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  • 02.11.2010

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 15.04.2010 – 3 K 62/08 EW

    1) Jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens bildet ein Grundstück im Sinne des BewG und ist für sich zu bewerten.

    2) Zum Grundvermögen gehörende Standortflächen von Windkraftanlagen sind nicht im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit miteinander verbunden, wenn dazwischen liegende Teilflächen dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzurechnen sind.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit

    hat der 3. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richterin … Ehrenamtlicher Richter …

    auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 15.04.2010 für Recht erkannt:

    Tatbestand

    Streitig ist die Einheitsbewertung von Grundstücksflächen, die mit Windkraftanlagen (Windräder) bebaut sind.

    Der Rechtsvorgänger des Klägers, Herr E 2, war Eigentümer der im Grundbuch von U, Blatt …, Amtsgericht A, eingetragenen Grundstücke. Nach dessen Tod am 13.09.2001 wurde Herr E 3 als Gesamtrechtsnachfolger Eigentümer der Grundstücke. Dieser hat die Grundstücke durch notariellen Vertrag vom 29.06.2003 auf den Kläger im Wege der vorweggenommen Erbfolge übereignet.

    Am 12./19.02.1999 hatten Herr E 2 als Verpächter und die seinerzeit noch nicht gegründete Windpark O GmbH & Co. KG, vertreten durch die Herren N und C, als Pächter einen „Nutzungsvertrag” geschlossen. Darin gestattete der Grundstückseigentümer dem Pächter die Errichtung und den Betrieb von 8 bis 12 Windkraftanlagen (Windpark) auf den Grundstücken Gemarkung U, Blatt, Flur …, Flurstück … (Gesamtgröße 4,0666 ha) und Flurstück 9 (Gesamtgröße 83,3754 ha), wobei das Nutzungsrecht durch eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit gesichert werden sollte. Die Vertragsparteien gingen davon aus, dass die vom Windpark in Anspruch genommenen Flächen sich nur auf die in dem anliegenden Lageplan gekennzeichneten Teilflächen erstrecken würden. Diese Teilflächen sollten nach der Erteilung der öffentlich-rechtlichen Genehmigung vermessen und katasteramtlich fortgeführt werden. Der Verpächter erklärte sich bereit, dem Pächter die entsprechende Zuwegung von den öffentlichen Straßen und Wegen, soweit sie über seinen Grundbesitz verläuft, zur Verfügung zu stellen (vgl. § 1 Ziffern 1, 5 und 7 des Vertrages). Ferner wurde dem Verpächter das Recht eingeräumt, die nicht vom Pächter in Anspruch genommenen Flächen weiterhin landwirtschaftlich zu nutzen (vgl. § 4 Ziffer 1 des Vertrages). Zu den weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf den „Nutzungsvertrag” (vgl. Blatt 5 bis 15 des Einspruchshefters) Bezug genommen.

    Wie vertraglich vorgesehen, wurden die im Nutzungsvertrag für den Windpark vorgesehenen Flächen vermessen und im Jahre 2000 zehn Windkraftanlagen errichtet. Das neu vermessene 75.214 qm große Grundstück erhielt die Bezeichnung Flurstück …, Flur … Gemarkung U. Ausweislich des vom Katasteramt A erstellten ALB Beziehersekundärnachweises Flurstücks-Eigentümernachweis vom 22.06.2005 in Verbindung mit dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers wird das streitbefangen Flurstück (Flur …, Flurstück …, Gemarkung U) tatsächlich wie folgt genutzt:

