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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 20.08.2003 – 5 K 3894/01

    Der Wert einer mitverkauften handelsüblichen Markise, die mangels spezieller und individueller Ausrichtung auf das Gebäude keinen wesentlichen Bestandteil des Gebäudes i.S.d. § 94 Abs. 2 BGB darstellt, ist nicht in die Bemessungsgrundlage gem. § 8 GrEStG einzubeziehen.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob der Wert einer mitverkauften, angeschraubten Markise eines Hauses in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen ist.

    Mit notariell beurkundetem Vertrag vom … (UR.-Nr. …) des Notars J., der zugleich Prozessbevollmächtigter der Kläger in dem vorliegenden Verfahren ist, erwarben die Kläger zu gleichen Teilen den im Grundbuch von P. Blatt … verzeichneten Grundbesitz Gemarkung P., Flur … Nummer … zu einem Kaufpreis von … DM. Miterworben wurde gemäß § 2 des Kaufvertrages eine Markise, auf die gemäß § 3 des Kaufvertrages ein Betrag von … DM des Kaufpreises entfiel.

    Mit Grunderwerbsteuerbescheiden jeweils vom … setzte der Beklagte gegenüber beiden Klägern die Grunderwerbsteuer bei einem Steuersatz von 3,5 v.H. auf jeweils … DM fest. Hierbei legte er einen Kaufpreis von … DM zugrunde.

    Mit Schreiben ihres steuerlichen Vertreters vom … legten die Kläger gegen die vorgenannten Grunderwerbsteuerbescheide fristgerecht Einsprüche ein, mit der Begründung, dass der Wert der miterworbenen Markise nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sei. Bei der Markise handele es sich um eine bewegliche Sache. Sie sei lediglich an das Gebäude angeschraubt und könne jederzeit ohne weiteres abgenommen und an ein anderes Gebäude angebracht werden. Nur bei einem integrierten Einbau könne eine Markise ausnahmsweise wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes sein. Dies sei jedoch nicht der Fall. Diese Auffassung entspreche auch der Meinung der Rheinischen Notarkammer, wie sich aus der Kammermitteilung Nr. 11 vom November 1984 ergebe.

    Im Rahmen der Erörterung der Einsprüche verwies der Beklagte auf das zur Einkommensteuer ergangene Urteil des BFH vom 29.08.1989 IX R 176/84, BStBl II 1990, 430 und auf das zum Investitionszulagengesetz ergangene Urteil des Finanzgerichts des Landes Brandenburg vom 20.1.1998 3 K 1195/96, EFG 1998, 777, wonach eine Markise zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehöre bzw. kein bewegliches Wirtschaftsgut darstelle und deshalb nicht investitionszulagebegünstigt sei. Die Kläger hielten demgegenüber im Schriftsatz ihres steuerlichen Vertreters vom … diese Rechtsprechung und auch die vom Beklagten zitierte Kommentierung von Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuer, 14. Auflage § 2 Rdnr. 46, für nicht einschlägig.

    Mit zusammengefasster Einspruchsentscheidung vom … wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Seiner Ansicht nach ist die Markise wesentlicher Bestandteil des Gebäudes ohne Scheinbestandteil zu sein. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

    Hiergegen richtet sich die vorliegende, am 28.06.2001 fristgerecht bei Gericht eingegangene Klage, mit der die Kläger ihr Begehren weiter verfolgen und zu deren Begründung sie mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom … auf ihren Vortrag im Vorverfahren Bezug nehmen.

    Die Kläger beantragen sinngemäß,

    unter Abänderung der Grunderwerbsteuerbescheide vom … und unter Aufhebung der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung die Grunderwerbsteuer auf jeweils … DM festzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung und auf die beiden darin zitierten Urteile des BFH und des FG des Landes Brandenburg.

    Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verzichtet.

    Gründe

    Die Klage ist begründet.

    Der auf die Markise entfallende Kaufpreis von … DM stellt keine Gegenleistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) dar und ist daher nicht in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer i.S. des § 8 GrEStG einzubeziehen.

    1. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 GrEStG ist nur der Erwerb inländischer Grundstücke steuerbar. „Grundstück” in diesem Sinne ist ein abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, der im Grundbuch „eine besondere Stelle” hat (§§ 3, 4 der Grundbuchordnung -GBO –). Zum Grundstück gehören neben dem Grund und Boden seine Bestandteile, insbesondere die wesentlichen Bestandteile i.S. der §§ 93, 94 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), soweit sie nicht Scheinbestandteile i.S. des § 95 BGB sind. Nicht zum Grundstück gehört das Zubehör i.S. des § 97 BGB.

    „Wesentliche Bestandteile” sind nach der Legaldefinition des § 93 BGB solche Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. § 94 BGB erweitert den Begriff des wesentlichen Bestandteils: Gemäß Abs. 1 gehören zu den wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen. Hinsichtlich der Gebäude selbst bestimmt § 94 Abs. 2 BGB, dass zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes die zur Herstellung eines Gebäudes eingefügten Sachen gehören. Von entscheidender Bedeutung sind dabei Art und Zweck des Gebäudes. Für die Feststellung, ob es sich um einen wesentlichen Bestandteil handelt, ist die der bürgerlich-rechtlichen folgende grunderwerbsteuerliche Beurteilung von der ertragsteuerlichen Abgrenzung der Anschaffungs- und Herstellungskosten unabhängig (Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuer, § 2 Rdnr. 46). „Eingefügt” i. S. des § 94 Abs. 2 BGB sind alle Sachen, ohne die das Gebäude nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des Willens des Errichtenden nicht fertig ist. Auf eine feste Verbindung kommt es bei der Einfügung nicht an (Bundesgerichtshof – BGH –, Urteil vom 10. Februar 1978 V ZR 33/76, NJW 1978, 1311).

