Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 08.01.2010

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 06.11.2002 – 8 K 6457/98 GrE

    1) Hat sich der Grundstückserwerber vertraglich zur Übernahme der gemäß § 13 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 44 AO gesamtschuldnerisch geschuldeten Grunderwerbsteuer verpflichtet, hat das Finanzamt gemäß den Grundsätzen der Billigkeit und Zweckmäßigkeit zunächst diesen zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen.

    2) Die nach erfolgloser Heranziehung des Grundstückserwerbers erfolgende Inanspruchnahme der Grundstücksveräußerers ist eine Ermessensentscheidung, bei der das Ermessen regelmäßig auf Null reduziert ist, es sei denn, der Steueranspruch gegen den Grundstücksveräußerer ist verwirkt.

    3) Der Steueranspruch ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit zur Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die spätere Rechtsausübung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das Zeitmoment ist dabei allgemein von geringer Bedeutung, weil die zeitlichen Grenzen für die Geltendmachung des Steueranspruchs regelmäßig durch die Verjährung gesetzt werden. Das Umstandsmoment kann durch positives Verhalten und durch Unterlassen gebotenen Tuns begründet werden. Letzteres ist nur dann gegeben, wenn die fehlgeschlagene Beitreibung der Steuerforderung auf einer vorsätzlichen oder sonstigen besonders groben Pflichtverletzung des zuständigen Finanzbeamten beruht.


    IM NAMEN DES VOLKES hat der 8. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 06.11.2002, an der teilgenommen haben:

    im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob der Beklagte (Bekl. – das Finanzamt – FA –) zu Recht die Klägerin (Klin.) als Verkäuferin eines Grundstückes wegen der nicht vollständig durch die Erwerberin bezahlten Grunderwerbsteuer als Gesamtschuldnerin in Anspruch genommen hat.

    Die Klin. veräußerte der Firma Q. Wohnbau- und Verwaltungs GmbH (Q.-GmbH) mit Sitz in M. ein in E., X straße gelegenes Grundstück zu einem Kaufpreis in Höhe von 7.900.000 DM. Das Angebot zum Abschluss des Kaufvertrages wurde am 11.04.1995 (UR-Nr. 286/1995 des Notars Dr. E. H., F.) und die Annahme des Angebots am 14.09.1995 (UR-Nr. 996/1995 desselben Notars) beurkundet. Das Grundstück sollte bebaut und sodann die einzelnen Einheiten veräußert werden.

    Von dem Kaufpreis zahlte die Q.-GmbH lediglich 6.400.000 DM.

    Da die finanzierende Bank der Erwerberin die Valutierung des Darlehens an den Nachweis des Verkaufstandes des geplanten Objektes geknüpft hatte, vereinbarten die Kaufvertragsparteien am 05.10.1995/27.11.1995, dass der vereinbarte Kaufpreis in Höhe eines Teilbetrages 1.500.000 DM gestundet werde. Dieser Teilbetrag sei fällig und zahlbar, wenn der Vertriebsstand (Verkauf der einzelnen Einheiten) 45 % des gesamten Objektes erreicht habe. Diese Stundungsvereinbarung gelte nur, wenn der restliche Kaufpreis in Höhe von 6.400.000 DM zzgl. des Betrages von 57.178 DM zur Erstattung der Prüfkosten gemäß Vereinbarung vom 03.07./05.07.1995, zusammen also mit den 6.457.178 DM fristgerecht nach Eintritt der vertraglichen Fälligkeitsvoraussetzungen auf dem Notaranderkonto des Notars Dr. H. in F. vertragsgemäß hinterlegt würden. Sollte eine fristgerechte Hinterlegung nicht erfolgen, sei die Stundungsvereinbarung hinfällig.