    Standort-Nr. WindkraftanlagenGebäude- und Freiflächen zu VersorgungsanlagenAckerlandUnlandWeg, Fahrweginsgesamt
    qmqmqmqmqm
    1.9334.387
    2.9554.363
    3.9904.492
    4.9404.378
    5.1.0004.318
    6.8874.430
    7.8926.765
    8.9684.29853
    9.1.2063.829277
    10.1.0544.343
    Verbindung zwischen 6. und 7.1193.82848
    Weg Nord 1.-6.9.402
    Weg Süd 7.-10.6.069
    9.94449.43137815.46175.214
    Diese tatsächliche Nutzung ist auch bezogen auf den Stichtag 01.01.2006 zwischen den Beteiligten unstreitig. Auf die Darstellung des Klägers im Schriftsatz vom 01.10.2009 sowie der Ablichtung der Katasterkarte (vgl. Blatt 53 bis 57 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Bei den Teilflächen zwischen den dort mit den Ziffern 1. bis 6. sowie 7. bis 10. gekennzeichneten Standorten der Windkraftanlagen handelt es sich um einen bereits vor der Vermessung existierenden und nach wie vor dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft des Grundstückeigentümers dienenden Weg. Die Teilflächen, der mit 1. bis 10. bezifferten Standorte, die den Windkraftanlagen nicht als befestigte Flächen dienen, werden vom Grundstückseigentümer ebenfalls weiterhin landwirtschaftlich genutzt. Dies gilt auch für die Teilfläche zwischen den Standorten der Windkraftanlagen Nr. 6 und 7, bei der es sich nicht um einen Weg handelt. Zu den weiteren Gegebenheiten wird auf die Auszüge aus dem Liegenschaftskataster (vgl. Blatt 1 bis 10 und 13 bis 18 der Einheitswertakte), auf die in der mündlichen Verhandlung zur Akte gereichte Karte des Amtes für Geoinformationen des Kreises A vom 18.09.2009 sowie der hiervon gefertigten Kopie (vgl. Blatt 57 der Gerichtsakte) und auf die in der mündlichen Verhandlung zur Akte gereichten Fotos verwiesen.

    Das streitbefangene Flurstück liegt im Geltungsbereich eines am 20.11.2002 in Kraft getretenen Bebauungsplans, in dem die Art der baulichen Nutzung als sonstiges Sondernutzungsgebiet mit der Bezeichnung „WEP = Windenergiepark, Gebiet für Anlagen, die der Windenergie-Erzeugung dienen” festgesetzt wurde. Darin ist u. a. das Maß der baulichen Nutzung durch Regelungen zur Bauweise und Kennzeichnung der überbaubaren Grundstücksflächen im Sinne der §§ 22 und 23 Baunutzungsverordnung (BauNVO) normiert. Innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen sind nur Windenergieanlagen als bauliche Anlagen zulässig. Auf den Grundstücken innerhalb des Sondergebiets ist ferner landwirtschaftliche Nutzung zulässig. Darüber hinaus sind Straßenverkehrsflächen ausgewiesen. Zu den weiteren Einzelheiten der bauplanungs-rechtlichen Festsetzungen wird auf den Bebauungsplan verwiesen (vgl. Blatt 84 bis 87 der Gerichtsakte).

    Der Beklagte ging zunächst davon aus, dass die Standorte der zehn Windkraftanlagen jeweils eine wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens (unbebautes Grundstück) mit einer Größe von jeweils 1.500 qm bilden. Dementsprechend erließ der Beklagte am 29.07.2002 im Wege der Nachfeststellung zehn Einheitswertbescheide auf den 01.01.2001. Diese Einheitswertfeststellungen hob der Beklagte durch Bescheide vom 19.11.2005 zum 01.01.2006 auf. Über die dagegen erhobenen Einsprüche des Klägers wurde nach Darstellung des Klägers noch nicht entschieden.

    Mit Bescheid vom 27.08.2005 stellte der Beklagte den Einheitswert auf den 01.01.2006 für das unbebaute Grundstück „… B, Gemarkung U, Flur …, Flurstück …, Windpark B” im Rahmen einer Nachfeststellung auf 180.179 Euro fest. Dieser Wert setzt sich wie folgt zusammen:

