07.11.2023 · IWW-Abrufnummer 238140
Oberlandesgericht Bamberg: Urteil vom 31.07.2023 – 2 U 38/22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Bamberg
In dem Rechtsstreit
A
als Insolvenzverwalter über das Vermögen der B GmbH
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
C
als Insolvenzverwalter über das Vermögen der D GmbH
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
Urteil
Gründe
Die Parteien streiten über Ansprüche wegen Pflichtverletzung aus einem Sanierungsberatervertrag.
1. Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der B GmbH (im Folgenden B). Diese gehörte zusammen mit der X GmbH und der Y GmbH zur X-Firmengruppe (nachfolgend X). Geschäftsführer der B war Herr H.
Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der D GmbH (nachfolgend D). Diese beriet kleine und mittlere Unternehmen in Krisensituationen.
Im Frühjahr 2013 befand sich die X in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Auf Initiative eines Kreditgebers (U Bank AG, vormals V Bank AG, nachfolgend bezeichnet als V) sollten die wirtschaftlichen Fortführungsmöglichkeiten der X durch eine externe Begutachtung festgestellt werden. Hierzu legte die D am 25.04.2013 zunächst eine "Projektskizze" vor (Anlage K2) betreffend die Erstellung eines Sanierungsgutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard (Stand 04.10.2012). Auf der letzten Seite der Projektskizze befindet sich unmittelbar über den Unterschriften folgende Bestimmung:
Die D erbringt keine Rechts- oder Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsleistungen. Sie wird alles unternehmen, um die beschriebenen Aufgaben erfolgreich zu erfüllen und haftet für vorsätzliche und grobe Fahrlässigkeit ihrer Berater für Vermögensschäden bis zu einer Höhe von 1 Mio. EUR. Die D verpflichtet sich, alle Informationen über den Auftraggeber und dessen Unternehmen, von denen die Berater im Rahmen des Projekts Kenntnis erhalten, streng vertraulich zu behandeln.
Die B beauftragte die D daraufhin am 06.05.2013 mit der Erstellung eines Sanierungsgutachtens entsprechend dem in der Projektskizze vom 25.04.2013 beschriebenen Auftragsumfang. Durch die Gutachterin wurde am 06.06.2013 eine Fortbestehensprognose bereitgestellt und am 29.07.2013 eine abschließende Fortführungsprognose für die X vorgelegt (Anlage K 3). In dieser kam die D zu dem Ergebnis, dass eine drohende Zahlungsunfähigkeit aufgrund einer Liquiditätslücke von 1,3 Mio. € nur durch Sanierungsbeiträge der wirtschaftlich an der X Beteiligten verhindert werden könne. Dabei handelte es sich in erster Linie um die VM GmbH (nachfolgend VM) mit ihrem Geschäftsführer Herrn O und die V als Kreditgeber. In Verbindung mit weiteren empfohlenen Umstrukturierungsmaßnahmen kam die D zu dem Schluss, dass bei entsprechender Prolongation und Ausweitung des Engagements der Stakeholder eine positive Fortführungsprognose für die X gestellt werden konnte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 29.07.2013 verwiesen.
Nachdem trotz längerer Verhandlungen eine Einigung über die Verlängerung bzw. Ausweitung der Engagements der VM und der V bis Ende Februar 2014 nicht erreicht werden konnte, wurde aufgrund Eigenantrags der B vom 13.03.2014 mit Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Neubrandenburg vom 16.04.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögend der B eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit nicht datiertem schriftlichem Vertrag (Anlage K4) trat der Geschäftsführer der B sämtliche Freistellungs-, Regress- und sonstigen Ansprüche gegen die D, die ihm gegen diese aufgrund seiner insolvenzrechtlichen Inanspruchnahme als Geschäftsführer zustehen, an den Kläger ab. Diese Ansprüche aus abgetretenem Recht bilden den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
2. Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass der Geschäftsführer H gemäß § 64 Satz 1 GmbHG a.F. zum Ersatz masseschmälernder Zahlungen verpflichtet sei, welche die B in den Monaten Januar und Februar 2014 geleistet habe, da die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Aus den vorgelegten Zahlungseingängen und Kontoauszügen der B für diesen Zeitraum (Anlage K5, K6) ergebe sich, dass auf einem stets im Soll geführten Debetkonto der Gesellschaft Zahlungsgutschriften in Höhe von 422.214,34 Euro eingegangen seien, die dann sofort im Kontokorrent verrechnet worden seien. Tatsächlich sei die Zahlungsunfähigkeit der B bereits seit dem 01.11.2009 gegeben gewesen. Dem Geschäftsführer H stehe ein Anspruch auf Haftungsfreistellung gegen die D aus dem Sanierungsberatungsvertrag vom 06.05.2013 zu. Die D habe es versäumt, auf die Insolvenzreife der B hinzuweisen, obwohl sie hierzu bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard verpflichtet gewesen sei. Der Vertrag über das Sanierungsgutachten entfalte Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers, da er über § 64 GmbHG a.F. von der zu prüfenden Insolvenzreife in gleicher Weise betroffen sei wie die Gesellschaft selbst. Dieses sei der D auch bekannt gewesen. Hätte die D den Geschäftsführer H auf die Zahlungsunfähigkeit der B und damit den Eintritt der Insolvenzreife hingewiesen, hätte dieser umgehend einen Insolvenzantrag für die Gesellschaft gestellt, so dass kein weiterer Schaden entstanden wäre. Eine etwaige Untätigkeit des Geschäftsführers trotz von ihm erkannter drohender Zahlungsunfähigkeit der B stehe einer Haftung der D nicht entgegen, da sich verschiedene Verursachungsbeiträge nicht gegenseitig ausschlössen. Auch scheide insoweit ein zu berücksichtigendes Mitverschulden des Geschäftsführers aus, da dieser bei Fortführung der Geschäfte lediglich der Empfehlung der D als Gutachterin mit überlegener Sachkenntnis gefolgt sei. Die in der Projektskizze vom 25.04.2013 enthaltene Haftungsbeschränkung zugunsten der D sei unwirksam. Dies ergebe sich zumindest aus der unzulässigen Freizeichnung von der Erfüllung zentraler vertraglicher Pflichten, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 422.214,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die D bei der Erstellung des Sanierungsgutachtens keine vertraglichen Pflichten verletzt habe. Eine Insolvenzreife habe zum Zeitpunkt der Erstellung der Fortführungsprognose nicht vorgelegen, auf die drohende Zahlungsunfähigkeit und den hohen Liquiditätsbedarf sei deutlich hingewiesen worden. Zudem sei bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard keine Prüfung der Insolvenzreife des Unternehmens geschuldet. Es sei bereits in der Projektskizze darauf hingewiesen worden, dass die D keine Rechtsberatungsleistungen erbringe. Diese habe die D als reine Unternehmensberatungsgesellschaft auch rechtlich nicht erbringen dürfen. Der Sanierungsberatungsvertrag entfalte ferner keine Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers. Der Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, dass es jedenfalls am Kausalzusammenhang zwischen einem möglichen Beratungsfehler der D in Verbindung mit der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 und einem erst ab Januar 2014 vermeintlich eingetretenen Schaden fehle. Ein zeitlicher Zusammenhang sei nicht erkennbar. Überdies träfen den Geschäftsführer eigenständig Prüfungspflichten hinsichtlich der finanziellen Situation der Gesellschaft. Der Geschäftsführer H habe jedoch trotz auch von der D vermittelter Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit keine Schritte zur - von der D nicht geschuldeten - Prüfung der Insolvenzreife unternommen. Ihn treffe daher zumindest ein anspruchsausschließendes Mitverschulden. Die entsprechend der Projektskizze vereinbarte Haftungsbeschränkung der D sei wirksam.
3. Mit am 19.07.2022 verkündetem Endurteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es bereits an einer Einbeziehung des Geschäftsführers H in den Schutzbereich des zwischen der D und der B geschlossenen Beratungsvertrages fehle. Die vertraglich geschuldete Fortbestehens- und Fortführungsprognose habe allein den wirtschaftlichen Interessen der B gedient. Eine weitergehende Beratungspflicht in insolvenzrechtlichen Fragen sowie hinsichtlich Handlungsoptionen des Geschäftsführers habe nicht bestanden. Insoweit träfen den Geschäftsführer eigene originäre Pflichten. Die D habe zudem als reine Sanierungsberaterin keine Hinweise auf eine etwaige Insolvenzantragspflicht oder eine mögliche Haftung des Geschäftsführers nach § 64 GmbHG a.F. geben dürfen, da dies eine unzulässige Rechtsberatung nach § 3 RDG dargestellt hätte. In der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 sei die Zahlungsunfähigkeit überdies thematisiert worden, so dass eine Pflichtverletzung der D nicht erkennbar sei. Nachdem der Geschäftsführer zur eigenständigen Prüfung der Überschuldung der Gesellschaft verpflichtet sei, fehle es an dem erforderlichen Kausal- und Zurechnungszusammenhang der behaupteten Pflichtverletzung. Einen Schadenseintritt habe der Kläger nicht hinreichend dargelegt.
4. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Das Landgericht habe nach seiner Auffassung die Pflichten des Sanierungsgutachters bei der Beauftragung einer Leistung nach dem IDW S6 Standard verkannt. Geschuldet sei danach der Hinweis auf eine eingetretene Überschuldung und Insolvenzreife. Dieses stelle als zulässige Nebendienstleistung nach § 5 RDG keine unerlaubte Rechtsberatung dar. Ein Hinweis auf die Insolvenzantragspflicht sei durch die D unstreitig nicht erfolgt. Die Fortführungsprognose vom 29.07.2013 habe keine ernsthaften Zweifel an der Sanierungsfähigkeit der B aufkommen lassen, was bei tatsächlich bestehender Insolvenzreife eine Pflichtverletzung darstelle. Der Geschäftsführer der D habe in einer Zeugenaussage in einem Parallelverfahren (92 O 5/19 LG Würzburg) erklärt, dass während der Tätigkeit der D stets von Zahlungsfähigkeit ausgegangen worden sei, da andernfalls die Gutachtertätigkeit sofort hätte beendet werden müssen. Die Einbeziehung des Geschäftsführers der sanierungsbedürftigen Gesellschaft sei für die Fälle des Sanierungsberatungsvertrags nach IDW S6 Standard in der Rechtsprechung anerkannt. Die Kausalität der Pflichtverletzung der D für den eingetretenen Schaden werde durch eine eventuelle eigene Pflichtverletzung des Geschäftsführers H nicht ausgeschlossen. Ein Mitverschulden des Geschäftsführers sei zudem nicht anspruchsausschließend oder kürzend zu berücksichtigen. Dieser habe darauf vertraut, dass aufgrund der positiven Fortführungsprognose durch den Sanierungsberater keine Insolvenzantragspflicht bestanden habe. Aufgrund der fehlenden persönlichen Fachkenntnisse des Geschäftsführers in insolvenzrechtlichen Belangen bei überlegener Sachkunde des Sanierungsberaters trete ein etwaiges Mitverschulden zurück, sei aber allenfalls mit 20 % anzusetzen. Die von der D verwendete Haftungsbeschränkung sei nach AGB-Grundsätzen unwirksam.
Der Kläger beantragt:
1.
Das Urteil des LG Würzburg, das auf den 12.07.2022 datiert, zum Az. 61 O 16/19 wird abgeändert.
2.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 422.214,34 € nebst Zinsen hieraus iHv fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
3.
Hilfsweise wird beantragt, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Weiterhin beantragt er,
dem Beklagten für den Fall der Stattgabe der Berufung im Urteil vorzubehalten, den abgetretenen Gegenanspruch des Geschäftsführers H, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den die begünstigte Gesellschaftsgläuberin im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen.
Etwa bestehende Erstattungsansprüche der Masse gegen Dritte sind Zug um Zug an den Beklagten abzutreten.