    Seitens der Erwerberin erfolgte keine weitere Zahlung. Wie sich aus einer von der Klin. im Klageverfahren vorgelegten Einspruchsentscheidung (EE) vom 23.04.2002 des FA E. bzgl. der Ablehnung des Antrages der Klin. auf Zurechnungsfortschreibung auf den 01.01.1996 zugunsten der Erwerberin ergibt, hat die Erwerberin zu keinem Zeitpunkt eine nach außen gerichtete Vertriebstätigkeit erkennen lassen (Aufstellen von Bauschildern, Zeitungsinserate etc.). Die Regelungen in der Stundungsvereinbarung seien nicht eingehalten worden, so dass die Stundungsvereinbarung hinfällig geworden sei. Von der tatsächlichen Durchführung des notariellen Vertrages vom 11.04.1995 habe man bereits seit 1996 nicht mehr ausgehen können, da die Erwerberin ihrer Zahlungsverpflichtung hinsichtlich der Stundungsvereinbarung der Grunderwerbsteuer nicht nachgekommen sei und bereits in 1996 ein Antrag auf Konkurseröffnung beim Amtsgericht T. gestellt worden sei. Das Konkursverfahren sei gegen die Erwerberin am 07.04.1998 eröffnet worden. Gemäß § 17 Konkursordnung (KO) habe der Konkursverwalter die Erfüllung des notariellen Vertrages vom 11.04.1995 abgelehnt.

    Das FA erteilte am 05.09.1996 gegenüber der Q.-GmbH, die sich als Erwerberin gemäß § 7 des o.a. Kaufvertrages zur Zahlung der Grunderwerbsteuer verpflichtet hatte, einen Grunderwerbsteuerbescheid über 158.000 DM (= 2 v.H. von 7.900.000 DM).

    Die Q.-GmbH zahlte nach Zahlungserinnerung und vergeblichen Pfändungsversuchen in mehreren Teilbeträgen insgesamt 112.500 DM. Das FA T., das im Wege der Amtshilfe die Beitreibungsmaßnahmen durchführte, hatte festgestellt, dass eine Vollstreckung in das bewegliche Vermögen der Q.-GmbH fruchtlos sei, da Geschäftsräume und Inventar gemietet bzw. geleast worden seien. Die dortige Vollstreckungsstelle hat sich sodann mit dem Geschäftsführer der Q.-GmbH, F. A., im Vollstreckungsverfahren auf wöchentliche Ratenzahlungen geeinigt. Daraufhin gingen beim beklagten FA folgende Zahlungen ein:

    DM
    19.06.199722.500,01
    03.07.199722.500,01
    14.07.199715.000,00
    17.07.199710.000,00
    24.07.199710.000,00
    01.08.199710.000,00
    07.08.199710.000,00
    08.11.199710.000,00
    Summe112.500,02


    Die Erwerberin gab am 14.11.1997 eine eidesstattliche Versicherung ab, aus der zu entnehmen war, dass auch andere Gläubiger bereits Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Q.-GmbH gestellt hatten. Der Konkurs wurde am 07.04.1998 eröffnet, worauf die Grunderwerbsteuerforderung des FA am 08.05.1998 zur Konkurstabelle angemeldet wurde.

    Mit Schreiben vom 12.02.1998 teilte das FA der Klin. mit, dass die Q.-GmbH die Grunderwerbsteuer trotz mehrfacher Mahnungen nicht gezahlt habe. Wenn der Steuerbetrag nicht innerhalb von vier Wochen auf ein Konto des FA gutgeschrieben sei, so beabsichtige das FA, in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens gegen die Klin. als Gesamtschuldner die noch offene Grunderwerbsteuer in Höhe von 45.500 DM festzusetzen. Für den Fall, dass der Vertrag nicht zur Durchführung gelangt sein sollte, bat das FA, dies ggfl. durch Vorlage einer Aufhebungsvereinbarung nachzuweisen.