    55.747 qm × 6,00 DM/qm =332.282,00 DM
    19.767 qm × 1,00 DM/qm =19.767,00 DM
    352.449,00 DM = 180.179,00 Euro.
    Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch vom 18.10.2005. Er beantragte, nicht das gesamte Grundstück Flurstück als unbebautes Grundstück zu bewerten, sondern ausgehend von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen nur die zu den Windkraftanlagen ausgewiesenen Gebäude- und Freiflächen. Nur die insgesamt 9.728 qm großen befestigten Teilflächen würden tatsächlich für die Windkraftanlagen genutzt. Die übrigen Flächen dienten dem Betrieb der Landwirtschaft des Klägers und würden entsprechend der im Nutzungsvertrag vom 12./19.02.1999 vorbehaltenen Berechtigung von ihm nachhaltig bewirtschaftet bzw. dienten als Wegeflächen oder seien Unland. Darüber hinaus wandte sich der Kläger gegen die Bewertung mit 6,00 DM pro qm Grundstücksfläche.

    Nach einer Ortsbesichtigung am 12.04.2006 gab der landwirtschaftliche Sachverständige des Beklagten am 26.04.2006 eine innerdienstliche gutachterliche Stellungnahme ab. Darin wird u.a. ausgeführt, dass seit dem Bestehen des Erlasses des Finanzministeriums Nordrhein Westfalen vom 12.09.2003 (S 3190-58-V A 6; vgl. Blatt 31 des Einspruchshefters) die abparzellierten Grundstücke von Windkraftanlagen insgesamt dem Grundvermögen zugerechnet würden. Bei nicht abparzellierten Windenergieanlagen würden die Flächen zu Grunde gelegt, die der Kreis A als Mindestflächen für eine Abparzellierung ansetze. Nach Auskunft des Kreisbauamtes A sei die Ermittlung der Mindestgröße von Windenergieanlagen bei der Abparzellierung eine Ermessensfrage. Je nachdem welche Berechnungsgrundlage angewandt werde, ergäben sich unterschiedliche Mindestflächengrößen. Die Wegeflächen des Flurstücks (insgesamt 19.767 qm) seien bereits vor der Abparzellierung vorhanden gewesen und erschlössen auch heute noch die Ackerflächen des landwirtschaftlichen Betriebes. Sie dienten nicht vorrangig den Windkraftstandorten und seien deshalb nicht mit in die wirtschaftliche Einheit des Windparks einzubeziehen, sondern dem landwirtschaftlichen Vermögen zuzurechnen. Die Gesamtfläche des Windparks betrage somit 55.447 qm. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die gutachterliche Stellungnahme vom 26.04.2006 verwiesen (vgl. Blatt 16 bis 18 des Einspruchhefters).

    Mit Einspruchsentscheidung vom 02.01.2008 änderte der Beklagte den angefochtenen Bescheid und stellte den Einheitswert nunmehr auf 170.055 Euro fest. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Reduzierung des Einheitswerts beruhte darauf, dass der Beklagte nunmehr davon ausging, dass die bereits vor der Abparzellierung vorhandenen Wegeflächen in der Größe von 19.767 qm die Ackerflächen des landwirtschaftlichen Betriebes des Klägers erschlössen, also nicht vorrangig den Windkraftanlagenstandorten dienten und deshalb nicht in die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit des Windparks einzubeziehen seien.

    Unter Bezugnahme auf den Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 12.09.2003 (S 3190-58-V A 6; vgl. Blatt 31 des Einspruchshefters) führte der Beklagte aus, dass Grundstücksflächen, auf denen Windenergieanlagen errichtet worden seien, nicht mehr dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen dienten. Die Flächen seien deshalb gemäß § 68 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) als unbebaute Grundstücke in das Grundvermögen zu übernehmen. Jede einzelne Windkraftanlage sei als wirtschaftliche Einheit für sich zu bewerten. Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten habe, sei nach der Anschauung des Verkehrs zu entscheiden. Dabei komme es auf die örtlichen Gewohnheiten, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter an. Die Tatsache, dass im Kataster insgesamt nur eine Fläche von 9.728 qm für die Standorte der Windkraftanlagen ausgewiesen sei, ändere nichts daran, dass die gesamte Grundstücksfläche von ihrer Zweckbestimmung eindeutig dem Betrieb dieser Anlage diene. Das eingeräumte Recht, die nicht von dem Pächter in Anspruch genommene Fläche landwirtschaftlich zu nutzen, könne nicht dazu führen, die Parzelle gedanklich zu trennen und unterschiedlich zu bewerten. Nach dem zitierten Erlass sei für die Zurechnung zum Grundvermögen grundsätzlich die Fläche maßgebend, die vom Betreiber der Windkraftanlage gepachtet werde. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liege entgegen der Auffassung des Klägers im Streitfall nicht vor. Bei dem Wertansatz von 6 DM/qm handele es sich im Übrigen um einen geschätzten Wert, der in Vergleichsfällen im Stadtgebiet A in Anlehnung an Gewerbebauland zu Grunde gelegt worden sei.

