBl ‒ II 2012, 395, Rz. 33).
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Als Verwaltungsakt ist stets die Prüfungsanordnung gem. § 196 AO zu charakterisieren, wobei genauer für jede zu prüfende Steuer und jeden Besteuerungszeitraum ein eigenständiger Verwaltungsakt vorliegt (BFH-Urteil vom 19.3.2009 IV R 26/08, BFH/NV 2009, 1405, Rz. 37, 41). Das Abfassen des Prüfungsberichts ist demgegenüber kein Verwaltungsakt, da es sich lediglich um eine behördeninterne Mitteilung ohne Rechtswirkung nach außen handelt (BFH-Urteil vom 8.8.2001 II R 18/01, juris; BFH-Beschluss vom 22.5.2003 III B 108/02, juris). Differenzierter zu sehen ist die Abgrenzung bei Vorlage- und Auskunftsersuchen, die der Vorbereitung des Prüfungsberichts dienen.
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Gem. § 200 Abs. 1 Satz 1 AO hat der Steuerpflichtige bei der Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein können, mitzuwirken. Bestimmte Arten von Mitwirkungsverlangen ‒ die im Streitfall allerdings nicht vorliegen ‒ hat die Rechtsprechung stets als Verwaltungsakt qualifiziert, so etwa die Aufforderung, dem Prüfer Einsicht in die gespeicherten Daten zu gewähren oder das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung nutzen zu können (BFH-Urteil vom 8.4.2008 VIII R 61/06, BFHE 220, 313, BStBl II 2009, 579, Rz. 27). Zudem sah die frühere Rechtsprechung des BFH bereits in jeder Aufforderung, bestimmte Unterlagen zu Prüfungszwecken vorzulegen, einen Verwaltungsakt (BFH-Urteil vom 14.8.1985 I R 188/82, BFHE 144, 329, BStBl II 1986, 2, Rz. 10; ähnlich noch Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 200 Rz. 17). Nach der neueren Rechtsprechung des BFH sind bloße Vorlage- und Auskunftsersuchen demgegenüber im Regelfall kein Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO, solange sie nicht mit der Androhung von Zwangsmitteln verbunden werden und nicht erzwingbar sind (BFH-Urteile vom 10.11.1998 VIII R 3/98, BFHE 187, 386, BStBl II 1999, 199, Rz. 12 m.w.N.; vom 28.9.2011 VIII R 8/09, BStBl II 2012, 395, Rz. 33). Die neuere Rechtsprechung betrachtet die Erzwingbarkeit nach den §§ 328 ff. AO als das für die Unterscheidung zwischen bloßer Vorbereitungshandlung und Verwaltungsakt maßgebliche Kriterium (BFH-Urteile vom 20.4.1988 I R 67/84, BFHE 154, 5, BStBl II 1988, 927, Rz. 17; vom 10.11.1998 VIII R 3/98, BFHE 187, 386, BStBl II 1999, 199, Rz. 12; vom 28.10.2009 VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455, Rz. 16; vom 28.9.2011 VIII R 8/09, BStBl II 2012, 395, Rz. 33; vom 16.11.2011 X R 18/09, BFHE 235, 452, BStBl II 2012, 129, Rz. 18; FG Düsseldorf, Urteil vom 4.4.2017 6 K 1128/15 AO, EFG 2017, 1052, Rz. 26; ebenso Rüsken in Klein, AO, 15. Auflage, § 200 Rz. 6; vgl. auch Hannig in BeckOK AO, § 200 Rz. 12). Ohne Erzwingbarkeit handelt es sich um vorbereitende Maßnahmen, die der Ermittlung des Sachverhalts im Rahmen einer Außenprüfung gem. § 194 AO dienen (BFH-Urteil vom 10.11.1998 VIII R 3/98, BFHE 187, 386, BStBl II 1999, 199, Rz. 12).
45
Teilweise grenzt die Rechtsprechung auch danach ab, ob ein Aufklärungsverlangen der Ermittlung steuermindernder Umstände dient, für die der Steuerpflichtige feststellungsbelastet ist. In diesem Fall liege mangels Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung kein Verwaltungsakt vor (BFH-Urteile vom 12.9.1985 VIII R 371/83, BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537; vom 20.4.1988 I R 67/84, BFHE 154, 5, BStBl II 1988, 927 zum Verlangen nach Empfängerbenennung gem. § 160 AO; vom 10.11.1998 VIII R 3/98, BFHE 187, 386, BStBl II 1999, 199, Rz. 13).
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Darüber hinaus wird im Schrifttum teilweise danach abgegrenzt, ob die Maßnahme auf eine über die allgemeine Duldungspflicht hinausgehende konkrete Rechtsfolge gerichtet ist (dann Verwaltungsakt: Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 200 AO Rz. 6) oder ob die Aufforderung aus Sicht des Steuerpflichtigen als rechtlich verbindliche Regelung zu verstehen ist (Intemann in Koenig, AO, 4. Auflage, § 200 Rz. 8). Von Bedeutung für die Abgrenzung soll zudem das Vorliegen einer Rechtsbehelfsbelehrung sein, welches auf einen Regelungswillen der Finanzbehörde hindeuten könne (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 200 AO Rz. 6).