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter Aufrechterhaltung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Das Landgericht habe zu Recht die Voraussetzung eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hinsichtlich des Geschäftsführers der B verneint. Im auf der Projektskizze vom 27.04.2013 beruhenden Beratungsvertrag zwischen der D und der B seien Rechtsberatungs- und Wirtschaftsprüferleistungen ausdrücklich ausgeschlossen worden. Es sei daher kein Hinweis auf eine Insolvenzantragspflicht geschuldet gewesen. Die Leistungen der D sollten lediglich in Anlehnung an den IDW S6 Standard erbracht werden. Dieser habe rechtlich keine bindende Wirkung. Nachdem jedoch das Leistungsspektrum des Beratungsvertrags bereits zwischen den Vertragsparteien abschließend vereinbart worden sei, komme eine ergänzende Heranziehung der Leistungsbestimmung nach IDW S6 nicht in Betracht. Dieses entspreche der Rechtsprechung des OLG Frankfurt ( Urteil v. 29.03.2019, Az. 8 U 218/17) wie auch einem Hinweisbeschluss des 4. Senats des OLG Bamberg vom 16.12.2022 (Az. 4 U 179/22). Die D habe zudem ihre vertraglichen Pflichten nicht verletzt, da in dem Gutachten vom 29.07.2013 mit hinreichender Deutlichkeit auf eine drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit hingewiesen worden sei. Die drohende Zahlungsunfähigkeit sei auch den Vertretern der X bekannt gewesen. So habe der Geschäftsführer K der Y GmbH in seiner Vernehmung in einem Parallelverfahren (Anlage BK1) angegeben, dass mit den von der D vorgeschlagenen Maßnahmen die Deckungslücke von 1,3 Mio € und damit der Grund der Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden sollte. Auch sei dem Zeugen die dreiwöchige Frist zur Insolvenzantragsstellung gemäß § 15a InsO bekannt gewesen. In einem Verfahren des Klägers gegen die D sei mit Urteil des OLG Bamberg vom 10.04.2019 (Az. 8 U 34/18) festgestellt worden, dass die Verantwortlichen der X-Gruppe bereits seit Juli 2013 Zahlungen in Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit erbrachten. Aus diesem Grund könne der D nicht ein erst ab Januar 2014 eingetretener Schaden aufgrund der vom Geschäftsführer pflichtwidrig unterlassenen Insolvenzantragsstellung zugerechnet werden. Jedenfalls liege aber ein ganz überwiegendes Mitverschulden des Geschäftsführers vor, da diesem im Januar 2014 bekannt war, dass die im Gutachten vom 29.07.2013 vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen noch nicht umgesetzt worden waren. Im Übrigen sei der vereinbarte Haftungsausschluss wirksam. Insbesondere habe die D nicht unzulässig ihre Haftung für verletzte Hauptleistungspflichten ausgeschlossen, da ein Hinweis auf eingetretene Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzreife vertraglich nicht geschuldet gewesen sei.
Der Senat hat mit Beschluss vom 22.02.2023 die Parteien auf verschiedene rechtlich erhebliche Gesichtspunkte hingewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen (Bl. 187 d.A.). Weiterhin ist Beweis erhoben worden durch zeugenschaftliche Einvernahme des Geschäftsführers der B im Termin vom 17.07.2023. Hinsichtlich der Angaben des Zeugen H wird auf das Protokoll des Termins verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Feststellungen zu gerichtlichem Protokoll Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht unter Berücksichtigung eines anspruchskürzenden Mitverschuldens des Geschäftsführers der B von 50 % ein Zahlungsanspruch in Höhe von 211.107,17 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 611, 675, 398 BGB zu.
1. Mit dem zwischen der B und der D mit Auftragserteilung vom 06.05.2013 geschlossenen Sanierungsberatungsvertrag wurde das vollständige Leistungsspektrum nach dem Standard IDW S6 beauftragt. Eine hiervon abweichende und abschließende Vereinbarung durch die D zu erbringender Leistungen besteht nicht. Entgegen der Auffassung des Beklagten war die D daher auch verpflichtet, die B in einer Form auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinzuweisen, die geeignet war, die verantwortlichen Personen zur Einleitung der insolvenzrechtlich erforderlichen Maßnahmen anzuhalten.
a) Grundlage des Vertrags war die Projektskizze vom 25.04.2013. Bereits in der Überschrift der Projektskizze ist angeführt, dass die Fertigung des Gutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard erfolgt. Auf Seite 4 der Projektskizze ist ausgeführt, dass das Gutachten auf Wunsch des Gläubigers V dem IDW S6 Standard entsprechen soll. Unter Zugrundelegung des IDW S6 Standard (Stand 04.10.2012) ist in jedem Fall durch den Sanierungsgutachter der Hinweis auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit in einer Form geschuldet, die es dem Auftraggeber ermöglicht, die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen. Dieses ergibt sich aus verschiedenen Vorgaben für die Gutachtenserstellung nach IDW S6:
In Rn. 12 IDW S6 wird m Rahmen von 2.1 (Kernanforderungen an Sanierungskonzepte) auf einzuleitende Eilmaßnahmen innerhalb der 3-Wochen-Frist nach § 15a Abs. 1 InsO (i.d.F.v. 01.03.2012 bis 31.12.2020) hingewiesen. Der Sanierungsgutachter hat danach den Eintritt der Insolvenzreife im Zeitraum bis zur Fertigstellung des Gutachtens auszuschließen. Diese im "Kernbereich" getroffenen Feststellungen muss der Gutachter bei Anlass unverzüglich dem Auftraggeber offenlegen, damit dieser bspw. die in Rn. 12 IDW S6 aufgeführten Eilmaßnahmen zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit ergreifen kann. Offenkundige Insolvenzantragspflichten wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung müssen im Zeitraum der Begutachtung bis zur Fertigstellung des Sanierungskonzepts mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen sein.
In Rn. 79, 80 IDW S6 weist bereits der Titel des Abschnitts 3.4.6 "Feststellungen zur Insolvenzreife" eindeutig darauf hin, dass es sich um einen wesentlichen Teil des Prüfungsumfangs des Sanierungsgutachters handelt. In Rn. 79 wird ausdrücklich zwischen drohender und bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit unterschieden, da sich nur bei ersterer die Möglichkeit eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO (mit Wirkung v. 01.03.2012 bis 31.12.2020) eröffnet. Bereits im Rahmen der Fortbestehensprognose sind daher Feststellungen zum Umfang der Zahlungsschwierigkeiten zu treffen, da sich hier verschiedene Reaktionsmöglichkeiten des Auftraggebers ergeben können von Beschaffung frischen Kapitals bis zur erforderlichen Insolvenzantragsstellung. Dieses wird in Rn. 80 nochmals ausdrücklich klargestellt, wenn bestimmt wird: "Ergeben sich ... Hinweise auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung, muss darauf unverzüglich aufmerksam gemacht werden, um den gesetzlichen Vertretern Gelegenheit zu geben, die gesetzlichen Konsequenzen zu ziehen..." (vgl. auch Pape/Ott, Sanierungsgutachten, 1. Aufl., Rn. 703 ff zu den Pflichten des Sanierungsgutachters bei Feststellung der Insolvenzreife). Für den Gutachter selbst gilt, dass er die Begutachtung zu beenden oder zu versagen hat, sobald für ihn erkennbar wird, dass eine Insolvenzantragspflicht bereits vorliegt und dennoch eine außergerichtliche Sanierung noch versucht werden soll (IDW S6 Rn. 80 a.E.).
Der Abschnitt 3.6 behandelt in Rn. 84, 85 IDW S6 die Fortführungsprognose. Diese war Gegenstand des abschließenden Gutachtens vom 29.07.2013. Es sind Feststellungen zu Zahlungsfähigkeit und Überschuldung im Fortführungszeitraum zu treffen. In Rn. 85 wird dabei ausdrücklich auf die insolvenzrechtliche Fortführungsprognose (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO) verwiesen. Für die Steuerberaterhaftung wurde vom Bundesgerichtshof ( Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12) ausdrücklich klargestellt, dass im Gegensatz zu den Pflichten im Rahmen eines allgemeinen Dauermandats des Steuerberaters fehlerhafte oder fehlende Feststellungen im Rahmen einer Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO eine Haftung für hieraus folgende Schäden begründen können.
Nach IDW S6 Rn. 86 ff. hat der Gutachter auch eine handelsrechtliche Fortführungsprognose zu erarbeiten. Eine positive Prognose darf dabei nur gestellt werden, wenn weder die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen noch andere rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten der Fortführung im Prognosezeitraum entgegenstehen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit bzw. drohender Überschuldung müssen geeignete Sanierungsmaßnahmen bereits eingeleitet oder jedenfalls in der Planung hinreichend konkretisiert sein. Ohne eine positive Fortführungsprognose (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) fehlt es an der Sanierungsfähigkeit (vgl. IDW S6 Rn. 11).
b) Einer Heranziehung der Regelungen des IDW S6 Standards steht vorliegend der Vorrang konkreter vertraglicher Bestimmungen nicht entgegen. Einerseits sind zwar entsprechend der Projektskizze nur Leistungen "in Anlehnung an" diesen Standard vereinbart. Allerdings ist unstreitig, dass die V als eigentlicher Initiator der Beauftragung ein Gutachten nach diesem Standard als Entscheidungsgrundlage für die Fortführung ihres Kreditengagements wollte, was so auch in der Projektskizze angeführt wird. Ferner stellt die Projektskizze auch inhaltlich mit dem Verweis auf eine Fortbestehens- und Fortführungsprognose auf zentrale Bestandteile des IDW S6 ab. Andererseits findet sich in den vertraglichen Bestimmungen kein Hinweis auf eine ausdrückliche oder konkludente Einschränkung der nach IDW S6 zu erbringenden Leistungen der D. Die Projektskizze (= Gutachtensvertrag) vom 25.04.2013 (Anlage K2) führt vielmehr unter Ziff. 3, 1. Absatz ausdrücklich aus, dass ein "Sanierungsgutachten" benötigt werde, "das dem IDW S6 Standard entspricht". Der Verweis auf die Nichterbringung von Rechts- und Steuerberaterleistungen ist lediglich allgemeiner Natur und nimmt auf die gesetzlichen Einschränkungen aufgrund der Rechtsform der D und Qualifikation der für sie handelnden Personen Bezug. Die fehlende Befugnis nach § 3 RDG und § 3 StBerG hinderte die D nicht an den zur Erfüllung der Pflichten nach IDW S6 zu treffenden Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der B.
c) Die vom Beklagten herangezogene Entscheidung des OLG Frankfurt ( Urteil v. 29.03.2019, Az. 8 U 218/17), in der dieses die Verpflichtung eines Sanierungsberaters zur Aufklärung über eine bestehende Insolvenzantragspflicht abgelehnt hat, betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt. Der dortigen Beauftragung lag keine umfassende Beauftragung zur Erstellung eines Sanierungsgutachtens mit Fortführungsprognose nach IDW S6 zugrunde, sondern eine abschließende Aufzählung von vierzehn Leistungspunkten. Zudem hatte die Schuldnerin in dem dort entschiedenen Fall weitere Berater mit der Prüfung steuerlicher und rechtlicher Fragen beauftragt. Hingegen bejaht das OLG Köln ( Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/21) in einer mit dem vorliegenden Fall eher vergleichbaren Konstellation (umfassende Beauftragung eines Sanierungsgutachtens nach dem Standard IDW S1) eine Aufklärungspflicht bzgl. eingetretener Insolvenzreife aufgrund der überlegenen Sachkunde des Sanierungsberaters und nimmt zugleich die Einbeziehung der gesetzlichen Vertreter der krisenbefangenen Gesellschaft in den Schutzbereich des Vertrages vor dem Hintergrund der möglichen Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung sowie der persönlichen Haftung des Geschäftsführers an.
d) Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26.01.2017 (Az. IX ZR 285/14) die Hinweispflicht für Steuerberater im Rahmen eines allgemeinen steuerlichen Mandats deutlich verschärft. Die vom Beklagten zitierte (Schriftsatz 27.04.2023, Bl. 255 d.A) ältere Rechtsprechung ( Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12) wurde insoweit ausdrücklich ausgegeben. Danach ist der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Die Frage der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf Sanierungsberater ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Maßgeblich ist insoweit, ob die Bewertungsfrage der positiven Fortführungsprognose nach den Umständen des Einzelfalls zum Gegenstand des Auftrags gemacht worden ist. Soll der Berater sich zur Frage der Insolvenz äußern, steht dies außer Zweifel. Es ist aber davon auszugehen, dass der als Spezialist in der Unternehmenskrise zugezogene Berater typischerweise konkludent damit beauftragt wird, den wirtschaftlich gravierendsten Fall der eingetretenen Insolvenzreife ggfs. zu erforschen und darüber aufzuklären (vgl. Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, Anh. § 60 Rn. 244 m.w.N.). Da vorliegend mit der Vereinbarung des Standards IDW S6 Feststellungen zu den Voraussetzungen der möglichen Insolvenzreife ausdrücklich geschuldet wurden, ist von einer entsprechenden Hinweispflicht der D auszugehen.