    Mit seiner Klage vom 25.01.2008 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist weiterhin der Auffassung, dass nur die Flächen, auf denen die Windkraftanlagen stehen sowie die befestigten Flächen, die dem Betrieb der Anlagen dienen (insgesamt 9.944 qm), dem Grundvermögen zuzurechnen seien. Die übrigen Flächen dienten nicht vorwiegend dem Betrieb der Windkraftanlagen und gehörten somit nach wie vor zum landwirtschaftlichen Vermögen. Es sei nicht gerechtfertigt, die gesamte vom Betreiber der Windkraftanlagen gepachtete Fläche als Grundvermögen zu bewerten. Der Betreiber nutze nur einen verhältnismäßig kleinen Teil des Grundstücks für den Betrieb seiner Windkraftanlagen. Im Nutzungsvertrag sei dementsprechend vereinbart, dass der Eigentümer die nicht für die Windkraftanlagen genutzte Fläche weiterhin wie bisher landwirtschaftlich nutzen könne. Außerdem habe der Eigentümer das Recht in Abstimmung mit dem Pächter auf dem Grundstück sogar eigene Windkraftanlagen zu errichten und zu betreiben.

    Die Vermessung der Standorte der Windkraftanlagen habe zwangsläufig zur Folge gehabt, dass das neu vermessene Flurstück nicht nur die von der Windparkgesellschaft genutzten Teilflächen umfasse, sondern auch Flächen, die im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes des Klägers genutzt würden. Die Betreibergesellschaft bestätige, dass ihr nicht die gesamte vermessene Parzelle zur Nutzung zur Verfügung stehe, sondern lediglich eine in der Örtlichkeit erkennbare Fläche in einer Größe von ca. 1.000 qm je Windkraftanlage. Auf das vom Kläger vorgelegte Schreiben der Windpark O GmbH vom 04.04.2008 (vgl. Blatt 25 und 26 der Gerichtsakte) wird insofern Bezug genommen.

    Zu Recht sei auch der Beklagte zu dem Schluss gekommen, dass die zu dem Pachtgrundstück gehörenden Wegeflächen nicht als Grundvermögen zu bewerten seien, weil der Weg vorwiegend dem landwirtschaftlichen Betrieb des Eigentümers diene. Gleiches müsse dann aber auch für den Teil des Flurstücks gelten, der als Ackerland genutzt werde. Insofern liege nicht einmal eine nur vorwiegende Nutzung für den landwirtschaftlichen Betrieb des Eigentümers vor, sondern eine ausschließliche Nutzung als Ackerland. Es handele sich um eine landwirtschaftlich genutzte Fläche, die nach § 69 Abs. 1 BewG nur dem Grundvermögen zuzurechnen sei, wenn nach ihrer Lage, den im Feststellungszeitpunkt bestehenden Verwertungsmöglichkeiten oder den sonstigen Umständen anzunehmen sei, dass sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werde. Diese Voraussetzungen für eine Bewertung als Grundvermögen lägen für die zum Flurstück gehörenden Ackerflächen jedoch nicht vor.