    Nachdem die Klin. mit Schreiben vom 25.03.1998 dem FA mitgeteilt hatte, dass sie wegen nach ihrer Meinung nicht genügender Vollstreckungsversuche des FA gegenüber der Q.-GmbH nicht zur Zahlung gesamtschuldnerisch heranzuziehen sei, nahm das FA die Klin. als Gesamtschuldnerin hinsichtlich der restlichen Grunderwerbsteuer in Höhe von 45.500 DM mit Grunderwerbsteuerbescheid vom 03.04.1998 in Anspruch. Zur Begründung führte es aus:

    „Der Bescheid ergeht an sie in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens. Die Vollstreckungsstelle hat ergebnislos alle ihr gesetzlich gegebenen Möglichkeiten ausgeschöpft, um die noch ausstehende Grunderwerbsteuer einzutreiben.”

    Den dagegen eingelegten Einspruch begründete die Klin. damit, sie bäte um Nachweis und Spezifizierung der einzelnen Vollstreckungsversuche. Im Übrigen habe das FA den Steueranspruch verwirkt. Durch sein bisheriges Verhalten – keine Festsetzung der Grunderwerbsteuer gegen sie innerhalb von drei Jahren nach Vertragsabschluss – habe sie darauf vertrauen können, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde. Selbst wenn es zutreffend sei, dass die Beitreibung der Steuerforderung gegen den zunächst in Anspruch genommenen fehlgeschlagen sei, sei dies allein darauf zurückzuführen, dass eine grobe Pflichtverletzung seitens des FA vorliege. Die fehlgeschlagene Beitreibung sei nur auf langes Zuwarten des FA zurückzuführen.

    Der Einspruch war erfolglos (EE vom 31.08.1998). Das FA meinte, es habe die Klin. ermessensgerecht gemäß § 13 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) i.V.m. § 44 Abgabenordnung (AO) als Gesamtschuldnerin hinsichtlich der restlichen Grunderwerbsteuer in Anspruch genommen. Der Steueranspruch sei auch nicht verwirkt gewesen.

    Zur Begründung der hiergegen eingelegten Klage trägt die Klin. vor, ihre gesamtschuldnerische Inanspruchnahme sei ermessensfehlerhaft. Nach den ihr vorliegenden Informationen sei zwischenzeitlich über das Vermögen der Q.-GmbH das Konkursverfahren eröffnet worden. Bei der noch geschuldeten Grunderwerbsteuer in Höhe von 45.500 DM dürfte es sich um eine bevorrechtigte Forderung handeln, so dass zumindest ein Teil der Steuerschuld im Rahmen des Konkursverfahrens von der Gemeinschuldnerin geleistet werde.

    Im Übrigen sei die Geltendmachung des Steueranspruchs ihr gegenüber unzulässig, da die Verwirkung eingetreten sei. Eine Verwirkung des Anspruches setze voraus, dass der Anspruchsberechtigte – hier das FA – durch ein bestimmtes Verhalten beim Verpflichteten das Vertrauen geweckt habe, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde. Vorliegend habe sie aufgrund des Zeitraumes zwischen Kaufvertrag und Steuerfestsetzung – drei Jahre – zu Recht darauf vertrauen können, dass eine Inanspruchnahme nicht mehr ausgeübt werde. Des Weiteren sei dadurch Verwirkung eingetreten, dass die fehlgeschlagene Beitreibung der Steuerforderung gegen den zunächst in Anspruch genommenen auf einer vorsätzlichen oder sonstigen besonders groben Pflichtverletzung des FA beruhe (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 04.07.1979 II R 74/77 BStBl. II 1980, 126). Im vorliegenden Fall habe es das FA versäumt, rechtzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Steuerforderung beizutreiben. Das FA habe zu lange mit der Beitreibung durch geeignete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gewartet.