2. Eine Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB der D ist gegeben. Sie hat nicht in der vertraglich geschuldeten Form auf eine bei Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit der B hingewiesen.
a) Es kann vorliegend dahinstehen, ob im Anschluss an OLG Köln (Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/12) ein konkreter Hinweis auf die Insolvenzantragspflicht erforderlich ist, wobei § 5 Abs. 1 RDG einen solchen Hinweis als zulässige Nebenleistung im Zuge der Sanierungsberatung rechtlich ermöglichen würde (vgl. BGH, Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12 zur Zulässigkeit beim Steuerberater/Wirtschaftsprüfer; BVerwG, Urteil v. 27.10.2004, Az. 6 C 30/03 zu Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG; Krenzler-Krenzler, RDG, 2. Aufl., § 5 Rn. 105ff m.w.N.). Allerdings weist das Sanierungsgutachten der D vom 29.07.2013 bereits nicht in einer Form auf eine Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens hin, die geeignet ist, die gesetzlichen Vertreter zur Stellung eines Insolvenzantrags zu veranlassen. Vielmehr steht das Gutachten mit einer positiven Fortbestands- und Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO und dem Vorschlag konkreter Sanierungsmaßnahmen außerhalb der Frist des § 15a InsO (a.F.) der Einleitung des Insolvenzverfahrens entgegen. Damit war es nicht geeignet, wie geschuldet die wirtschaftliche Situation des Unternehmens in einer Weise darzustellen, die den Auftraggeber in die Lage versetzt, auch unter Berücksichtigung insolvenzrechtlicher Pflichten entsprechend zu handeln, vgl. Rn. 80 der IDW S6. In einer Gesamtbetrachtung des Gutachtens vom 29.07.2013 ist der Senat der Überzeugung, dass die D tatsächlich von noch bestehender Zahlungsfähigkeit der B ausging und dieses auch dem Auftraggeber so vermittelte. Der Geschäftsführer der D M gab in seiner Zeugenvernehmung vom 21.11.2022 im Verfahren 92 O 5/19 an (Anlage BK 1, Bl. 230 d.A.), dass das Unternehmen Y GmbH als Bestandteil der X im Dezember 2013 noch zahlungsfähig gewesen sei, da 1 Mio. € durch den Verkauf des Milchsammelgeschäfts sowie die Prolongation des Kredits der V zugeflossen sei. Näher erklärt der Zeuge: "Im Januar 2014 hatte die V dann den Kredit ultimativ bis zum 05. März 2014 prolongiert. Jetzt liefen die richtigen Probleme zu. Wenn die Geschäftsführer an dieser Stelle Herrn O unter Druck gesetzt hätten und er hätte nicht geleistet, dann hätten sie Insolvenz anmelden müssen." Zu beachten ist insoweit, dass die D ihre beratende Tätigkeit nach Vorlage der ersten Fortführungsprognose am 29.07.2013 fortsetzte und vom Geschäftsführer H auf Wunsch der V beauftragt wurde, diese zu überarbeiten. Eine zweite Fortführungsprognose sei nach Angaben des Zeugen M nach November 2013 erstellt worden und habe keine Liquiditätsprobleme aufgezeigt.
b) Soweit der Beklagte auf die mehrfachen Hinweise auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit und eine bestehende Liquiditätslücke von 1,3 Mio € in der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 verweist, wovon auch die gesetzlichen Vertreter der B Kenntnis gehabt hätten, führt dieses zu keinem anderen Ergebnis. Eine "drohende" Zahlungsunfähigkeit stellt eine pauschale Darstellung dar, die nicht auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sowie das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 15a InsO verweist. Konkret waren die Beteiligten auf Grundlage der Fortführungsprognose der D offensichtlich zu der Erkenntnis gelangt, dass die Liquidität der B durch die vorläufige Prolongation des Darlehens der V sowie die Einstandsbereitschaft des weiteren Gläubigers VM gegeben war und Eilmaßnahmen bis hin zu einer Insolvenzantragsstellung nicht geboten waren, so dass durch die D im Ergebnis die Fortführung des Unternehmens empfohlen wurde. Auch der Zeuge H als Geschäftsführer der B und damit direkter Adressat des Gutachtens hat in seiner Einvernahme durch den Senat erklärt, dass nach seinem Verständnis das Gutachten eine Fortführung des Unternehmens ohne sofortige Einleitung insolvenzrechtlicher Maßnahmen zum Ergebnis hatte.
Damit liegt - eine zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung bestehende Zahlungsunfähigkeit unterstellt (hierzu nachfolgend II. 1. d) - eine Pflichtverletzung vor. Die D hätte eine (außergerichtliche) Sanierungsfähigkeit mangels positiver Fortführungsprognose ausdrücklich verneinen müssen.
c) Soweit im unstreitigen Tatbestand des angegriffenen Endurteils festgehalten ist, dass an mehreren Stellen im Gutachten explizit auf die Zahlungsunfähigkeit hingewiesen wurde, steht § 314 ZPO nicht entgegen. Aus dem Tatbestand ergibt sich nicht, dass die D mit der erforderlichen und geschuldeten Deutlichkeit auf die Bedeutung des Vorliegens eines Insolvenzgrunds hingewiesen hat. Insoweit kommt es auf das Gesamtergebnis des Gutachtens mit seinen Handlungsempfehlungen an und nicht auf einzelne Aussagen.
d) Nach den getroffenen Feststellungen lag die Zahlungsunfähigkeit und damit Insolvenzreife der B während oder bei Abschluss der Gutachtenserstellung durch die D im Juli 2013 vor.
Insolvenzreife setzt eingetretene Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) voraus. Zahlungsunfähigkeit und nicht nur eine vorübergehende Zahlungsstockung liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen und die Liquiditätslücke auf unter 10?% zurückzuführen (std. Rspr., vgl. BGH, Urteil v. 19.12.2017, Az. II ZR 88/16 m.w.N.).
Der Kläger hat unter Vorlage eines Gutachtens der S. Insolvenz-Steuerberatungsgesellschaft mbH vom 18.12.2014 (Anlage K7) eine Zahlungsunfähigkeit der B seit dem 01.11.2009 dargelegt und Sachverständigenbeweis angeboten (Bl. 6 d.A.). Der Kläger ist daher seiner Darlegungslast unter Beweisantritt nachgekommen. Der Vortrag des Beklagten zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenzreife der B ist hingegen nicht konsistent. Während in der Klageerwiderung vom 10.04.2019 (Bl. 15 d.A.) der Eintritt von Insolvenzreife im Juli 2013 bestritten wurde, wird in der Berufungserwiderung vom 04.10.2022 auf eine von der D im Rahmen der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 festgestellte Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgrund abgestellt (Bl. 171 d.A.). Das pauschale Bestreiten des Beklagten ist ferner unsubstantiiert, nachdem die von ihm vertretene Insolvenzschuldnerin (D) eigene Sachkunde und -kenntnisse besitzt. Grundlage von deren Gutachtertätigkeit waren Feststellungen zur Liquidität und Zahlungsfähigkeit der B auch unter Berücksichtigung der längerfristigen finanziellen Kennzahlen für die Vergangenheit. Es ist dem Beklagten daher ohne weiteres möglich, sich inhaltlich mit dem Vortrag des Klägers zum Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Zahlungsunfähigkeit der B auseinanderzusetzen. Im Übrigen besitzt der Beklagte auch in eigener Person als Insolvenzverwalter die hierfür erforderliche Sachkunde. Die in der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 enthaltenen Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit der B sind nicht geeignet, die Feststellungen im Gutachten in Frage zu stellen, nachdem es an einer konkreten Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der insolvenzrechtlichen Zahlungs(un)fähigkeit fehlt.
3. Der Vertrag zwischen der B und der D über die Erbringung von Leistungen der Sanierungsberatung entfaltet Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers der B (vgl. OLG Köln, a.a.O.; dem Grunde nach für einen Steuerberater auch BGH, Beschluss v. 14.06.2012, Az. IX ZR 145/11). Ein Dritter kann dann in den Schutzbereich vertraglicher Pflichten einbezogen sein, wenn der geschützte Dritte mit der Hauptleistung des Schutzpflichtigen bestimmungsgemäß in Berührung kommt, zu dieser Leistungsnähe ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hinzutritt und dem Schutzpflichtigen die Einbeziehung Dritter in sein vertragliches Haftungsrisiko erkennbar ist. Außerdem muss der Dritte für diese Haftungserstreckung selbst schutzwürdig sein (vgl. BGH, Beschluss v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12; Urteil v. 13.10.2011, Az. IX ZR 193/10).
Die Feststellung der Insolvenzreife eines Unternehmens ist wie dargestellt Hauptleistungspflicht des Sanierungsberatervertrags nach dem Standard IDW S6, mit welcher der Geschäftsführer aufgrund § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. erkennbar in gleicher Weise in Berührung kommt, wie der Auftraggeber selbst (bejahend auch BGH, Beschluss v. 26.01.2023, Az. III ZR 91/22). An einer Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers bestehen aufgrund seiner gegenüber der D unterlegenen Sachkunde sowie der drohenden Konsequenzen einer Verletzung insolvenzrechtlicher Pflichten keine Zweifel. Auch Rn. 80 der IDW S6 geht von der Einbeziehung des gesetzlichen Vertreters in den Schutzbereich des Vertrages aus, da diesem durch eine Information über die (drohende) Zahlungsfähigkeit ausdrücklich die Möglichkeit gegeben werden soll, die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen (bejahend auch Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1201).
4. Gegen den Geschäftsführer der B bestehen aufgrund masseschmälernder Leistungen gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Abs. 1 GmbHG n.F.) Ansprüche in Höhe von 422.214,34 €, die einen als Schaden geltend zu machenden an den Kläger abgetretenen Freistellungsanspruch gegen den Beklagten begründen.
a) Die Darstellung des Schadens durch den Kläger ist schlüssig und vom Beklagten lediglich pauschal bestritten (Bl. 21 d.A.). Die sofortige Sollbuchung sich aus der Anlage K5 ergebender eingehender Zahlungen innerhalb des Kontokorrentkontos stellte sich jeweils als Zahlung der B an die kontoführende U Bank AG entsprechend § 64 GmbHG a.F. dar, die nach Eintritt der Insolvenzreife eine Geschäftsführerhaftung auslöst. Der Einzug von Forderungen einer insolvenzreifen GmbH auf ein debitorisches Konto ist nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich eine masseschmälernde Zahlung im Sinn von § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Satz 1 GmbHG nF), weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Gunsten der Bank geschmälert wird (vgl. nur BGH, Urteil v. 23.06.2015, Az. II ZR 366/13 = BGHZ 206, 52 m.w.N.).
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist eine tatsächlich erfolgte Inanspruchnahme des Geschäftsführers H, der seine Ansprüche gegen die D wirksam an den Kläger abgetreten hat, nicht erforderlich. Die drohende Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. begründete zunächst einen gegen die D gerichteten Freistellungsanspruch des Geschäftsführers H, der sich erst mit der Abtretung an den Kläger in einen Zahlungsanspruch umwandelte (vgl. jurisPK-BGB-Rosch, 10. Aufl., § 399 Rn. 11 m.w.N.).
c) Die im unterlassenen Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit begründete Pflichtverletzung der D war auch kausal für diesen eingetretenen Schaden.
Der Beklagte hat die Kausalität unter Hinweis auf die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten bestritten, die dem Geschäftsführer nach Vorlage der Fortführungsprognose im Juli 2013 offenstanden, dieses auch für den Fall der Insolvenzreife (Klageerwiderung v. 10.04.2019, Bl. 16, 27 d.A.). Ein Anscheinsbeweis für ein beratungsgerechtes Verhaltens besteht nicht, da bei einem Hinweis auf eine Überschuldung der Gesellschaft verschiedene Maßnahmen in Betracht kommen, um eventuell auch eine sofortige Insolvenzantragstellung zu vermeiden, wie etwa die Zuführung frischen Kapitals (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12; Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1241).
Der Kläger hat jedoch den entsprechenden Kausalitätsnachweis geführt. Der Zeuge H als zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichteter Geschäftsführer der B hat nachvollziehbar und glaubwürdig angegeben, dass er mit der Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 sofort die Insolvenz des Unternehmens angemeldet hätte, falls in dem Gutachten auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hingewiesen worden wäre. Dieses hätte er bereits aus Gründen des Eigenschutzes aufgrund der ihm bekannten Geschäftsführerhaftung gemacht.
Der Senat hat keine Zweifel an diesen Angaben des Zeugen. Dafür, dass der Zeuge H trotz ausdrücklicher gutachterlicher Feststellung der Zahlungsunfähigkeit und außergerichtlicher Sanierungsunfähigkeit mangels positiver Fortführungsprognose die zeitnahe Stellung eines Insolvenzantrags unterlassen hätte, sind weder vom Beklagten nachvollziehbare Anhaltspunkte dargelegt worden, noch sind diese sonst ersichtlich. Durch eine Insolvenzantragsstellung zeitnah zur Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 wären die eine Geschäftsführerhaftung begründenden Zahlungen der B im Januar/Februar 2014 nicht erfolgt.
Die Frage der Kenntnis der gesetzlichen Vertreter der B und damit des Zeugen H von deren (drohender) Zahlungsunfähigkeit und der Verpflichtung der gesetzlichen Vertreter zur eigenständigen Prüfung der Voraussetzung nach § 15a InsO ist hingegen für die Kausalität unerheblich. Bei der Feststellung der Kausalität ist lediglich die pflichtwidrige Handlung wegzudenken. Hingegen dürfen weitere hypothetische Umstände nicht hinzugedacht werden dürfen (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, IX ZR 204/12).
5. Der Anspruch des Klägers ist jedoch aufgrund Mitverschuldens des Geschäftsführers der B als Zedenten um 50 % zu kürzen. Die Berufung ist daher zurückzuweisen, soweit ein über 211.107,17 € hinausgehender Anspruch geltend gemacht wird.