    Soweit der Beklagte eine andere Auffassung vertrete, müsse beachtet werden, dass nach § 68 Abs. 1 BewG der Grund und Boden nur zum Grundvermögen gehöre, soweit es sich nicht nach § 33 BewG um landwirtschaftliches Vermögen handele. Nach § 33 Abs. 1 BewG gehörten zum landwirtschaftlichen Vermögen alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt seien. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Eine Teilfläche des Grundstücks in einer Größe von 49.431 qm werde als Ackerland genutzt und diene zusammen mit den angrenzenden umfangreichen Ackerflächen nachhaltig dem landwirtschaftlichen Betrieb des Eigentümers. Eine andere Nutzung dieser Flächen könne nicht deshalb unterstellt werden, weil den einzelnen Standorten der Windkraftanlagen bei der Vermessung größere Flächen zugeordnet worden seien. Dies gelte auch dann, wenn es sich um gesetzlich vorgeschriebene Abstandsflächen handeln sollte. Denn auch Abstandsflächen gehörten zum landwirtschaftlichen Vermögen, wenn sie nachhaltig im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes genutzt würden. So würden z. B. auch von Hochspannungsleitungen überzogene Ackerflächen als landwirtschaftliches Vermögen bewertet, wenn sie weiter nachhaltig dem landwirtschaftlichen Betrieb dienten. Im vorliegenden Fall sei sogar die weitere landwirtschaftliche Nutzung der vom Anlagebetreiber nicht in Anspruch genommenen Flächen von vornherein bei der vertraglichen Vereinbarung vorgesehen gewesen. Die Nutzung und Zweckbestimmung dieser Flächen habe sich also nicht ändern sollen. Von Anfang an habe zwischen dem Pächter und dem Eigentümer Übereinstimmung darüber bestanden, dass die zum Flurstück gehörenden Ackerflächen landwirtschaftlich genutzt werden könnten. Im Umkehrschluss daraus sei zu folgern, dass diese Flächen vom Pächter nicht in Anspruch genommen würden. Der Eigentümer habe die Flächen immer landwirtschaftlich im Rahmen seines Betriebes genutzt und werde sie auch weiterhin landwirtschaftlich nutzen.

    Schließlich sei der Wertansatz für die als Grundvermögen zu bewertenden Flächen mit 6 DM/qm nicht angemessen. Nach den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung handele es sich um einen geschätzten Wert, der in Vergleichsfällen im Stadtgebiet A in Anlehnung an Gewerbebauland zu Grunde gelegt werde. Nach seiner Lage sei das zu bewertende Grundstück jedoch nicht mit Gewerbebaulandflächen in der Stadt A zu vergleichen. Zu beachten sei, dass das Grundstück abgelegen in der stadtfernen Mark liege und in keiner Weise erschlossen sei.

    Der Kläger beantragt,

    den Einheitswertbescheid auf den 01.01.2006 vom 27.09.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 02.01.2008 aufzuheben,

    hilfsweise den Einheitswertbescheid auf den 01.01.2006 vom 27.09.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.01.2008 dahin gehend zu ändern, dass nur eine Fläche von 9.944 qm der Bewertung zu Grunde gelegt wird und der Bodenwert mit 1,50 DM/qm berücksichtigt wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

    Zur Begründung führt der Beklagte aus, die auf dem zu bewertenden Grundstück errichteten zehn Windkraftanlagen bildeten eine wirtschaftliche Einheit. Sie befänden sich in einem gesondert ausgewiesenen Windeinzugsgebiet und bildeten einen sogenannten Windpark. Der gemeinsame Zweck liege in der Gewinnung von Windenergie. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei unter einer wirtschaftlichen Einheit im Sinne des § 2 des BewG entweder ein Einzelwirtschaftsgut zu verstehen, das im Wirtschaftsleben ein Eigendasein führe oder die Verbindung mehrerer Wirtschaftsgüter zu einer Sachgesamtheit, die regelmäßig einem gemeinsamen Zweck dienten. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt.