    Offensichtlich habe es das FA auch versäumt, den Anspruch durch dingliche Sicherungsrechte, wie z. B. die Eintragung einer Sicherungshypothek, beizutreiben. Warum sich das FA trotz angeblicher fruchtloser Pfändungsversuche auf Ratenzahlungen eingelassen habe, bleibe sein Geheimnis. Die Einräumung von Ratenzahlungen im Zwangsvollstreckungsverfahren stelle eine Stundung durch Einräumung von Teilzahlungen dar (§ 257 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 222 AO). Das FA habe das ihm im Rahmen des § 222 AO eingeräumte Ermessen in eklatanter Art und Weise fehlerhaft ausgeübt. Dadurch habe es eine grobe Pflichtverletzung begangen. Zum einen sei auf die Gewährung von Sicherheitsleistungen verzichtet worden. Hier hätten sich z. B. Forderungsabtretungen oder die persönliche Schuldübernahme der Geschäftsführer bzw. der Gesellschafter der Q.-GmbH angeboten. Zum anderen habe das FA, obwohl es die offensichtlich angespannte finanzielle Situation der Q.-GmbH gekannt habe bzw. hätte kennen müssen, verkannt, dass die Stundung eine „Gefährdung des Anspruchs” gewesen sei, die sich auch nunmehr tatsächlich durch den Totalausfall realisiert habe.

    Durch die fehlerhafte Einräumung der Ratenzahlung habe das FA eine besonders grobe Pflichtverletzung begangen, so dass „Verwirkung” eingetreten sei.

    Darüber hinaus habe es das FA offensichtlich versäumt, nach Kenntnis über die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Erwerberin, die Steuerforderung als Konkursforderung anzumelden. Im Falle einer gehörigen Anmeldung der Steuerforderung als Konkursforderung wäre die Steuerforderung zumindest teilweise oder sogar ganz bedient worden (Beweis: Zeugnis des Insolvenzverwalters).

    Ferner habe es das FA versäumt, sie zeitnah über die Schwierigkeiten der Steuerbeitreibung zu unterrichten. Das FA habe sie erst mit Schreiben vom 12.02.1998, also erst 17 Monate nach Festsetzung der Grunderwerbsteuer gegen die Q.-GmbH und 10 Monate nach fruchtlosen Pfändungsversuchen über die bisher ergebnislose Beitreibung der Steuerforderung unterrichtet. Bei ihrer gehörigen zeitnahen Unterrichtung durch das FA – innerhalb der zweijährigen Frist nach § 16 GrEStG – hätte sie durch Herabsetzung der noch offenen Kaufpreisforderung von 1,5 Millionen DM eine niedrigere Steuerfestsetzung erreichen können und einen entsprechenden Antrag gestellt.

    Rein vorsorglich und äußerst hilfsweise werde gegenüber dem FA hiermit der Antrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG gestellt. Der Erwerbsvorgang sei durch Erklärung des Insolvenzverwalters rückgängig gemacht worden.

    Weiterhin hätte sie bei rechtzeitiger Benachrichtigung die Möglichkeit gehabt, Rückgriffsansprüche gegen die Erwerberin geltend zu machen. Durch die zwischenzeitliche Konkurseröffnung über das Vermögen der Erwerberin sei dieses nunmehr so gut wie aussichtslos.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klin. vom 24.09.1998, 29.10.1998, 02.11.1998, 28.05.2002 und 24.07.2002 verwiesen.

    Die Klin. beantragt,

    den Grunderwerbsteuerbescheid vom 03.04.1998 sowie die EE vom 31.08.1998 aufzuheben, und hilfsweise, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es meint, die Inanspruchnahme der Klin. sei zulässig und ermessensgerecht. Es sei im Streitfall auch keine Verwirkung durch eine besonders grobe Pflichtverletzung eingetreten. Das FA habe durch seine Handlungsweise im Vollstreckungsverfahren mehr als 2/3 der Steuerschuld realisiert. Entgegen der Auffassung der Klin. sei der Erwerberin keine Stundung gemäß § 222 AO gewährt worden. Erst nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Erwerberin am 14.11.1997 habe das FA davon ausgehen müssen, dass die Grunderwerbsteuer von der Käuferin nicht mehr zu erlangen gewesen sei. Die Klin. sei daraufhin mit Schreiben vom 12.02.1998 auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme hingewiesen worden.