Der Schadensersatzanspruch kann aufgrund eines Mitverschuldens des Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12). Den Geschäftsführer einer GmbH trifft die Pflicht, sich stets über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu vergewissern. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Insolvenzreife. Bei Anzeichen einer Krise hat er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Der Geschäftsführer handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 19.06.2012, Az. II ZR 243/11 m.w.N.).
a. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Berater, der seine Vertragspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte verletzt hat, gegenüber dem Ersatzanspruch des Geschädigten regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe deshalb ein Mitverschulden, weil er der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe ( BGH, Urteil v. 07.12.2006, Az. IX ZR 37/04 m.w.N.). Dementsprechend darf sich selbst ein Auftraggeber mit einschlägiger Vorbildung auf eine einwandfreie Vertragserfüllung durch den Berater verlassen ( BGH, Urteil v. 18.12.1997, Az. IX ZR 153/96; Steuerberaterhaftung). Ist der Berater mit der Sanierungsberatung, der Erstellung eines Sanierungskonzepts oder sogar explizit mit der Prüfung der Insolvenzreife beauftragt und erteilt er im Rahmen dessen falsche Auskünfte zur Insolvenzreife, darf der Geschäftsführer in aller Regel auf diesen Rat vertrauen, weil er die (interne) Prüfungspflicht dem mandatierten Berater anvertraut hat. Ein der Gesellschaft zuzurechnendes Mitverschulden der Geschäftsführer für eine verspätete Insolvenzantragsstellung wird in diesen Fällen daher zumeist ausscheiden (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1252 m.w.N.).
Dies gilt zunächst auch im vorliegenden Fall. Da Feststellungen zur Fortführungsfähigkeit der B in Abgrenzung zur Insolvenzreife Hauptleistungspflicht des Beratervertrags der D war, kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass die gesetzlichen Vertreter der B daneben die Insolvenzreife auch eigenständig zu prüfen hatten. Ein Mitverschulden des Geschäftsführers H kann daher nicht damit begründet werden, dass er nach Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 den in diesem enthaltenen Empfehlungen zur Fortführung des Unternehmens folgte, aus denen sich ergab, dass die D nicht von der Insolvenzreife der B ausging.
b. Allerdings kann der Mitverschuldenseinwand auf das weitere Untätigbleiben des Geschäftsführers H bis zur Stellung des Insolvenzantrags am 13.03.2014 gestützt werden. Der Beklagte bezieht sich insoweit auf die Nichtumsetzung der im Gutachten vom 29.07.2013 beschriebenen Maßnahmen. Nachdem eine Umsetzung zeitnah nicht erfolgt sei, habe die B bei bekannter drohender Zahlungsunfähigkeit aufgrund der Liquiditätslücke externen Rechtsrat einholen müssen.
(1) Grundsätzlich kann der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und dem entstandenen Schaden unterbrochen sein, wenn die Verluste nicht auf der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit, sondern auf der Eingehung wirtschaftlich nicht vertretbarer Risiken beruhen. Dieses kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Geschäftsführer die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten haben, weil die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, deutlich überspannt worden ist oder das Verhalten des Geschäftsleiters aus anderen Gründen als unvertretbar gelten muss (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12; Pape/Opp a.a.O., Rn. 1247).
Hiergegen spricht vorliegend, dass in dem Fortführungsgutachten keine konkrete zeitliche Vorgabe für die Umsetzung der Sanierungsvorschläge enthalten war. Neben grundsätzlichen Umstrukturierungsmaßnahmen für die X sollte die Liquiditätsproblematik vor allem durch drei Maßnahmen beseitigt werden - die Veräußerung des Milchsammelgeschäfts für 500.000,00 €, die langfristige Prolongation des Darlehensrahmens der V von 500.000,00 € sowie ein weiteres finanzielles Engagement der VM in Höhe von 300.000,00 €. Ausweislich der Feststellungen im vorgelegten Urteil des OLG Bamberg vom 10.04.2019 (Az. 8 U 34/18, Anlage K11) sowie den Angaben des vormaligen Geschäftsführers der D in seiner Einvernahme vom 21.11.2022 im Verfahren 92 O 5/19 vor dem Landgericht Würzburg wurden die Mittel aus der Veräußerung des Milchsammelgeschäfts Anfang 2014 realisiert, während über die Sanierungsbeiträge der beiden Hauptgläubiger der B laufende Verhandlungen bis ins Jahr 2014 hinein stattfanden. Aus den nicht bestrittenen Angaben des vormaligen Geschäftsführers ergibt sich ferner, dass die D nach Abgabe der Fortführungsprognose im Juli 2013 den Sanierungsprozess weiter begleitete und nach November 2013 eine zweite Fortführungsprognose ohne das Milchsammelgeschäft erstellte. Es ist daher nicht ersichtlich, dass sich bis Januar 2014 für die gesetzlichen Vertreter der B eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder ein sicheres Scheitern des fortlaufend von der D begleiteten Sanierungsprozesses abzeichnete.
(2) Ein nicht unerhebliches Mitverschulden des Geschäftsführers der B ergibt sich hingegen aus dem Umstand, dass nach eigenem Vortrag des Klägers die B bereits seit dem 01.11.2009 ununterbrochen zahlungsunfähig war, ohne dass ersichtlich ist, dass seitens ihrer gesetzlichen Vertreter Schritte zur Feststellung der finanziellen Gesamtsituation sowie erforderlicher insolvenzrechtlicher Schritte unternommen wurden. Dieses geschah erst auf Forderung eines Hauptgläubigers (V) mit der Beauftragung der D im Frühjahr 2013 und damit etwa 3,5 Jahre nach dem klägerseits behaupteten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Hieraus folgt eine maßgebliche Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers zur Beobachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens sowie zur Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen, einschließlich der zeitnahen Heranziehung wirtschaftlicher und rechtlicher Expertise. Zwar sind Gegenstand der Klage vorliegend Schäden, die erst nach Beauftragung der D und deren Auskunftserteilung eingetreten sind (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1255). Allerdings bestand seitens der gesetzlichen Vertreter auch nach Fertigstellung des Gutachtens im Juli 2013 dringende Veranlassung, weiter eigenständig Feststellungen zur insolvenzrechtlich relevanten Finanzsituation der B zu treffen, da die Fortführungsprognose erkennbar nicht geeignet war, diese Fragen abschließend zu beantworten. So enthielt das Gutachten weder eine eindeutige und begründete verneinende Aussage zur Insolvenzreife des Unternehmens noch Angaben zu einzuhaltenden Fristen bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen. Vor dem Hintergrund der den gesetzlichen Vertretern der B spätestens seit der Vorlage des Gutachtens bekannten Liquiditätslücke von 1,3 Mio. € sowie der seit Jahren bestehen wirtschaftlichen Schwierigkeiten bis hin zum teilweisen Ausfall der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen wären die gesetzlichen Vertreter verpflichtet gewesen, jedenfalls durch das Verlangen nach einer Ergänzung des Gutachtens gegenüber der D eine Klarstellung im Hinblick auf die aktuelle und nahe zukünftige insolvenzrechtliche Lage des Unternehmens zu erlangen.
Das Landgericht Aachen ( Urteil v. 14.04.2021, Az. 11 O 241/17, insoweit bestätigt durch OLG Köln, Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/21) hat aufgrund der eigenen Prüfpflichten des Geschäftsführers bei Kenntnis der kritischen Liquidität der Gesellschaft und Insolvenzreife weit vor Beauftragung des Sanierungsgutachters ein Mitverschulden von 70 % angenommen. Abweichend zum vorliegenden Fall war in der dortigen Konstellation jedoch ein Hinweis des Sanierungsberaters erfolgt, die mögliche Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung durch einen Dritten überprüfen zu lassen. Zudem lagen Indizien vor, dass dem Geschäftsführer die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft bekannt war. Vorliegend erachtet der Senat unter Berücksichtigung sämtlicher dem Geschäftsführer H bekannten Umstände im Hinblick auf die wirtschaftliche Krise der B die Annahme eines hälftigen Mitverschuldens als angemessen.
6. Die Haftungsbeschränkung der D in der zum Gegenstand des Vertrags gemachten Projektskizze vom 25.04.2013 ist gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB unwirksam.
Eine Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit neben einer höhenmäßigen Beschränkung für eine Verletzung der zentralen Hauptpflichten ist in Gestaltungen der Inanspruchnahme eines durch höhere Sachkenntnis begründeten besonderen Vertrauens zumindest sehr problematisch (vgl. bspw. OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.04.2009, Az. I-24 U 27/08 [Wirtschaftsprüfer]; insgesamt MüKo/BGB-Wurmnest, 9. Aufl., § 307 Rn. 150 ff. m.w.N.). Daher ist ein vertraglicher Haftungsausschluss bei Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern gesetzlich ausgeschlossen (vgl. § 52 BRAO, § 67a StBerG, § 323 Abs. 4 HGB). Vorliegend nahm die D als Sanierungsberaterin angesichts der umfassenden und ausschließlichen Beauftragung nach Standard IDW S6 ein besonderes Vertrauen in Anspruch. Es handelte sich bei der D um eine am Markt etablierte Beratungsgesellschaft in ständiger Geschäftsbeziehung zur Gläubigerin V. Die Gutachtenserstellung erfolgte arbeitsteilig durch mehrere Mitarbeiter mit offenbar spezifischen Fachkenntnissen. Es ist daher gerechtfertigt, das Haftungsregime dem gesetzlich geregelter wirtschaftsprüfender Professionen anzunähern. Eine Freizeichnung würde jedenfalls hinsichtlich der im konkreten Fall verletzten vertraglichen Hauptpflichten die Auftraggeberin entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unbillig benachteiligen (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1288 f für die Verletzung von Kardinalpflichten unter Verweis auf entsprechende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).
7. Ein Gegenanspruch des Beklagten auf Abtretung eines vorzubehaltenden Anspruchs des Geschäftsführers der B auf Berücksichtigung einer Insolvenzquote der begünstigten Gesellschaftsgläubiger kann eine entsprechende Zug-um-Zug-Verurteilung des Klägers nicht begründen.
a) Um eine ungerechtfertigte Bereicherung der Insolvenzmasse zu verhindern, ist dem gemäß § 64 GmbHG verurteilten Geschäftsführer grundsätzlich von Amts wegen vorzubehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen ( BGH, Urteil v. 08.01.2001, Az. II ZR 88/99 = BGHZ 146, 264, 279; Urteil v. 11.07.2005, Az. II ZR 235/03; Beschluss v. 19.02.2013, Az. II ZR 296/12). Hierdurch wird im Verhältnis vom Geschäftsführer zu der in der Insolvenz befindlichen Gesellschaft dem Umstand Rechnung getragen, dass sich der der Gesellschaft verbleibende Schaden im Ergebnis aus den um die Insolvenzquote des begünstigten Gläubigers verminderten masseschmälernden Leistungen ergibt, es sich mithin um einen einheitlichen Vorgang der Schadensermittlung handelt.
b) Abweichend hiervon ist Gegenstand der Klage aus abgetretenem Recht vorliegend der gegen einen Dritten gerichtete Freistellungsanspruch hinsichtlich der Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. Der Gegenanspruch des Geschäftsführers auf Berücksichtigung der Insolvenzquote des begünstigten Gesellschaftsgläubigers besteht daher nicht unmittelbar in der Person des Beklagten als Insolvenzverwalter der D, sondern ist diesem erst - wie auch von dem Beklagten geltend gemacht - im Wege der Abtretung zu übertragen, um ihn dann dem Kläger entgegen halten zu können. Es handelt sich somit nicht um die Feststellung eines einheitlichen Schadens in einem Schuldverhältnis. Vielmehr hat der Beklagte erstmals im Termin vom 17.07.2023 aufgrund eines bestehenden Anspruchs auf Abtretung des gegen den Kläger vorzubehaltenden Anspruchs des Geschäftsführers ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, § 273 Abs. 1 BGB. Hiermit ist der Beklagte jedoch präkludiert, §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 530, 531 Abs. 2 ZPO. Der Kläger ist Vortrag des Beklagten hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen des Gegenanspruchs entgegen getreten. Gründe für die ausnahmsweise Zulässigkeit der verspäteten Geltendmachung der Einrede gemäß § 531 Abs. 2 ZPO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
8. Die Entscheidung zu den Zinsen beruht auf § 291, § 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO aufgrund des jeweils hälftigen Obsiegens der Parteien.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Bei dem Urteil des Senats handelt sich um eine auf Bewertung von Tatsachen beruhende Einzelfallentscheidung, die keine rechtsgrundsätzlichen Fragen aufwirft.
9. Der Streitwert bestimmt sich nach dem bezifferten Zahlungsantrag des Klägers zuzüglich des zuletzt geltend gemachten Gegenrechts des Beklagten, welches der Senat mit 3.000,00 € bemisst (vgl. insoweit BGH, Beschluss v. 19.02.2013, Az. II ZR 296/12).