    Die Bewertung dieser wirtschaftlichen Einheit sei zutreffend im Grundvermögen erfolgt, da nach dem Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 12.09.2003 die vom Betreiber einer Windkraftanlage gepachteten Flächen grundsätzlich dem Grundvermögen zuzurechnen seien. Die Betreibergesellschaft habe die gesamten abparzellierten Flächen vom Eigentümer gepachtet. Zur Errichtung der Windkraftanlagen und der benötigten Nebeneinrichtungen sei der Betreibergesellschaft die gesamte Fläche zum Gebrauch überlassen worden. Ein Verpachtung lediglich der tatsächlich für die Windkraftanlagen genutzten Flächen könne dem Vertrag nicht entnommen werden. Vielmehr betrachteten die Vertragsparteien die gesamte abparzellierte Fläche als Einheit, die insgesamt für die Windkraftanlage notwendig sei. Andernfalls wäre eine geringere Fläche abparzelliert worden. Eine Konkretisierung des Pachtgegenstandes dahingehend, dass nur die tatsächlich für die Windkraftanlagen genutzten Flächen verpachtet werden sollten, könne dem Vertrag ebenfalls nicht entnommen werden. Somit seien die gesamten abparzellierten Flächen verpachtet und der Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 12.09.2003 könne auf die Gesamtflächen angewandt werden. Auf die weiteren Ausführungen des Beklagten in diesem Zusammenhang im Schriftsatz vom 24.11.2009 (vgl. Blatt 62 bis 62 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

    Zwar seien die zum Grundstück gehörenden Wegeflächen (19.767 qm) nach der Stellungnahme des amtlichen landwirtschaftlichen Sachverständigen des Beklagten aus der angefochtenen Einheitswertfeststellung heraus gerechnet worden, da diese Flächen bereits vor der Abparzellierung vorhanden gewesen seien und auch nach der Errichtung der Windkraftanlagen vorwiegend landwirtschaftlichen Zwecken dienten. Diese Flächen hätten nach dem Wortlaut des zitierten Erlasses jedoch grundsätzlich zur wirtschaftlichen Einheit der gesamten Parzelle hinzugerechnet werden müssen. Der Beklagte sei insofern aber dem Vorschlag des amtlichen landwirtschaftlichen Sachverständigen gefolgt. Daraus könne allerdings für den darüber hinausgehenden Teil des Flurstücks nicht die gleiche Bewertung abgeleitet werden. Der Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen sei insofern eindeutig, als es auf die tatsächliche Nutzung nicht ankomme. Der Beklagte sei bei der Zurechnung zum Grundvermögen ohne Wegeflächen zutreffend vom Umfang der vom Betreiber der Windkraftanlage gepachteten Flächen ausgegangen. Die Vereinbarungen in § 4 des zwischen dem Eigentümer und dem Betreiber geschlossenen Nutzungsvertrages führten zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.

    Bezüglich des Wertansatzes von 6 DM/qm habe der Beklagte auf Vergleichswerte zurückgegriffen, wobei mit der Herausrechnung der Wegeflächen betragsmäßig allen Unwägbarkeiten und Ungenauigkeiten, die evtl. diesem geschätzten Wertansatz anhaften könnten, hinreichend Rechnung getragen worden seien.

    Im Übrigen verweist der Beklagte auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 24.04.2009 (Az. BLW 21/08), wonach die Bereitstellung von Flächen für Windenergieanlagen nicht als landwirtschaftliche Nutzung im Sinne der Höfeordnung gelte, und zwar auch dann, wenn diese Flächen zum Teil weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden könnten.

    Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 28.08.2009 erörtert. Auf das Protokoll des Erörterungstermins (vgl. Blatt 45 bis 48 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

    Der Senat hat in der Sache am 15.04.2010 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig und begründet.

    Der Einheitswertbescheid auf den 01.01.2006 vom 27.09.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 02.01.2008 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

    Der angefochtene Einheitswertbescheid und die Einspruchsentscheidung sind bereits deshalb rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, weil der Beklagte darin mehrere selbständige wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens zusammen bewertet hat.