    Eine Verpflichtung des FA, die Klin. über die schwierige Beitreibung zu unterrichten, bestehe nicht. Es habe zwangsläufig zunächst mit der Käuferin in Verbindung treten müssen. Es habe erst dann Anlass zur Information der Klin. über ihre mögliche Inanspruchnahme gehabt, als ernstlich mit dieser zu rechnen gewesen sei. Eine frühere Inanspruchnahme wäre ermessensfehlerhaft gewesen. Der Klin. sei entgegen zu halten, dass ihr selbst bekannt gewesen sei, dass die Käuferin in Zahlungsschwierigkeiten gesteckt habe, denn nach eigenem Bekunden war der Kaufpreis nicht voll bezahlt worden. Sie könne sich nicht mit dem Hinweis der Verantwortung entziehen, das FA habe die nicht rechtzeitige Konkurseröffnung zu verantworten.

    § 16 Abs. 1 GrEStG setze einen Antrag voraus, die Steuerfestsetzung aufzuheben. Die Erklärungen des Konkursverwalters unter Hinweis auf § 17 KO, den Vertrag nicht erfüllen zu wollen, stelle keinen Antrag im o.a. Sinne dar. Der nunmehr im Klageverfahren gestellte Antrag sei nicht fristgerecht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze des FA vom 22.10.1998 und vom 15.07.2002 Bezug genommen.

    Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 03.04.1998 ist rechtmäßig und verletzt die Klin. nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

    Das FA hat bei der erforderlichen Ermessensentscheidung, ob es die Klin. als Verkäuferin hinsichtlich der entstandenen restlichen Grunderwerbsteuer in Anspruch nehmen durfte, sein Ermessen zutreffend ausgeübt.

    Das FA war berechtigt, die Klin. als Gesamtschuldnerin der Grunderwerbsteuer gemäß §§ 13 Nr. 1 GrEStG, 44 AO in Anspruch zu nehmen. Die Auswahl des Gesamtschuldners, an den sich das FA halten und von dem es die geschuldete Leistung fordern will, steht nicht in seinem Belieben, sondern ist an die Grundsätze der Billigkeit und Zweckmäßigkeit gebunden. Diesen Grundsätzen entsprechend muss das FA in der Regel den Erwerber des Grundstücks zur Grunderwerbsteuer heranziehen, wenn dieser – wie hier – im Kaufvertrag die Grunderwerbsteuer übernommen hat. Nimmt das FA dementsprechend aufgrund eines Grundstückskaufvertrages zunächst den Erwerber und dann den Veräußerer als Gesamtschuldner in Anspruch, so ist die nachträgliche Inanspruchnahme des Veräußerers eine Ermessensentscheidung (vgl. FG Münster Urteil vom 26.04.1995 VIII K 4895/94 GrE EFG 1995, 943 m.w.N.).

    Das FA hat die Klin. zu Recht in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens wegen der restlichen Grunderwerbsteuer in Höhe von 45.500 DM in Anspruch genommen (sog. Ermessensreduzierung auf Null), weil die Inanspruchnahme der anderen Gesamtschuldnerin nur in Höhe von 112.500 DM erfolgreich und im Übrigen erfolglos gewesen ist. Ist nämlich ein Steuerbetrag von dem, der im Normalfall zunächst in Anspruch zu nehmen wäre, nicht mehr zu erlangen, stellt sich die Alternative, ob die Steuer von ihm oder von einem anderen Gesamtschuldner zu fordern ist, nicht mehr; damit entfällt auch eine Ausübung des Ermessens bei der Auswahl des in Anspruch zu nehmenden und es kann nur noch darum gehen, ob die Inanspruchnahme des anderen Gesamtschuldners noch zulässig ist. Folglich muss das FA, wenn die Grunderwerbsteuer von dem Erwerber nicht mehr zu erlangen ist, den Veräußerer in Anspruch nehmen, es sei denn, der Steueranspruch gegen diesen ist verwirkt (BFH-Urteil vom 12.05.1976 II R 187/72, BStBl. II 1976, 579).