    Von den Bestandteilen zu unterscheiden ist das Zubehör. Nach der Legaldefinition des § 97 BGB sind Zubehör bewegliche Sachen, die – ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein – dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen.

    2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen stellt die zum Preis von … DM erworbene Markise entgegen der Auffassung des Beklagten keinen wesentlichen Grundstücksbestandteil (Gebäudebestandteil) dar. Soweit der Beklagte insoweit die Auffassung vertritt (Einspruchsentscheidung vom … und Schriftsatz vom …, Bl. 22), die Markise sei deshalb wesentlicher Bestandteil des Gebäudes, weil sie diesem „ein besonderes Gepräge” gebe (so auch BGH-Urteil vom 27. September 1978 V ZR 36/77, NJW 1979, 712), ist diese Auffassung nicht nachvollziehbar. Eine mit Schrauben und Dübeln angebrachte Markise kann einem Gebäude keineswegs „ein besonderes Gepräge” geben. Ein Gebäude wird vielmehr durch besondere Stilelemente geprägt, so z.B. durch eine besondere Form des Daches oder durch Rundbogenfenster und überhaupt durch eine besondere, sich von der Mehrzahl vergleichbarer Häuser abhebende besondere architektonische Gestaltung. Der Beklagte kann sich für seine Auffassung auch nicht auf das BFH-Urteil vom 29. August 1989 IX R 176/84, BStBl. II 1990, 430, beziehen. In jenem Urteil hat der BFH zwar – allerdings ohne Begründung – entschieden, dass eine Markise dem Gebäude ein besonderes Gepräge gebe. Der Beklagte übersieht aber offenbar, dass diese Entscheidung des BFH zu der ertragsteuerlichen Frage der Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen ergangen ist und dass in jenem Streitfall die Aufwendungen für eine nachträglich angebrachte Markise als nachträgliche Herstellungskosten des Gebäudes qualifiziert wurden. Die grunderwerbsteuerliche Beurteilung ist jedoch von der ertragsteuerlichen unabhängig ( Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuer, § 2 Rdnr. 46). Ebenso wenig einschlägig ist das weitere vom Beklagten zitierte Urteil des Finanzgerichts des Landes Brandenburg vom 20. Januar 1998 3 K 1195/96 I, das zu der Frage ergangen ist, ob die Markise einer Schneidereiboutique investitionszulagebegünstigt ist.

    Die zahlreichen Beispiele in Boruttau, Grunderwerbsteuer, § 2 Rdnr. 46 (ebenso Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, § 2 Rdnr. 8), zeigen vielmehr, dass die Bestandteile eines Gebäudes dann als „wesentlich” angesehen werden, wenn sie auf das jeweilige Gebäude bezogen individuell ausgerichtet sind, so z.B. Türen und Fensterflügel, an der Wand befestigte Täfelungen, der aufgeklebte oder festgenagelte Linoleum- oder Kunststofffußboden, der aufgeklebte Teppichbelag etc.. Auch Einbaumöbel, soweit sie speziell auf das Gebäude abgestimmt wurden und/oder im Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes aufgestellt wurden, werden nach der Verkehrsanschauung als wesentliche Bestandteile angesehen (so BFH-Urteil vom 10. Dezember 1970 IV 227/65, DB 1971, 656). Soweit Einbaumöbel aber Serienanfertigungen sind und jederzeit wieder an anderer Stelle aufgebaut werden können, sind sie nicht als „eingefügt” anzusehen (vgl. BFH-Urteile vom 1. Dezember 1970 VI R 358/69, BStBl. II 1971, 162; vom 29. Oktober 1976 VI R 127/73, BStBl. II 77, 152). Entsprechendes muss für eine handelsübliche Markise gelten, die lediglich mit Schrauben und Dübeln an der Außenmauer angebracht ist, jederzeit entfernt und an einem anderen Haus wieder angebracht werden kann. Dass es sich im Streitfall um eine solche handelsübliche, nicht speziell für das erworbene Gebäude hergestellte und individuell angepasste Markise handelt, ist von den Klägern sowohl im Vorverfahren als auch im Klageverfahren substantiiert vorgetragen worden; der Beklagte hat dieser Darstellung nicht widersprochen. Der Senat sieht daher keine Veranlassung, an der Darstellung der Kläger zu zweifeln.

    Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob die Markise Scheinbestandteil i.S. des § 95 BGB oder Zubehör i.S. des 97 BGB ist. Denn in beiden Fällen wäre sie nicht Grundstücksbestandteil und damit nicht steuerbar i.S. des Grunderwerbsteuerrechts.

    Der Senat hat auch keine Bedenken hinsichtlich des von den Vertragsbeteiligten in dem Kaufvertrag angesetzten auf die Markise entfallenden Preises von … DM, zumal der Beklagte hiergegen keine Einwendungen erhoben hat. Demzufolge war die Bemessungsgrundlage für die Gegenleistung auf jeweils … DM herabzusetzen und die Grunderwerbsteuer bei einem Steuersatz von 3,5% auf jeweils … DM festzusetzen.

    Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenGrEStG § 1 Abs 1 S, GrEStG § 8, GrEStG § 9 Abs 1, GrEStG § 9 Abs 1, BGB § 93, BGB § 94 Abs 1, BGB § 94 Abs 2, GrEStG § 1 Abs 1