    Das Grundvermögen wird nach wirtschaftlichen Einheiten bewertet. Jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens bildet ein Grundstück im Sinne des Bewertungsgesetzes und ist für sich zu bewerten (§ 70 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 BewG). Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit im Sinne des § 2 BewG bestimmt sich in erster Linie nach der Verkehrsauffassung. Dabei sind die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 BewG). Der Begriff des Grundstücks im Sinne des Bewertungsgesetzes deckt sich weder mit dem Begriff des Grundstücks im Sinne des bürgerlichen Rechts noch mit dem Begriff des Flurstücks im Sinne des Katasterrechts. Dementsprechend kann ein Grundstück im Sinne des Bewertungsgesetzes sowohl mehrere Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts bzw. mehrere Flurstücke umfassen als auch nur ein Teil eines Grundstücks im Sinne des bürgerlichen Rechts bzw. nur ein Teil eines Flurstücks sein (vergleiche Esskandari in Gürsching/Stenger, Kommentar zum BewG und ErbStG, § 2 BewG Rz. 102 und § 70 BewG Rz. 6, 17 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Die räumliche Trennung von Grundstücksflächen schließt die Zusammenfassung zu einer wirtschaftlichen Einheit aus (vergleiche Esskandari, a. a. O., § 2 BewG Rz. 103 und § 70 BewG Rz. 19).

    Zum Grundvermögen gehört u.a. der nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zählende Grund und Boden (§ 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zugehörig sind alle Wirtschafsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind (§ 33 Abs. 1 BewG). Land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen sind jedoch dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach ihrer Lage, den im Feststellungszeitpunkt bestehenden Verwertungsmöglichkeiten oder den sonstigen Umständen anzunehmen ist, dass sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden (§ 69 Abs. 1 BewG). Ferner sind Flächen gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 BewG stets – mit Ausnahme der in § 69 Abs. 3 Satz 2 BewG geregelten Fälle – dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn sie in einem Bebauungsplan als Bauland festgesetzt sind, ihre sofortige Bebauung möglich ist und die Bebauung innerhalb des Plangebiets in benachbarten Bereichen begonnen hat oder schon durchgeführt ist.

    Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundlagen besteht das streitbefangene Flurstück aus mehreren wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens, die entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 1 BewG jeweils für sich zu bewerten sind. Dies gilt bereits unabhängig von der zwischen den Beteiligen strittigen Frage des Umfangs der Zuordnung der mit den Ziffern 1. bis 10. auf der Katasterkarte (Blatt 57 der Gerichtsakte) bezeichneten Teilflächen (Standorte der zehn Windkraftanlagen) zum Grundvermögen bzw. zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen. Denn jedenfalls dienen die als „Weg” bezeichneten Flächen zwischen den Standorten der Windkraftanlagen unstreitig dem Betrieb der Landwirtschaft des Klägers und nicht vorrangig dem Betrieb der Windkraftanlagen. Sie gehören dementsprechend, auch nach der in der Einspruchsentscheidung zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Beklagten, gemäß § 33 BewG zum land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und nicht zum Grundvermögen. Aus § 69 Abs. 3 Satz 1 BewG ergibt sich für diese im Bebauungsplan als Straßenverkehrsflächen ausgewiesenen Flächen nicht anderes. Denn insofern handelt es sich nicht um Baulandflächen im Sinne des § 69 Abs. 3 Satz 1 BewG. Diese Flächen sind, soweit sie – wie vorliegend – land- und forstwirtschaftlich genutzt werden, nur unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 und 2 dem Grundvermögen zuzurechnen (vgl. Esskandari, a. a. O., § 69 BewG Rz. 131).

    Demgegenüber gehören die jeweiligen Standortflächen der zehn Windkraftanlagen (auf der Katasterkarte Blatt 57 der Gerichtsakte mit den Ziffern 1. bis 10. bezeichnet) gemäß § 33 i. V. m. § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG zum Grundvermögen, da sie dauerhaft anderen als land- und fortstwirtschaftlichen Zwecken dienen. Insofern stimmen auch die Beteiligten in ihrer Rechtsauffassung überein. Streitig ist lediglich die Größe der zum Grundvermögen gehörenden Teilflächen.