    Dass die Erhebung der Grunderwerbsteuer in Höhe von 45.500 DM gegenüber der Grundstückserwerberin erfolglos gewesen ist, ist unstreitig.

    Der gegenüber der Klin. geltend gemachte Steueranspruch war entgegen ihrer Auffassung nicht verwirkt. Verwirkung bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Rechtsausübung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Der Tatbestand der Verwirkung enthält somit ein zeitliches Moment, nämlich die länger andauernde Untätigkeit des Anspruchsberechtigten, und ein Umstandsmoment, nämlich ein bestimmtes Verhalten des Berechtigten und einen hierdurch ausgelösten Vertrauenstatbestand. Da die zeitlichen Grenzen für die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis regelmäßig durch die Verjährung gesetzt werden, die vorrangig den Zeitraum bemisst, während dessen der aus den Steuergesetzen Verpflichtete mit seiner Inanspruchnahme rechnen muss, ist das Zeitmoment allgemein von geringer Bedeutung. Die vom Gesetz gezogene zeitliche Grenze (Verjährungsfrist) kann nicht generell durch den Einwand des Schuldners vorverlegt werden, das FA hätte den Anspruch früher geltend machen können.

    Das trifft auch im hier vorliegenden Fall zu. Deshalb kann sich die Klin. nicht mit Erfolg darauf berufen, die GrESt sei ihr gegenüber erst 3 Jahre nach ihrer Entstehung festgesetzt worden.

    Ausschlaggebend ist ein zu dem Zeitmoment hinzutretendes bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten, das geeignet ist, bei dem Verpflichteten das Vertrauen darauf zu wecken, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde. Dieses Verhalten muss grundsätzlich unmittelbar demjenigen gegenüber in Erscheinung getreten sein, der daraus den Vertrauenstatbestand herleiten will. Da das FA hier vor seinem Schreiben vom 12.02.1998 nicht mit der Klin. in Verbindung getreten ist, scheidet positives Verhalten, das einen Vertrauenstatbestand hätte auslösen können, aus. Der Vertrauenstatbestand kann aber auch durch Unterlassen gebotenen Tuns ausgelöst werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die säumige Inanspruchnahme des Schuldners für sich allein die Vertrauensfolge nicht nach sich zieht. Denn wer allein wegen Tatbestandsverwirklichung für die daraus folgende Steuer haftet, trägt grundsätzlich das Risiko, dass die Steuerforderung bei den Steuerschuldnern nicht beigetrieben werden kann. Eine Ausnahme könnte nur dann bestehen, wenn die fehlgeschlagene Beitreibung der Steuerforderung auf einer vorsätzlichen oder sonstigen besonders groben Pflichtverletzung des zuständigen Beamten des FA beruht. Bei der Eingrenzung der Umstände, die zur Verwirkung führen, ist zu beachten, dass im Falle der Haftung allein wegen Tatbestandsverwirklichung in besonderem Maße aufgrund der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung kein Ermessen dahin besteht, aus Billigkeitsgründen von der Verfolgung des Haftungsanspruchs abzusehen (vgl. zum Vorstehenden BFH-Urteil vom 04.07.1979 II R 74/77 BStBl. II 1980, 126).

    Eine vorsätzliche oder in sonstiger Weise grobe Pflichtverletzung der zuständigen Beamten im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Steuerforderung gegen die Q.-GmbH ist im vorliegenden Fall nicht feststellbar.