Urtiel vom 31.07.2023
In dem Rechtsstreit
A
als Insolvenzverwalter über das Vermögen der B GmbH
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
C
als Insolvenzverwalter über das Vermögen der D GmbH
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
wegen Schadensersatzes
erlässt das Oberlandesgericht Bamberg - 2. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.07.2023 folgendes
Tenor:
- Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 19.07.2022, Az. 61 O 16/19, abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger 211.107,17 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2019 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden zwischen den Parteien aufgehoben.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags leistet.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
- Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 425.214,34 € festgesetzt.
I.
Die Parteien streiten über Ansprüche wegen Pflichtverletzung aus einem Sanierungsberatervertrag.
1. Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der B GmbH (im Folgenden B). Diese gehörte zusammen mit der X GmbH und der Y GmbH zur X-Firmengruppe (nachfolgend X). Geschäftsführer der B war Herr H.
Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der D GmbH (nachfolgend D). Diese beriet kleine und mittlere Unternehmen in Krisensituationen.
Im Frühjahr 2013 befand sich die X in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Auf Initiative eines Kreditgebers (U Bank AG, vormals V Bank AG, nachfolgend bezeichnet als V) sollten die wirtschaftlichen Fortführungsmöglichkeiten der X durch eine externe Begutachtung festgestellt werden. Hierzu legte die D am 25.04.2013 zunächst eine "Projektskizze" vor (Anlage K2) betreffend die Erstellung eines Sanierungsgutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard (Stand 04.10.2012). Auf der letzten Seite der Projektskizze befindet sich unmittelbar über den Unterschriften folgende Bestimmung:
Die D erbringt keine Rechts- oder Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsleistungen. Sie wird alles unternehmen, um die beschriebenen Aufgaben erfolgreich zu erfüllen und haftet für vorsätzliche und grobe Fahrlässigkeit ihrer Berater für Vermögensschäden bis zu einer Höhe von 1 Mio. EUR. Die D verpflichtet sich, alle Informationen über den Auftraggeber und dessen Unternehmen, von denen die Berater im Rahmen des Projekts Kenntnis erhalten, streng vertraulich zu behandeln.
Die B beauftragte die D daraufhin am 06.05.2013 mit der Erstellung eines Sanierungsgutachtens entsprechend dem in der Projektskizze vom 25.04.2013 beschriebenen Auftragsumfang. Durch die Gutachterin wurde am 06.06.2013 eine Fortbestehensprognose bereitgestellt und am 29.07.2013 eine abschließende Fortführungsprognose für die X vorgelegt (Anlage K 3). In dieser kam die D zu dem Ergebnis, dass eine drohende Zahlungsunfähigkeit aufgrund einer Liquiditätslücke von 1,3 Mio. € nur durch Sanierungsbeiträge der wirtschaftlich an der X Beteiligten verhindert werden könne. Dabei handelte es sich in erster Linie um die VM GmbH (nachfolgend VM) mit ihrem Geschäftsführer Herrn O und die V als Kreditgeber. In Verbindung mit weiteren empfohlenen Umstrukturierungsmaßnahmen kam die D zu dem Schluss, dass bei entsprechender Prolongation und Ausweitung des Engagements der Stakeholder eine positive Fortführungsprognose für die X gestellt werden konnte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 29.07.2013 verwiesen.
Nachdem trotz längerer Verhandlungen eine Einigung über die Verlängerung bzw. Ausweitung der Engagements der VM und der V bis Ende Februar 2014 nicht erreicht werden konnte, wurde aufgrund Eigenantrags der B vom 13.03.2014 mit Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Neubrandenburg vom 16.04.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögend der B eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit nicht datiertem schriftlichem Vertrag (Anlage K4) trat der Geschäftsführer der B sämtliche Freistellungs-, Regress- und sonstigen Ansprüche gegen die D, die ihm gegen diese aufgrund seiner insolvenzrechtlichen Inanspruchnahme als Geschäftsführer zustehen, an den Kläger ab. Diese Ansprüche aus abgetretenem Recht bilden den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
2. Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass der Geschäftsführer H gemäß § 64 Satz 1 GmbHG a.F. zum Ersatz masseschmälernder Zahlungen verpflichtet sei, welche die B in den Monaten Januar und Februar 2014 geleistet habe, da die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Aus den vorgelegten Zahlungseingängen und Kontoauszügen der B für diesen Zeitraum (Anlage K5, K6) ergebe sich, dass auf einem stets im Soll geführten Debetkonto der Gesellschaft Zahlungsgutschriften in Höhe von 422.214,34 Euro eingegangen seien, die dann sofort im Kontokorrent verrechnet worden seien. Tatsächlich sei die Zahlungsunfähigkeit der B bereits seit dem 01.11.2009 gegeben gewesen. Dem Geschäftsführer H stehe ein Anspruch auf Haftungsfreistellung gegen die D aus dem Sanierungsberatungsvertrag vom 06.05.2013 zu. Die D habe es versäumt, auf die Insolvenzreife der B hinzuweisen, obwohl sie hierzu bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard verpflichtet gewesen sei. Der Vertrag über das Sanierungsgutachten entfalte Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers, da er über § 64 GmbHG a.F. von der zu prüfenden Insolvenzreife in gleicher Weise betroffen sei wie die Gesellschaft selbst. Dieses sei der D auch bekannt gewesen. Hätte die D den Geschäftsführer H auf die Zahlungsunfähigkeit der B und damit den Eintritt der Insolvenzreife hingewiesen, hätte dieser umgehend einen Insolvenzantrag für die Gesellschaft gestellt, so dass kein weiterer Schaden entstanden wäre. Eine etwaige Untätigkeit des Geschäftsführers trotz von ihm erkannter drohender Zahlungsunfähigkeit der B stehe einer Haftung der D nicht entgegen, da sich verschiedene Verursachungsbeiträge nicht gegenseitig ausschlössen. Auch scheide insoweit ein zu berücksichtigendes Mitverschulden des Geschäftsführers aus, da dieser bei Fortführung der Geschäfte lediglich der Empfehlung der D als Gutachterin mit überlegener Sachkenntnis gefolgt sei. Die in der Projektskizze vom 25.04.2013 enthaltene Haftungsbeschränkung zugunsten der D sei unwirksam. Dies ergebe sich zumindest aus der unzulässigen Freizeichnung von der Erfüllung zentraler vertraglicher Pflichten, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 422.214,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die D bei der Erstellung des Sanierungsgutachtens keine vertraglichen Pflichten verletzt habe. Eine Insolvenzreife habe zum Zeitpunkt der Erstellung der Fortführungsprognose nicht vorgelegen, auf die drohende Zahlungsunfähigkeit und den hohen Liquiditätsbedarf sei deutlich hingewiesen worden. Zudem sei bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard keine Prüfung der Insolvenzreife des Unternehmens geschuldet. Es sei bereits in der Projektskizze darauf hingewiesen worden, dass die D keine Rechtsberatungsleistungen erbringe. Diese habe die D als reine Unternehmensberatungsgesellschaft auch rechtlich nicht erbringen dürfen. Der Sanierungsberatungsvertrag entfalte ferner keine Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers. Der Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, dass es jedenfalls am Kausalzusammenhang zwischen einem möglichen Beratungsfehler der D in Verbindung mit der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 und einem erst ab Januar 2014 vermeintlich eingetretenen Schaden fehle. Ein zeitlicher Zusammenhang sei nicht erkennbar. Überdies träfen den Geschäftsführer eigenständig Prüfungspflichten hinsichtlich der finanziellen Situation der Gesellschaft. Der Geschäftsführer H habe jedoch trotz auch von der D vermittelter Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit keine Schritte zur - von der D nicht geschuldeten - Prüfung der Insolvenzreife unternommen. Ihn treffe daher zumindest ein anspruchsausschließendes Mitverschulden. Die entsprechend der Projektskizze vereinbarte Haftungsbeschränkung der D sei wirksam.
3. Mit am 19.07.2022 verkündetem Endurteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es bereits an einer Einbeziehung des Geschäftsführers H in den Schutzbereich des zwischen der D und der B geschlossenen Beratungsvertrages fehle. Die vertraglich geschuldete Fortbestehens- und Fortführungsprognose habe allein den wirtschaftlichen Interessen der B gedient. Eine weitergehende Beratungspflicht in insolvenzrechtlichen Fragen sowie hinsichtlich Handlungsoptionen des Geschäftsführers habe nicht bestanden. Insoweit träfen den Geschäftsführer eigene originäre Pflichten. Die D habe zudem als reine Sanierungsberaterin keine Hinweise auf eine etwaige Insolvenzantragspflicht oder eine mögliche Haftung des Geschäftsführers nach § 64 GmbHG a.F. geben dürfen, da dies eine unzulässige Rechtsberatung nach § 3 RDG dargestellt hätte. In der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 sei die Zahlungsunfähigkeit überdies thematisiert worden, so dass eine Pflichtverletzung der D nicht erkennbar sei. Nachdem der Geschäftsführer zur eigenständigen Prüfung der Überschuldung der Gesellschaft verpflichtet sei, fehle es an dem erforderlichen Kausal- und Zurechnungszusammenhang der behaupteten Pflichtverletzung. Einen Schadenseintritt habe der Kläger nicht hinreichend dargelegt.
4. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Das Landgericht habe nach seiner Auffassung die Pflichten des Sanierungsgutachters bei der Beauftragung einer Leistung nach dem IDW S6 Standard verkannt. Geschuldet sei danach der Hinweis auf eine eingetretene Überschuldung und Insolvenzreife. Dieses stelle als zulässige Nebendienstleistung nach § 5 RDG keine unerlaubte Rechtsberatung dar. Ein Hinweis auf die Insolvenzantragspflicht sei durch die D unstreitig nicht erfolgt. Die Fortführungsprognose vom 29.07.2013 habe keine ernsthaften Zweifel an der Sanierungsfähigkeit der B aufkommen lassen, was bei tatsächlich bestehender Insolvenzreife eine Pflichtverletzung darstelle. Der Geschäftsführer der D habe in einer Zeugenaussage in einem Parallelverfahren (92 O 5/19 LG Würzburg) erklärt, dass während der Tätigkeit der D stets von Zahlungsfähigkeit ausgegangen worden sei, da andernfalls die Gutachtertätigkeit sofort hätte beendet werden müssen. Die Einbeziehung des Geschäftsführers der sanierungsbedürftigen Gesellschaft sei für die Fälle des Sanierungsberatungsvertrags nach IDW S6 Standard in der Rechtsprechung anerkannt. Die Kausalität der Pflichtverletzung der D für den eingetretenen Schaden werde durch eine eventuelle eigene Pflichtverletzung des Geschäftsführers H nicht ausgeschlossen. Ein Mitverschulden des Geschäftsführers sei zudem nicht anspruchsausschließend oder kürzend zu berücksichtigen. Dieser habe darauf vertraut, dass aufgrund der positiven Fortführungsprognose durch den Sanierungsberater keine Insolvenzantragspflicht bestanden habe. Aufgrund der fehlenden persönlichen Fachkenntnisse des Geschäftsführers in insolvenzrechtlichen Belangen bei überlegener Sachkunde des Sanierungsberaters trete ein etwaiges Mitverschulden zurück, sei aber allenfalls mit 20 % anzusetzen. Die von der D verwendete Haftungsbeschränkung sei nach AGB-Grundsätzen unwirksam.
Der Kläger beantragt:
1.
Das Urteil des LG Würzburg, das auf den 12.07.2022 datiert, zum Az. 61 O 16/19 wird abgeändert.
2.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 422.214,34 € nebst Zinsen hieraus iHv fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
3.
Hilfsweise wird beantragt, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Weiterhin beantragt er,
dem Beklagten für den Fall der Stattgabe der Berufung im Urteil vorzubehalten, den abgetretenen Gegenanspruch des Geschäftsführers H, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den die begünstigte Gesellschaftsgläuberin im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen.
Etwa bestehende Erstattungsansprüche der Masse gegen Dritte sind Zug um Zug an den Beklagten abzutreten.