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2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt das Schreiben vom 28.4.2021 keinen Verwaltungsakt dar.
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Bei dem Schreiben vom 28.4.2021 handelt es sich nicht um die Prüfungsanordnung, denn die Prüfung wurde am 9.6.2020 und 9.8.2020 angeordnet. Vielmehr handelt es sich um ein Schreiben während der laufenden Betriebsprüfung zur Vorbereitung des Prüfungsberichts, dem kein Regelungscharakter i.S.d. § 118 Satz 1 AO zukommt.
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Ein Regelungscharakter fehlt bereits von vornherein hinsichtlich derjenigen Teile des Schreibens vom 28.4.2021, welche lediglich Sachverhaltsdarstellungen und rechtliche Hinweise der Prüferin enthalten. Rechtliche Hinweise sind keine Regelungen i.S.d. § 118 Satz 1 AO, da hierdurch der Sachverhalt nicht abschließend geregelt wird, sondern in Aussicht gestellt wird, in welcher Weise eine rechtliche Beurteilung zu erwarten sein könnte. So fasste die Prüferin in dem Schreiben vom 28.4.2021 über weite Teile ihre bis dahin gefundenen Erkenntnisse aus der Betriebsprüfung zusammen und ging im Einzelnen u.a. auf die Provisionen für 2017 und 2018 ein. Zu der Entschädigung i.H.v. 62.000 € teilte sie mit, für die steuerliche Überprüfung der Schadensersatzzahlung sei der gesamte von der Klägerin vorgelegte Schriftverkehr gewürdigt worden. Die von der Klägerin vertretene Auffassung, dass es sich bei der Entschädigungszahlung nicht um einen steuerbaren Vorgang handele, teile sie nicht. Außerdem teilte die Prüferin mit, die von der Klägerin gebuchten Fahrzeugkosten seien nicht zu beanstanden und die vorgelegten Fahrtenbücher würden anerkannt. Allerdings seien Kürzungen der Betriebsausgaben für den Pkw vorzunehmen. Zudem teilte die Prüferin mit, die Aufwendungen für privat und betrieblich genutzte Büroflächen seien mit einem betrieblichen Anteil von 31,82 % zu berücksichtigen. Bei allen diesen Mitteilungen handelt es sich nicht um Regelungen, sondern um rechtliche Hinweise. Dies ist gerade auch vor dem Hintergrund bedeutsam, dass sich die Klägerin in der Sache mit ihrem Einspruch gegen die Steueränderungsbescheide vom 21.1.2022 im Wesentlichen lediglich gegen den Ansatz der Schadensersatzzahlung als steuerbare Einnahme gewandt hat, das Schreiben vom 28.4.2021 zu diesem Streitpunkt aber nur rechtliche Hinweise enthält.
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Ebenfalls keinen Regelungscharakter i.S.d. § 118 Satz 1 AO stellen die Bitten der Prüferin dar, die Klägerin möge hinsichtlich der Grundstücksaufwendungen einen Darlehensvertrag zu der Kontonummer 111 1111 111 bei der Sparkasse ... einreichen, die betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen erläutern und mitteilen, ob es für eine „Büro-Wohnung“ eigene Zähler für Strom und Wasser gebe. Diese Bitten enthalten Vorlage- und Auskunftsersuchen. Sie waren aber nicht mit der Androhung von Zwangsmitteln verbundenen und waren auch nicht erzwingbar. Für eine Erzwingbarkeit nach den §§ 328 ff. AO enthält das Schreiben vom 28.4.2021 keine Anhaltspunkte. Die Bitten um Einreichung des Darlehensvertrags, der Erläuterung der Schuldzinsen und der Mitteilung zu den Strom- und Wasserzählern stellen lediglich Vorbereitungshandlungen für den Prüfungsbericht dar, welchen die Prüferin sodann am 29.9.2021 verfasste. Da die vorgenannten Bitten ausschließlich steuermindernde Umstände betrafen, für welche die Klägerin darlegungs- und feststellungsbelastet ist, liegt auch nach der vom BFH teilweise angewandten Abgrenzung zwischen steuermindernden und steuererhöhenden Umständen kein Verwaltungsakt vor.