    Das FA hat mit Hilfe des im Wege der Amtshilfe zur Durchführung der Beitreibungsmaßnahmen eingeschalteten FA T. zeitgerecht versucht, die festgesetzte Steuer beizutreiben. Das FA T. hat unstreitig festgestellt, dass eine Vollstreckung in das bewegliche Vermögen der Q.-GmbH fruchtlos war, da Geschäftsräume und Inventar gemietet bzw. geleast worden waren. Da weitere Vollstreckungsmöglichkeiten offenbar nicht ersichtlich waren, hat sich das FA T. mit dem Geschäftsführer der Q.-GmbH auf wöchentliche Ratenzahlungen geeinigt. Dieses ist – wie gerichtsbekannt ist – ein im Rahmen der Vollstreckungsverfahren häufig angewandtes und auch zulässiges Verfahren, mit dem die Finanzverwaltung sehr oft zumindest einen großen Teil der Steuerforderung verwirklichen kann. Obwohl auch der Steuerschuldner häufig weiß, dass das FA ihm gegenüber keine Vollstreckungsmöglichkeit besitzt, ist er – wie auch hier – mit Ratenzahlungen im Zwangsvollstreckungsverfahren einverstanden. Denn der Steuerschuldner steht insoweit unter dem tatsächlichen Druck, dass das FA ihn zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auffordern oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragen kann. Die Vereinbarung von Ratenzahlungen im Vollstreckungsverfahren stellt entgegen der Auffassung der Klin. keine Stundung gemäß § 222 AO dar. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Klin. zu Recht der Auffassung ist, dass das FA die Voraussetzungen für eine Stundung zu Unrecht bejaht und deshalb das in § 222 AO eingeräumte Ermessen in eklatanter Art und Weise fehlerhaft ausgeübt hat.

    Das FA T. war mit seiner Ratenzahlungsvereinbarung insoweit erfolgreich, dass die Q.-GmbH mit ihren wöchentlichen Ratenzahlungen in der Zeit vom 19.06.1997 bis zum 07.08.1997 102.500 DM und am 08.11.1997 zusätzlich 10.000,00 DM auf die festgesetzte Grunderwerbsteuer in Höhe von 158.000 DM gezahlt hat.

    Als die Q.-GmbH abweichend von der Vereinbarung die Zahlung eingestellt hat, hat sie gegenüber dem FA T. am 14.11.1987 die eidesstattliche Versicherung abgeben müssen, der zu entnehmen war, dass durch andere Gläubiger bereits ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt worden war. Warum die Kl. bei einer derart zeitgerechten und weitgehend erfolgreichen Vollstreckung der Steuerforderung dem FA vorwirft, es habe versäumt, rechtzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Steuerforderung beizutreiben, ist unverständlich.

    Dies gilt auch für den Hinweis der Klin., das FA habe es offensichtlich auch versäumt, den Anspruch durch dingliche Sicherungsrechte, wie z. B. die Eintragung einer Sicherungshypothek, beizutreiben. Die Klin. hat bisher keine substantiierten Angaben dazu gemacht, zu welchem Zeitpunkt sich für das FA im Rahmen des Beitreibungsverfahrens eine erfolgreiche Beitreibung durch Eintragung einer Sicherungshypothek hätte aufdrängen müssen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass gemäß §§ 2 und 4 des Kaufvertrages der Kaufpreis in Höhe von 7.900.000 DM offensichtlich durch Aufnahme von Darlehen finanziert worden ist. Dabei werden erfahrungsgemäß vollstreckbare Grundpfandrechte an rangbereiter Stelle im Grundbuch eingetragen. Im Übrigen hat die Klin. keine Angaben dazu gemacht, ob die Eintragung einer Sicherungshypothek überhaupt für das FA zu einer Beitreibung der Steuerschuld geführt hätte. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass es sich bei der Eintragung einer Sicherungshypothek lediglich um eine Sicherungsmaßnahme des FA handeln würde, die allenfalls dann zu einer erfolgreichen Beitreibung der Steuer führen kann, wenn bei der Verteilung eines Versteigerungserlöses nicht Gläubiger mit vorrangigen Grundstücksrechten zu befriedigen sind. Hiervon musste jedoch das FA aufgrund der Fremdfinanzierung des Grundstücks und des darauf zu errichtenden Objektes ausgehen.