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter Aufrechterhaltung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Das Landgericht habe zu Recht die Voraussetzung eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hinsichtlich des Geschäftsführers der B verneint. Im auf der Projektskizze vom 27.04.2013 beruhenden Beratungsvertrag zwischen der D und der B seien Rechtsberatungs- und Wirtschaftsprüferleistungen ausdrücklich ausgeschlossen worden. Es sei daher kein Hinweis auf eine Insolvenzantragspflicht geschuldet gewesen. Die Leistungen der D sollten lediglich in Anlehnung an den IDW S6 Standard erbracht werden. Dieser habe rechtlich keine bindende Wirkung. Nachdem jedoch das Leistungsspektrum des Beratungsvertrags bereits zwischen den Vertragsparteien abschließend vereinbart worden sei, komme eine ergänzende Heranziehung der Leistungsbestimmung nach IDW S6 nicht in Betracht. Dieses entspreche der Rechtsprechung des OLG Frankfurt ( Urteil v. 29.03.2019, Az. 8 U 218/17) wie auch einem Hinweisbeschluss des 4. Senats des OLG Bamberg vom 16.12.2022 (Az. 4 U 179/22). Die D habe zudem ihre vertraglichen Pflichten nicht verletzt, da in dem Gutachten vom 29.07.2013 mit hinreichender Deutlichkeit auf eine drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit hingewiesen worden sei. Die drohende Zahlungsunfähigkeit sei auch den Vertretern der X bekannt gewesen. So habe der Geschäftsführer K der Y GmbH in seiner Vernehmung in einem Parallelverfahren (Anlage BK1) angegeben, dass mit den von der D vorgeschlagenen Maßnahmen die Deckungslücke von 1,3 Mio € und damit der Grund der Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden sollte. Auch sei dem Zeugen die dreiwöchige Frist zur Insolvenzantragsstellung gemäß § 15a InsO bekannt gewesen. In einem Verfahren des Klägers gegen die D sei mit Urteil des OLG Bamberg vom 10.04.2019 (Az. 8 U 34/18) festgestellt worden, dass die Verantwortlichen der X-Gruppe bereits seit Juli 2013 Zahlungen in Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit erbrachten. Aus diesem Grund könne der D nicht ein erst ab Januar 2014 eingetretener Schaden aufgrund der vom Geschäftsführer pflichtwidrig unterlassenen Insolvenzantragsstellung zugerechnet werden. Jedenfalls liege aber ein ganz überwiegendes Mitverschulden des Geschäftsführers vor, da diesem im Januar 2014 bekannt war, dass die im Gutachten vom 29.07.2013 vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen noch nicht umgesetzt worden waren. Im Übrigen sei der vereinbarte Haftungsausschluss wirksam. Insbesondere habe die D nicht unzulässig ihre Haftung für verletzte Hauptleistungspflichten ausgeschlossen, da ein Hinweis auf eingetretene Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzreife vertraglich nicht geschuldet gewesen sei.
Der Senat hat mit Beschluss vom 22.02.2023 die Parteien auf verschiedene rechtlich erhebliche Gesichtspunkte hingewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen (Bl. 187 d.A.). Weiterhin ist Beweis erhoben worden durch zeugenschaftliche Einvernahme des Geschäftsführers der B im Termin vom 17.07.2023. Hinsichtlich der Angaben des Zeugen H wird auf das Protokoll des Termins verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Feststellungen zu gerichtlichem Protokoll Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht unter Berücksichtigung eines anspruchskürzenden Mitverschuldens des Geschäftsführers der B von 50 % ein Zahlungsanspruch in Höhe von 211.107,17 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 611, 675, 398 BGB zu.
1. Mit dem zwischen der B und der D mit Auftragserteilung vom 06.05.2013 geschlossenen Sanierungsberatungsvertrag wurde das vollständige Leistungsspektrum nach dem Standard IDW S6 beauftragt. Eine hiervon abweichende und abschließende Vereinbarung durch die D zu erbringender Leistungen besteht nicht. Entgegen der Auffassung des Beklagten war die D daher auch verpflichtet, die B in einer Form auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinzuweisen, die geeignet war, die verantwortlichen Personen zur Einleitung der insolvenzrechtlich erforderlichen Maßnahmen anzuhalten.
a) Grundlage des Vertrags war die Projektskizze vom 25.04.2013. Bereits in der Überschrift der Projektskizze ist angeführt, dass die Fertigung des Gutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard erfolgt. Auf Seite 4 der Projektskizze ist ausgeführt, dass das Gutachten auf Wunsch des Gläubigers V dem IDW S6 Standard entsprechen soll. Unter Zugrundelegung des IDW S6 Standard (Stand 04.10.2012) ist in jedem Fall durch den Sanierungsgutachter der Hinweis auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit in einer Form geschuldet, die es dem Auftraggeber ermöglicht, die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen. Dieses ergibt sich aus verschiedenen Vorgaben für die Gutachtenserstellung nach IDW S6:
In Rn. 12 IDW S6 wird m Rahmen von 2.1 (Kernanforderungen an Sanierungskonzepte) auf einzuleitende Eilmaßnahmen innerhalb der 3-Wochen-Frist nach § 15a Abs. 1 InsO (i.d.F.v. 01.03.2012 bis 31.12.2020) hingewiesen. Der Sanierungsgutachter hat danach den Eintritt der Insolvenzreife im Zeitraum bis zur Fertigstellung des Gutachtens auszuschließen. Diese im "Kernbereich" getroffenen Feststellungen muss der Gutachter bei Anlass unverzüglich dem Auftraggeber offenlegen, damit dieser bspw. die in Rn. 12 IDW S6 aufgeführten Eilmaßnahmen zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit ergreifen kann. Offenkundige Insolvenzantragspflichten wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung müssen im Zeitraum der Begutachtung bis zur Fertigstellung des Sanierungskonzepts mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen sein.
In Rn. 79, 80 IDW S6 weist bereits der Titel des Abschnitts 3.4.6 "Feststellungen zur Insolvenzreife" eindeutig darauf hin, dass es sich um einen wesentlichen Teil des Prüfungsumfangs des Sanierungsgutachters handelt. In Rn. 79 wird ausdrücklich zwischen drohender und bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit unterschieden, da sich nur bei ersterer die Möglichkeit eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO (mit Wirkung v. 01.03.2012 bis 31.12.2020) eröffnet. Bereits im Rahmen der Fortbestehensprognose sind daher Feststellungen zum Umfang der Zahlungsschwierigkeiten zu treffen, da sich hier verschiedene Reaktionsmöglichkeiten des Auftraggebers ergeben können von Beschaffung frischen Kapitals bis zur erforderlichen Insolvenzantragsstellung. Dieses wird in Rn. 80 nochmals ausdrücklich klargestellt, wenn bestimmt wird: "Ergeben sich ... Hinweise auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung, muss darauf unverzüglich aufmerksam gemacht werden, um den gesetzlichen Vertretern Gelegenheit zu geben, die gesetzlichen Konsequenzen zu ziehen..." (vgl. auch Pape/Ott, Sanierungsgutachten, 1. Aufl., Rn. 703 ff zu den Pflichten des Sanierungsgutachters bei Feststellung der Insolvenzreife). Für den Gutachter selbst gilt, dass er die Begutachtung zu beenden oder zu versagen hat, sobald für ihn erkennbar wird, dass eine Insolvenzantragspflicht bereits vorliegt und dennoch eine außergerichtliche Sanierung noch versucht werden soll (IDW S6 Rn. 80 a.E.).
Der Abschnitt 3.6 behandelt in Rn. 84, 85 IDW S6 die Fortführungsprognose. Diese war Gegenstand des abschließenden Gutachtens vom 29.07.2013. Es sind Feststellungen zu Zahlungsfähigkeit und Überschuldung im Fortführungszeitraum zu treffen. In Rn. 85 wird dabei ausdrücklich auf die insolvenzrechtliche Fortführungsprognose (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO) verwiesen. Für die Steuerberaterhaftung wurde vom Bundesgerichtshof ( Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12) ausdrücklich klargestellt, dass im Gegensatz zu den Pflichten im Rahmen eines allgemeinen Dauermandats des Steuerberaters fehlerhafte oder fehlende Feststellungen im Rahmen einer Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO eine Haftung für hieraus folgende Schäden begründen können.
Nach IDW S6 Rn. 86 ff. hat der Gutachter auch eine handelsrechtliche Fortführungsprognose zu erarbeiten. Eine positive Prognose darf dabei nur gestellt werden, wenn weder die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen noch andere rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten der Fortführung im Prognosezeitraum entgegenstehen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit bzw. drohender Überschuldung müssen geeignete Sanierungsmaßnahmen bereits eingeleitet oder jedenfalls in der Planung hinreichend konkretisiert sein. Ohne eine positive Fortführungsprognose (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) fehlt es an der Sanierungsfähigkeit (vgl. IDW S6 Rn. 11).
b) Einer Heranziehung der Regelungen des IDW S6 Standards steht vorliegend der Vorrang konkreter vertraglicher Bestimmungen nicht entgegen. Einerseits sind zwar entsprechend der Projektskizze nur Leistungen "in Anlehnung an" diesen Standard vereinbart. Allerdings ist unstreitig, dass die V als eigentlicher Initiator der Beauftragung ein Gutachten nach diesem Standard als Entscheidungsgrundlage für die Fortführung ihres Kreditengagements wollte, was so auch in der Projektskizze angeführt wird. Ferner stellt die Projektskizze auch inhaltlich mit dem Verweis auf eine Fortbestehens- und Fortführungsprognose auf zentrale Bestandteile des IDW S6 ab. Andererseits findet sich in den vertraglichen Bestimmungen kein Hinweis auf eine ausdrückliche oder konkludente Einschränkung der nach IDW S6 zu erbringenden Leistungen der D. Die Projektskizze (= Gutachtensvertrag) vom 25.04.2013 (Anlage K2) führt vielmehr unter Ziff. 3, 1. Absatz ausdrücklich aus, dass ein "Sanierungsgutachten" benötigt werde, "das dem IDW S6 Standard entspricht". Der Verweis auf die Nichterbringung von Rechts- und Steuerberaterleistungen ist lediglich allgemeiner Natur und nimmt auf die gesetzlichen Einschränkungen aufgrund der Rechtsform der D und Qualifikation der für sie handelnden Personen Bezug. Die fehlende Befugnis nach § 3 RDG und § 3 StBerG hinderte die D nicht an den zur Erfüllung der Pflichten nach IDW S6 zu treffenden Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der B.
c) Die vom Beklagten herangezogene Entscheidung des OLG Frankfurt ( Urteil v. 29.03.2019, Az. 8 U 218/17), in der dieses die Verpflichtung eines Sanierungsberaters zur Aufklärung über eine bestehende Insolvenzantragspflicht abgelehnt hat, betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt. Der dortigen Beauftragung lag keine umfassende Beauftragung zur Erstellung eines Sanierungsgutachtens mit Fortführungsprognose nach IDW S6 zugrunde, sondern eine abschließende Aufzählung von vierzehn Leistungspunkten. Zudem hatte die Schuldnerin in dem dort entschiedenen Fall weitere Berater mit der Prüfung steuerlicher und rechtlicher Fragen beauftragt. Hingegen bejaht das OLG Köln ( Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/21) in einer mit dem vorliegenden Fall eher vergleichbaren Konstellation (umfassende Beauftragung eines Sanierungsgutachtens nach dem Standard IDW S1) eine Aufklärungspflicht bzgl. eingetretener Insolvenzreife aufgrund der überlegenen Sachkunde des Sanierungsberaters und nimmt zugleich die Einbeziehung der gesetzlichen Vertreter der krisenbefangenen Gesellschaft in den Schutzbereich des Vertrages vor dem Hintergrund der möglichen Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung sowie der persönlichen Haftung des Geschäftsführers an.
d) Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26.01.2017 (Az. IX ZR 285/14) die Hinweispflicht für Steuerberater im Rahmen eines allgemeinen steuerlichen Mandats deutlich verschärft. Die vom Beklagten zitierte (Schriftsatz 27.04.2023, Bl. 255 d.A) ältere Rechtsprechung ( Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12) wurde insoweit ausdrücklich ausgegeben. Danach ist der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Die Frage der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf Sanierungsberater ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Maßgeblich ist insoweit, ob die Bewertungsfrage der positiven Fortführungsprognose nach den Umständen des Einzelfalls zum Gegenstand des Auftrags gemacht worden ist. Soll der Berater sich zur Frage der Insolvenz äußern, steht dies außer Zweifel. Es ist aber davon auszugehen, dass der als Spezialist in der Unternehmenskrise zugezogene Berater typischerweise konkludent damit beauftragt wird, den wirtschaftlich gravierendsten Fall der eingetretenen Insolvenzreife ggfs. zu erforschen und darüber aufzuklären (vgl. Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, Anh. § 60 Rn. 244 m.w.N.). Da vorliegend mit der Vereinbarung des Standards IDW S6 Feststellungen zu den Voraussetzungen der möglichen Insolvenzreife ausdrücklich geschuldet wurden, ist von einer entsprechenden Hinweispflicht der D auszugehen.