    Daraus folgt jedoch, dass die zum Grundvermögen gehörenden Standortflächen der Windkraftanlagen nicht im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit räumlich miteinander verbunden sind. Denn bei den dazwischenliegenden Teilflächen handelt es sich zutreffend und unstreitig um Flächen, die zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören und die zum Grundvermögen gehörenden Flächen nicht im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit miteinander verbinden können. Da sich zwischen den mit 6. und 7. bezifferten Standorten unstreitig kein Weg befindet, besteht insofern darüber hinaus auch nach der Verkehrsauffassung keine räumliche Verbindung.

    Ungeachtet dessen kommt es darauf an, ob die betreffenden Flächen dem land- und forstwirtschaftlichem Vermögen dauernd zu dienen bestimmt sind (§ 33 Abs. 1 BewG) bzw. ob aufgrund der Umstände anzunehmen ist, dass sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen oder dienen werden. Dabei ist insbesondere die tatsächliche Nutzung vor dem Hintergrund der rechtlichen Gegebenheiten entscheidend. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann dabei nicht allein darauf abgestellt werden, dass die Gesamtfläche des Flurstücks von dem Betreiber des Windparks gepachtet wurde. Denn entsprechend der vertraglichen Vereinbarung werden wesentliche Teile des Flurstücks unstreitig weiter land- und forstwirtschaftlich vom Kläger bewirtschaftet. Es kommt vielmehr darauf an, welche konkreten Flächen rechtlich und technisch für den Betrieb der einzelnen Windkraftanlage erforderlich sind. Denn diese Flächen dienen, selbst wenn sie noch land- und forstwirtschaftlich genutzt werden sollten, rechtlich und/oder technisch dem Betrieb der Windkraftanlage und sind damit nicht mehr dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen dauernd zu dienen bestimmt. Die Größe dieser Flächen kann für jede einzelne Windkraftanlage durchaus unterschiedlich sein. Im Streitfall braucht der Senat hierzu keine weiteren Feststellungen treffen und zu den rechtlichen Argumenten der Beteiligten nicht weiter Stellung nehmen, da der angefochtene Einheitswertbescheid und die Einspruchsentscheidung bereits aus den dargestellten Gründen aufzuheben waren.

    Auch die bauplanungsrechtlichen Festlegungen des Bebauungsplans der Gemeinde B „Windvorranggebiet” vom 20.11.2002 für den Windpark (Blatt 84 ff. der Gerichtsakte) tragen die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Bewertung der streitbefangenen Flächen nicht. Sie rechtfertigen insbesondere – entgegen der Auffassung des Beklagten – keine Anwendung des § 69 Abs. 3 BewG. In diesem Bebauungsplan wird nur die Festlegung „Sondergebiet Windenergiepark” (vgl. § 11 Abs. 2 a. E. BauNVO) mit den erforderlichen Nebenbestimmungen wie das Recht zur Fortsetzung der landwirtschaftlichen Nutzung auf der gesamten unüberbaubaren Fläche getroffen. Das daraus folgende Verbot der Wohnbebauung allein steht schon der Anwendung des § 69 Abs. 3 BewG entgegen. Es fehlt an einer Festsetzung der nicht von den Windenergieanlagen überbauten Flächen als Bauland in einem Bebauungsplan ebenso wie an der Möglichkeit zur sofortigen Bebauung in rechtlicher Hinsicht, da eine anderweitige Nutzung der Fläche als zur Windgewinnung und zur landwirtschaftlichen Nutzung in absehbarer Zeit nicht zulässig und damit nicht zu erwarten ist.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 155 FGO i. V. m. 708 Nr. 11 u. 711 ZPO.

    Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Soweit ersichtlich, wurde die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Teilflächen eines Flurstücks, die dem Betrieb von Windkraftanlagen als Standorte dienen und deshalb dem Grundvermögen zuzurechnen sind, bei der Einheitsbewertung des Grundvermögens zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden können, wenn sie räumlich durch Teilflächen des Flurstücks unterbrochen sind, die dauerhaft land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen und deshalb für Zwecke der Einheitsbewertung dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzurechnen sind, bislang höchstrichterlich nicht entschieden.

    VorschriftenBewG § 33, BewG § 68, BewG § 70, BewG § 2 Abs 1