    Die Klin. kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, das FA habe es offensichtlich versäumt, nach Kenntnis des Konkurses über das Vermögen der Erwerberin, die Steuerforderung als Konkursforderung anzumelden, weil – lt. Klin. – im Falle einer gehörigen Anmeldung der Steuerforderung als Konkursforderung die Steuerforderung zumindest teilweise oder sogar ganz bedient worden wäre. Diese Vermutung der Klin. ist nicht zutreffend. Aus einem Vermerk in der Grunderwerbsteuerakte (Blatt 51) ergibt sich, dass der Konkurs über das Vermögen der Q.-GmbH am 07.04.1998 eröffnet worden ist und die Grunderwerbsteuer-Forderung am 08.05.1998 zur Konkurstabelle angemeldet worden ist.

    Die Klin. beruft sich weiterhin darauf, dass FA habe es versäumt, sie zeitnah über die Schwierigkeit der Steuerbeitreibung zu unterrichten. Sie hätte bei einer zeitnahen Unterrichtung innerhalb der zweijährigen Frist nach § 16 GrEStG u.a. durch Herabsetzung der noch offenen Kaufpreisforderung von 1,5 Millionen DM eine niedrigere Steuerfestsetzung erreichen können und einen entsprechenden Antrag gestellt. Auch insoweit hat das Vorbringen der Klin. keinen Erfolg. Das FA hat zutreffend die Klin. erst dann über ihre mögliche Inanspruchnahme informiert, nachdem ernstlich mit dieser zu rechnen war. Dies war der Fall, nachdem die Q.-GmbH am 14.11.1997 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Das FA hat daraufhin der Klin. mit Schreiben vom 02.12.1998 deren Inanspruchnahme angekündigt. Es kann dahinstehen, ob das FA diese Ankündigung noch eher nach dem 14.11.1997 der Klin. hätte zuschicken müssen. Denn hierdurch bedingt hat die Klin. jedenfalls nicht versäumt, rechtzeitig innerhalb von zwei Jahren nach Entstehung der Steuer mit der Q.-GmbH eine Herabsetzung des Kaufpreises zu vereinbaren und dementsprechend einen Antrag auf Herabsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 16 Abs 3 Nr. 1 GrEStG zu stellen. Da die Grunderwerbsteuer bereits mit der Beurkundung der Annahme des Kaufvertragangebotes am 14.09.1995 entstanden war, war die Zwei-Jahres-Frist gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bereits vorher am 14.09.1997 abgelaufen.

    Soweit die Klin. im Schriftsatz vom 28.05.2002 vorsorglich und äußerst hilfsweise vorträgt, sie stelle hiermit gegenüber dem FA den Antrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG, da der Erwerbsvorgang durch eine Erklärung des Insolvenzverwalters rückgängig gemacht worden sei, kann dies der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Zum einen müsste über einen Antrag nach § 16 GrEStG zunächst das FA gesondert entscheiden (Boruttau, GrEStG, 14. Aufl. § 16 Rdn. 321). Bevor dies nicht geschehen ist, bleibt der festgesetzte Grunderwerbsteueranspruch zunächst bestehen. Zum anderen weist das FA zutreffend darauf hin, dass die Erklärung des Konkursverwalters unter Hinweis auf § 17 KO, den Vertrag nicht erfüllen zu wollen, keinen Antrag im Sinne des § 16 GrEStG darstellt, und dass der nunmehr im Klageverfahren gestellte Antrag nicht fristgerecht ist (§ 16 Abs. 4 GrEStG).

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 115 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) hierfür nicht vorliegen. Es handelt sich im vorliegenden Fall um die Entscheidung eines Einzelfalles auf der Grundlage der Rechtsgrundsätze der BFH-Rechtsprechung. Dies gilt auch für die Entscheidung, in welchen Fällen eine grobe Pflichtverletzung des zuständigen Beamten zu einer Verwirkung des Steueranspruches in einem Fall wie dem vorliegenden führen kann. In derartigen Fällen sind jeweils die Umstände des Einzelfalles maßgebend.

    VorschriftenGrEStG § 13, AO 1977 § 5, AO 1977 § 44