2. Eine Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB der D ist gegeben. Sie hat nicht in der vertraglich geschuldeten Form auf eine bei Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit der B hingewiesen.
a) Es kann vorliegend dahinstehen, ob im Anschluss an OLG Köln (Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/12) ein konkreter Hinweis auf die Insolvenzantragspflicht erforderlich ist, wobei § 5 Abs. 1 RDG einen solchen Hinweis als zulässige Nebenleistung im Zuge der Sanierungsberatung rechtlich ermöglichen würde (vgl. BGH, Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12 zur Zulässigkeit beim Steuerberater/Wirtschaftsprüfer; BVerwG, Urteil v. 27.10.2004, Az. 6 C 30/03 zu Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG; Krenzler-Krenzler, RDG, 2. Aufl., § 5 Rn. 105ff m.w.N.). Allerdings weist das Sanierungsgutachten der D vom 29.07.2013 bereits nicht in einer Form auf eine Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens hin, die geeignet ist, die gesetzlichen Vertreter zur Stellung eines Insolvenzantrags zu veranlassen. Vielmehr steht das Gutachten mit einer positiven Fortbestands- und Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO und dem Vorschlag konkreter Sanierungsmaßnahmen außerhalb der Frist des § 15a InsO (a.F.) der Einleitung des Insolvenzverfahrens entgegen. Damit war es nicht geeignet, wie geschuldet die wirtschaftliche Situation des Unternehmens in einer Weise darzustellen, die den Auftraggeber in die Lage versetzt, auch unter Berücksichtigung insolvenzrechtlicher Pflichten entsprechend zu handeln, vgl. Rn. 80 der IDW S6. In einer Gesamtbetrachtung des Gutachtens vom 29.07.2013 ist der Senat der Überzeugung, dass die D tatsächlich von noch bestehender Zahlungsfähigkeit der B ausging und dieses auch dem Auftraggeber so vermittelte. Der Geschäftsführer der D M gab in seiner Zeugenvernehmung vom 21.11.2022 im Verfahren 92 O 5/19 an (Anlage BK 1, Bl. 230 d.A.), dass das Unternehmen Y GmbH als Bestandteil der X im Dezember 2013 noch zahlungsfähig gewesen sei, da 1 Mio. € durch den Verkauf des Milchsammelgeschäfts sowie die Prolongation des Kredits der V zugeflossen sei. Näher erklärt der Zeuge: "Im Januar 2014 hatte die V dann den Kredit ultimativ bis zum 05. März 2014 prolongiert. Jetzt liefen die richtigen Probleme zu. Wenn die Geschäftsführer an dieser Stelle Herrn O unter Druck gesetzt hätten und er hätte nicht geleistet, dann hätten sie Insolvenz anmelden müssen." Zu beachten ist insoweit, dass die D ihre beratende Tätigkeit nach Vorlage der ersten Fortführungsprognose am 29.07.2013 fortsetzte und vom Geschäftsführer H auf Wunsch der V beauftragt wurde, diese zu überarbeiten. Eine zweite Fortführungsprognose sei nach Angaben des Zeugen M nach November 2013 erstellt worden und habe keine Liquiditätsprobleme aufgezeigt.
b) Soweit der Beklagte auf die mehrfachen Hinweise auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit und eine bestehende Liquiditätslücke von 1,3 Mio € in der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 verweist, wovon auch die gesetzlichen Vertreter der B Kenntnis gehabt hätten, führt dieses zu keinem anderen Ergebnis. Eine "drohende" Zahlungsunfähigkeit stellt eine pauschale Darstellung dar, die nicht auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sowie das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 15a InsO verweist. Konkret waren die Beteiligten auf Grundlage der Fortführungsprognose der D offensichtlich zu der Erkenntnis gelangt, dass die Liquidität der B durch die vorläufige Prolongation des Darlehens der V sowie die Einstandsbereitschaft des weiteren Gläubigers VM gegeben war und Eilmaßnahmen bis hin zu einer Insolvenzantragsstellung nicht geboten waren, so dass durch die D im Ergebnis die Fortführung des Unternehmens empfohlen wurde. Auch der Zeuge H als Geschäftsführer der B und damit direkter Adressat des Gutachtens hat in seiner Einvernahme durch den Senat erklärt, dass nach seinem Verständnis das Gutachten eine Fortführung des Unternehmens ohne sofortige Einleitung insolvenzrechtlicher Maßnahmen zum Ergebnis hatte.
Damit liegt - eine zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung bestehende Zahlungsunfähigkeit unterstellt (hierzu nachfolgend II. 1. d) - eine Pflichtverletzung vor. Die D hätte eine (außergerichtliche) Sanierungsfähigkeit mangels positiver Fortführungsprognose ausdrücklich verneinen müssen.
c) Soweit im unstreitigen Tatbestand des angegriffenen Endurteils festgehalten ist, dass an mehreren Stellen im Gutachten explizit auf die Zahlungsunfähigkeit hingewiesen wurde, steht § 314 ZPO nicht entgegen. Aus dem Tatbestand ergibt sich nicht, dass die D mit der erforderlichen und geschuldeten Deutlichkeit auf die Bedeutung des Vorliegens eines Insolvenzgrunds hingewiesen hat. Insoweit kommt es auf das Gesamtergebnis des Gutachtens mit seinen Handlungsempfehlungen an und nicht auf einzelne Aussagen.
d) Nach den getroffenen Feststellungen lag die Zahlungsunfähigkeit und damit Insolvenzreife der B während oder bei Abschluss der Gutachtenserstellung durch die D im Juli 2013 vor.
Insolvenzreife setzt eingetretene Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) voraus. Zahlungsunfähigkeit und nicht nur eine vorübergehende Zahlungsstockung liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen und die Liquiditätslücke auf unter 10?% zurückzuführen (std. Rspr., vgl. BGH, Urteil v. 19.12.2017, Az. II ZR 88/16 m.w.N.).
Der Kläger hat unter Vorlage eines Gutachtens der S. Insolvenz-Steuerberatungsgesellschaft mbH vom 18.12.2014 (Anlage K7) eine Zahlungsunfähigkeit der B seit dem 01.11.2009 dargelegt und Sachverständigenbeweis angeboten (Bl. 6 d.A.). Der Kläger ist daher seiner Darlegungslast unter Beweisantritt nachgekommen. Der Vortrag des Beklagten zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenzreife der B ist hingegen nicht konsistent. Während in der Klageerwiderung vom 10.04.2019 (Bl. 15 d.A.) der Eintritt von Insolvenzreife im Juli 2013 bestritten wurde, wird in der Berufungserwiderung vom 04.10.2022 auf eine von der D im Rahmen der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 festgestellte Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgrund abgestellt (Bl. 171 d.A.). Das pauschale Bestreiten des Beklagten ist ferner unsubstantiiert, nachdem die von ihm vertretene Insolvenzschuldnerin (D) eigene Sachkunde und -kenntnisse besitzt. Grundlage von deren Gutachtertätigkeit waren Feststellungen zur Liquidität und Zahlungsfähigkeit der B auch unter Berücksichtigung der längerfristigen finanziellen Kennzahlen für die Vergangenheit. Es ist dem Beklagten daher ohne weiteres möglich, sich inhaltlich mit dem Vortrag des Klägers zum Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Zahlungsunfähigkeit der B auseinanderzusetzen. Im Übrigen besitzt der Beklagte auch in eigener Person als Insolvenzverwalter die hierfür erforderliche Sachkunde. Die in der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 enthaltenen Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit der B sind nicht geeignet, die Feststellungen im Gutachten in Frage zu stellen, nachdem es an einer konkreten Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der insolvenzrechtlichen Zahlungs(un)fähigkeit fehlt.
3. Der Vertrag zwischen der B und der D über die Erbringung von Leistungen der Sanierungsberatung entfaltet Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers der B (vgl. OLG Köln, a.a.O.; dem Grunde nach für einen Steuerberater auch BGH, Beschluss v. 14.06.2012, Az. IX ZR 145/11). Ein Dritter kann dann in den Schutzbereich vertraglicher Pflichten einbezogen sein, wenn der geschützte Dritte mit der Hauptleistung des Schutzpflichtigen bestimmungsgemäß in Berührung kommt, zu dieser Leistungsnähe ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hinzutritt und dem Schutzpflichtigen die Einbeziehung Dritter in sein vertragliches Haftungsrisiko erkennbar ist. Außerdem muss der Dritte für diese Haftungserstreckung selbst schutzwürdig sein (vgl. BGH, Beschluss v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12; Urteil v. 13.10.2011, Az. IX ZR 193/10).
Die Feststellung der Insolvenzreife eines Unternehmens ist wie dargestellt Hauptleistungspflicht des Sanierungsberatervertrags nach dem Standard IDW S6, mit welcher der Geschäftsführer aufgrund § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. erkennbar in gleicher Weise in Berührung kommt, wie der Auftraggeber selbst (bejahend auch BGH, Beschluss v. 26.01.2023, Az. III ZR 91/22). An einer Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers bestehen aufgrund seiner gegenüber der D unterlegenen Sachkunde sowie der drohenden Konsequenzen einer Verletzung insolvenzrechtlicher Pflichten keine Zweifel. Auch Rn. 80 der IDW S6 geht von der Einbeziehung des gesetzlichen Vertreters in den Schutzbereich des Vertrages aus, da diesem durch eine Information über die (drohende) Zahlungsfähigkeit ausdrücklich die Möglichkeit gegeben werden soll, die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen (bejahend auch Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1201).
4. Gegen den Geschäftsführer der B bestehen aufgrund masseschmälernder Leistungen gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Abs. 1 GmbHG n.F.) Ansprüche in Höhe von 422.214,34 €, die einen als Schaden geltend zu machenden an den Kläger abgetretenen Freistellungsanspruch gegen den Beklagten begründen.
a) Die Darstellung des Schadens durch den Kläger ist schlüssig und vom Beklagten lediglich pauschal bestritten (Bl. 21 d.A.). Die sofortige Sollbuchung sich aus der Anlage K5 ergebender eingehender Zahlungen innerhalb des Kontokorrentkontos stellte sich jeweils als Zahlung der B an die kontoführende U Bank AG entsprechend § 64 GmbHG a.F. dar, die nach Eintritt der Insolvenzreife eine Geschäftsführerhaftung auslöst. Der Einzug von Forderungen einer insolvenzreifen GmbH auf ein debitorisches Konto ist nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich eine masseschmälernde Zahlung im Sinn von § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Satz 1 GmbHG nF), weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Gunsten der Bank geschmälert wird (vgl. nur BGH, Urteil v. 23.06.2015, Az. II ZR 366/13 = BGHZ 206, 52 m.w.N.).
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist eine tatsächlich erfolgte Inanspruchnahme des Geschäftsführers H, der seine Ansprüche gegen die D wirksam an den Kläger abgetreten hat, nicht erforderlich. Die drohende Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. begründete zunächst einen gegen die D gerichteten Freistellungsanspruch des Geschäftsführers H, der sich erst mit der Abtretung an den Kläger in einen Zahlungsanspruch umwandelte (vgl. jurisPK-BGB-Rosch, 10. Aufl., § 399 Rn. 11 m.w.N.).
c) Die im unterlassenen Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit begründete Pflichtverletzung der D war auch kausal für diesen eingetretenen Schaden.
Der Beklagte hat die Kausalität unter Hinweis auf die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten bestritten, die dem Geschäftsführer nach Vorlage der Fortführungsprognose im Juli 2013 offenstanden, dieses auch für den Fall der Insolvenzreife (Klageerwiderung v. 10.04.2019, Bl. 16, 27 d.A.). Ein Anscheinsbeweis für ein beratungsgerechtes Verhaltens besteht nicht, da bei einem Hinweis auf eine Überschuldung der Gesellschaft verschiedene Maßnahmen in Betracht kommen, um eventuell auch eine sofortige Insolvenzantragstellung zu vermeiden, wie etwa die Zuführung frischen Kapitals (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12; Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1241).
Der Kläger hat jedoch den entsprechenden Kausalitätsnachweis geführt. Der Zeuge H als zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichteter Geschäftsführer der B hat nachvollziehbar und glaubwürdig angegeben, dass er mit der Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 sofort die Insolvenz des Unternehmens angemeldet hätte, falls in dem Gutachten auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hingewiesen worden wäre. Dieses hätte er bereits aus Gründen des Eigenschutzes aufgrund der ihm bekannten Geschäftsführerhaftung gemacht.
Der Senat hat keine Zweifel an diesen Angaben des Zeugen. Dafür, dass der Zeuge H trotz ausdrücklicher gutachterlicher Feststellung der Zahlungsunfähigkeit und außergerichtlicher Sanierungsunfähigkeit mangels positiver Fortführungsprognose die zeitnahe Stellung eines Insolvenzantrags unterlassen hätte, sind weder vom Beklagten nachvollziehbare Anhaltspunkte dargelegt worden, noch sind diese sonst ersichtlich. Durch eine Insolvenzantragsstellung zeitnah zur Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 wären die eine Geschäftsführerhaftung begründenden Zahlungen der B im Januar/Februar 2014 nicht erfolgt.
Die Frage der Kenntnis der gesetzlichen Vertreter der B und damit des Zeugen H von deren (drohender) Zahlungsunfähigkeit und der Verpflichtung der gesetzlichen Vertreter zur eigenständigen Prüfung der Voraussetzung nach § 15a InsO ist hingegen für die Kausalität unerheblich. Bei der Feststellung der Kausalität ist lediglich die pflichtwidrige Handlung wegzudenken. Hingegen dürfen weitere hypothetische Umstände nicht hinzugedacht werden dürfen (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, IX ZR 204/12).
5. Der Anspruch des Klägers ist jedoch aufgrund Mitverschuldens des Geschäftsführers der B als Zedenten um 50 % zu kürzen. Die Berufung ist daher zurückzuweisen, soweit ein über 211.107,17 € hinausgehender Anspruch geltend gemacht wird.