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Auch unter Berücksichtigung des früheren Schriftwechsels zwischen der Prüferin und der Klägerin, welcher in dem Schreiben vom 28.4.2021 mündete, kann dieses Schreiben nicht als Verwaltungsakt angesehen werden. So bat die Prüferin bereits mit Schreiben vom 23.11.2020 u.a., eine Spendenbescheinigung einzureichen, die Anlagenverzeichnisse für ihre drei Betriebe vorzulegen, bei dem Einzelunternehmen als Maklerin zu einzelnen Betriebsausgaben Erläuterungen, Berechnungsgrundlagen und Unterlagen vorzulegen, zu dem weiteren Einzelunternehmen Aufzeichnungen zum Fahrtenbuch vorzulegen und nähere Erläuterungen zu geben sowie zu dem dritten Einzelunternehmen die Zinsaufwendungen zu erläutern. Außerdem bat die Prüferin, zukünftig Belege zu kontieren, die Entnahmen und Einlagen für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG zu ermitteln, die Aufteilung der Kosten für die Instandhaltung betrieblicher Räume zwischen den drei Einzelunternehmen zu erläutern und die Aufteilung der Nebenkosten für das Grundstück E-Straße 01 zu erklären. Alle diese Bitten waren jedoch nicht mit der Androhung von Zwangsmitteln verbundenen und waren nach dem Inhalt des Schreibens auch nicht erzwingbar. Ebenso enthielt das Schreiben der Prüferin vom 25.1.2021 keine Anhaltspunkte für eine Erzwingbarkeit, sondern lediglich ausführliche Hinweise der Prüferin zu der rechtlichen Qualifikation der von der Klägerin vereinnahmten Schadensersatzzahlung. Nachdem die Klägerin und ihr Steuerberater auf diese beiden Schreiben der Prüferin geantwortet hatten mit Schreiben vom 2.2.2021 und 3.2.2021, nahm die Prüferin sodann unter Bezugnahme auf die beiden genannten Antwortschreiben Stellung mit dem streitgegenständlichen Schreiben vom 28.4.2021. Aus dem Zusammenhang, in welchem dieses streitgegenständliche Schreiben zu sehen ist, folgt, dass eine Androhung von Zwangsmitteln oder eine Erzwingbarkeit der darin enthaltenen Bitten nicht erkennbar ist.
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Schließlich liegt auch unter Berücksichtigung der oben zitierten, im Schrifttum vertretenen Auffassungen kein Verwaltungsakt vor. Der Senat kann daher offen lassen, ob er sich diesen ‒ von der BFH-Rechtsprechung abweichenden ‒ Auffassungen anschließen könnte. Denn dem Schreiben vom 28.4.2021 war weder zu entnehmen, dass die darin ausgesprochenen Bitten auf eine konkrete Rechtsfolge gerichtet, noch, dass sie als eine rechtlich verbindliche Regelung zu verstehen waren. Zudem enthielt das Schreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung.
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II. Die Klage ist auch mit ihrem Hilfsantrag auf Feststellung, dass der Beklagte mit der Versendung seines Schreibens vom 28.4.2021 in einem unverschlossenen Briefumschlag gegenüber der Klägerin gegen das Steuergeheimnis verstoßen hat, ferner, dass die im Rahmen der von dem Beklagten bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung für den Veranlagungszeitraum 2016 bis 2018 gewonnenen Ergebnisse und Feststellungen einem absoluten Verwertungsverbot unterliegen, unzulässig.
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Die Feststellungsklage ist unzulässig, da die Klage subsidiär ist. Gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt gemäß § 41 Abs. 2 Satz 2 FGO nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
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Im Streitfall kann das Klagebegehren durch eine Gestaltungsklage verfolgt werden. Die bereits erlassenen Änderungsbescheide vom 21.1.2022 können nämlich angefochten werden. Die Klägerin hat gegen diese Bescheide Einspruch eingelegt. Nach Durchführung des Einspruchsverfahrens steht der Klägerin das gerichtliche Verfahren offen. Bei der dann zu erhebenden Anfechtungsklage handelt es sich um eine Gestaltungsklage im Sinne des § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO.
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Im Rahmen der Anfechtung der Änderungsbescheide sind diese Bescheide in vollem Umfang auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, wozu auch die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens gehört. Daher ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob Erkenntnisse aus der Betriebsprüfung aufgrund eines absoluten Verwertungsverbots nicht verwertbar sind, weil der Beklagte gegenüber der Klägerin gegen das Steuergeheimnis verstoßen haben könnte. Im Rahmen des Verfahrens über die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide hat der Senat mit Beschluss vom 22.6.2022 13 V 731/22 E hierzu bereits vorläufig Stellung genommen (unter II.2.b, bb (1) der Gründe).
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Die Klägerin kann daher nicht mit Erfolg vortragen, die Feststellungsklage sei nicht subsidiär, da die Verletzung des Steuergeheimnisses ihrer Natur nach nicht rückgängig gemacht werden könne, und die begehrte Feststellung erspare ihr im Obsiegensfalle eine „Vielzahl“ von Klagen gegen Einkommensteuer-, Umsatzsteuer-, Gewerbesteuermess- und Feststellungsbescheide. Da die Klägerin selbst erkennt, dass die nach ihrer Auffassung vorliegende Verletzung des Steuergeheimnisses nicht rückgängig gemacht werden kann, erschließt sich nicht, warum sie meint, die Feststellungsklage sei vorrangig gegenüber der Gestaltungsklage. Auch das Argument, dass eine „Vielzahl“ von Klagen erspart werde, überzeugt nicht. Die FGO sieht aufgrund des Vorbehalts der Subsidiarität der Feststellungsklage lediglich den Weg der Gestaltungsklage vor, hier der Anfechtungsklage. Wegen der Möglichkeit der objektiven Klagehäufung gemäß § 43 FGO erschließt sich zudem nicht, warum es zu einer „Vielzahl“ von Klagen kommen sollte.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.