Der Schadensersatzanspruch kann aufgrund eines Mitverschuldens des Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12). Den Geschäftsführer einer GmbH trifft die Pflicht, sich stets über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu vergewissern. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Insolvenzreife. Bei Anzeichen einer Krise hat er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Der Geschäftsführer handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 19.06.2012, Az. II ZR 243/11 m.w.N.).
a. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Berater, der seine Vertragspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte verletzt hat, gegenüber dem Ersatzanspruch des Geschädigten regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe deshalb ein Mitverschulden, weil er der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe ( BGH, Urteil v. 07.12.2006, Az. IX ZR 37/04 m.w.N.). Dementsprechend darf sich selbst ein Auftraggeber mit einschlägiger Vorbildung auf eine einwandfreie Vertragserfüllung durch den Berater verlassen ( BGH, Urteil v. 18.12.1997, Az. IX ZR 153/96; Steuerberaterhaftung). Ist der Berater mit der Sanierungsberatung, der Erstellung eines Sanierungskonzepts oder sogar explizit mit der Prüfung der Insolvenzreife beauftragt und erteilt er im Rahmen dessen falsche Auskünfte zur Insolvenzreife, darf der Geschäftsführer in aller Regel auf diesen Rat vertrauen, weil er die (interne) Prüfungspflicht dem mandatierten Berater anvertraut hat. Ein der Gesellschaft zuzurechnendes Mitverschulden der Geschäftsführer für eine verspätete Insolvenzantragsstellung wird in diesen Fällen daher zumeist ausscheiden (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1252 m.w.N.).
Dies gilt zunächst auch im vorliegenden Fall. Da Feststellungen zur Fortführungsfähigkeit der B in Abgrenzung zur Insolvenzreife Hauptleistungspflicht des Beratervertrags der D war, kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass die gesetzlichen Vertreter der B daneben die Insolvenzreife auch eigenständig zu prüfen hatten. Ein Mitverschulden des Geschäftsführers H kann daher nicht damit begründet werden, dass er nach Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 den in diesem enthaltenen Empfehlungen zur Fortführung des Unternehmens folgte, aus denen sich ergab, dass die D nicht von der Insolvenzreife der B ausging.
b. Allerdings kann der Mitverschuldenseinwand auf das weitere Untätigbleiben des Geschäftsführers H bis zur Stellung des Insolvenzantrags am 13.03.2014 gestützt werden. Der Beklagte bezieht sich insoweit auf die Nichtumsetzung der im Gutachten vom 29.07.2013 beschriebenen Maßnahmen. Nachdem eine Umsetzung zeitnah nicht erfolgt sei, habe die B bei bekannter drohender Zahlungsunfähigkeit aufgrund der Liquiditätslücke externen Rechtsrat einholen müssen.
(1) Grundsätzlich kann der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und dem entstandenen Schaden unterbrochen sein, wenn die Verluste nicht auf der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit, sondern auf der Eingehung wirtschaftlich nicht vertretbarer Risiken beruhen. Dieses kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Geschäftsführer die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten haben, weil die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, deutlich überspannt worden ist oder das Verhalten des Geschäftsleiters aus anderen Gründen als unvertretbar gelten muss (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12; Pape/Opp a.a.O., Rn. 1247).
Hiergegen spricht vorliegend, dass in dem Fortführungsgutachten keine konkrete zeitliche Vorgabe für die Umsetzung der Sanierungsvorschläge enthalten war. Neben grundsätzlichen Umstrukturierungsmaßnahmen für die X sollte die Liquiditätsproblematik vor allem durch drei Maßnahmen beseitigt werden - die Veräußerung des Milchsammelgeschäfts für 500.000,00 €, die langfristige Prolongation des Darlehensrahmens der V von 500.000,00 € sowie ein weiteres finanzielles Engagement der VM in Höhe von 300.000,00 €. Ausweislich der Feststellungen im vorgelegten Urteil des OLG Bamberg vom 10.04.2019 (Az. 8 U 34/18, Anlage K11) sowie den Angaben des vormaligen Geschäftsführers der D in seiner Einvernahme vom 21.11.2022 im Verfahren 92 O 5/19 vor dem Landgericht Würzburg wurden die Mittel aus der Veräußerung des Milchsammelgeschäfts Anfang 2014 realisiert, während über die Sanierungsbeiträge der beiden Hauptgläubiger der B laufende Verhandlungen bis ins Jahr 2014 hinein stattfanden. Aus den nicht bestrittenen Angaben des vormaligen Geschäftsführers ergibt sich ferner, dass die D nach Abgabe der Fortführungsprognose im Juli 2013 den Sanierungsprozess weiter begleitete und nach November 2013 eine zweite Fortführungsprognose ohne das Milchsammelgeschäft erstellte. Es ist daher nicht ersichtlich, dass sich bis Januar 2014 für die gesetzlichen Vertreter der B eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder ein sicheres Scheitern des fortlaufend von der D begleiteten Sanierungsprozesses abzeichnete.
(2) Ein nicht unerhebliches Mitverschulden des Geschäftsführers der B ergibt sich hingegen aus dem Umstand, dass nach eigenem Vortrag des Klägers die B bereits seit dem 01.11.2009 ununterbrochen zahlungsunfähig war, ohne dass ersichtlich ist, dass seitens ihrer gesetzlichen Vertreter Schritte zur Feststellung der finanziellen Gesamtsituation sowie erforderlicher insolvenzrechtlicher Schritte unternommen wurden. Dieses geschah erst auf Forderung eines Hauptgläubigers (V) mit der Beauftragung der D im Frühjahr 2013 und damit etwa 3,5 Jahre nach dem klägerseits behaupteten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Hieraus folgt eine maßgebliche Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers zur Beobachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens sowie zur Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen, einschließlich der zeitnahen Heranziehung wirtschaftlicher und rechtlicher Expertise. Zwar sind Gegenstand der Klage vorliegend Schäden, die erst nach Beauftragung der D und deren Auskunftserteilung eingetreten sind (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1255). Allerdings bestand seitens der gesetzlichen Vertreter auch nach Fertigstellung des Gutachtens im Juli 2013 dringende Veranlassung, weiter eigenständig Feststellungen zur insolvenzrechtlich relevanten Finanzsituation der B zu treffen, da die Fortführungsprognose erkennbar nicht geeignet war, diese Fragen abschließend zu beantworten. So enthielt das Gutachten weder eine eindeutige und begründete verneinende Aussage zur Insolvenzreife des Unternehmens noch Angaben zu einzuhaltenden Fristen bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen. Vor dem Hintergrund der den gesetzlichen Vertretern der B spätestens seit der Vorlage des Gutachtens bekannten Liquiditätslücke von 1,3 Mio. € sowie der seit Jahren bestehen wirtschaftlichen Schwierigkeiten bis hin zum teilweisen Ausfall der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen wären die gesetzlichen Vertreter verpflichtet gewesen, jedenfalls durch das Verlangen nach einer Ergänzung des Gutachtens gegenüber der D eine Klarstellung im Hinblick auf die aktuelle und nahe zukünftige insolvenzrechtliche Lage des Unternehmens zu erlangen.
Das Landgericht Aachen ( Urteil v. 14.04.2021, Az. 11 O 241/17, insoweit bestätigt durch OLG Köln, Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/21) hat aufgrund der eigenen Prüfpflichten des Geschäftsführers bei Kenntnis der kritischen Liquidität der Gesellschaft und Insolvenzreife weit vor Beauftragung des Sanierungsgutachters ein Mitverschulden von 70 % angenommen. Abweichend zum vorliegenden Fall war in der dortigen Konstellation jedoch ein Hinweis des Sanierungsberaters erfolgt, die mögliche Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung durch einen Dritten überprüfen zu lassen. Zudem lagen Indizien vor, dass dem Geschäftsführer die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft bekannt war. Vorliegend erachtet der Senat unter Berücksichtigung sämtlicher dem Geschäftsführer H bekannten Umstände im Hinblick auf die wirtschaftliche Krise der B die Annahme eines hälftigen Mitverschuldens als angemessen.
6. Die Haftungsbeschränkung der D in der zum Gegenstand des Vertrags gemachten Projektskizze vom 25.04.2013 ist gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB unwirksam.
Eine Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit neben einer höhenmäßigen Beschränkung für eine Verletzung der zentralen Hauptpflichten ist in Gestaltungen der Inanspruchnahme eines durch höhere Sachkenntnis begründeten besonderen Vertrauens zumindest sehr problematisch (vgl. bspw. OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.04.2009, Az. I-24 U 27/08 [Wirtschaftsprüfer]; insgesamt MüKo/BGB-Wurmnest, 9. Aufl., § 307 Rn. 150 ff. m.w.N.). Daher ist ein vertraglicher Haftungsausschluss bei Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern gesetzlich ausgeschlossen (vgl. § 52 BRAO, § 67a StBerG, § 323 Abs. 4 HGB). Vorliegend nahm die D als Sanierungsberaterin angesichts der umfassenden und ausschließlichen Beauftragung nach Standard IDW S6 ein besonderes Vertrauen in Anspruch. Es handelte sich bei der D um eine am Markt etablierte Beratungsgesellschaft in ständiger Geschäftsbeziehung zur Gläubigerin V. Die Gutachtenserstellung erfolgte arbeitsteilig durch mehrere Mitarbeiter mit offenbar spezifischen Fachkenntnissen. Es ist daher gerechtfertigt, das Haftungsregime dem gesetzlich geregelter wirtschaftsprüfender Professionen anzunähern. Eine Freizeichnung würde jedenfalls hinsichtlich der im konkreten Fall verletzten vertraglichen Hauptpflichten die Auftraggeberin entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unbillig benachteiligen (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1288 f für die Verletzung von Kardinalpflichten unter Verweis auf entsprechende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).
7. Ein Gegenanspruch des Beklagten auf Abtretung eines vorzubehaltenden Anspruchs des Geschäftsführers der B auf Berücksichtigung einer Insolvenzquote der begünstigten Gesellschaftsgläubiger kann eine entsprechende Zug-um-Zug-Verurteilung des Klägers nicht begründen.
a) Um eine ungerechtfertigte Bereicherung der Insolvenzmasse zu verhindern, ist dem gemäß § 64 GmbHG verurteilten Geschäftsführer grundsätzlich von Amts wegen vorzubehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen ( BGH, Urteil v. 08.01.2001, Az. II ZR 88/99 = BGHZ 146, 264, 279; Urteil v. 11.07.2005, Az. II ZR 235/03; Beschluss v. 19.02.2013, Az. II ZR 296/12). Hierdurch wird im Verhältnis vom Geschäftsführer zu der in der Insolvenz befindlichen Gesellschaft dem Umstand Rechnung getragen, dass sich der der Gesellschaft verbleibende Schaden im Ergebnis aus den um die Insolvenzquote des begünstigten Gläubigers verminderten masseschmälernden Leistungen ergibt, es sich mithin um einen einheitlichen Vorgang der Schadensermittlung handelt.
b) Abweichend hiervon ist Gegenstand der Klage aus abgetretenem Recht vorliegend der gegen einen Dritten gerichtete Freistellungsanspruch hinsichtlich der Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. Der Gegenanspruch des Geschäftsführers auf Berücksichtigung der Insolvenzquote des begünstigten Gesellschaftsgläubigers besteht daher nicht unmittelbar in der Person des Beklagten als Insolvenzverwalter der D, sondern ist diesem erst - wie auch von dem Beklagten geltend gemacht - im Wege der Abtretung zu übertragen, um ihn dann dem Kläger entgegen halten zu können. Es handelt sich somit nicht um die Feststellung eines einheitlichen Schadens in einem Schuldverhältnis. Vielmehr hat der Beklagte erstmals im Termin vom 17.07.2023 aufgrund eines bestehenden Anspruchs auf Abtretung des gegen den Kläger vorzubehaltenden Anspruchs des Geschäftsführers ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, § 273 Abs. 1 BGB. Hiermit ist der Beklagte jedoch präkludiert, §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 530, 531 Abs. 2 ZPO. Der Kläger ist Vortrag des Beklagten hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen des Gegenanspruchs entgegen getreten. Gründe für die ausnahmsweise Zulässigkeit der verspäteten Geltendmachung der Einrede gemäß § 531 Abs. 2 ZPO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
8. Die Entscheidung zu den Zinsen beruht auf § 291, § 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO aufgrund des jeweils hälftigen Obsiegens der Parteien.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Bei dem Urteil des Senats handelt sich um eine auf Bewertung von Tatsachen beruhende Einzelfallentscheidung, die keine rechtsgrundsätzlichen Fragen aufwirft.
9. Der Streitwert bestimmt sich nach dem bezifferten Zahlungsantrag des Klägers zuzüglich des zuletzt geltend gemachten Gegenrechts des Beklagten, welches der Senat mit 3.000,00 € bemisst (vgl. insoweit BGH, Beschluss v. 19.02.2013, Az. II ZR 296/12).